Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 113/2006
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B 113/06

Urteil vom 20. Dezember 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Kernen,
Gerichtsschreiber Attinger.

Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft,
Bleicherweg 19, 8002 Zürich, Beschwerdeführerin,

gegen

S._________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dominique
Chopard, Werdstrasse 36, 8004 Zürich.

Berufliche Vorsorge,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1948 geborene S._________ arbeitete ab November 1988 als Schweisser für
die Firma E._________. Aufgrund dieses Arbeitsverhältnisses war er bei der
Sammelstiftung BVG der Allianz Suisse (damals noch "ELVIA Leben")
Lebensversicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Sammelstiftung Allianz)
berufsvorsorgerechtlich versichert. Am 16. November 1990 erlitt er am
Arbeitsplatz einen Unfall: Beim Zuschneiden von Blech durchtrennte er sich an
einer scharfen Kante beide Beugesehnen des rechten kleinen Fingers. Noch am
Unfalltag wurde der Versicherte in der Klinik für Hand-, Plastische und
Wiederherstellungschirurgie des Universitätsspitals X.________ operiert
(Profundussehnennaht). In der Folge nahm er keine Erwerbstätigkeit mehr auf.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich sprach ihm unter Zugrundelegung eines
Invaliditätsgrades von 62 % ab 1. November 1991 eine halbe Rente der
Invalidenversicherung zu (Verfügungen vom 10. Mai 1996). Das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene
Beschwerde mit Urteil vom 8. Juli 1999 teilweise gut und sprach dem
Versicherten vom 1. November 1991 bis 30. September 1994 eine ganze sowie
anschliessend eine halbe Invalidenrente zu. Dabei ging das Gericht für den
Zeitraum ab 1. Oktober 1994 - in Übereinstimmung mit der IV-Stelle -
ebenfalls von einer 62%igen Invalidität aus, was mit Wirkung ab 1. Januar
2004 (Inkrafttreten der 4. IV-Revision) zum Bezug einer Dreiviertelsrente der
Invalidenversicherung berechtigt. Demgegenüber verneinte die Sammelstiftung
Allianz einen Anspruch auf Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge.

B.
Am 29. Juni 2005 reichte S._________ beim Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich gegen die Sammelstiftung Allianz Klage ein auf Ausrichtung der
gesetzlichen und reglementarischen Versicherungsleistungen (Invalidenrente
und Prämienbefreiung). Das kantonale Gericht hiess die Klage mit Entscheid
vom 11. August 2006 in dem Sinne teilweise gut, als es die
Vorsorgeeinrichtung verpflichtete, S._________ "ab Oktober 1995 basierend auf
einem Invaliditätsgrad von 62 % die gesetzlichen und reglementarischen
Invalidenleistungen zu erbringen".

C.
Die Sammelstiftung Allianz führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag
auf Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und vollumfängliche Abweisung
der Klage; eventuell sei der angefochtene Entscheid "aufzuheben, soweit (er)
dem Kläger mehr oder anderes zuspricht als die obligatorischen
Versicherungsleistungen nach BVG".

Während S._________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliessen lässt ("soweit darauf einzutreten ist"), verzichtet das Bundesamt
für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 112 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73
BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in
sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 130 V 103 Erw. 1.1 S. 104, 111
E. 3.1.2 S. 112, 128 II 386 Erw. 2.1.1 S. 389, 128 V 254 Erw. 2a S. 258,
120 V 15 Erw. 1a S. 18, je mit Hinweisen).

2.2 Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht
auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die
Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an
die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden
und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten
hinausgehen (Art. 132 Abs. 1 OG [in der ab 1. Juli 2006 geltenden Fassung).

3.
Im vorliegenden Verfahren stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls ab
welchem Zeitpunkt die Sammelstiftung Allianz dem Beschwerdegegner die
reglementarischen und/oder gesetzlichen Invalidenleistungen aus beruflicher
Vorsorge zu entrichten hat.

3.1 Entgegen der in der Vernehmlassung des Beschwerdegegners vertretenen
Auffassung ist auch auf die Frage des gesetzlichen Anspruchs auf
berufsvorsorgerechtliche Invalidenleistungen vollumfänglich einzutreten.
Daran ändert nichts, dass die Sammelstiftung Allianz in ihrer
vorinstanzlichen Klageantwort die Klage mit Bezug auf die (noch nicht
verjährten) BVG-Leistungen anerkannt und diesbezüglich ausgeführt hatte,
"aufgrund der vorliegenden Akten ist davon auszugehen, dass der Kläger im
Zeitpunkt des Unfalls vom 16.11.1990 bei der Beklagten versichert war und
dass diese grundsätzlich für die mit dem Unfall zusammenhängenden Folgen (im
Rahmen der obligatorischen Minimalbestimmungen) leistungspflichtig ist".

Denn im Recht der beruflichen Vorsorge herrscht auf kantonaler Ebene das
Klageverfahren (der ursprünglichen Verwaltungsgerichtsbarkeit), womit es an
einer Verfügung gebricht, welche den Anfechtungsgegenstand abgeben und
Grundlage für die Bestimmung des Streitgegenstandes bilden könnte. Dieser
ergibt sich einzig aus den Rechtsbegehren der Klage (und allenfalls - soweit
zulässig - der Widerklage). Das kantonale Gericht hat im Rahmen des von der
klägerischen Partei bestimmten Streitgegenstandes den Sachverhalt von Amtes
wegen festzustellen (Art. 73 Abs. 2 BVG). Sein Entscheid wird zur Verfügung
im Sinne von Art. 97 in Verbindung mit Art. 98 lit. g OG und damit zum
Anfechtungsgegenstand einer allfälligen hiegegen eingereichten
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Streitgegenstand im letztinstanzlichen
Verfahren kann demnach nur sein, worüber das kantonale Gericht auf Klage hin
entschieden hat. Eine Verfahrensausdehnung auf vom kantonalen Gericht im
Klageverfahren nicht beurteilte Rechtsverhältnisse fällt ausser Betracht (BGE
129 V 450 E. 3.2 S. 452; Meyer-Blaser, Streitgegenstand im Streit -
Erläuterungen zu BGE 125 V 413, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Aktuelle
Rechtsfragen der Sozialversicherungspraxis, St. Gallen 2001, S. 9 ff.,
insbesondere S. 38).

Nach dem Gesagten bilden hier sämtliche vom kantonalen Gericht (dem Grundsatz
nach) beurteilten Rechtsverhältnisse (d.h. die einzelnen gesetzlichen und
reglementarischen Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge) Anfechtungs-
und, da in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vollumfänglich bestritten, auch
Streitgegenstand vor Bundesgericht.

3.2 Wie das BSV in seiner Vernehmlassung zutreffend festhält, geht es im hier
zu beurteilenden Fall in erster Linie um die Frage nach dem
rechtsprechungsgemäss erforderlichen engen sachlichen (und zeitlichen)
Zusammenhang zwischen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität. Nach ständiger
Gerichtspraxis ist hinreichende sachliche Konnexität gegeben, wenn der
Gesundheitsschaden, wie er der Invalidität zugrunde liegt, im Wesentlichen
bereits Ursache der früheren Arbeitsunfähigkeit bildete (BGE 123 V 262
Erw. 1c S. 264, 120 V 112 Erw. 2c/aa und bb S. 117 f. mit Hinweisen; Urteil
B 48/05 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 25. April 2006).

Zu dieser entscheidrelevanten Problematik finden sich im angefochtenen
Entscheid keinerlei näheren Ausführungen. Vielmehr hat sich die Vorinstanz
mit der Feststellung begnügt, "zwischen den Parteien (sei) immer unstrittig
gewesen, dass (...) die massgebliche Arbeitsunfähigkeit während des
Arbeitsverhältnisses mit der Firma E.________ eingetreten" sei. Das
erstinstanzliche Berufsvorsorgegericht hat indessen im Lichte von
Untersuchungsgrundsatz und Offizialmaxime im Rahmen des von der klägerischen
Partei bestimmten Streitgegenstandes von Amtes wegen für die richtige und
vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen (Art. 73
Abs. 2 BVG) und darauf jenen Rechtssatz anzuwenden, den es als den
zutreffenden ansieht (SZS 2001 S. 561 E. 1a und b). Das kantonale Gericht
wird daher die eingehende Prüfung nachzuholen haben, ob die
Gesundheitsschädigung, aufgrund derer dem Beschwerdegegner mit Wirkung ab
November 1991 eine Rente der Invalidenversicherung zugesprochen wurde, im
Wesentlichen bereits Ursache der noch während des Anstellungsverhältnisses
(oder innerhalb der Nachdeckungszeit gemäss Art. 10 Abs. 3 BVG) aufgetretenen
Arbeitsunfähigkeit bildete. Bei der Beurteilung dieser Frage (welche im
Übrigen nunmehr in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Sammelstiftung
Allianz explizit verneint wird), wird die Vorinstanz auch den im
angefochtenen Entscheid offen gelassenen Punkt zu klären haben, bis wann der
Beschwerdegegner in einem Arbeitsverhältnis mit der Firma E.________ stand
(bzw. bis zu welchem Zeitpunkt er bei der Beschwerdeführerin
berufsvorsorgerechtlich versichert war). Alsdann wird das kantonale Gericht
über die Klage vom 29. Juni 2005 neu zu entscheiden haben.

4.
Das letztinstanzliche Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG in der ab 1. Juli
2006 gültigen Fassung). Die Voraussetzungen für die Zusprechung einer
Parteientschädigung (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135 OG) sind nicht
erfüllt: Während dem anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner als
unterliegender Partei keine Entschädigung zusteht (Art. 159 Abs. 1 OG), kann
der obsiegenden Vorsorgeeinrichtung (welche ohnehin nicht durch einen Anwalt
oder sonst wie qualifiziert vertreten wird), von Gesetzes wegen keine
Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 128 V 124
E. 5b S. 133, 126 V 143 E. 4a S. 150, je mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 11. August
2006 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, damit
diese im Sinne der Erwägungen verfahre und über die Klage vom 29. Juni 2005
neu entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Eine Parteienschädigung wird nicht zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 20. Dezember 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Meyer Attinger