Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 125/2006
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Urteil vom 8. Mai 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

C. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Rainer L.
Fringeli, Riseten 5, 4208 Nunningen,

gegen

Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft,
Effingerstrasse 34, 3001 Bern, Beschwerdegegnerin.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 9. August 2006.

Sachverhalt:

A.
C. ________ (geboren 1944) war seit 18. August 1997 bei der Firma X.________
als Versicherungsberater im Aussendienst tätig. Die Generalagentur war seit
Januar 1996 der Sammelstiftung BVG der ELVIA Leben, Schweizerische
Lebensversicherungs-Gesellschaft, angeschlossen (seit 2002: Sammelstiftung
BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft; im Folgenden:
Sammelstiftung). Auf Ende Oktober 2000 wurde C.________ aus gesundheitlichen
Gründen entlassen. Im Januar 2000 hatte er sich unter Hinweis auf einen seit
September 1999 bestehenden Tinnitus bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug angemeldet. Mit Verfügungen vom 1. Juni 2001 sprach die
IV-Stelle des Kantons Basel-Land C.________ vom 1. Mai bis 31. Oktober 2000
bei einem Invaliditätsgrad von 50 % eine halbe und ab 1. November 2000 bei
einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung
zu.

Am 29. Mai 2001 stellte C.________ bei der Sammelstiftung ein Gesuch um
Ausrichtung einer Invalidenrente, welches die Vorsorgeeinrichtung mit
Schreiben vom 14. November 2001 über die obligatorischen Leistungen hinaus
abschlägig beschied, weil der Versicherte die Anzeigepflicht verletzt habe.

B.
C.________ liess beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Klage einreichen mit
den Anträgen, es sei ihm für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2000
zusätzlich zur Rente nach BVG eine halbe und ab 1. November 2000 eine ganze
Invalidenrente nach dem Reglement der Sammelstiftung zuzusprechen. Mit
Entscheid vom 9. August 2006 wies das Kantonsgericht die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern und zusätzlich beantragen, die
Sammelstiftung sei zu verpflichten, auf den geschuldeten Beträgen einen
Verzugszins von 5 % zu bezahlen.

Während die Sammelstiftung auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst und die Zusprechung einer Parteientschädigung zu Lasten des
Versicherten beansprucht, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen
auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205,1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer zusätzlich zu den
Invalidenleistungen der obligatorischen beruflichen Vorsorge nach BVG von der
Sammelstiftung die reglementarischen Invalidenleistungen aus der
weitergehenden Vorsorge beanspruchen kann. Während die Vorinstanz die
Leistungspflicht der Sammelstiftung diesbezüglich verneint hat mit der
Begründung, der Versicherte habe in der Gesundheitserklärung vom 23. August
1997 erhebliche Tatsachen verschwiegen und damit die Anzeigepflicht verletzt,
weshalb die Stiftung nach ihrem Reglement befugt gewesen sei, die Leistungen
zu verweigern, stellt sich der Versicherte auf den Standpunkt, die
Anzeigepflicht erfüllt zu haben. Des Weiteren habe die Beschwerdegegnerin die
angebliche Anzeigepflichtverletzung nicht innert nützlicher Frist geltend
gemacht.

3.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung (BGE 130 V 9 E. 2.1
S. 11, 119 V 283 E. 4 S. 286) zutreffend dargelegt, dass sich die Verletzung
der Anzeigepflicht und deren Folgen im Bereich der weitergehenden beruflichen
Vorsorge nach den statutarischen und reglementarischen Bestimmungen der
Vorsorgeeinrichtung beurteilen, wobei sich die Zulässigkeit des
Vertragsrücktritts nach der Rechtslage beurteilt, welche Geltung hatte, als
die versicherte Person in die überobligatorische Vorsorge aufgenommen wurde
(BGE 130 V 9 E. 2.1 S. 11; Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
B 69/00 vom 17. Dezember 2001 und B 41/00 vom 26. November 2001). Demnach ist
aufgrund des vom Beschwerdeführer am 23. August 1997 ausgefüllten
Anmeldeformulars samt Gesundheitserklärung im vorliegenden Fall das bis 31.
Dezember 1997 gültig gewesene Vorsorgereglement der damaligen Sammelstiftung
BVG der ELVIA Leben anwendbar, dessen Ziff. 5.1 betreffend
Leistungsverweigerung bei Anzeigepflichtverletzung und Geltendmachung binnen
sechs Monaten seit deren Kenntnis im angefochtenen Entscheid richtig
wiedergegeben wurde. Darauf wird verwiesen.

4.
4.1 Das kantonale Gericht hat Art. 4 VVG, welcher mangels entsprechender
Regelung im Vorsorgereglement über die Auskunftspflicht der versicherten
Person analog anwendbar ist, sowie die Rechtsprechung zum Umfang der
Anzeigepflicht hinsichtlich der Gefahrstatsachen (BGE 116 V 218 E. 5b S. 227)
dargelegt, worauf verwiesen werden kann.

4.2 Mit Schreiben vom 24. August 2001 beantwortete der Allgemeinpraktiker Dr.
med. B._________ eine Anfrage des Arztes der damaligen ELVIA Schweizerische
Lebensversicherungsgesellschaft. Aus der Antwort ist ersichtlich, dass Dr.
med. B._________ den Versicherten seit Mai 1990 behandelt und im Laufe der
Jahre verschiedene Diagnosen gestellt hatte, u.a. einen Verdacht auf
Insertionstendinosen Hüfte und Schulter rechts (1995), Migräneanfall (1995),
Harnwegsinfekt mit Urosepsis (Hospitalisation im Kantonsspital Laufen 1997)
sowie Herpes zoster thoracal 7 rechts (1998).

In der Gesundheitserklärung vom 23. August 1997 hatte der Beschwerdeführer
sämtliche Fragen nach bestehenden Leiden sowie Folgen einer Krankheit oder
eines Unfalls verneint und insoweit teilweise tatsachenwidrige Auskünfte
erteilt, wie insbesondere auch ein Vergleich mit seinen eigenen Angaben in
der Anmeldung bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug vom 27. März 2000
zeigt. Dieser ist ebenfalls zu entnehmen, dass er damals schon seit Jahren an
den von Dr. med. B._________ im Schreiben vom 24. August 2001 erwähnten
Krankheiten litt. Eine Anzeigepflichtverletzung ist unter diesen Umständen
ausgewiesen, woran die gegenteilige Behauptung in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts ändert. Die Tatsache, dass der
Beschwerdeführer nicht den Gesundheitsschaden verheimlicht hat, welcher der
späteren Invalidität zugrunde lag, ist nicht entscheidend. Wie die Vorinstanz
zutreffend festgehalten hat, ist für das Vorliegen einer
Anzeigepflichtverletzung das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen der
verschwiegenen Gefahrstatsache und dem eingetretenen Schadenereignis nicht
erforderlich (BGE 111 II 388 E. 3a S. 391, 109 II 60 E. 3c S. 63).

Indem der Beschwerdeführer in der Gesundheitserklärung vom 23. August 1997
seinen Hausarzt Dr. med. B.________ angegeben hat, ist er zwar in diesem
Punkt seiner Pflicht zur Beantwortung der ihm unterbreiteten Fragen
nachgekommen; daraus kann er jedoch nicht ableiten, dass er berechtigt
gewesen sei, die Gesundheitsfragen teilweise unrichtig zu beantworten.

4.3 Die Sammelstiftung war somit befugt, binnen sechs Monaten seit Kenntnis
der Anzeigepflichtverletzung vom Vorsorgevertrag zurückzutreten. Diese Frist
wurde eingehalten. Wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat, erhielt die
Beschwerdegegnerin mit den Akten der Invalidenversicherung Kenntnis davon,
dass der Beschwerdeführer die Anzeigepflicht verletzt hatte. Nachdem ihr die
Akten der Invalidenversicherung gemäss Eingangsstempel am 3. September 2001
zugegangen waren, teilte die Sammelstiftung dem Beschwerdeführer am 14.
November 2001 und damit innert Frist mit, dass sie ihm in Folge der
Anzeigepflichtverletzung keine überobligatorischen Leistungen ausrichten
werde. Entgegen den Vorbringen des Versicherten trifft es nicht zu, dass er
seinen Arbeitgeber bereits vor dem 12. April 2000 und die Beschwerdegegnerin
am 12. Juni 2000 über seine gesundheitlichen Probleme mit dem Tinnitus
informiert hat. Eine Orientierung seiner Arbeitgeberin - laut Arbeitsvertrag
die Generalagentur B.________ - ist nach der Aktenlage nicht erstellt, und am
12. Juni 2000 informierte der Versicherte nicht die Beschwerdegegnerin,
sondern sein Schreiben mit näheren Angaben zum Tinnitus und zu weiteren
Gesundheitsschäden war an die ELVIA Krankenversicherung gerichtet. Dass diese
das erwähnte Schreiben an die Sammelstiftung weitergeleitet habe, macht der
Beschwerdeführer nicht geltend.

5.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Als mit öffentlich-rechtlichen
Angaben betraute Organisation kann die obsiegende Sammelstiftung keine
Parteientschädigung beanspruchen (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 118 V 158 E. 7 S.
169, 112 V 356 E. 6 S. 362). Von leichtsinniger Prozessführung seitens des
Beschwerdeführers, welche gegebenenfalls die Zusprechung einer
Parteientschädigung zugunsten der Sammelstiftung rechtfertigen könnte
(Urteile des Eidgenössischen Versicherungsgerichts B 108/01 vom 16. Oktober
2002  und B 49/96 vom 30. Juli 1998, publiziert in SZS 1999 S. 70 E. 8; vgl.
BGE 128 V 323 E. 1a), kann nicht die Rede sein. Hinzu kommt, dass die
Beschwerdegegnerin nicht anwaltlich vertreten ist. Auch aus diesem Grund
fällt die Ausrichtung einer Parteientschädigung an sie ausser Betracht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, dem Bundesamt für Sozialversicherungen
und dem Amt für Stiftungen und berufliche Vorsorge des Kantons
Basel-Landschaft zugestellt.

Luzern, 8. Mai 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: