Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 122/2006
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{T 7}
B 122/06

Urteil vom 12. März 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Ersatzrichter Bühler,
Gerichtsschreiber Traub.

T. ________, 1955, Beschwerdeführer,
vertreten durch den Rechtsdienst Integration Handicap, Schützenweg 10, 3014
Bern,

gegen

Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft,
Hohlstrasse 552, 8048 Zürich, Beschwerdegegnerin.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 22. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1955 geborene T.________ ist gelernter Heizungszeichner und übernahm 1979
die Einzelunternehmung seines damaligen Arbeitgebers, welche er ab 1988
zusammen mit seinem Bruder als Aktiengesellschaft unter der Firma X.________
AG mit Sitz in Y.________ weiterführte. Ab dem 1. Januar 1985 war er vorerst
als Einzelunternehmer und später als Angestellter der Firma X.________ AG bei
der Gemeinschaftsstiftung BVG der Helvetia Leben,
Lebensversicherungsgesellschaft mit Sitz in Genf, berufsvorsorgeversichert.
Die Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft
mit Sitz in Zürich führt seit dem Jahr 2002 die Berufsvorsorgeversicherungen
der vorher bei der Gemeinschaftsstiftung BVG der Helvetia Leben bzw. der
Sammelstiftung BVG der Elvia Leben angeschlossenen Unternehmungen weiter. Ab
17. Januar 1996 stand T.________ wegen einer depressiven Entwicklung
reaktiver Genese bei Dr. med. Z.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH,
in Behandlung und war bis 31. Dezember 1996 teilweise arbeitsunfähig. Er
überliess die Geschäftsführung der Firma X.________ AG ab Januar 1997 seinem
Bruder, der das Arbeitsverhältnis mit ihm auf den 30. November 1997 auflöste.
Ab dem 1. Dezember 1997 war T.________ arbeitslos und bezog - unterbrochen
durch eine Phase selbständiger Erwerbstätigkeit in der Zeit vom 1. Juli bis
zum 31. Oktober 1998 - bis 30. November 1999 Taggelder der
Arbeitslosenversicherung.

Am 24. Juli 2000 meldete sich T.________ bei der Invalidenversicherung zum
Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 10. Juli 2002 sprach ihm die IV-Stelle
Bern ab Juli 1999 eine halbe und ab Februar 2001 eine ganze Invalidenrente
bei einem Invaliditätsgrad von 50 % bzw. 77 % zu. Am 13. Januar 2003 und
28. Juni 2005 gelangte T.________ an die Allianz Suisse
Lebensversicherungs-Gesellschaft und ersuchte um Ausrichtung einer
Invalidenrente, was diese mit Schreiben vom 9. Juni 2004 und 7. Juli 2005
ablehnte.

B.
Am 19. September 2005 liess T.________ Klage einreichen mit dem
Rechtsbegehren, es sei ihm ab 1. März 1997 eine halbe und ab 1. Februar 2001
eine ganze Invalidenrente der Berufsvorsorge auszurichten. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern führte einen doppelten Schriftenwechsel
durch und zog die Akten der Arbeitslosen- sowie der Invalidenversicherung
bei. Am 22. August 2006 wies es die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt T.________ sein vorinstanzliches
Rechtsbegehren erneuern.

Die Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft
beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Da der kantonale Entscheid vor dem 1. Januar 2007 ergangen ist, ist das
Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG) vom 17. Juni 2005 noch nicht
anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG). Die Kognition des Bundesgerichtes richtet
sich daher noch nach Art. 132 OG. Danach ist die Überprüfungsbefugnis im
Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen.

1.2 Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die am 1. März
1997, das heisst im Zeitpunkt der Entstehung des allfälligen Rentenanspruches
in Kraft gewesenen Rechtssätze massgebend sind (BGE 130 V 445 E. 1.2.1
S. 447; 122 V 316 E. 3c S. 319; nicht publ. E. 2.1 des in SZS 2006 S. 370 f.
zusammengefassten Urteils H. vom 9. November 2005, B 35/05). Die Änderungen
des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und
Invalidenvorsorge vom 25. Juni 1982 durch die 1. BVG-Revision vom 3. Oktober
2003 sind daher im vorliegenden Fall ohne Belang.

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht den Leistungsanspruch
des Beschwerdeführers auf Invalidenleistungen aus der
Berufsvorsorgeversicherung zu Recht verneint hat, weil kein zeitlicher
Zusammenhang zwischen der Arbeitsunfähigkeit während dem
Versicherungsverhältnis mit der Beschwerdegegnerin (im Jahr 1996) und der
späteren Invalidität bestehe.

2.1 Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen und reglementarischen
Bestimmungen über den Anspruch auf Invalidenleistungen der obligatorischen
und weitergehenden beruflichen Vorsorge (Art. 23 und 26 BVG; Ziff. 21.1 der
Allgemeinen Bedingungen für die Kollektiv-Lebensversicherung im Rahmen des
BVG der Helvetia Leben und Ziff. 3.4.1 des Vorsorgereglementes der
Sammelstiftung BVG der Elvia Leben) sowie über die Dauer der obligatorischen
Versicherung (Art. 10 BVG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich
der Rechtsprechung zur Verbindlichkeit der Beschlüsse der
Invalidenversicherung für die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge (BGE
132 V 1 E. 3 S. 3; 130 V 270 E. 3.1 S. 273; 129 V 73; 126 V 308 E. 1 S. 311;
118 V 35) sowie zu dem für die Leistungspflicht einer ehemaligen
Vorsorgeeinrichtung massgebenden Erfordernis des engen sachlichen und
zeitlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität (BGE
130 V 270 E. 4.1 S. 275; 123 V 262 E. 1c S. 264; 120 V 112 E. 2c/aa und bb
S. 117 f.).
2.2 Unter der für den Anspruch auf berufsvorsorgerechtliche
Invalidenleistungen relevanten Arbeitsunfähigkeit ist eine Einbusse an
funktionellem Leistungsvermögen im bisherigen Beruf oder Aufgabenbereich zu
verstehen (BGE 114 V 281 S. 286; nicht publ. E. 1.2 des in SZS 2006 S. 365
zusammengefassten Urteils L. vom 6. Februar 2006, B 54/05; vgl. auch die
Legaldefinition in Art. 6 ATSG, welche Vorschrift im Bereich der beruflichen
Vorsorge allerdings keine Anwendung findet). Für den Eintritt der
berufsvorsorgerechtlich relevanten Arbeitsunfähigkeit ist deshalb in erster
Linie von Bedeutung, ob sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung auf das
Arbeitsverhältnis auswirkt oder ausgewirkt hat. Der gesundheitlich bedingte
Leistungsabfall muss arbeitsrechtlich manifest geworden sein, indem er etwa
zu einer entsprechenden Feststellung oder gar Ermahnung des Arbeitgebers oder
zu gehäuften, aus dem normalen Rahmen fallenden Arbeitsausfällen führte. Eine
erst nach Jahren rückwirkend festgelegte medizinisch-theoretische
Arbeitsunfähigkeit genügt nicht (Urteil S. vom 28. Juli 2003, B 86/01,
E. 5.3; nicht publ. E. 4.2 des in SZS 2003 S. 434 zusammengefassten Urteils
B. vom 5. Februar 2003, B 13/01).

3.
3.1 Das kantonale Gericht stellte auf die echtzeitlichen ärztlichen
Arbeitsunfähigkeitsatteste sowie auf die Akten betreffend das bis
30. November 1997 dauernde Arbeitsverhältnis mit der Firma X.________ AG und
die anschliessende arbeitslosenversicherungsrechtliche Vermittlungsfähigkeit
ab. Es zog den Schluss, dass der Beschwerdeführer in der Zeit vom 1. Januar
1997 bis 29. November 1999, somit während fast drei Jahren nach Auflösung des
die Berufsvorsorgeversicherung bei der Beschwerdegegnerin bedingenden
Arbeitsverhältnisses, vollumfänglich arbeitsfähig gewesen und dadurch der
enge zeitliche Zusammenhang mit der im Jahre 1996 eingetretenen teilweisen
Arbeitsunfähigkeit unterbrochen worden sei. Im Einzelnen zog die Vorinstanz
in Betracht:
- dass Dr. med. Z.________ auf der Krankenkarte 1996/1997 nur für die Zeit
vom 17. Januar bis zum 31. Dezember 1996 eine teilweise Arbeitsunfähigkeit
von 50 % bzw. 70 % bestätigte und ab dem 1. Januar 1997 volle
Arbeitsfähigkeit attestierte;

- dass in der Austrittsmeldung vom 21. November 1997 zur
Kollektivversicherung (Berufliche Vorsorge) der Firma X.________ AG an die
Elvia Leben Schweizerische Lebensversicherungs-Gesellschaft volle
Arbeitsfähigkeit des Versicherten angegeben wurde;

- dass der Beschwerdeführer selber mit Antrag auf Arbeitslosenentschädigung
vom 12. Dezember 1997 eine Verhinderung an der Arbeitsleistung während der
Kündigungsfrist verneinte;

- dass als Kündigungsgrund ein "schlechter Bestellungseingang"
(Kündigungsschreiben der Firma X.________ AG vom 25. September 1997) bzw.
"Geschäftsverkleinerung infolge geringen Bestellungseinganges"
(Arbeitgeberbescheinigung der Firma X.________ AG vom 27. November 1997)
angegeben wurde;

- dass in den monatlichen Selbstdeklarationen des Beschwerdeführers gegenüber
der Arbeitslosenversicherung für die Zeit von Januar 1998 bis November 1999
das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit verneint wurde.
Hingegen hat die Vorinstanz die nachträgliche Bestätigung des Dr. med.
Z.________, wonach auch für die Zeit vom 1. Dezember 1996 bis zum
28. November 1999 eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % vorgelegen habe
(Formularbericht zuhanden der IV-Stelle vom 20. September 2000), als nicht
beweiskräftig erachtet, ebenso wenig das erst am 1. Juli 2004 - also rund
sieben Jahre später - für die vorinstanzliche Replik erstellte Schreiben der
Firma X.________ AG, gemäss welchem der Beschwerdeführer vom 1. Januar bis
zum 31. Oktober 1997 "aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten"
konnte.

3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erneut auf die beiden letztgenannten Urkunden. Er bringt aber nichts vor, was
Zweifel an der diesbezüglichen Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts wecken
könnte, weshalb auf dessen sachbezügliche Ausführungen zu verweisen ist.

Im Weiteren beruft sich der Versicherte auf den Beschluss der IV-Stelle Bern
vom 22. Mai 2002, mit welchem der Beginn einer Invalidität von 50 % auf den
11. März 1997 festgelegt wurde. Die IV-Stelle hat dabei indes offensichtlich
auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. med. Z.________ abgestellt
(Formularbericht vom 20. September 2000), welche - als retrospektive
Einschätzung - die aus der zu beurteilenden Zeit selber stammenden Dokumente
mit abweichendem Aussagegehalt nicht zu entkräften vermag. Abgesehen davon
ist der für die Invalidenversicherung massgebende Beginn der
invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit, wie vom kantonalen Gericht zutreffend
festgehalten, vorliegend für die Belange der beruflichen Vorsorge nicht
verbindlich.

Schliesslich kann der Beschwerdeführer auch aus dem erst im
letztinstanzlichen Verfahren aufgelegten Gutachten des Dr. med. S.________,
Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 18. November 2000
nichts für die Hypothese einer seit 1996 ununterbrochen bestehenden
teilweisen Arbeitsunfähigkeit ableiten. Denn auch dieses Gutachten enthält
lediglich eine nachträgliche medizinisch-theoretische Einschätzung, die sich
zudem nicht auf arbeitsrechtlich in Erscheinung getretene und zeitgleich
dokumentierte Arbeitsausfälle oder Leistungseinbussen abstützt. Sodann
äussert sich auch dieser Gutachter nur unbestimmt zur Frage nach der in den
Jahren 1997, 1998 und 1999 bestandenen Arbeitsunfähigkeit, indem er dazu
einzig Folgendes ausführt: "Dass er (der Beschwerdeführer) bis November 1999
voll vermittlungsfähig war, halte ich für unwahrscheinlich (...)". Zugleich
stellte der Gutachter die Richtigkeit des Attestes des Dr. med. Z.________
vom 20. September 2000 (Arbeitsunfähigkeit von 50 % für die Zeit vom
1. Dezember 1996 bis 28. November 1999) in Frage, indem er festhielt, jenes
wolle "wohl ausdrücken, dass es Herrn T.________ die ganze Zeit durch nicht
besonders gut ging". Diese gutachtliche Stellungnahme genügt nicht, um das
Bestehen eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen der 1996 eingetretenen
teilweisen Arbeitsunfähigkeit und der ab 1. Dezember 1999 attestierten
Arbeitsunfähigkeit als überwiegend wahrscheinlich (BGE 126 V 353 E. 5b
S. 360) erscheinen zu lassen.

4.
Zusammenfassend erweisen sich die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung
und Rechtsanwendung als bundesrechtskonform.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Amt für Sozialversicherung und
Stiftungsaufsicht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen
zugestellt.

Luzern, 12. März 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: