Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.493/2006
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{T 0/2}
6S.493/2006 /hum

Urteil vom 28. Dezember 2006
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Willisegger.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Markus Janett,

gegen

A.________,
B.________,
C.________,
Beschwerdegegner,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Victor Benovici,

Ehrverletzung (Zulassung zum Entlastungsbeweis),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, vom 21. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ lag wegen einer Mietsache mit C.________ im Streit, der sich
durch Rechtsanwalt B.________ vertreten liess. Später erhob sie gegen die
beiden Strafklage wegen Ehrverletzung, da B.________ in einem Brief geäussert
hatte, er neige sogar dazu, von Querulantentum zu sprechen. Die
Strafbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt A.________, liessen sich zur
Klage mit Eingabe vom 9. September 2003 vernehmen. Darin verlangten sie die
umgehende Einstellung der Strafuntersuchung und begründeten ausführlich den
Eventualantrag um Zulassung zum Entlastungsbeweis. Die Klage wurde in der
Folge als durch Vergleich erledigt abgeschrieben.

B.
Am 10. Dezember 2003 strengte X.________ erneut eine Ehrverletzungsklage
gegen C.________, B.________ und A.________ an. Gegenstand dieser zweiten
Klage waren die Ausführungen der Beklagten in der Vernehmlassung vom 9.
September 2003, womit sie die Zulassung zum Entlastungsbeweis im ersten
Prozess begründeten. Nach einem erfolglos durchgeführten Sühnverfahren vor
dem Kreisamt Chur und weiteren Prozesshandlungen wurden die Verfahrensakten
zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Entlastungsbeweises an den
Bezirksgerichtsausschuss überwiesen.

C.
Mit Urteil vom 14. März 2006 liess der Bezirksgerichtsausschuss Imboden die
Strafbeklagten zum Entlastungsbeweis zu. Auf Berufung der Klägerin hin
bestätigte das Kantonsgericht Graubünden am 21. Juni 2006 die angefochtene
Zulassung.

D.
X.________ führt gegen das Urteil des Kantonsgerichts vom 21. Juni 2006
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 173 Ziff. 3
StGB und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Beschwerdegegner zum Entlastungsbeweis nicht zuzulassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Art. 268 Ziff. 1 BStP ist die eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde zulässig gegen Urteile der Gerichte, die nicht durch
ein kantonales Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts
angefochten werden können. Nach der Rechtsprechung ist unter einem Urteil im
Sinne von Art. 268 Ziff. 1 BStP nicht nur ein Endurteil zu verstehen, sondern
auch Vor- und Zwischenentscheide, wenn damit eine für den Ausgang der Sache
präjudizielle Frage des Bundesrechts endgültig entschieden wird und darauf
später nicht mehr zurückgekommen werden kann (BGE 128 IV 34 E. 1a; 111 IV 189
E. 2, mit Hinweisen). Hingegen stellt eine blosse Verfügung über den Gang des
Verfahrens (prozessleitende Verfügung) kein Urteil dar (BGE 123 IV 252; 103
IV 59; 102 IV 37 E. 1, mit Hinweisen). Entsprechend wurde die Zulässigkeit
des Weiterzugs von kantonalen letztinstanzlichen Vor- und Zwischenentscheiden
an das Bundesgericht davon abhängig gemacht, dass die kantonalen Behörden
eine Frage des Bundesrechts von grundlegender Bedeutung verbindlich und
endgültig entschieden haben. Der Kassationshof erachtet diese Voraussetzung
insbesondere als gegeben, wenn es um die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs, die Anordnung einer förmlichen Mahnung, die Gültigkeit des
Strafantrags, die Frage der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten oder der
Verjährung geht (vgl. BGE 128 IV 34 E. 1a und die in BGE 111 IV 189 E. 2
genannten Urteile).

Das Kantonsgericht hat vorliegend in Form eines Zwischenentscheides
(vorfraglich) darüber befunden, ob die Strafbeklagten zum Entlastungsbeweis
nach Art. 173 Ziff. 3 StGB zuzulassen sind. Damit hat es über eine für den
Ausgang der Sache präjudizierende Frage des Bundesrechts endgültig
entschieden, nämlich das Recht der Angeklagten, sich vom Vorwurf der
Ehrverletzung zu exkulpieren. Davon zu unterscheiden ist die Frage über die
Durchführung von Beweismassnahmen im weiteren Verfahren, namentlich welche
Beweise zu erheben sind und mit welchen Mitteln sie geführt werden können.
Solche Massnahmen werden in die Form prozessleitender Verfügungen gekleidet
(vgl. BGE 103 IV 59). Dass der vorliegende Zwischenentscheid über eine
eidgenössische Präjudizialfrage das Verfahren nicht abschliesst, ändert nach
dem Gesagten an der Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde nichts.

1.2 Gemäss Art. 270 lit. g BStP ist der Privatstrafkläger zur eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, wenn er nach den Vorschriften des
kantonalen Rechts allein und ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers die
Anklage geführt hat. Nach Art. 167 der Strafprozessordnung des Kantons
Graubünden (StPO/GR) stehen der Staatsanwaltschaft bei Verfahren wegen
Ehrverletzungsdelikten keinerlei Mitwirkungsrechte zu (Willy Padrutt,
Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Graubünden, 2. Aufl., Chur
1996, Art. 162 - 168 StPO N 1). Die Beschwerdeführerin ist daher zur Erhebung
der Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert.

1.3 Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist kassatorischer Natur. Sie
kann also im Fall ihrer Gutheissung nur zur Aufhebung des angefochtenen
Entscheids führen (Art. 277ter Abs. 1 BStP). Soweit die Beschwerdeführerin
mehr verlangt und dem Bundesgericht beantragt, die Beschwerdegegner seien zum
Entlastungsbeweis nicht zuzulassen, ist sie nicht zu hören.

1.4 Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet
werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze
(Art. 269 Abs. 1 BStP). Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen
Feststellungen des Entscheides richten, sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit.
b BStP). Der Kassationshof ist an die Sachverhaltsfeststellungen der
kantonalen Behörde gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Was der Täter wusste,
wollte, in Kauf nahm und mit welcher Absicht er handelte, ist Tatfrage und
kann im Rahmen der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht überprüft
werden (BGE 125 IV 242 E. 3c; vgl. auch BGE 98 IV 90 E. 4a S. 95, je mit
Hinweisen). Soweit die Beschwerdeführerin sich in Widerspruch zum verbindlich
festgestellten Sachverhalt setzt, und namentlich rügt, die Beschwerdegegner
hätten einzig beabsichtigt, sie in ein schlechtes Licht zu rücken, ist auf
ihre Beschwerde nicht einzutreten.

2.
Zu prüfen ist einzig, ob die Vorinstanz die Beschwerdegegner zu Recht zum
Entlastungsbeweis zugelassen hat.

2.1 Die Zulässigkeit des Entlastungsbeweises ist geregelt in Art. 173 Ziff. 3
StGB. Das Gesetz sagt allerdings nicht positiv, wann der Entlastungsbeweis
zulässig ist und verwendet zudem doppelte Negationen, was dem Verständnis der
Vorschrift abträglich ist. Nach der Rechtsprechung kommt ein Ausschluss vom
Entlastungsbeweis nur in Betracht, wenn kumulativ die beiden vom Gesetz
genannten Kriterien gegeben sind. Diese beiden kumulativen Voraussetzungen
für den Ausschluss des Entlastungsbeweises sind einerseits das Fehlen einer
begründeten Veranlassung und andererseits die überwiegende Absicht, jemandem
Übles vorzuwerfen. Dabei darf weder aus dem Fehlen einer begründeten
Veranlassung auf die genannte Absicht geschlossen werden noch umgekehrt aus
dem Vorliegen einer üblen Absicht auf das Fehlen einer begründeten
Veranlassung (BGE 116 IV 31 E. 3 S. 38, mit Hinweisen).

2.2 Die Vorinstanz hat für den Kassationshof verbindlich (Art. 277bis BStP)
festgestellt, dass die Beschwerdegegner mit den umstrittenen Äusserungen
offensichtlich beabsichtigten, den gegen sie erhobenen Vorwurf der
Ehrverletzung (im ersten Prozess) zu rechtfertigen; sie hätten nicht,
zumindest nicht überwiegend die Absicht gehabt, der Beschwerdeführerin zu
schaden oder sie herabzusetzen. Damit steht fest, dass die Beschwerdegegner
nicht oder wenigstens nicht vorwiegend in der Absicht handelten, der
Beschwerdeführerin Übles vorzuwerfen. Bereits aus diesem Grund sind die
Beschuldigten nach Art. 173 Ziff. 3 StGB berechtigt, den Entlastungsbeweis zu
führen, womit an sich nicht mehr geprüft zu werden braucht, ob sie auch aus
begründeter Veranlassung gehandelt haben (BGE 98 IV 90 E 4a S. 95). In dieser
Hinsicht kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen
werden, wonach die Beschwerdegegner ein berechtigtes Interesse hatten, sich
gegen den erhobenen Vorwurf der Ehrverletzung zu verteidigen und den
gegnerischen Vorhalt zu widerlegen. Dabei ergab sich zwangsläufig aus dem
Prozessgegenstand, dass sich die Äusserungen teilweise auf Privatsachen der
Beschwerdeführerin bezogen (angefochtener Entscheid, S. 7, 9). Die Annahme
der Vorinstanz, die Ausschlussvoraussetzungen von Art. 173 Ziff. 3 StGB seien
nicht gegeben und die Beschwerdegegner folglich zum Entlastungsbeweis
zuzulassen, verletzt somit Bundesrecht nicht.

2.3 Die Einwände der Beschwerdeführerin gehen teils an der Sache vorbei,
teils sind sie offensichtlich unbegründet. Zunächst verkennt sie, dass nicht
(mehr) darüber zu befinden war, ob der Entlastungsbeweis offen steht für die
vom Beschwerdegegner 2 getätigte Aussage, er neige dazu, von Querulantentum
zu sprechen. Diese Aussage war vielmehr Gegenstand des ersten
Ehrverletzungsprozesses, der durch Vergleich rechtskräftig erledigt worden
ist, weshalb darauf im vorliegenden Verfahren nicht mehr zurückgekommen
werden kann. Fehl geht sodann der Einwand, die inkriminierten Äusserungen
seien unnötig und sachfremd gewesen, da sie mit dem Mietverhältnis zwischen
dem Beschwerdegegner 3 und der Beschwerdeführerin nichts mehr zu tun hätten.
Die Beschwerdegegner sahen sich zu diesen Vorbringen nicht etwa wegen der
Mietstreitigkeit veranlasst, sondern deshalb, weil sie mit einer
Ehrverletzungsklage konfrontiert waren und ihren Standpunkt im Prozess
darlegen mussten. Schliesslich lässt sich gegen den hier angefochtenen
Entscheid auch nicht einwenden, die Beschwerdegegner könnten den
Wahrheitsbeweis zur allgemeinen Herabsetzung der Verletzten missbrauchen. Die
Vorinstanz hat lediglich über die Zulassung zum Entlastungsbeweis gemäss Art.
173 Ziff. 3 StGB befunden und dabei ausdrücklich festgehalten, dass erst in
der Untersuchung zu prüfen sein wird, ob die beantragten Beweismittel für den
Nachweis geeignet sind (angefochtener Entscheid, S. 6).

3.
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu
tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Dezember 2006

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: