Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.55/2006
Zurück zum Index Kassationshof in Strafsachen 2006
Retour à l'indice Kassationshof in Strafsachen 2006


6S.55/2006 /Rom

Urteil vom 23. April 2006
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Pr sident,
Bundesrichter Wipr chtiger, Z nd,
Gerichtsschreiber Willisegger.

X. ________,
Y.________,
Beschwerdef hrer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz M usli,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen.

Gehilfenschaft zu Veruntreuung

Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen,
Strafkammer, vom 8. November 2005.

Sachverhalt:

A.
Am 6. Juli 1998 erteilte A.________ dem Treuh nder B.________ bzw. dessen
C.________ AG den Auftrag, ein Bankguthaben  ber DM 830'000.-- von
Deutschland in die Schweiz zu  berweisen. Entsprechend der Vereinbarung
sollte das Guthaben dem Konto der D.________ Vereinigung als Schenkung
gutgeschrieben werden. Am 7. Juli 1998 liess B.________ den Betrag bei der
Banca Unione di Credito auf ein Kontokorrent-Konto seiner
Treuhandgesellschaft  berweisen. Das Geld wurde sodann auf eine Bank in
Luxemburg transferiert und  schliesslich am 17. August 1998 bei der
E.________ AG in Feldkirch/ sterreich auf ein Konto der C.________ AG
 berwiesen. Statt das Guthaben auftragsgem ss der Beschenkten zu  berweisen,
verwendete B.________ das Geld in der Folge unter Mitwirkung von Y.________
und X.________ f r seine eigenen Gesellschaften, die sich in finanziellen
Schwierigkeiten befanden.

B.
Das Kreisgericht St. Gallen verurteilte B.________ am 16. November 2004 unter
anderem wegen mehrfacher qualifizierter Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2 StGB)
zu einer bedingten Gef ngnisstrafe von 16 Monaten. Mit Urteil gleichen Datums
erkl rte es X.________ und Y.________ der Geldw scherei (Art. 305bis StGB)
schuldig und bestrafte sie je mit Gef ngnis von 6 Monaten unter Gew hrung des
bedingten Vollzuges. Die Verurteilung von B.________ blieb unangefochten und
erwuchs in Rechtskraft.

Auf Berufung von X.________ und Y.________ hin erkannte das Kantonsgericht
St. Gallen mit Entscheid vom 8. November 2005 auf Gehilfenschaft zur
Veruntreuung gem ss Art. 138 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 25 StGB, bestrafte
X.________ mit einer bedingten Gef ngnisstrafe von 9 Monaten und Y.________
mit einer solchen von 6 Monaten.

C.
X.________ und Y.________ erheben gemeinsam eidgen ssische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts St.
Gallen vom 8. November 2005 aufzuheben.

D.
Das Kantonsgericht verzichtet auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde. Eine
Vernehmlassung wurde nicht durchgef hrt.

Das Bundesgericht zieht in Erw gung:

1.
Der Kassationshof ist im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde an die
tats chlichen Feststellungen der kantonalen Beh rde gebunden (Art. 277bis
Abs. 1 BStP). Ausf hrungen, die sich gegen die Sachverhaltsfeststellungen
richten, sind unzul ssig. Eine Ausnahme besteht nur insoweit, als die
Vorinstanz jene Feststellungen nicht trifft, die zur  berpr fung von
Bundesrecht notwendig sind (Art. 277 BStP). Der   Beschwerdef hrer muss sich
jedoch mit der rechtlichen Begr ndung des angefochtenen Entscheides
auseinandersetzen und kurz darlegen, inwiefern der Bundesrechtssatz, dessen
Anwendung ger gt wird, verletzt sein soll (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Art.
277 BStP vermittelt keinen selbst ndigen Beschwerdegrund (BGE 101 IV 132 E.
3b S. 135, mit Hinweis). Soweit die Beschwerdef hrer vorbringen, die
Vorinstanz treffe keine hinreichenden Feststellungen zur
Verf gungsberechtigung und zu den  berweisungen des Guthabens, ist auf deren
Beschwerden nicht einzutreten. Sie legen nicht dar, weshalb es f r die
Gesetzesanwendung auf diese Tatfragen ankommen sollte. Da ihnen nicht zur
Last gelegt wird, sie h tten an der  bertragung des Guthabens mitgewirkt, ist
solches auch nicht ersichtlich.

2.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet einzig die Frage, ob sich
die beiden Beschwerdef hrer der Gehilfenschaft zur Veruntreuung gem ss Art.
138 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 25 StGB schuldig gemacht haben, indem sie
B.________ unterst tzten, die Treuhandgelder zweckwidrig zu verwenden. Nach
Auffassung der Beschwerdef hrer ist die Verurteilung bundesrechtswidrig, weil
die Veruntreuung bereits verwirklicht gewesen sei. Eine Teilnahme nach
Vollendung der Tat sei ausgeschlossen, es liege lediglich Mitwirkung beim
Verbrauch vor. Sie machen zudem geltend, ihr Verhalten m sse straflos
bleiben, weil ihnen die Verm genswerte nicht anvertraut worden seien.

3.
3.1 Nach Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begeht eine Veruntreuung, wer  ihm
anvertraute Verm genswerte unrechtm ssig in seinem oder eines anderen Nutzen
verwendet. Als Gehilfe macht sich strafbar, wer zu einem Verbrechen oder
Vergehen vors tzlich Hilfe leistet (Art. 25 StGB). Nach der Rechtsprechung
gilt als Hilfeleistung jeder kausale Beitrag, der die Tat f rdert, so dass
sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt h tte. Nicht
erforderlich ist, dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen w re.
Die F rderung der Tat gen gt. Andererseits muss die Hilfeleistung tats chlich
zur Tat beigetragen, also einen kausalen Beitrag dargestellt haben (BGE 120
IV E. 265 2c/aa S. 272, mit weiteren Hinweisen). Ein Delikt gilt als
vollendet, wenn alle allgemeinen Voraussetzungen der Strafbarkeit und alle
echten Merkmale des in Frage stehenden gesetzlichen Tatbestands verwirklicht
sind; indessen ist die Mitwirkung Dritter noch bis zur Beendigung des Delikts
m glich (BGE 122 IV 211 E. 3b/dd S. 220, mit Hinweis).

3.2 B.________ verwendete das ihm anvertraute Guthaben, um seine
Gesellschaften zu sanieren und Liquidit tsengp sse zu  berbr cken, und wurde
mit Entscheid vom 16. November 2004 der qualifizierten Veruntreuung schuldig
erkl rt. Dem Schuldspruch liegen Tathandlungen in der Zeit vom 24. August
1998 bis 30. Dezember 1998 zugrunde (angefochtenes Urteil, S. 11). Dieser
Zeitraum ist entscheidend f r die Frage, ob die Haupttat vor ihrer Vollendung
bzw. Beendigung gef rdert wurde. Die Beschwerdef hrer bringen vor, die
Veruntreuung sei sp testens am 17. August 1998 mit der  berweisung auf die
E.________ AG vollendet gewesen. Der Einwand geht an der Sache vorbei. Nicht
die mehrfache  bertragung der Gelder, sondern deren sp tere zweckwidrige
Verwendung wurde B.________ vorgeworfen. Massgebend ist daher allein, ob die
Beschwerdef hrer vor Ende Dezember 1998 die Veruntreuung gef rdert haben.

Gem ss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz wurden die Gelder auf
ein Konto bei der E.________ AG  berwiesen, weil der Beschwerdef hrer 2 zu
diesem Finanzinstitut eine Gesch ftsbeziehung unterhielt. Vom fraglichen
Konto t tigte er im Auftrag von B.________ ab dem 9. September 1998
Bargeldbez ge von insgesamt Fr. 252'315.-- (angefochtenes Urteil, S. 4 und 7
f.). Im Zusammenhang mit einer Finanzanlage in Italien, welche durch
Vermittlung und unter Mithilfe der beiden Beschwerdef hrer zustande kam,
flossen im Herbst 1998 bzw. Ende 1998 Vorsch sse und Spesen von mindestens
Fr. 142'000.-- (angefochtenes Urteil, S. 4, 9 und 12). Der Beschwerdef hrer 1
schloss mit B.________  berdies am 18. August 1998 eine Vereinbarung zwecks
Gr ndung einer gemeinsamen Holding und erwarb zu diesem Zweck einen
Aktienmantel zum Preis von Fr. 32'000.--, der aus den Treuhandgeldern
beglichen wurde (angefochtenes Urteil, S. 4 und 12). Demnach steht fest, dass
die Beschwerdef hrer B.________  unterst tzten, bevor die zweckwidrige
Verwendung der anvertrauten Gelder abgeschlossen war. Dass die geleisteten
Beitr ge die Haupttat im Sinne von Art. 25 StGB f rderten, wird von den
Beschwerdef hrern zu Recht nicht weiter in Frage gestellt.

4.
Die Beschwerdef hrer machen geltend, eine Bestrafung wegen Gehilfenschaft
falle ausser Betracht, weil ihnen die Schenkung A.________ nicht anvertraut
gewesen sei. Sie berufen sich dazu auf eine Meinung im Schrifttum, wonach das
Anvertrauen von Verm genswerten im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ein
strafbegr ndendes Merkmal darstelle. Der Teilnehmer, dem die Verm genswerte
nicht anvertraut seien, bleibe straflos (Niggli/Riedo, in: Basler Kommentar,
Strafgesetzbuch II, Basel 2003, Art. 138 N. 130).

Der Tatbestand von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist ein echtes Sonderdelikt.
T ter bzw. Mitt ter kann nur sein, wem die Verm genswerte pers nlich
anvertraut oder mitanvertraut waren (vgl. BGE 98 IV 147 E. 4 S. 150). Dies
bedeutet jedoch nicht, dass straflos bliebe, wer sich an der Veruntreuung
eines anderen beteiligt. Nach der Praxis des Bundesgerichts ist die
Mitwirkung eines Dritten, der die erforderliche T tereigenschaft nicht in
eigener Person erf llt (sog. extraneus), als Anstiftung oder Gehilfenschaft
zu erfassen (BGE 111 IV 74 E. 5b S. 82 f.). An dieser Rechtsprechung ist
festzuhalten. Zur Klarstellung mag beigef gt sein, dass sich der Teilnehmer
einer Veruntreuung nicht zu verantworten hat, weil er gegen eine Treuepflicht
verstossen h tte, die ihm gar nicht zukommt. Der Strafgrund der Teilnahme
liegt vielmehr in der Mitwirkung an dem vom T ter begangenen Unrecht (BGE 115
IV 230 E. 2). Strafbegr ndend wirkt somit nicht bereits die vom T ter
verletzte Norm, sondern das in Art. 24 f. StGB umschriebene Verbot, einen
anderen zu einer solchen Rechtsverletzung zu veranlassen oder ihn dabei zu
unterst tzen. Der Unrechtsgehalt der Teilnahme bestimmt sich dabei nach dem
Unrecht der Tat, zu der sie geleistet wurde (G nter Stratenwerth,
Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl., Bern 2005,   13 N.
84). Die Vorinstanz verletzt daher Bundesrecht nicht, wenn sie die
Beschwerdef hrer wegen Gehilfenschaft zur Veruntreuung im Sinne von Art. 138
Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 25 StGB schuldig gesprochen hat.

5.
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich demnach als unbegr ndet, soweit
darauf  berhaupt eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
tragen die Beschwerdef hrer die Kosten vor Bundesgericht (Art. 278 Abs. 1
BStP). Den Gesuchen um Gew hrung der unentgeltlichen Rechtspflege kann nicht
stattgegeben werden, da ihr Rechtsbegehren von vornherein aussichtslos war.
Den angespannten finanziellen Verh ltnissen ist mit einer reduzierten
Gerichtsgeb hr Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege werden abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgeb hr von Fr. 1'600.-- wird den Beschwerdef hrern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdef hrern, der Staatsanwaltschaft des Kantons
St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. April 2006

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Pr sident:  Der Gerichtsschreiber: