Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 101/2006
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{T 7}
B 101/06

Urteil vom 23. Februar 2007
II. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Borella, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Seiler, Ersatzrichter Maeschi,
Gerichtsschreiberin Amstutz.

X. ________, 1943, Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans
Rudolf Forrer, Bahnhofstrasse 7, 8570 Weinfelden,

gegen

Pensionskasse der Ascoop, Beundenfeldstrasse 5, 3000 Bern 25,
Gesuchsgegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André E. Lebrecht, Mühlebachstrasse 6, 8008
Zürich.

Berufliche Vorsorge,

Revisionsgesuch gegen das Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
vom 12. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ war von 1988 bis Ende Juni 2003 Geschäftsführer der W.________ AG
und bei der Pensionskasse der Ascoop, einer registrierten Vorsorgeeinrichtung
der gleichnamigen Genossenschaft für die Versicherung des Personals
schweizerischer Transportunternehmungen, berufsvorsorgerechtlich versichert.
Vom 7. Juni 1996 bis 6. Februar 2002 wirkte er zudem als Vizepräsident und
vom 7. Februar bis 17. Juli 2002 als Präsident der Genossenschaft sowie deren
Vorsorgestiftung.

Am 26. Juni 2003 teilte die Pensionskasse der Ascoop X.________ mit, er habe
ab 1. Juli 2003 bei vorzeitigem Altersrücktritt Anspruch auf eine monatliche
Rente im Betrag von Fr. ... Gleichentags erklärte sie die Verrechnung der
aktuellen und künftigen Leistungen mit Ansprüchen unter anderem aus
Schadenersatzpflicht nach Art. 52 BVG. Am 30. April 2004 liess X.________
Klage auf Bezahlung ausstehender Altersleistungen in Höhe von Fr. 103'114.-,
nebst Zins zu 5 % seit 15. November 2003, einreichen. Verrechnungsweise
machte die Pensionskasse eine die Klageforderung übersteigende Forderung aus
berufsvorsorgerechtlicher Verantwortlichkeit in Zusammenhang mit einem
Verkauf von Wertpapieren durch die Vorsorgeeinrichtung im Winter 2000/2001
geltend. Mit Entscheid vom 6. Juli 2005 wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau die Klage ab.

B.
Die gegen den kantonalen Entscheid erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wies das Eidgenössische Versicherungsgericht im Wesentlichen mit der
Feststellung ab, dass die Voraussetzungen der Schadenersatzpflicht nach Art.
52 BVG erfüllt seien und die Verrechnungsforderung zu Recht bestehe (Urteil
vom 12. Juni 2006, B 99/05).

C.
Mit Eingabe vom 5. September 2006 lässt X.________ ein Gesuch um Revision des
Urteils des Eidgenössischen Versicherungsgerichts vom 12. Juni 2006 stellen
und beantragen, in Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau sei die Pensionskasse der Ascoop zu verpflichten, ihm die
eingeklagten Vorsorgeleistungen zu bezahlen; eventuell sei die Sache zu
ergänzenden Abklärungen und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Die Pensionskasse der Ascoop beantragt die Abweisung des Revisionsgesuchs.
Mit Eingabe vom 11. Januar 2007 hat der Gesuchsteller zur Vernehmlassung der
Vorsorgeeinrichtung Stellung genommen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz; BGG; AS 2006 1205 ff., 1243) in Kraft
getreten, mit welchem das bundesgerichtliche Rechtsmittelsystem neu geregelt
wurde. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG ist das Gesetz auf die nach seinem
Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist. Das vorliegende
Revisionsgesuch wurde vor dem 1. Januar 2007 eingereicht. Anwendbar ist daher
das bis Ende 2006 gültig gewesene Verfahrensrecht (Art. 136 ff. in Verbindung
mit Art. 135 OG; vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Der Gesuchsteller beruft sich auf den Revisionsgrund von Art. 136 lit. d OG.
Nach Art. 141 Abs. 1 lit. a OG sind Revisionsgesuche, die sich auf Art. 136
OG stützen, innert 30 Tagen nach Eröffnung des Urteils einzureichen. Das
Urteil vom 12. Juni 2006 ist dem Gesuchsteller am 5. Juli 2006 ausgehändigt
worden. Unter Berücksichtigung des Fristenstillstandes vom 15. Juli bis 15.
August (Art. 34 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 135 OG) ist die
dreissigtägige Frist mit der am 5. September 2006 der Post übergebenen
Eingabe gewahrt. Das Gesuch erfüllt auch die in Art. 140 OG genannten
Voraussetzungen, weshalb darauf einzutreten ist.

3.
Gemäss Art. 136 lit. d OG ist die Revision eines bundesgerichtlichen Urteils
zulässig, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus
Versehen nicht berücksichtigt hat. Voraussetzung ist, dass das Gericht
bestimmte Tatsachen nicht gewürdigt hat, sich die fraglichen Tatsachen aus
den Akten ergeben, sie für den Verfahrensausgang erheblich sind und die
Nichtberücksichtigung versehentlich erfolgt ist (vgl. Jean-François Poudret,
Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Vol. V, Ziff. 5 zu
Art. 136 OG; Rolando Forni, Svista manifesta, fatti nuovi e prove nuove nella
procedura di revisione, in: Festschrift Max Guldener, Zürich 1973, S. 91
ff.). Versehentliches Nichtberücksichtigen liegt vor, wenn der Richter ein
bestimmtes Aktenstück übersehen oder eine bestimmte wesentliche Aktenstelle
unrichtig, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut oder in ihrer
tatsächlichen Tragweite wahrgenommen hat. Erheblich ist eine Tatsache, wenn
sie geeignet ist, zu einem anderen, für den Gesuchsteller günstigeren
Ergebnis zu führen (BGE 122 II 17 E.3 S. 18 f., 115 II 399 f. E. 2a; RSKV
1982 Nr. 479 S. 60 E. 2a und 1975 Nr. 210 S. 29 E. 1; Poudret, a.a.O., Ziff.
5.3 zu Art. 136 OG).

4.
Der Gesuchsteller macht geltend, das Gericht habe im Zusammenhang mit der für
die Verantwortlichkeit nach Art. 52 BVG vorausgesetzten Widerrechtlichkeit
versehentlich wesentliche, in den Akten enthaltende Tatsachen übersehen.

4.1 Bei der Beurteilung der Widerrechtlichkeit (BGE 128 V 124 E. 4d S. 129)
ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Pensionskasse der Ascoop über ein
grösseres Aktienpaket der in den USA domizilierten Firma Y.________ verfügt
hatte und das Wertpapier im Sommer 1999 von der Börse genommen wurde mit der
Folge, dass die Vermögensanlage den Voraussetzungen von Art. 53 lit. e in
fine BVV2 nicht mehr entsprach. Am 22. Dezember 2000 konnten die
Ausgleichskasse SPIDA und die Pensionskasse der Ascoop ausserbörslich
insgesamt 240'000 Aktien der Firma Y.________ zum Preis von US-Dollar 12.50
je Stück verkaufen, wobei unter den Verkäuferinnen vereinbart wurde, dass die
Ausgleichskasse SPIDA 80'000 und die Pensionskasse der Ascoop 160'000 Aktien
veräusserte. Auf Anweisung des Gesuchstellers wurden dem Käufer im Umfang von
24'400 Aktien nicht Wertpapiere der Pensionskasse, sondern von ihm persönlich
gehaltene Aktien übertragen. Die der Vorsorgeeinrichtung verbleibenden Titel
konnten am 30. März 2005 zu einem Stückpreis von lediglich US-Dollar 3.50
verkauft werden. In Würdigung dieser Tatsachen ist das Gericht zum Schluss
gelangt, der Beschwerdeführer (und heutige Gesuchsteller) habe bereits
dadurch widerrechtlich gehandelt, dass er im Umfang von 24'400 Aktien, die er
persönlich verkaufen wollte, eine vorschriftswidrig gewordene Beteiligung der
Vorsorgeeinrichtung nicht habe liquidieren helfen (Erw. 4.3 in fine).

4.2 Im Revisionsgesuch wird vorgebracht, die Feststellung, wonach die Anlage
im Zeitpunkt der fraglichen Transaktion die Voraussetzungen von Art. 53 lit.
e in fine BVV2 nicht mehr erfüllt habe, treffe nicht zu. Zum einen könnten
nach Art. 59 Abs. 1 BVV2 unter bestimmten Voraussetzungen auch Anlagen in
nicht kotierten ausländischen Unternehmen getätigt werden; zum andern habe
die Revisionsstelle die Zulässigkeit der Anlage in den Revisionsberichten
wiederholt bestätigt. Die Beteiligung an der Firma Y.________ sei in der
fraglichen Zeit in allen Teilen rechtskonform gewesen. Zudem seien die Aktien
nur vorübergehend und kurzfristig von der Börse genommen worden. Insgesamt
habe daher keine Liquidationspflicht und damit auch kein widerrechtliches
Handeln bestanden. Die Tatsache, dass die für die Bejahung der
Widerrechtlichkeit als massgebend erachtete Liquidationspflicht infolge
Verstosses gegen Art. 53 lit. e BVV2 nicht bestanden habe, gehe aus den im
Recht liegenden Akten hervor und sei vom Gericht versehentlich nicht
berücksichtigt worden.

4.3 Was der Gesuchsteller vorbringt, betrifft in erster Linie die Richtigkeit
der im Urteil vom 12. Juni 2006 vertretenen Rechtsauffassung des Gerichts
sowie die Richtigkeit der rechtlichen Würdigung von Tatsachen. Beides kann
nicht Gegenstand einer Revision nach Art. 136 lit. d OG bilden. Ein
Revisionsgrund nach Art. 136 lit. d OG ist nur gegeben, wenn das
Bundesgericht für den Entscheid erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht
berücksichtigt hat. Kein Revisionsgrund ist dagegen die rechtliche Würdigung
der an sich richtig aufgefassten Tatsachen, auch wenn diese Würdigung
irrtümlich oder unrichtig sein sollte; zur rechtlichen Würdigung gehört auch
die Entscheidung der Frage, ob eine Tatsache rechtserheblich ist oder nicht.
Auf das Gesuch ist daher insoweit nicht näher einzugehen, als damit Kritik an
der vom Eidgenössischen Versicherungsgericht geäusserten Rechtsauffassung und
an der vorgenommenen rechtlichen Würdigung von Tatsachen erhoben wird (BGE
122 II 17 E. 3 S. 18 f. mit Hinweisen; ferner nicht veröffentlichte Urteile
des Bundesgerichts 5P.357/2005 vom 10. November 2005, 2A.182/2004 vom 29.
Oktober 2004, 1P.714/2000 vom 21. März 2001, 1P.375/1999 vom 22. Juli 1999).
Richtig ist, dass das Gericht die Widerrechtlichkeit im Hinblick auf eine
Verletzung der Anlagevorschriften und der daraus folgenden
Liquidationspflicht bezüglich der Vermögensanlage bejaht hat. Entgegen den
Ausführungen des Gesuchstellers handelt es sich dabei jedoch nicht um blosse
Tatfragen. Vielmehr ging es um Rechtsfragen, welche im Hinblick auf die Frage
der Widerrechtlichkeit vorfrageweise zu prüfen waren. Soweit mit dem
Revisionsgesuch die Richtigkeit der vom Gericht angenommenen Verletzung der
Anlagevorschriften und der damit verbundenen Liquidationspflicht in Frage
gestellt und geltend gemacht wird, das Gericht sei bei der Beurteilung dieser
Fragen von einer unzutreffenden oder unvollständigen Rechtsgrundlage
ausgegangen, ist darauf ebenfalls nicht einzugehen. Ein Revisionsgrund läge
nur vor, wenn das Gericht bei der Beurteilung dieser Fragen in den Akten
liegende erhebliche Tatsachen versehentlich nicht berücksichtigt hätte.
Solche Tatsachen weist der Gesuchsteller indessen nicht nach. Die Begründung
des Gesuchs erschöpft sich im Wesentlichen darin, unter Hinweis auf die im
massgebenden Zeitpunkt anwendbaren Bestimmungen der BVV2 darzulegen, dass
kein Verstoss gegen die Anlagevorschriften und damit auch keine
Liquidationspflicht hinsichtlich der fraglichen Anlage bestanden habe. In
tatsächlicher Hinsicht wird lediglich vorgebracht, die Dekotierung der Aktien
der Firma Y.________ sei nur vorübergehend und kurzfristig erfolgt und es
habe die Absicht bestanden, im Geschäftsjahr 1999/2000 erneut eine
öffentliche Aktienplatzierung in Form eines "Initial Public Offering"
durchzuführen. Nach den Akten war die Geschäftsleitung der Pensionskasse
indessen bereits im August 2000 in dem Sinne orientiert worden, dass die
geplante öffentliche Platzierung der Aktien mit Börsenkotierung im Hinblick
auf die ungünstige Finanzmarktlage verschoben werden musste. Für die Annahme
einer versehentlichen Nichtberücksichtigung in den Akten liegender
erheblicher Tatsachen fehlen offensichtlich die Voraussetzungen. Unbehelflich
ist sodann der Hinweis des Gesuchstellers auf die in den Akten enthaltenen
Berichte der Kontrollstelle, aus welchen hervorgehe, dass der bestehende
Zustand tolerierbar gewesen sei und seitens der Organe der Ascoop kein
Handlungsbedarf bestanden habe. Die genannten Berichte waren für die
Beurteilung der Widerrechtlichkeit ohne Belang, weshalb nicht näher darauf
einzugehen war. Selbst wenn das Gericht die Berichte übersehen haben sollte,
besteht kein Revisionsgrund im Sinne von Art. 136 lit. d OG, weil sie für den
Verfahrensausgang nicht entscheidwesentlich sind. Das Revisionsgesuch erweist
sich damit in allen Teilen als unbegründet.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Entsprechend dem
Ausgang des Prozesses sind die Kosten dem Gesuchsteller aufzuerlegen (Art.
156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG). Dieser hat die durch einen
Rechtsanwalt vertretene Gesuchsgegnerin angemessen zu entschädigen (Art. 159
in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 128 V 124, E. 5b S. 133).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.- werden dem Gesuchsteller auferlegt und mit
dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Der Gesuchsteller hat der Pensionskasse der Ascoop für das Revisionsverfahren
eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.

Luzern, 23. Februar 2007

Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin: