Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 148/2006
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B 148/06

Urteil vom 27. Juli 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

T. ________, 1968, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ulrich Würgler, Merkurstrasse 25, 8400
Winterthur,

gegen

Pensionskasse Schweizerischer Regionalbanken, Stampfenbachstrasse 142, 8042
Zürich, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Glättli, Mühlebachstrasse 32,
8008 Zürich.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. September 2006.

Sachverhalt:

A.
T. ________ (geboren 1968) bezog nach Absolvierung der Hotelfachschule in
X.________ als eidgenössisch diplomierter Hotelier Taggelder der
Arbeitslosenversicherung und arbeitete jeweils für die Dauer von einigen
Wochen bis Monaten an verschiedenen Stellen.

Am 13. September 2000 trat er bei der Gewerbebank Y.________ eine Stelle als
Mitarbeiter im Wertschriften-Backoffice an und war damit für die berufliche
Vorsorge bei der Pensionskasse Schweizerischer Regionalbanken versichert. Am
31. Januar 2002 löste die Bank das Arbeitsverhältnis mit T.________ wegen
störenden und rufschädigenden Verhaltens sowie unentschuldigter Absenzen
fristlos auf (Auskunft zuhanden der Invalidenversicherung vom 28. Juli 2003).
Seit 1. Januar 2003 bezieht T.________ gemäss Verfügung der IV-Stelle des
Kantons Zürich vom 28. Oktober 2003 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine
ganze Rente der Invalidenversicherung.

Am 14. September 2004 lehnte es die Pensionskasse ab, T.________
Invalidenleistungen auszurichten.

B.
Am 9. Mai 2006 liess T.________ beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich Klage einreichen mit dem Antrag, die Pensionskasse Schweizerischer
Regionalbanken sei zu verpflichten, ihm ab 1. Januar 2003 eine Invalidenrente
auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 100 %, zuzüglich Zins zu 5 %
auf den verfallenen Leistungen seit Klageeinleitung, zu bezahlen. Mit
Entscheid vom 28. September 2006 wies das Sozialversicherungsgericht die
Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt T.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern. Ferner ersucht er um die Bewilligung der
unentgeltlichen Verbeiständung.
Während die Pensionskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine
Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht
auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die
Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an
die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten
hinausgehen (Art. 132 OG).

3.
Im angefochtenen Entscheid sind die hier anwendbaren, bis Ende 2004 gültig
gewesenen Bestimmungen über den Anspruch auf Invalidenleistungen der
beruflichen Vorsorge (Art. 23 BVG), den Umfang der Invalidenleistungen (Art.
24 Abs. 1 BVG) und den Beginn des Anspruchs (Art. 26 BVG) sowie Beginn und
Ende der Versicherung (Art. 10 Abs. 1 - 3 BVG) zutreffend wiedergegeben.
Richtig dargelegt hat die Vorinstanz auch die Rechtsprechung zur
Leistungspflicht einer Vorsorgeeinrichtung für das nach Beendigung des
Vorsorgeverhältnisses eingetretene Invaliditätsrisiko bei Vorliegen eines
engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfähigkeit und
Invalidität (BGE 123 V 262 E. 1c S. 264, 120 V 112 E. 2c S. 117). Darauf kann
verwiesen werden.

4.
Streitig und zu prüfen ist in erster Linie, ob die Arbeitsunfähigkeit, deren
Ursache zu einer Erwerbsunfähigkeit mit Zusprechung einer ganzen Rente der
Invalidenversicherung ab 1. Januar 2003 führte, während des
Anstellungsverhältnisses des Beschwerdeführers bei der damaligen Gewerbebank
Y.________ vom 13. September 2000 bis 31. Januar 2002 (zuzüglich
Nachdeckungsfrist von einem Monat gemäss Art. 10 Abs. 3 Satz 1 BVG)
eingetreten ist. Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, ist diese Frage
unabhängig von den Feststellungen der IV-Stelle zu prüfen, weil die
Pensionskasse nicht in das Verfahren der Invalidenversicherung einbezogen
wurde (BGE 132 V 1 E. 3.3.2 S. 5).

4.1 Der Psychiater Dr. med. H.________ diagnostizierte im Bericht zuhanden
der Invalidenversicherung vom 29. August 2003 nebst einem Tinnitus eine seit
Jahren bestehende narzisstisch-neurotische Persönlichkeitsstörung und
schätzte die Arbeitsunfähigkeit des Versicherten seit Dezember 2001 auf 90 -
100 %. In einem undatierten Beiblatt (vermutlich zum erwähnten Arztbericht)
äusserte sich Dr. H.________ ausführlich zu den Aspekten des Krankheitsbildes
und erklärte, dass und weshalb die Arbeitsfähigkeit nach wie vor zu 90 %
eingeschränkt sei. Zum Beginn der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit
nahm er jedoch nicht Stellung. Ein weiteres vom Beschwerdeführer
eingereichtes Schreiben des Dr. med. H.________ datiert vom 30. Oktober 2006.
Der Psychiater führt darin aus, der Versicherte habe seine letzte Stelle in
einem gewissen Gleichgewicht angetreten. Eine Persönlichkeitsstörung
impliziere keine Arbeitsunfähigkeit. Die Diagnose einer solchen Störung
allein bedinge nicht in jedem Fall einen Krankheitszustand. Es handle sich
vielmehr um eine Beschreibung einer potenziellen Reaktionsweise, einer
Eigenheit im Gebrauch von Ressourcen bei Problembewältigungen -
Krankheitswert bekomme die Disposition im Zusammenhang mit situativen
Bedingungen bzw. mit emotionellen Erschütterungen. (....). Erst durch das
belastende Ereignis - hier eines um die Auflösung einer Beziehung - erfolge
jeweils auch die emotionale Dekompensation. Die Lebengsgeschichte bzw. die
Chronologie des Geschehens weise denn auch hier keinen andern als diesen
natürlichen Verlauf und Zusammenhang aus. Ohne dieses zusätzliche Geschehen
könne davon ausgegangen werden, dass der Versicherte damals seine Arbeit
behalten hätte. Darüber hinaus fehlen Angaben aus ärztlicher Sicht zum
Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit.

4.2 Die Vorinstanz stellte wesentlich darauf ab, dass der Beschwerdeführer
seine früheren Arbeitsstellen allesamt nach kurzer Zeit wieder verloren
hatte, woraus sie schloss, dass er bereits bei Arbeitsbeginn bei der
damaligen Gewerbebank erheblich in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt gewesen
sei. Darauf deute auch sein Verhalten an dieser Stelle hin.

4.3 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Von Bedeutung im
Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit ist beispielsweise die
Mitarbeiterbeurteilung vom 13. Januar 2001, vier Monate nach Arbeitsaufnahme
bei der Bank. Im entsprechenden Formular findet sich zweimal die
Qualifikation "gut", sechsmal die Qualifikation "in Ordnung" und viermal die
Qualifikation "erfüllt Anforderungen knapp". Hingegen wurde der
Beschwerdeführer in keinem Arbeitsbereich als ungenügend eingestuft. Da eine
Leistungsbeurteilung durch Vorgesetzte Qualität und Quantität der Arbeit
umfasst, hat sie mit Bezug auf die Arbeitsfähigkeit etwelche Aussagekraft und
kann nicht leichthin umgangen werden. Hinzu kommt, dass die Arbeitgeberin dem
Versicherten Ende Mai 2001, über acht Monate nach Stellenantritt, eine
Steigerung der Leistungen seit dem Qualifikationsgespräch attestierte. Dass
der Versicherte während der ganzen Dauer des Anstellungsverhältnisses
auffällige Verhaltensweisen an den Tag legte und deswegen am 28. Mai 2001
schriftlich verwarnt werden musste, mag zutreffen, lässt aber - auch unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass die früheren Arbeitsverhältnisse nach
kurzer Zeit aufgelöst wurden, nicht auf vorbestehende Arbeitsunfähigkeit
schliessen. Angesichts der dürftigen medizinischen Aktenlage sind ergänzende
fachärztliche Abklärungen zur Frage, in welchem Zeitpunkt die
Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, deren Ursache zur Invalidität mit
Zusprechung einer ganzen Rente der Invalidenversicherung ab 1. Januar 2003
bei einem Invaliditätsgrad von 100 % führte, unumgänglich. Die Vorinstanz, an
welche die Sache zurückzuweisen ist, wird ein psychiatrisches Gutachten
einholen. Dieses wird Aufschluss darüber zu geben haben, ob die
Arbeitsfähigkeit des Versicherten bereits bei Eintritt in die Gewerbebank in
erheblichem Ausmass (etwa 20 %) beeinträchtigt war, wie das kantonale Gericht
annimmt, oder ob der Beginn der Arbeitsunfähigkeit in die Zeit fällt, während
welcher der Versicherte dort beschäftigt war, wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht wird. Gestützt auf die
Ergebnisse der Begutachtung wird das Sozialversicherungsgericht über die
Klage neu entscheiden.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
hat die Pensionskasse dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu
bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung ist damit gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
angefochtene Entscheid vom 28. September 2006 aufgehoben und die Sache an das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit es,
nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Klage des
Versicherten neu entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Pensionskasse Schweizerischer Regionalbanken hat dem Beschwerdeführer für
das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.-
(einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 27. Juli 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: