Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 12/2006
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Prozess {T 7}
B 12/06

Urteil vom 16. Oktober 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Widmer

C.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André
Largier, Sonneggstrasse 55, 8006 Zürich,

gegen

Pensionskasse SBB, Zieglerstrasse 29, 3000 Bern, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Sven Marguth, Aarbergergasse 21, 3011 Bern

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. Dezember 2005)

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene C.________ arbeitete seit 1987 als Gruppenchef im
Rangierdienst der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) und war bei der
Pensionskasse SBB für die berufliche Vorsorge versichert. Am 15. Juni 1999
zog er sich bei einem Unfall eine Verletzung am linken Knie zu. Für die
Folgen dieses Unfalls erbrachte die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 8. Juli 2002 sprach sie
C.________ nebst einer Integritätsentschädigung von 5 % ab 1. August 2002 auf
der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 30 % eine Invalidenrente zu.
Gemäss Einspracheentscheid vom 18. November 2003 sprach die IV-Stelle des
Kantons Zürich C.________ für die Zeit von Juni 2000 bis April 2002 eine
ganze und mit Wirkung ab 1. Mai 2002 bei einem Invaliditätsgrad von 43,2 %
eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu.
Mit Verfügung vom 7. September 2001 hatten die SBB das Arbeitsverhältnis mit
C.________ auf den 31. März 2002 unter Hinweis auf wiederholte Mängel im
Verhalten aufgelöst. Die Pensionskasse lehnte es in der Folge gestützt auf
ihr Reglement ab, dem Versicherten Invalidenleistungen auszurichten.

B.
Am 23. März 2005 liess C.________ beim Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich Klage einreichen mit dem Antrag, die Pensionskasse SBB sei zu
verpflichten, ihm rückwirkend ab August 2002 eine reglementarische
Invalidenpension auf der Basis eines Invaliditätsgrades von mindestens
43,2 %, zuzüglich Zins zu 5 %, zu bezahlen. Mit Entscheid vom 19. Dezember
2005 wies das Sozialversicherungsgericht die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern. Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für
Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73
BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in
sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 130 V 104 Erw. 1.1, 112 Erw. 3.1.2).

2.
2.1 Es steht fest und ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer keinen
Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge
nach BVG hat. Zu prüfen ist, ob ihm Leistungen aus der weitergehenden
Vorsorge aufgrund des Reglements der Pensionskasse der SBB, gültig ab
1. Januar 2001, zustehen, dessen hier interessierende Bestimmung (Art. 20) im
angefochtenen Entscheid wiedergegeben wurde, sodass darauf verwiesen wird.

2.2 Da in zeitlicher Hinsicht diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei
Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V
467 Erw. 1), sind entsprechend den Erwägungen der Vorinstanz die vor
Inkrafttreten der 1. BVG-Revision (am 1. April 2004, 1. Januar 2005 und
1. Januar 2006) gültig gewesenen Bestimmungen anwendbar. Nicht
Streitgegenstand bilden allfällige Ansprüche des Beschwerdeführers auf
obligatorische Leistungen aus der beruflichen Vorsorge ab 1. Januar 2007
gestützt auf die 1. BVG-Revision und deren Schlussbestimmungen. Die
Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Frage des anwendbaren
Rechts sind damit gegenstandslos.

3.
Art. 20 Abs. 1 des Reglements der Pensionskasse bestimmt, dass
Erwerbsinvalidität vorliegt, wenn das Arbeitsverhältnis eines Mitglieds
aufgelöst wird, weil das Mitglied infolge Krankheit oder Unfalls seine
bisherige Beschäftigung oder eine andere ihm zumutbare Erwerbstätigkeit nicht
mehr ausüben kann, und es bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache
zur Erwerbsinvalidität geführt hat, im Leistungsplan versichert war.

3.1 Nach Auffassung der Vorinstanz kann diese Reglementsbestimmung aufgrund
der massgebenden Auslegungskriterien (Vertrauensprinzip: BGE 122 V 146
Erw. 4c; Unklarheits- und Ungewöhnlichkeitsregel: BGE 116 V 222 Erw. 2) nur
so verstanden werden, dass eine anspruchsbegründende Erwerbsinvalidität dann
vorliegt, wenn der Grund der Auflösung des Arbeitsverhältnisses darin liegt,
dass die invalid gewordene Person ihre bisherige Beschäftigung oder eine
andere ihr zumutbare Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben kann. Der Umstand,
dass der Versicherte seine bisherige Arbeit nicht mehr zu verrichten vermag,
genüge somit nicht für die Begründung eines Anspruchs auf
Invalidenleistungen. Vielmehr sei vorausgesetzt, dass die versicherte Person
auch eine andere zumutbare Tätigkeit nicht mehr ausüben kann und ihr deswegen
die Kündigung ausgesprochen werden muss. Aufgrund des klaren Wortlautes sei
demnach erstellt, dass Rentenleistungen nur in Frage kommen, wenn der
Versicherte innerhalb der SBB nicht mehr beschäftigt werden kann, wobei
zunächst die Fortsetzung der angestammten Arbeit geprüft und, falls diese
nicht mehr möglich sei, eine zumutbare Erwerbstätigkeit innerhalb der
Unternehmung gesucht werde. Nur wenn sich eine solche Arbeit nicht finden
lasse und aus diesem Grund das Anstellungsverhältnis aufgelöst werde,
entstehe der Rentenanspruch.

3.2 Die Pensionskasse ist in der weitergehenden Vorsorge im Rahmen des BVG in
der Gestaltung ihrer Leistungen, in deren Finanzierung und in ihrer
Organisation frei (Art. 49 Abs. 1 BVG; BGE 130 V 369 Erw. 6.4 mit Hinweisen).
Die getroffene Regelung muss jedoch von Verfassungs wegen mit dem Grundsatz
von Treu und Glauben, dem Gleichbehandlungsgebot und dem Willkürverbot
vereinbar sein (BGE 130 V 376 Erw. 6.4 mit Hinweisen; zur Publikation in
BGE 132 V bestimmtes Urteil N. vom 28. April 2006, B 61/05). Das kantonale
Gericht hat einlässlich geprüft, ob die einschlägige Regelung der
Pensionskasse mit diesen Verfassungsgrundsätzen in Einklang steht, und ist
zum Schluss gelangt, dass Art. 20 des Reglements eine rechtsgleiche und
willkürfreie Behandlung der in der weitergehenden Vorsorge versicherten
Angestellten gewährleistet und auch nicht gegen Treu und Glauben verstösst.
Diesen umfassenden und zutreffenden Erwägungen ist zuzustimmen. Namentlich
verstösst die unterschiedliche Behandlung von Personen, welche trotz
gesundheitlicher Einschränkung bei den SBB bleiben und eine andere als die
ursprüngliche Tätigkeit ausüben, und von Personen, welche sich der
Wiedereingliederung entziehen, nicht gegen das Rechtsgleichheitsgebot von
Art. 8 BV. Vielmehr liegt eine sachlich begründete und gewollte
unterschiedliche Behandlung verschiedener Personengruppen vor, indem die
berufliche Wiedereingliederung gesundheitlich beeinträchtigter Mitarbeiter im
Einklang mit dem Grundsatz "Eingliederung vor Rente" gefördert wird. Ebenso
ist der Auslegung von Art. 20 Abs. 1 des Reglements durch die Vorinstanz
beizupflichten. Erwerbsinvalidität im Sinne dieser Bestimmung charakterisiert
sich dadurch, dass das Arbeitsverhältnis einer versicherten Person aufgelöst
wird, weil diese aus gesundheitlichen Gründen ihre bisherige Beschäftigung
und auch eine andere zumutbare Tätigkeit nicht mehr ausüben kann. Inwiefern
diese Regelung oder deren Auslegung durch das kantonale Gericht sachfremd
sein soll, ist entgegen den Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht ersichtlich. Sodann erfüllt der Beschwerdeführer die in Art. 21 f. des
Reglements umschriebenen Voraussetzungen für Leistungen wegen
Berufsinvalidität nicht, sodass es sich erübrigt, auf die diesbezüglichen
Ausführungen einzugehen. Dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine
Invalidenpension wegen Berufsinvalidität höher seien als diejenigen für den
Anspruch auf Leistungen wegen Erwerbsinvalidität, trifft sodann nicht zu. Das
Gegenteil ist richtig, ist doch Erwerbsinvalidität nur gegeben, wenn die
versicherte Person ihre Arbeitsfähigkeit auf dem gesamten für sie in Betracht
fallenden Arbeitsmarkt nicht mehr erwerblich verwerten kann.

4.
Was die Auflösung des Anstellungsverhältnisses mit dem Beschwerdeführer
gemäss rechtskräftiger Verfügung der SBB vom 7. September 2001 auf den
31. März 2002 und die Gründe, die dazu führten, betrifft, kann auf den
vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden. Wie das kantonale Gericht
richtig festgestellt hat, ist die innerbetriebliche Neuorientierung am
Verhalten des Beschwerdeführers gescheitert, der trotz medizinischer
Zumutbarkeit nicht Hand bot, einen Arbeitsversuch zu unternehmen. Die
Kündigung wurde in der Folge nicht aus medizinischen Gründen, sondern wegen
des Verhaltens des Beschwerdeführers ausgesprochen. Die Voraussetzungen für
den Anspruch auf Invalidenleistungen aus der weitergehenden Vorsorge gemäss
Reglement der Pensionskasse sind damit nicht erfüllt, woran die weiteren
Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts ändern.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 16. Oktober 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: