Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.95/2006
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{T 0/2}
6S.95+100/2006 /hum

Beschluss vom 8. Januar 2007
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer und Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Hug,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich,
Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin.

Vorsätzliche Tötung; Strafzumessung,

Nichtigkeitsbeschwerden gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, vom 26. Oktober 2005.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ mit Urteil vom 26.
Oktober 2005 der vorsätzlichen Tötung im Sinne von Art. 111 StGB schuldig
(Dispositiv Ziff. 1) und bestrafte ihn mit acht Jahren Zuchthaus, wovon 610
Tage durch Untersuchungshaft und vorzeitigen Strafvollzug erstanden seien
(Ziff. 2). Die Kosten wurden X.________ auferlegt (Ziff. 4 und 5).

Gegen dieses Urteil führen X.________ und die Oberstaatsanwaltschaft des
Kantons Zürich beim Bundesgericht eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde.
X.________ beantragt, Ziff. 1 und 2 des Urteils des Obergerichts vom 26.
Oktober 2005 seien aufzuheben und das Verfahren an das Obergericht
zurückzuweisen. Ihm seien die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen und
in der Person von Rechtsanwalt Dr. Markus Hug ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand zu bestellen. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 26. Oktober 2005 sei wegen
Verletzung von Art. 63 StGB aufzuheben und die Strafsache zu neuer
Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen.

2.
Der Beschwerdeführer X.________ hat neben der eidgenössischen auch eine
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde erhoben. Das Kassationsgericht des Kantons
Zürich hob mit Sitzungsbeschluss vom 30. Oktober 2006 in teilweiser
Gutheissung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde die Dispositiv-Ziffern 2, 4
und 5 des Urteils des Obergerichts des Kantons Zürich vom 26. Oktober 2005
auf, und die Sache wurde insoweit im Sinne der Erwägungen zur Neubeurteilung
an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde
abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte.

Da das Kassationsgericht nur die Ziff. 2, 4 und 5, nicht aber den
Schuldspruch gemäss Ziff. 1 des obergerichtlichen Urteils aufgehoben hat,
fragte das Bundesgericht die Parteien und die Vorinstanz an, ob die
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde von X.________, soweit sie den
Schuldspruch betrifft, vor dem neuen Urteil des Obergerichts behandelt werden
soll.

X. ________ beantragt, das Verfahren vor Bundesgericht sei auch in Bezug auf
den Schuldspruch als gegenstandslos abzuschreiben, weil die Frage der
rechtlichen Qualifikation nicht losgelöst von derjenigen der
Zurechnungsfähigkeit betrachtet werden könne (vgl. Eingabe vom 1. Dezember
2006, S. 3 lit. d). Das Obergericht des Kantons Zürich erachtet die vom
Bundesgericht ins Auge gefasste Lösung zwar als "sehr erwünscht". Auch das
Obergericht kann jedoch nicht ausschliessen, dass seine Erwägungen zur
Strafzumessung, die vom Kassationsgericht beanstandet wurden, die
Qualifikation der Tat beeinflussen könnten (Eingabe vom 14. Dezember 2006, S.
1 unten). Unter diesen Umständen ist das Verfahren der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerden vollumfänglich als gegenstandslos geworden
abzuschreiben. Praxisgemäss sind bei diesem Ausgang keine Kosten zu erheben.
Insoweit ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos
geworden.

3.
Der Beschwerdeführer X.________ hält am Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung fest. Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerde
gegen eine erstinstanzliche Verurteilung zu acht Jahren Zuchthaus richtet. In
solchen Fällen sollte auch dem Unvermögenden ein Rechtsmittel an eine obere
Instanz offen stehen, weshalb ein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung
gutzuheissen ist, wenn die Vorbringen des Beschwerdeführers jedenfalls
vertretbar sind (Urteile 6S.114/1999 vom 12. Mai 2000 und 6S.721/1996 vom 16.
Oktober 1997, je E. 5). X.________ macht geltend, dass er in Anwendung von
Art. 113 StGB wegen Totschlags hätte schuldig gesprochen werden müssen, und
dass das Obergericht die Strafzumessung unrichtig vorgenommen habe. Beide
Rügen waren jedenfalls zur Hauptsache vertretbar. Dem Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung ist deshalb zu entsprechen.

Demnach beschliesst das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerden von X.________ und der
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich werden als gegenstandslos geworden
am Geschäftsverzeichnis abgeschrieben.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird gutgeheissen.

4.
Der Vertreter des Beschwerdeführers X.________, Rechtsanwalt Dr. Markus Hug,
wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 3'000.-- entschädigt.

5.
Dieser Beschluss wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Januar 2007

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: