Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 121/2006
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{T 7}
B 121/06

Urteil vom 7. Mai 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiber R. Widmer.

D. ________, 1944, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans-Peter Müller, Museumstrasse 35, 9000
St. Gallen,

gegen

Kanton St. Gallen (Kantonale Lehrerversicherungskasse), Beschwerdegegner,
vertreten durch das Finanzdepartement des Kantons St. Gallen,
Davidstrasse 35, 9001 St. Gallen.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen
vom 23. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1944 geborene D.________ war seit 1967 als Sekundarlehrer, ab Sommer 1990
als Schulleiter, an den Sekundarschulen X.________ tätig. Nachdem er im
Februar 2004 einen Unfall erlitten hatte und in der Folge voll arbeitsunfähig
war, beschloss der Schulrat, D.________ aus gesundheitlichen Gründen per
28. Februar 2005 zu pensionieren (Antrag vom 26. Januar 2005 an das
Erziehungsdepartement des Kantons St. Gallen, Kantonale
Lehrerversicherungskasse). Seit 1. Februar 2005 bezieht D.________ nebst
einer Rente der Invalidenversicherung bei einem Invaliditätsgrad von 100 %
eine Komplementärrente der Unfallversicherung. Die Kantonale
Lehrerversicherungskasse richtet ihm seit 1. März 2005 Invalidenleistungen in
der Höhe von Fr. 4879.15 monatlich aus.
Mit Schreiben vom 20. September 2005 ersuchte D.________ die Kantonale
Lehrerversicherungskasse um Auszahlung von 25 % seines Altersguthabens als
einmalige Kapitalabfindung, welche Anfrage die Kasse am 24. September 2005
abschlägig beschied, woran sie und die kantonale Finanzdirektion in der
weiteren Korrespondenz festhielten.

B.
Am 6. April 2006 liess D.________ beim Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen Klage einreichen mit den Anträgen, die Kantonale
Lehrerversicherungskasse habe ihm eine vorzeitige Altersrente zuzusprechen;
überdies sei die Kasse anzuhalten, ihm einen Viertel seines Altersguthabens
als einmalige Kapitalabfindung auszurichten. Mit Entscheid vom 23. August
2006 wies das Versicherungsgericht die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt D.________ das klageweise gestellte
Rechtsbegehren erneuern.
Der Kanton St. Gallen (Kantonale Lehrerversicherungskasse) und das Bundesamt
für Sozialversicherungen schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR
173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

1.2 Das Bundesgericht überprüft auch die Auslegung des kantonalen
Berufsvorsorgerechts frei (BGE 116 V 333 E. 2b).

2.
Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer anstelle der ihm von der
Kantonalen Lehrerversicherungskasse seit 1. März 2005 ausgerichteten
Invalidenleistungen eine Altersrente beanspruchen und sich einen Viertel
seines Altersguthabens als einmalige Kapitalabfindung ausbezahlen lassen
kann.

2.1 Nach Art. 37 Abs. 2 BVG (in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung)
kann der Versicherte verlangen, dass ihm ein Viertel seines Altersguthabens,
das für die Berechnung der tatsächlich bezogenen Altersleistungen massgebend
ist, als einmalige Kapitalabfindung ausgerichtet wird. In ihrem Reglement
kann die Vorsorgeeinrichtung laut Art. 37 Abs. 4 lit. a BVG (in der seit
1. Januar 2005 geltenden Fassung) vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten
eine Kapitalabfindung anstelle einer Alters-, Hinterlassenen- oder
Invalidenrente wählen können. Die im vorliegenden Fall massgebende Verordnung
über die Lehrerversicherungskasse des Kantons St. Gallen vom 13. November
1990 (sGS 213.550, im Folgenden: Verordnung) räumt keinen über Art. 37 Abs. 2
BVG hinaus gehenden Anspruch auf die Ausrichtung einer Kapitalabfindung ein.
Nach Art. 26 der Verordnung hat der Rentenversicherte nach erfülltem
63. Altersjahr Anspruch auf eine Altersrente, wenn das Dienstverhältnis nicht
verlängert wird (Abs. 1). Scheidet ein Rentenversicherter nach erfülltem
60. Altersjahr infolge besonderer Verhältnisse, insbesondere wegen
verminderter Arbeitsfähigkeit oder aus dienstlichen Gründen aus, so kann ihm
das Erziehungsdepartement seine Altersrente vorzeitig zusprechen (Abs. 2).

Art. 45bis Abs. 1 der Verordnung wiederum, der den Anspruch auf eine
Invalidenrente regelt, bestimmt, dass ein Rentenversicherter, der infolge
Krankheit oder Unfalls erwerbsunfähig geworden ist und deshalb seine
bisherige oder eine andere zumutbare Tätigkeit nicht mehr oder nicht mehr
voll ausüben kann, Anspruch auf eine lebenslängliche Invalidenrente hat.

2.2 In Auslegung dieser kantonalen Verordnungsbestimmungen gelangte die
Vorinstanz zum Schluss, die Voraussetzungen für die Zusprechung einer
vorzeitigen Altersrente nach Art. 26 Abs. 2 seien nicht erfüllt, da der
Versicherte nicht vermindert arbeitsfähig, sondern seit dem Unfall voll
erwerbsunfähig sei. Anwendbar sei daher Art. 45bis der Verordnung. Für die
Auffassung des Versicherten, dass er sich auch bei Vorliegen vollständiger
Erwerbsunfähigkeit gestützt auf Art. 26 Abs. 2 der Verordnung für die
Ausrichtung einer Altersrente anstelle der Invalidenrente entscheiden kann,
bestehe mit Rücksicht auf Art. 45bis Abs. 1 kein Raum. Diese Bestimmung
beziehe sich ausdrücklich auf die Erwerbsunfähigkeit und räume dem dauernd
erwerbsunfähig gewordenen Versicherten Anspruch auf eine Invalidenrente ein.
Da Art. 26 Abs. 2 der Verordnung auf die Arbeitsunfähigkeit abstelle,
Art. 45bis Abs. 1 hingegen auf die Erwerbsunfähigkeit, und diese Begriffe
klar auseinanderzuhalten seien, sei ein Wahlrecht zwischen Invaliden- und
Altersrente, wie es dem Beschwerdeführer vorschwebt, ausgeschlossen.

2.3 Dieser Auffassung ist beizupflichten. Soweit der Beschwerdeführer geltend
macht, er erfülle die Anforderungen für die vorzeitige Zusprechung der
Altersrente gemäss Art. 26 Abs. 2 der Verordnung, kann ihm nicht gefolgt
werden. Der Fall, in dem volle Arbeitsunfähigkeit mit anschliessender
Erwerbsunfähigkeit eintritt, ist in Art. 45bis Abs. 1 der Verordnung
geregelt, in dem für die Rentenversicherten ein Invalidenrentenanspruch
vorgesehen ist. Demgegenüber bestimmt Art. 26 Abs. 2 der Verordnung, dass
einem über 60-jährigen Rentenversicherten insbesondere wegen verminderter
Arbeitsfähigkeit die Altersrente vorzeitig zugesprochen werden kann. Der
Wortlaut der Bestimmung zeigt, dass kein Anspruch auf die Ausrichtung einer
vorzeitigen Altersrente besteht, aber auch, dass die Rente nicht an eine
Invalidität anknüpft und eine (teilweise) Arbeitsunfähigkeit nur einen der
Gründe darstellt, aus welchem das Erziehungsdepartement dem Versicherten die
Altersrente vorzeitig zusprechen kann. Wie die Vorinstanz unter Hinweis auf
die Legaldefinitionen der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in Art. 6 und 7
ATSG, welche als Abbild der früheren Rechtsprechung auch im Bereich der
beruflichen Vorsorge herangezogen werden können, für die das ATSG nicht gilt,
dargelegt hat, steht im vorliegenden Fall nicht eine verminderte
Arbeitsfähigkeit, sondern eine unfallbedingte, vollständige
Erwerbsunfähigkeit in Frage, welche zum Anspruch auf eine Invalidenrente der
Kantonalen Lehrerversicherungskasse ab Ausrichtung der Invalidenrente der
Eidgenössischen Invalidenversicherung führt (Art. 45bis Abs. 2 der
Verordnung).
Die weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers sind ebenfalls nicht
geeignet, zu einem abweichenden Ergebnis zu führen. Entscheidend ist, dass er
wegen der Unfallfolgen ab 1. März 2005 Anspruch auf eine Invalidenrente hat.
Dass er, wie er geltend macht, bereits zu einem früheren Datum arbeitsunfähig
war, trifft zu, bedeutet aber nicht, dass deswegen Art. 26 Abs. 2 der
Verordnung Anwendung findet. Vielmehr setzt Erwerbsunfähigkeit im Sinne von
Art. 45bis der Verordnung das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit voraus. Würde
die Ansicht des Beschwerdeführers zutreffen, hätten Rentenversicherte bei
invaliditätsbedingtem Ausscheiden nach erfülltem 60. Altersjahr in keinem
Fall mehr Anspruch auf eine Invalidenrente, weil alsdann zufolge verminderter
Arbeitsfähigkeit nach Art. 26 Abs. 2 der Verordnung vorzeitig eine
Altersrente zuzusprechen wäre. Ein solches Ergebnis dürfte indessen kaum den
Absichten des Regierungsrates des Kantons St. Gallen als Verordnungsgeber
entsprechen und liefe der Systematik der Verordnung zuwider. Diese
unterscheidet zwischen Altersleistungen, Hinterlassenenleistungen und
Invalidenleistungen und sieht die Ausrichtung einer vorzeitigen Altersrente
lediglich unter bestimmten Voraussetzungen nach pflichtgemässen Ermessen des
Erziehungsdepartements vor.
Die Ausführungen im angefochtenen Urteil vermögen beim Beschwerdeführer den
Eindruck erweckt haben, nach Ansicht der Vorinstanz würde die Anwendung von
Art. 45bis der Verordnung die Anwendung von Art. 26 Abs. 2 in jedem Fall
ausschliessen. Das wäre insofern missverständlich, als Art. 45bis auch bei
teilweiser Invalidität eine (Teil)Rente vorsieht und gerade für solche Fälle
bei vorzeitigem Rücktritt gemäss Art. 26 Abs. 2 der Verordnung eine
ergänzende Altersrente in Frage kommen dürfte, die dann im Rahmen von Art. 37
Abs. 2 BVG als Kapital bezogen werden kann. Dies ist aber im vorliegenden
Fall nicht von Bedeutung, da der Beschwerdeführer voll invalid ist und
deshalb nur eine Invalidenrente, aber keine Altersrente beziehen kann.

3.
Da der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf eine Altersrente hat, entfällt
auch der Anspruch auf Auszahlung eines Viertels des Altersguthabens als
einmalige Kapitalabfindung gestützt auf Art. 37 Abs. 2 BVG.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 7. Mai 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: