Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 134/2006
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 7}
B 134/06

Urteil vom 12. März 2008
II. sozialrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Borella, Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

Parteien
D.________, 1961, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin
Steiner, 8032 Zürich,

gegen

Vorsorgestiftung der Schweizerischen Landwirtschaft, Laurstrasse 10, 5201
Brugg, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des
Kantons Aargau vom 22. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1961 geborene D.________ bewirtschaftete seit 1996 zusammen mit A.________
als einfache Gesellschaft den von der Stadt X.________ gepachteten
Landwirtschaftsbetrieb Y.________. Als sein Mitpächter auf den 1. Januar 2006
einen eigenen Betrieb erwerben konnte, ergab sich Finanzierungsbedarf für die
Auszahlung des Eigenkapitals an den Partner und Investitionen in eine
rationellere Raufutteranlage im Rahmen von Fr. 600'000.-. Zur teilweisen
Finanzierung wollte D.________ auf die Mittel der 2. Säule greifen, die Ende
Dezember 2005 Fr. 321'573.- ausmachten. Er kündigte daher mit Schreiben vom 18.
August 2005 seine Risikoschutz-Versicherungen und den Sparplan beim beruflichen
Vorsorgeversicherer, der Vorsorgestiftung der Schweizerischen Landwirtschaft,
auf den 31. Dezember 2005 und verlangte die Barauszahlung der geäufneten
Mittel. Der Vorsorgeversicherer lehnte dies am 22. November 2005 ab, weil nach
der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen BVG-Revision eine Barauszahlung des
Altersguthabens auch an Selbstständigerwerbende nicht mehr zulässig sei.

B.
Am 6. März 2006 liess D.________ beim Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Klage gegen die Vorsorgestiftung der Schweizerischen Landwirtschaft einreichen
mit dem Rechtsbegehren, diese sei zu verpflichten, ihm die Austrittsleistung im
Betrag von Fr. 321'573.-, zuzüglich Zinsen seit 31. Dezember 2005, bar
auszubezahlen. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, mit den
Investitionen längerfristig seine Existenz und damit auch den weiteren Aufbau
seiner Altersvorsorge zu sichern. Das Gesetz verhindere eine Barauszahlung für
werterhaltende Investitionen nicht. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau
wies die Klage nach Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels ab
(Entscheid vom 22. August 2006).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ den Antrag auf Barauszahlung
erneuern.

Die Vorsorgestiftung und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV)
schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist
am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene
Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art.
132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Beim Prozess um Austrittsleistungen (Entstehung, Höhe, Erfüllung usw.) handelt
es sich um einen Streit um Versicherungsleistungen, weshalb sich die
Überprüfungsbefugnis nach Art. 132 OG richtet (BGE 114 V 36 E. 1c). Danach ist
die Kognition nicht auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich
Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt
sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung. Das Gericht ist
dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten
oder Ungunsten hinausgehen. Ferner ist das Verfahren regelmässig kostenlos
(Art. 134 OG; BGE 129 V 251 E. 1.2 S. 254, 126 V 163 E. 1 S. 166).

3.
3.1 Selbstständigerwerbende sind dem Obligatorium der beruflichen Vorsorge
nicht von Gesetzes wegen unterstellt. Ihnen soll jedoch die Möglichkeit einer
freiwilligen Unterstellung offenstehen (Art. 113 Abs. 2 lit. d BV). Dieser
Verfassungsauftrag ist als Grundsatz in Art. 4 BVG übernommen und in Art. 44
und 45 BVG konkretisiert worden (Stauffer, Berufliche Vorsorge, Zürich 2005, S.
195 Rz. 511). Art. 4 BVG regelt die freiwillige Versicherung in der beruflichen
Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge: Arbeitnehmer und
Selbstständigerwerbende, die der obligatorischen Versicherung nicht unterstellt
sind, können sich nach diesem Gesetz freiwillig versichern lassen (Abs. 1). Die
Bestimmungen über die obligatorische Versicherung, insbesondere die in Art. 8
festgesetzten Einkommensgrenzen, gelten sinngemäss für die freiwillige
Versicherung (Abs. 2).

3.2 Am 1. Januar 2005 ist die 1. BVG-Revision gemäss Bundesgesetz vom 3.
Oktober 2003 in Kraft getreten (AS 2004 1700). Art. 4 Abs. 3 und 4 BVG enthält
neue Regelungen für die freiwillige Versicherung der Selbstständigerwerbenden.
Abs. 3 bestimmt:
"Selbstständigerwerbende haben ausserdem die Möglichkeit, sich ausschliesslich
bei einer Vorsorgeeinrichtung im Bereich der weitergehenden Vorsorge,
insbesondere auch bei einer Vorsorgeeinrichtung, die nicht im Register für
berufliche Vorsorge eingetragen ist, zu versichern. In diesem Fall finden die
Absätze 1 und 2 keine Anwendung."
Art. 4 Abs. 4 BVG lautet wie folgt:
"Die von den Selbstständigerwerbenden geleisteten Beiträge und Einlagen in die
Vorsorgeeinrichtung müssen dauernd der beruflichen Vorsorge dienen."

"Les cotisations et montants versés par des indépendants à une institution de
prévoyance professionnelle doivent être affectés durablement à la prévoyance
professionnelle."
"I contributi e i conferimenti degli indipendenti all'istituto di previdenza
devono essere devoluti durevolmente alla previdenza professionale."

3.3 Im Rahmen der Umsetzung des Gesetzes hat das Eidgenössische Departement des
Innern am 14. Januar 2005 einen Entwurf der Änderung der BVV 2 zum 3. Paket der
1. BVG-Revision in Vernehmlassung gegeben. Der Entwurf enthielt u.a. als neuen
Art. 32a unter der Überschrift "Investitionen in den Betrieb (Art. 4 Abs. 4
BVG)" folgende Bestimmung:
"Selbstständigerwerbende, welche gemäss Art. 4 Absatz 3 BVG freiwillig
versichert sind, können von ihrer Vorsorgeeinrichtung einen einmaligen Vorbezug
bis zur Höhe ihrer Austrittsleistung für Investitionen in den Betrieb
verlangen. Ein solcher Vorbezug kann bis 3 Jahre vor Entstehung des Anspruchs
auf Altersleistungen geltend gemacht werden. Die Art. 30c Absätze 4 und 5 und
79b Absätze 3 und 4 BVG sowie Art. 5, 6, 7, 11, 13 und 14 WEFV sind sinngemäss
anwendbar."
Im Bericht zur Vernehmlassung wurde dazu erläutert, die Gesetzesrevision habe
Art. 4 Abs. 3 BVG eingeführt, nach dem Selbstständigerwerbende eine
überobligatorische Vorsorge betreiben können, ohne gleichzeitig eine Vorsorge
aufzubauen, welche die Mindestbestimmungen des BVG erfülle. Als Ergänzung dazu
werde in Absatz 4 jedoch festgehalten, dass die Beiträge der
Selbstständigerwerbenden dauernd der beruflichen Vorsorge dienen müssen und
nicht jederzeit auf Grund der selbstständigen Erwerbstätigkeit bar ausbezahlt
werden können. Davon soll jedoch eine Ausnahme gemacht werden können für eine
einmalige Investition in den eigenen Betrieb, da es für die Vorsorge des
Selbstständigerwerbenden unter Umständen langfristig wichtig sei, den Wert
seines Betriebes zu erhalten. Solche Investitionen könnten jedoch nur bis
spätestens drei Jahre vor dem Entstehen des Anspruchs auf Altersleistungen
gewährt werden.
Eine derartige Bestimmung fand nie Eingang in die BVV 2. Aus der "Synthese der
Resultate des Vernehmlassungsverfahrens" in den Mitteilungen über die
berufliche Vorsorge Nr. 83 vom 16. Juni 2005 lässt sich dazu erfahren, dass die
erdrückende Mehrheit der Kantone mit einzelnen Verbänden und Parteien einen
solchen Artikel missbilligten, weil er im Widerspruch zu Art. 4 Abs. 4 BVG
stehe, wonach die geleisteten Beiträge und Einlagen dauernd der beruflichen
Vorsorge dienen müssen; im Übrigen fehle eine ausdrückliche gesetzliche
Grundlage. Nur ein Kanton (LU) und eine Organisation (ARGOS) stimmten der
Vorlage mit weiteren Missbrauchskautelen zu. Sogar die Kommission für Soziale
Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) äusserte sich kritisch und
warf die Frage nach weiteren Einschränkungen auf. Eine andere Minderheit der
Vernehmlasser begrüsste eine solche Bestimmung, teils sogar als "absolut
notwendig" (Schweizerischer Bauernverband); andere wollten eine noch weiter
gehende Fassung des Inhalts.

4.
Streitig und zu entscheiden ist, ob der Beschwerdeführer berechtigt ist, nach
Kündigung der freiwilligen beruflichen Vorsorgeversicherung die Barauszahlung
seines angesparten Alterskapitals zu verlangen, oder ob dieses auf ein
Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice zu überweisen ist. Dies
hängt von der Interpretation von Art. 4 Abs. 4 BVG ab.

4.1 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem
Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis
einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung
hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm
darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte
Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge,
ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der Ratio legis. Dabei befolgt das
Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich
ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu
unterstellen (BGE 128 I 34 E. 3b S. 40). Es können auch die Gesetzesmaterialien
beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben
und dem Richter damit weiterhelfen (BGE 132 III 707 E. 2 S. 710).
Die Vorarbeiten sind für die Gesetzesinterpretation weder verbindlich noch für
die Auslegung unmittelbar entscheidend; denn ein Gesetz entfaltet ein
eigenständiges, vom Willen des Gesetzgebers unabhängiges Dasein, sobald es in
Kraft getreten ist. Insbesondere sind Äusserungen von Stellen oder Personen,
die bei der Vorbereitung mitgewirkt haben, nicht massgebend, wenn sie im
Gesetzestext nicht selber zum Ausdruck kommen. Das gilt selbst für Äusserungen,
die unwidersprochen geblieben sind. Als verbindlich für den Richter und die
Richterin können nur die Normen selber gelten, die von der gesetzgebenden
Behörde in der hierfür vorgesehenen Form erlassen worden sind. Das bedeutet nun
nicht, dass die Gesetzesmaterialien methodisch unbeachtlich wären; sie können
namentlich dann, wenn eine Bestimmung unklar ist oder verschiedene, einander
widersprechende Auslegungen zulässt, ein wertvolles Hilfsmittel sein, um den
Sinn der Norm zu erkennen und damit falsche Auslegungen zu vermeiden. Wo die
Materialien keine klare Antwort geben, sind sie als Auslegungshilfe nicht
dienlich. Insbesondere bei verhältnismässig jungen Gesetzen darf der Wille des
historischen Gesetzgebers nicht übergangen werden. Hat dieser Wille jedoch im
Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden, so ist er für die Auslegung nicht
entscheidend. Ist in der Gesetzesberatung insbesondere ein Antrag, das Gesetz
sei im Sinne einer nunmehr vertretenen Auslegungsmöglichkeit zu ergänzen,
ausdrücklich abgelehnt worden, dann darf diese Auslegungsmöglichkeit später
nicht in Betracht gezogen werden (BGE 130 V 475 E. 6.5.1, 126 V 107 E. 3b, 439
E. 3b, 124 II 200 E. 5c, 124 III 129 E. 1b/aa, 124 V 189 E. 3a, je mit
Hinweisen).

4.2 Wie das kantonale Gericht zunächst festhält, ist Abs. 4 von Art. 4 BVG im
Nationalrat auf Grund eines Antrages von Nationalrat Bortoluzzi im Namen der
Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK-N) ohne weitere Beratung
in das Gesetz aufgenommen worden. Das Votum lautet:
"Zu Absatz 4: Hier geht es um die Zweckgebundenheit der Vorsorgemittel bei der
freiwilligen Versicherung. Es ist ja so, dass die Selbstständigerwerbenden
jederzeit aus ihrer Vorsorgeeinrichtung austreten und die bedingungslose
Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung verlangen können. Das wird aufgrund
eines Entscheides des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes so gehandhabt. In
einem solchen Fall wird die Kapitalauszahlung oft dem Konsum zugeführt, einem
Konsum, der mit der Vorsorge, also mit dem Grundsatz der beruflichen Vorsorge,
nichts zu tun hat. Das sind offensichtliche Missbräuche. Das mag für
diejenigen, die nur darauf aus sind, solche Lücken zu nutzen, interessant sein.
Aber es geht nicht an, dass der Gesetzgeber solchen Missbräuchen Vorschub
leistet. Solche Alibiaustritte mit Barauszahlungen werden allein aus Gründen
der Steuereinsparung gemacht. Das geht nicht an. Eine dauernde und
ausschliessliche Zweckgebundenheit der in der Vorsorgeeinrichtung geleisteten
Mittel ist bei einem Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung nicht mehr gegeben.

Damit solche Transaktionen vermieden werden können, beantragt Ihnen die
Kommission die Aufnahme dieses neuen Absatzes 4.
Es geht allerdings auch nicht darum, es den Selbstständigerwerbenden zu
verunmöglichen, Wohneigentumseinlagen oder betriebsbezogene werterhaltende
Investitionen zu tätigen. Das möchte ich hier deutlich sagen; ich bin ja auch
ein Selbstständigerwerbender, nicht wahr? Ich glaube, im Sinne der Vorsorge
können solche Massnahmen auch mit diesem neuen Artikel getroffen werden. Aber
es geht wirklich darum, Missbräuche, die hier offensichtlich stattfinden, zu
verhindern." (Amtl.Bull. N 2003 S. 624).
Nach Ansicht der Vorinstanz ist der Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 BVG klar; auch
die von Selbstständigerwerbenden geleisteten Beiträge und Einlagen in
Vorsorgeeinrichtungen müssten dauernd im System der beruflichen Vorsorge
bleiben; es sei unbestritten, dass die Mittel der beruflichen Vorsorge
zweckgebunden sind. Dem diene nicht zuletzt das Freizügigkeitsgesetz, das auch
das Ziel verfolge, den erworbenen Vorsorgeschutz zu erhalten:
Austrittsleistungen seien an die neue Vorsorgeeinrichtung zu überweisen (Art. 3
FZG). Wenn keine solche Einrichtung bestehe, sei der Vorsorgeschutz in einer
Form zu erhalten, welche die Mittel ausschliesslich und unwiderruflich der
Vorsorge widmet (Art. 4 Abs. 1 FZG in Verbindung mit Art. 10 FZV). Gebe der
Versicherte keine Instruktionen, werde das Geld der Auffangeinrichtung
überwiesen (Art. 4 Abs. 2 FZG). In Sonderfällen wie der Wohneigentumsförderung
oder der Teilung der Austrittsleistungen infolge Scheidung seien Vorschriften
zur Sicherung des Vorsorgezweckes erlassen worden (Art. 30e BVG und Art. 22
Abs. 1 FZG). Die einzige Ausnahme, bei welcher die Mittel der Vorsorge "bar"
ausbezahlt werden, sei in Art. 5 Abs. 1 FZG sehr restriktiv geregelt.
Zusammenfassend gelte, dass diejenigen Mittel, die der beruflichen Vorsorge
zugingen, grundsätzlich dem System erhalten bleiben. Anders wäre auch die
steuerrechtliche Förderung der Beitrags- und Einlagenzahlungen (vgl. BVV 3)
nicht zu rechtfertigen.

Mit dem neuen Abs. 4 von Art. 4 BVG habe man das durch die Rechtsprechung
ermöglichte Schlupfloch bei den Selbstständigerwerbenden stopfen wollen, da es
nicht angehen konnte, dass steuerlich privilegierte Beiträge und Einlagen in
der beruflichen Vorsorge dieser jederzeit beliebig wieder entzogen werden
konnten; durch diesen Missbrauch sei eine dauernde und ausschliessliche
Zweckgebundenheit der der Vorsorgeeinrichtung zugeflossenen Mittel nicht mehr
gegeben. Der klare Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 BVG gebe somit auch den Sinn der
Bestimmung wieder, wonach auch von Selbstständigerwerbenden geleistete Beiträge
und Einlagen in die berufliche Vorsorge dieser, ausser in den gesetzlich
vorgesehenen Fällen, nicht entzogen werden dürfen. Die Vorsorgeeinrichtung habe
daher zu Recht die vom Kläger beantragte Barauszahlung verweigert.

4.3 Unter der Herrschaft des vor der 1. BVG-Revision geltenden Rechts hatte das
Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 117 V 160 zum Anspruch auf
Barauszahlung nach Art. 30 Abs. 2 lit. b aBVG (heute Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG)
erkannt, dass die gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen über die
Barauszahlung einer Freizügigkeitsleistung an einen Arbeitnehmer, der eine
selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, nicht anwendbar sind, wenn ein (nach
Art. 4 Abs. 1 BVG) freiwillig versicherter Selbstständigerwerbender die
Vorsorgeeinrichtung verlässt und die Barauszahlung dieser Leistung verlangt. Es
bestehe keine gesetzliche Einschränkung des Rechts eines freiwillig
versicherten Selbstständigerwerbenden, die Barauszahlung seiner
Freizügigkeitsleistung zu verlangen, wenn er die Versicherung bei einer
Vorsorgeeinrichtung beende.

Stauffer (a.a.O., S. 198 Rz. 518) vertritt zu Art. 4 Abs. 4 BVG die Auffassung,
für alle von Selbstständigen geleisteten Beiträge und Einlagen in
Vorsorgeeinrichtungen gelte seit der 1. BVG-Revision, dass diese dauernd der
beruflichen Vorsorge dienen müssen. Diese erst im
Differenzbereinigungsverfahren vom Nationalrat aufgenommene Bestimmung solle
verhindern, dass durch einen Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung
zweckgebundene Vorsorgemittel abgezogen werden können, was als Missbrauch
erachtet werde. Die Möglichkeit, Vorsorgemittel unter Berufung darauf, als
Selbstständigerwerbender nicht dem Obligatorium zu unterstehen, jederzeit bar
zu beziehen, bestehe nicht mehr weiter. Mittel, die ein
Selbstständigerwerbender in eine Vorsorgeeinrichtung eingebracht hat, könnten
nicht mehr vor Erreichen eines Leistungsfalls oder nur bei Aufgabe der
selbstständigen Erwerbstätigkeit infolge Ausscheidens aus dem Erwerbsleben
(analog Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG) bezogen werden.

In der Tat unterbreitete die Eidgenössische Steuerverwaltung der SGK-N an der
Sitzung vom 2. Mai 2003 einen Bericht zur freiwilligen Versicherung (Art. 4
BVG), namentlich zur Zweckgebundenheit der Vorsorgemittel. Um Alibi-Austritte
mit Barauszahlungen allein im Hinblick auf Steuereinsparungen zu vermeiden und
solche Zweckentfremdungen zu unterbinden, wurde folgender neuer Art. 4 Abs. 4
BVG vorgeschlagen:
"Die von den Selbstständigerwerbenden geleisteten Beiträge und Einlagen in die
Vorsorgeeinrichtung müssen dauernd und ausschliesslich der beruflichen Vorsorge
dienen."
Die Kommission war sich einig, dass auch Selbstständigerwerbende Mittel für
Wohneigentum und Investitionen im Betrieb aus der beruflichen Vorsorge nutzen
können. Der Missbrauch durch zweckwidrige Verwendung für Konsumgüter usw.
sollte bekämpft werden. In der SGK-N wurde darauf hingewiesen, dass man sich in
der Sache einig sei. Wichtig sei, dass der Präsident im Nationalrat im Namen
der Kommission ein klärendes Wort spricht. Ein Gesetz basiere auf den
begleitenden Materialien, in welche auch die Voten im Ratsplenum Eingang
finden. Der Präsident werde genau erläutern können, was gemeint ist und was
nicht. Es könne nicht der Sinn sein, dass einem Bauern und einem
Gewerbetreibenden plötzlich Einschränkungen, welche die Kommission gar nicht
will, auferlegt würden. Dies lasse sich mit einer sauberen Erklärung, die zu
Protokoll geht, auffangen, ohne dass noch an vielen Gesetzen "herumgebastelt"
werden müsse. Des Weitern wurde aus den Reihen der Kommission noch die
Streichung des Wortes "ausschliesslich" im Entwurf beantragt, weil die Bauern
und Gewerbetreibenden befürchteten, dass man jede Form des Einsatzes solcher
Mittel unterbinden würde. Gleichzeitig sollte der Missbrauch aber verhindert
werden. Die SGK-N nahm den Antrag auf Streichung des Wortes "ausschliesslich"
an.

4.4 Die SGK-N war sich bewusst, dass der Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 BVG
Ausnahmen für Investitionen nicht entgegenstehen sollte. Der Nationalrat
stimmte Art. 4 Abs. 4 BVG in der vorgeschlagenen Fassung gemäss dem von der
Kommission verlangten Votum des Kommissionspräsidenten im Plenum ohne
Widerspruch zu. Auch die SGK-S pflichtete bei, der Ständerat selbst nahm diese
Bestimmung ebenfalls an. Diese Umstände sind für die Ermittlung der
gesetzgeberischen Regelungsabsicht relevant. Aus der Entstehungsgeschichte
ergibt sich der eindeutige Wille des Gesetzgebers, die sonst gesetzlich (BVG;
FZG) sehr streng normierte Zweckbindung von Mitteln der beruflichen Vorsorge
bei der freiwilligen beruflichen Vorsorge von Selbstständigerwerbenden zu
lockern, indem die Entnahme für betriebliche Investitionen ausgenommen ist.
Dies kommt zwar im Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 BVG nicht explizit zum Ausdruck.
Der Gesetzgeber hat die Entnahme von Beiträgen und Einlagen aus der
Vorsorgeeinrichtung für betriebliche Investitionen jedoch nicht als
Zweckentfremdung von Vorsorgemitteln qualifiziert und in diesem Sinne für
betriebliche Investitionen einen Sonderfall geschaffen. Diese normative
Ausrichtung von Art. 4 Abs. 4 BVG ist zu beachten. Dass einem Votum des
Kommissionspräsidenten vor den Räten auf Grund der klaren Materialienlage
ausschlaggebendes Gewicht zukommt, mag selten sein; dies ändert aber nichts an
der hier gebotenen Auslegung und Anwendung des Gesetzes. Diese Interpretation
wird übrigens durch die Tatsache gestützt, dass das im Entwurf des neuen Abs. 4
enthaltene Wort "ausschliesslich" im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses bewusst
gestrichen wurde, was den Weg für einen anderen Verwendungszweck, wie
betriebliche Investitionen, geebnet hat, der kein wirkliches
Missbrauchspotential aufweist.

Dass dies der Wille des Gesetzgebers ist, ergibt sich zwar aus keiner
sprachlichen Version des Wortlautes von Art. 4 Abs. 4 BVG, jedoch klar aus dem
Werdegang der Gesetzgebung. In die gleiche Richtung deutet, dass sich das BSV
entsprechend dem Gang des Gesetzgebungsprozesses anschickte, eine
Verordnungsbestimmung zu entwerfen, die mit dem Votum des
Kommissionspräsidenten in Einklang steht. Der Umstand, dass sich der Bundesrat
ans Werk machte, die Norm des Art. 4 Abs. 4 BVG mit dem erwähnten neuen Art.
32a BVV 2 zu konkretisieren, der den Vorbezug der Austrittsleistung für
Investitionen geregelt hätte, belegt eindrücklich, dass er selber mit der
Verwaltung eine gesetzliche Grundlage für diese Lösung erblickte und spricht
ebenfalls für eine vom kantonalen Gericht abweichende Interpretation von Art. 4
Abs. 4 BVG. Von einem Versehen beim Votum des Kommissionspräsidenten kann
entgegen der Auffassung der Vorinstanz keine Rede sein, hat doch die SGK-N ganz
bewusst im Hinblick auf die Materialien und eine Protokollerklärung ihres
Präsidenten darauf verzichtet, noch weiter an vielen Gesetzen "herumzubasteln",
wie sich ein Kommissionsmitglied anschaulich äusserte. Wenn das Departement auf
Grund der Reaktion der Kantone im Vernehmlassungsverfahren davon Abstand
genommen hat, das so beschlossene Gesetz in eine entsprechende
Verordnungsbestimmung umzusetzen, vermag dies die Gesetz gewordene Bestimmung
von Art. 4 Abs. 4 BVG, welcher beide Räte diskussionslos zugestimmt haben, nach
den für diese massgebenden normativen Zwecken nicht aus den Angeln zu heben.
Den Art. 4 Abs. 4 BVG zugrunde liegenden Willen des Gesetzgebers gilt es bei
einer neuen Gesetzesrevision zu respektieren, auch wenn er im Text des Erlasses
nur einen verhältnismässig schwachen Niederschlag gefunden hat.

Im Übrigen scheint der Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 BVG nur auf den ersten Blick
einer Auslegung im Sinne der vorstehenden Erwägungen nicht zugänglich zu sein.
Der Wortlaut stellt indessen nicht schon die Norm dar, sondern erst das an
Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz, das eine sachlich richtige
Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis
der Ratio legis, fordert (BGE 133 III 175 E. 3.3.1 S. 178). Der
Regelungsabsicht des Gesetzgebers beim Erlass von Art. 4 Abs. 4 BVG, die
berufliche Vorsorge eines selbstständigerwerbenden, freiwillig Versicherten
dauernd abzusichern, steht nicht entgegen, in klar bestimmten Schranken, z.B.
für Betriebsinvestitionen, den Vorbezug und die Barauszahlung von Beiträgen
sowie Einlagen in die Vorsorgeeinrichtung zuzulassen. Die Bestimmung ist
interpretationsbedürftig und nicht so absolut gewollt, wie sie geschriebenes
Gesetz geworden ist. Vorbezüge oder Barauszahlungen sind in einem beschränkten
Rahmen zugelassen, wenn sie dem Kerngehalt von Art. 4 Abs. 4 BVG nicht völlig
widersprechen. Dies kam auch an einer Sitzung der SGK-N vom 30./31. Januar 2002
zum Ausdruck.

4.5 Zum gleichen Ergebnis führt die Gesetzessystematik. Nach Art. 5 Abs. 1 lit.
b FZG können Versicherte die Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen,
wenn sie eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und der obligatorischen
beruflichen Vorsorge nicht mehr unterstehen. Kann sich somit der
Selbstständigerwerbende sogar das unfreiwillig als Unselbstständiger geäufnete
Freizügigkeitsguthaben bar auszahlen lassen, müsste es als systemwidrig und
widersprüchlich bezeichnet werden, wenn er zu vergleichbaren Zwecken sich das
freiwillig einbezahlte Guthaben nicht auszahlen lassen könnte.

4.6 Zudem widerspräche ein Barauszahlungsverbot in Fällen wie dem vorliegenden
der verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiwilligkeit der beruflichen
Vorsorge für Selbstständigerwerbende (Art. 113 Abs. 2 lit. d BV). Auch im
Lichte verfassungskonformer Auslegung (vgl. BGE 131 V 263 E. 5 S. 266 f. mit
Hinweisen) drängt es sich somit auf, die Barauszahlung der von
Selbstständigerwerbenden geäufneten Mittel zum Zwecke betrieblicher
Investitionen zuzulassen.

4.7 Der in Ausführung von Art. 4 Abs. 4 BVG im Vernehmlassungsverfahren
unterbreitete Entwurf von Art. 32a BVV 2 mit dem Titel "Investitionen in den
Betrieb (Art. 4 Abs. 4 BVG)" entspricht Sinn und Zweck des Gesetzes. Mangels
einer Ausführungsbestimmung erscheint es gerechtfertigt, die vorliegende
Streitsache sinngemäss nach den dortigen Kriterien zu beurteilen. Steht ein
Vorbezug zufolge Austritts aus der Vorsorgeeinrichtung nicht mehr zur
Diskussion, kann die Gesamtheit der Austrittsleistungen für
Betriebsinvestitionen zur Barauszahlung gefordert werden.

5.
Im hier zu entscheidenden Fall liegt es auf der Hand, dass die Erneuerung der
veralteten Raufutteranlage eine klassische betriebliche Investition darstellt.
Diese dient der Erhaltung des Betriebes und letztlich auch der
Existenzsicherung im Sinne der beruflichen Vorsorge. Soweit daher Mittel zu
diesem Zweck aus der Vorsorgeeinrichtung bezogen werden, ist dies zulässig,
nachdem eine Missbrauchskomponente auszuschliessen ist. Die Voraussetzungen für
die Barauszahlung sind daher ohne weiteres erfüllt. Gleiches gilt, soweit
Mittel aus der Vorsorgeeinrichtung für die Auszahlung des Geschäftspartners
beansprucht werden, geht es doch dabei um Investitionen in das Inventar. Der
Einsatz dieser Mittel dient letztlich ebenfalls der Betriebserhaltung und
Existenzsicherung, womit er auf der Ebene der beruflichen Vorsorge im weitesten
Sinne anzusiedeln ist. Nachdem die Vorsorgestiftung auch diesbezüglich keine
Missbrauchsargumente eingebracht hat und solche nicht ersichtlich sind, können
die Voraussetzungen für die Barauszahlung für diese Zwecksetzung, die mit der
betrieblichen Investition im engeren Sinn zusammenhängt, als erfüllt betrachtet
werden. Die Vorsorgestiftung der Schweizerischen Landwirtschaft ist daher zu
verpflichten, dem Beschwerdeführer die Austrittsleistung im Betrag von Fr.
321'573.- bar auszubezahlen.

6.
Der Beschwerdeführer beantragt, es seien ihm zuzüglich zur Austrittsleistung
von Fr. 321'573.- die seit 31. Dezember 2005 aufgelaufenen Zinsen bar
auszubezahlen.

6.1 Nach Art. 2 Abs. 3 FZG wird die Austrittsleistung mit dem Austritt aus der
Vorsorgeeinrichtung fällig; ab diesem Zeitpunkt ist sie nach Art. 15 Abs. 2 BVG
zu verzinsen. Überweist die Vorsorgeeinrichtung die fällige Austrittsleistung
nicht innert 30 Tagen, nachdem sie die notwendigen Angaben erhalten hat, so ist
ab Ende dieser Frist ein Verzugszins nach Art. 26 Abs. 2 FZG zu bezahlen (Art.
2 Abs. 4 FZG). Der Verzugszinssatz entspricht dem BVG-Mindestzinssatz plus
einem Prozent (Art. 7 FZV). Dieser Mindestzinssatz betrug nach Art. 12 BVV 2 ab
1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2007 2,5 % und wurde auf den 1. Januar 2008 auf
2,75 % erhöht (Fassung gemäss Ziff. I der Änderung der BVV 2 vom 5. September
2007, in Kraft seit 1. Januar 2008; AS 2007 4441).

6.2 Es ist Sache der am Recht stehenden Vorsorgestiftung, auf diesen
gesetzlichen und den reglementarischen Grundlagen die Verzinsung der
Barauszahlung zu berechnen und dem Beschwerdeführer den reglementarischen oder
gesetzlichen Zins zu entrichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des
Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 22. August 2006 wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer gegenüber der Vorsorgestiftung
der Schweizerischen Landwirtschaft Anspruch auf Barauszahlung der
Austrittsleistungen im Betrag von Fr. 321'573.- hat, wobei die
Austrittsleistung ab 31. Dezember 2005 im Sinne der Erwägungen zu verzinsen
ist.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 12. März 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Widmer