Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 119/2006
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B 119/06

Urteil vom 7. November 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.

Personalvorsorgestiftung der X.________ AG,  Beschwerdeführerin,

gegen

T.________, 1964, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Felix
Rüegg, Dahliastrasse 5, 8008 Zürich.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 18. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1964 geborene T.________ war seit 1. September 1986 bei der Firma
X.________ AG als Speditionsmitarbeiterin angestellt, als sie am 10. Januar
1992 einen Unfall erlitt. Ab 1. April 1993 wechselte sie zur Firma R.________
AG (bei einem Pensum von 50 %), welche die Speditionsabteilung der Firma
X.________ AG übernommen hatte, und später zur Firma S.________ GmbH. Mit
Verfügung vom 15. Juli 1994 sprach ihr die Ausgleichskasse des Kantons
Schaffhausen auf Grund eines Invaliditätsgrades von 50 % vom 1. April 1993
bis 30. April 1994 eine befristete halbe Invalidenrente zu. Auf eine
Neuanmeldung vom 26. September 1996 sprach die IV-Stelle des Kantons Zürich
T.________ mit Verfügung vom 17. Februar 1998 eine unbefristete halbe Rente
ab 1. September 1995 zu, welche im Rahmen eines Revisionsverfahrens mit
Verfügung vom 22. November 2000 bestätigt wurde.

Mit Verfügung vom 22. Juni 2000 sprach ihr zudem die Alpina Versicherungen
als Unfallversicherer gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 50 % ab 1. Juli
2000 eine monatliche Invalidenrente von Fr. 1'788.- zu, welche ab 1. Januar
2001 auf Grund der Teuerungsanpassung Fr. 1'836.- betrug.

B.
Nach zahlreichen Anfragen seit Ende 2001 bei der Personalvorsorgestiftung der
Firma X.________ AG (nachfolgend: Personalvorsorgestiftung) betreffend
Leistungen aus beruflicher Vorsorge liess T.________ am 24. Juni 2005 Klage
gegen diese einreichen und beantragen, es sei ihr eine Invalidenrente ab
Januar bis September 2001 von Fr. 25.- monatlich sowie ab Oktober bis auf
Weiteres von Fr. 414.- monatlich auszurichten, zuzüglich 5 % Verzugszins ab
Klageeinleitung. Mit Entscheid vom 18. August 2006 hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage gut und verpflichtete
die Beklagte zur Ausrichtung einer gekürzten monatlichen Invalidenrente von
Fr. 25.- von Januar bis September 2001 und einer ungekürzten monatlichen
Invalidenrente von Fr. 414.- (zuzüglich allfälliger Teuerungszulagen) ab
Oktober 2001, nebst Zins von 5 % auf den bis zur Klageeinleitung verfallenen
Betreffnissen ab dem 24. Juni 2005 sowie auf den seither fällig gewordenen
Betreffnissen ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum.

C.
Die Personalvorsorgestiftung erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
beantragt, die Invalidenrente der Personalvorsorgestiftung an die Versicherte
sei soweit herabzusetzen, dass sie zusammen mit den Leistungen der IV und der
UV den mutmasslich entgangenen Verdienst nicht übersteige.

T. ________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen,
während das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) nach Einsicht in die
Akten auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin nach Art. 23 ff. BVG und Art.
15 des Reglements der Personalvorsorgestiftung (Stand 1. Januar 1988)
Anspruch auf eine Invalidenleistung hat. Einigkeit zwischen den Parteien
besteht auch hinsichtlich Invaliditätsgrad (50 %) und Rentenberechnung
(ungekürzter Rentenanspruch von monatlich Fr. 414.-). Streitig und zu prüfen
ist, inwieweit die Leistung zufolge Überentschädigung entfällt.

3.
3.1 Die Vorinstanz nahm die Überentschädigungsberechnung in der Weise vor,
dass sie für den Zeitraum von Januar bis September 2001 dem mutmasslich
entgangenen Verdienst von Fr. 5'200.- ein anrechenbares Einkommen von
Fr. 5'589.- gegenüber stellte (bestehend aus einem erzielten Lohn von
Fr. 2'383.-, einer UVG-Rente von Fr. 1'836.-, einer IV-Rente von Fr. 956.-
und einer BVG-Rente von Fr. 414.-) und erwog, die Vorsorgestiftung sei zur
Kürzung der BVG-Rente auf Fr. 25.- (Koordination auf 100 % des mutmasslich
entgangenen Verdienstes) befugt. Für den Zeitraum ab Oktober 2001, als die
Beschwerdegegnerin ihr Arbeitspensum unbestrittenermassen aus familiären und
damit invaliditätsfremden Gründen auf 25 % reduziert hatte, kam das kantonale
Gericht unter Berücksichtigung eines anrechenbaren Einkommens von Fr. 4'397.-
(bestehend aus einem erzielten Lohn von Fr. 1'191.-, einer UVG-Rente von
Fr. 1'836.-, einer IV-Rente von Fr. 956.- und einer BVG-Rente von Fr. 414.-)
zum Schluss, der mutmasslich entgangene Verdienst von Fr. 5'200.- werde bei
Weitem nicht mehr erreicht, weshalb die Beschwerdegegnerin ab Oktober 2001
Anspruch auf die ungekürzte Invalidenrente BVG von Fr. 414.- (zuzüglich
Teuerungsanpassung) habe. Nicht massgebend sei, dass die Beschwerdegegnerin
ihren Beschäftigungsumfang und damit ihren anrechenbaren Lohn aus familiären,
also invaliditätsfremden Gründen reduziert habe, nachdem die reglementarische
Ordnung der Beschwerdeführerin im Bereich der Koordinationsbestimmungen für
die Versicherten günstiger sei als die entsprechende Verordnungsbestimmung,
weshalb zum einen die Überentschädigungskürzung erst bei Überschreiten der
100%-Grenze zum Zuge komme und zum anderen lediglich das tatsächlich erzielte
Einkommen bei der Berechnung berücksichtigt werden dürfe und nicht auch ein
hypothetisch erzielbares Einkommen. Beim mutmasslich entgangenen Verdienst
erachtete die Vorinstanz angesichts der Auskunft der Arbeitgeberin vom
31. März 2003, welche einen ungefähren mutmasslichen Monatslohn von
Fr. 5'000.- für 2003 angab, die in der Klageschrift vorgenommenen Schätzungen
eines Monatslohnes für 2001 (Fr. 4'800.-) und 2002 (Fr. 4'900.-) als
plausibel und rechnete jeweils einen Anteil am 13. Monatslohn auf, was einen
mutmasslich entgangenen Verdienst für das Jahr 2001 von Fr. 5'200.-
(Fr. 4'800.- x13/12) und für 2002 von Fr. 5'308.- (Fr. 4'900.- x13/12) ergab.

3.2 Die Vorsorgestiftung wendet sich insbesondere gegen den von der
Vorinstanz berücksichtigten, mutmasslich entgangenen Verdienst. Während das
kantonale Gericht von einem Lohn ausgeht, den die Versicherte gemäss Angaben
der Arbeitgeberin bei einem Pensum von 100 % erzielen könnte, macht die
Beschwerdeführerin geltend, angesichts des Beschäftigungsgrades von 50 % ab
1. April 1993 sei nicht der Jahreslohn im Zeitpunkt des Unfalles von
Fr. 50'050.- anzunehmen, sondern der beim neuen Arbeitgeber bezogene Lohn ab
1. April 1993 in der Höhe von Fr. 25'675.-.
3.3 Gemäss dem vom Bundesrat gestützt auf Art. 34 Abs. 2 BVG (in Kraft
gestanden bis 31. Dezember 2002) erlassenen Art. 24 BVV2 in der bis
31. Dezember 2004 gültig gewesenen Fassung kann die Vorsorgeeinrichtung die
Invalidenleistungen kürzen, soweit sie zusammen mit anderen anrechenbaren
Einkünften 90 % des mutmasslich entgangenen Verdienstes übersteigen (Abs. 1).
Als anrechenbare Einkünfte gelten Leistungen gleicher Art und
Zweckbestimmung, die der anspruchsberechtigten Person aufgrund des
schädigenden Ereignisses ausgerichtet werden, wie Renten oder
Kapitalleistungen mit ihrem Rentenumwandlungswert in- und ausländischer
Sozialversicherungen und Vorsorgeeinrichtungen (Abs. 2). Eine analoge
Kürzungsbestimmung im Falle einer Überversicherung enthält Art. 21 Abs. 2 des
Reglements der Beschwerdeführerin mit dem Unterschied, dass die
Kürzungsgrenze erst bei 100 % des entgangenen Jahreslohnes liegt.

Nach der mit BGE 122 V 151 eingeleiteten Rechtsprechung handelt es sich beim
mutmasslich entgangenen Verdienst nicht um den in der Vergangenheit liegenden
versicherten Verdienst, sondern um jenes hypothetische Einkommen, welches die
versicherte Person ohne Invalidität aktuell erzielen würde. Der mutmasslich
entgangene Verdienst entspricht demnach rechtlich nicht (betraglich höchstens
zufällig) dem versicherten Verdienst oder dem bei Eintritt der Invalidität
tatsächlich erzielten Einkommen, und unterliegt keiner oberen Grenze, wie
z.B. dem Maximalbetrag des koordinierten Lohnes. Des Weiteren besteht
zwischen dem Valideneinkommen, wie es für die Invaliditätsbemessung
heranzuziehen ist, und dem mutmasslich entgangenen Verdienst als Faktor der
Überentschädigungsberechnung eine weitgehende Parallele, hingegen keine
Kongruenz. Denn während beim invalidenversicherungsrechtlichen Validen- wie
auch Invalideneinkommen mit Blick auf das zugrunde liegende Konzept des als
ausgeglichen unterstellten Arbeitsmarktes (vgl. Art. 16 ATSG) von der
konkreten Arbeitsmarktlage abstrahiert werden muss, ist bei der Festsetzung
des mutmasslich entgangenen Verdienstes den spezifischen Gegebenheiten und
tatsächlichen Chancen des Versicherten auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt
Rechnung zu tragen (Urteil B 17/03 vom 2. September 2004). Für den Beweis
dieser hypothetischen Tatsache ist der Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit erforderlich, und zwar in dem Zeitpunkt, in welchem sich
die Kürzungsfrage stellt. Als Faktor der Überversicherungsberechnung kann der
mutmasslich entgangene Verdienst im Rahmen von Art. 24 Abs. 5 BVV2 jederzeit
neu festgelegt werden (BGE 126 V 93 E. 3).

3.4 Die Versicherte reduzierte ab Oktober 2001 unbestrittenermassen aus
familiären und damit invaliditätsfremden Gründen ihr Arbeitspensum um 25 %
auf 25 %. Sie würde damit auch im Gesundheitsfall in einem um 25 %
reduzierten Beschäftigungsumfang tätig sein und ein entsprechendes Einkommen
erzielen. Das Reglement der Beschwerdeführerin rechnet das hypothetisch
erzielbare Einkommen im Invaliditätsfall nicht an und ist nur insofern für
die Versicherten günstiger als die gesetzliche Regelung, als die
Überentschädigungsgrenze nicht bei 90 %, sondern bei 100 % liegt.
Bezugsgrösse dieser 100 % ist gemäss Reglement der entgangene Jahreslohn, was
- wie der Begriff des mutmasslich entgangenen Verdienstes gemäss Art. 24 Abs.
1 BVV2 (E. 3.3) - das Einkommen meint, welches im Gesundheitsfall effektiv -
nach überwiegender Wahrscheinlichkeit - erzielt würde. Die aus
invaliditätsfremden Gründen vorgenommene Reduktion des Beschäftigungsgrades
ist somit zu berücksichtigen. Als mutmasslich entgangener Verdienst ist daher
ein Einkommen im Rahmen eines 75%-Pensums anzunehmen. Gestützt auf den vom
kantonalen Gericht angenommenen Verdienst bei einem Vollzeitpensum von
Fr. 5'200.- für das Jahr 2001 ergibt sich ab Oktober 2001 ein mutmasslich
entgangener Verdienst von Fr. 3'900.-. Das anrechenbare Einkommen von
Fr. 3'983.- (bestehend aus einem erzielten Lohn von Fr. 1'191.-, einer
UVG-Rente von Fr. 1'836.- sowie einer IV-Rente von Fr. 956.-) übersteigt
bereits den mutmasslich entgangenen Verdienst, weshalb die
Personalvorsorgestiftung zur reglementarischen Koordination auf 100 % des
mutmasslich entgangenen Verdienstes berechtigt ist, den Anspruch einer
BVG-Rente von Fr. 414.- vollständig zu kürzen. Dies gilt auch für den
Anspruch ab 1. Januar 2002, für welchen die Vorinstanz einen Lohn von
Fr. 5'308.- angenommen hat und deshalb das anrechenbare Einkommen immer noch
über dem mutmasslich entgangenen Verdienst (75 % = Fr. 3'981.-) liegt. Damit
hat die Versicherte ab Oktober 2001 infolge Überentschädigung keinen Anspruch
auf eine Invalidenleistung der Personalvorsorgestiftung.

4.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die Beschwerdeführerin hat als mit
öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation keinen Anspruch auf
eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 118 V 158 E. 7 S. 169).
Eine Parteientschädigung an die weitgehend unterliegende Beschwerdegegnerin
rechtfertigt sich nicht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen und der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom
18. August 2006 insoweit abgeändert, als die Versicherte ab Oktober 2001
keinen Anspruch auf Invalidenleistungen der Vorsorgestiftung hat. Im Übrigen
wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 7. November 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Meyer Helfenstein Franke