Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.468/2006
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{T 0/2}
6S.468/2006 /hum

Urteil vom 24. Januar 2007
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiber Borner.

B. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Henzen,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen.

Strafzumessung (Urkundenfälschung); Gewalt und Drohung gegen Behörden und
Beamte,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen,
Strafkammer, vom

30. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
B. ________ kündigte als Vermieter einen Mietvertrag über eine
5 ?-Zimmerwohnung in Gossau SG auf Ende Februar 2002. Als ein Vertreter des
Mieters am 28. Februar 2002 die Wohnung übergab, erstellte der Vermieter ein
Übergabeprotokoll, wobei drei Mängel eingetragen wurden. Das Protokoll wurde
von beiden Beteiligten unterschrieben. Gestützt darauf sandte B.________ dem
Mieter eine Rechnung über Fr. 42'987.15 für die Behebung zahlreicher Schäden
und die Reinigung der Wohnung. Es stellte sich heraus, dass B.________
nachträglich im Übergabeprotokoll über hundert Positionen als
reparaturbedürftig zu Lasten des Mieters eingetragen hatte.
Nachdem das Steueramt Gossau eine Betreibung gegen B.________ eingeleitet
hatte, telefonierte dieser am 10. Oktober 2003 mit dem stellvertretenden Chef
des Steueramtes und verlangte, dass das Fortsetzungsbegehren zurückgezogen
werde, und am Schluss erklärte er, persönlich beim Steueramt vorbeizukommen,
wobei etwas passieren werde. Auf die Frage des Steuerbeamten, ob dies eine
Drohung sei, antwortete er, das könne er anschauen, wie er wolle. Als
B.________ kurz darauf wieder anrief, teilte ihm der Beamte mit, dass die
Betreibung gegen ihn entsprechend seinem Begehren zurückgezogen werde, dass
aber eine Betreibung gegen seine Ehefrau eingeleitet werde. Darauf wurde
B.________ sehr aggressiv und sagte: "I weiss jetzt, wo Sie wohned und i wird
Sie zsämmeschlage". Der Steuerbeamte bekam grosse Angst, und beim Steueramt
wurden Vorsichtsmassnahmen getroffen.

B.
Das Kreisgericht Untertoggenburg-Gossau verurteilte B.________ am 29. Juni
2005 wegen Urkundenfälschung sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und
Beamte zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von sechs Monaten. Eine Berufung
des Verurteilten wies das Kantonsgericht St. Gallen am 30. Mai 2006 ab.

C.
B.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und zur Neufestsetzung der Strafe wegen
Urkundenfälschung und zur Freisprechung, eventualiter zur Neufestsetzung der
Strafe wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Die Staatsanwaltschaft
des Kantons St. Gallen hat sich nicht vernehmen lassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil ist vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17.
Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) am
1. Januar 2007 ergangen. Auf das Rechtsmittel dagegen ist noch das bisherige
Verfahrensrecht anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG, e contrario), hier somit
dasjenige der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 268 ff. BStP.
Am 1. Januar 2007 ist auch der revidierte Allgemeine Teil des
Strafgesetzbuches in Kraft getreten. Die neuen Bestimmungen sind hier aber
noch nicht von Bedeutung, da das Bundesgericht im Verfahren der
Nichtigkeitsbeschwerde nur prüft, ob das kantonale Gericht das eidgenössische
Recht richtig angewendet habe (Art. 269 Abs. 1 BStP), mithin das Recht,
welches im Zeitpunkt der Ausfällung des angefochtenen Urteils noch gegolten
hat (BGE 129 IV 49 E. 5.3 S. 51 f., mit Hinweisen).

2.
2.1 Im Zusammenhang mit der Verurteilung wegen Gewalt und Drohung gegen
Behörden und Beamte wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz vor, diese habe
zu Unrecht angenommen, er habe am Telefon einen ernstlichen Nachteil im Sinne
von Art. 285 StGB bzw. Art. 180 StGB in Aussicht gestellt. Seine Äusserungen
würden nicht ausreichen, um die erforderliche Schwere des Nachteils zu
begründen.

2.2 Gemäss Art. 285 Ziff. 1 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer einen
Beamten durch Drohung zu einer Amtshandlung nötigt. Die Drohung entspricht
der Androhung ernstlicher Nachteile gemäss dem Tatbestand der Nötigung im
Sinne von Art. 181 StGB (Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer
Teil II, 5. Auflage, S. 286 N 20). Im Unterschied zu den Art. 181, 279 oder
280 StGB, bei denen als Tatmittel die Androhung ernstlicher Nachteile
verlangt wird, oder zur Drohung gemäss Art. 180 StGB, die schwer sein muss,
ist zwar in Art. 285 Ziff. 1 StGB bloss von Drohung die Rede. Wie aber schon
Thormann/von Overbeck (Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Band, Zürich
1941, Art. 285 N 4) ausführten, ist bereits im Begriff der Drohung das Moment
einer gewissen Ernstlichkeit, des Inaussichtsstellens eindrucksfähiger
Nachteile, enthalten. Nach der Rechtsprechung zu Art. 181 StGB muss die
Drohung schwer genug sein, um eine verständige Person in der Lage des
Betroffenen gefügig zu machen (BGE 107 IV 35 E. 3; Stratenwerth, a.a.O., S.
286 N 20; Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.
Auflage, Art. 285 N 4). Nicht jede Drohung genügt somit, sondern sie muss
eine gewisse Intensität aufweisen, die von Fall zu Fall und nach objektiven
Kriterien festzulegen ist.

2.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz kein
Bundesrecht verletzt, wenn sie von einem angedrohten ernstlichen Nachteil
ausgeht. Die Ankündigung, jemanden zusammenzuschlagen, stellt grundsätzlich
eine ernsthafte Drohung dar, mit der jemand gefügig gemacht werden kann. Es
kommt dazu, dass der Beschwerdeführer weitere entsprechende Äusserungen
machte, indem er ankündigte, er werde persönlich vorbeikommen und es werde
etwas passieren. Die Wirkung auf den Bedrohten zeigte sich denn auch, indem
dieser grosse Angst bekam und beim Steueramt Vorsichtsmassnahmen getroffen
wurden.

2.4 Die Vorinstanz geht - zumindest stillschweigend - davon aus, dass die
Betreibung gegen den Beschwerdeführer aufgrund seiner Drohung zurückgezogen
wurde. Wenn der Beschwerdeführer heute geltend macht, der Rückzug sei aus
andern Gründen erfolgt, so ist auf die Rüge nicht einzutreten. Denn im Rahmen
der Nichtigkeitsbeschwerde sind Ausführungen, die sich gegen die
tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Entscheides richten, und das
Vorbringen neuer Tatsachen unzulässig ( Art. 273 Abs. 1 lit. b  BStP).

3.
3.1 Bei der Strafzumessung hat das Kreisgericht (auf dessen Erwägungen die
Vorinstanz ausdrücklich verweist) unter anderem festgehalten, es müsse
insgesamt von einem mittelschweren Verschulden ausgegangen werden. Dabei
würden die Vorstrafen und der Rückfall stark ins Gewicht fallen. Unter
Berücksichtigung der gesamten Umstände - einschliesslich der langen
Verfahrensdauer, während welcher sich der Beschwerdeführer wohl verhalten
habe - erscheine eine unbedingte Gefängnisstrafe von 6 Monaten als
angemessen.

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei nicht ersichtlich, in welchem
Umfang die lange Verfahrensdauer verglichen mit andern Umständen gewichtet
worden sei. Es würden insbesondere auch Angaben fehlen, wie die
ausgesprochene Strafe im Quervergleich mit ähnlichen Fällen stehe. Hierüber
würden beispielsweise die kantonalen Strafmassrichtlinien Aufschluss geben.

3.3 Gemäss Art. 63 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des
Täters zu; er berücksichtigt dabei die Beweggründe, das Vorleben und die
persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Das Gericht hat in seinem Urteil
die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe angestellt hat, in den
Grundzügen darzustellen. Dabei muss es in der Regel die wesentlichen
schuldrelevanten Tat- und Täterkomponenten so erörtern, dass festgestellt
werden kann, ob alle rechtlich massgeblichen Gesichtspunkte Berücksichtigung
fanden und wie sie gewichtet wurden. Insgesamt müssen seine Erwägungen die
ausgefällte Strafe rechtfertigen, d.h. das Strafmass muss als plausibel
erscheinen. Bei der Gewichtung der zu beachtenden Komponenten steht dem
urteilenden Gericht ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu, in welchen
das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nur eingreift, wenn das
vorinstanzliche Gericht den gesetzlichen Strafrahmen über- oder
unterschritten hat, wenn es von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten
ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Komponenten ausser Acht gelassen
bzw. falsch gewichtet hat oder wenn die Strafe in einem Masse
unverhältnismässig streng bzw. mild erscheint, dass von einer Überschreitung
oder einem Missbrauch des Ermessens gesprochen werden muss (BGE 127 IV 101 E.
2; 124 IV 286 E. 4a; 123 IV 49 E. 2a; 122 IV 241 E. 1a je mit Hinweisen).

3.4 Die Begründung der Strafe durch die kantonalen Instanzen ist
bundesrechtlich vertretbar. Im Entscheid des Kreisgerichtes wird auf die
lange Verfahrensdauer sowie auf den Umstand hingewiesen, dass sich der
Beschwerdeführer während dieser Zeit wohl verhalten hat. Es kann keinem
vernünftigen Zweifel unterliegen, dass beide Kriterien zu seinen Gunsten
berücksichtigt wurden, auch wenn dies nicht ausdrücklich erwähnt wird.
Wenngleich grundsätzlich erforderlich ist, dass sich das Sachgericht über den
Umfang eines die Strafe beeinflussenden Umstandes auslässt, ist im
vorliegenden Fall dessen blosse Erwähnung noch ausreichend. Angesichts des
nicht mehr leichten Verschuldens des Beschwerdeführers liegt die ausgefällte
Strafe innerhalb des erheblichen Ermessenspielsraumes, selbst wenn die
übermässige Verfahrensdauer nicht bloss leicht strafmindernd angerechnet
wird.

3.5 Der Hinweis des Beschwerdeführers auf einen Entscheid des Kassationshofes
vom 5. September 2006 vermag keine Bundesrechtswidrigkeit darzutun. Dort ging
es um die Angemessenheit einer Busse, welche das Kantonsgericht gegenüber der
ersten Instanz massiv erhöht hatte. Das Bundesgericht wies darauf hin, dass
aus dem angefochtenen Entscheid nicht ersichtlich sei, wie die Vorinstanz die
Busse bemessen habe. Insbesondere ergebe sich nicht, in welchem Umfang die
lange Verfahrensdauer gewichtet worden sei. Es würden auch Angaben fehlen,
wie die ausgesprochene Strafe im Quervergleich mit ähnlichen Fällen stehe,
worüber beispielsweise die kantonalen Strafmassrichtlinien Aufschluss geben
könnten. Der Kassationshof wies darauf hin, dass die mangelnde Begründung
umso schwerer wiege, als die Vorinstanz deutlich über den Antrag der
Staatsanwaltschaft hinausgegangen war, was mangels hinreichender Begründung
nicht nachvollziehbar sei (Urteil des Kassationshofs 6S.275/2006 vom
5. September 2006, E. 5).

Von einer solchen Auffälligkeit hinsichtlich der ausgefällten Strafe, welche
nach einer eingehenderen Begründung verlangt hätte, kann im vorliegenden Fall
keine Rede sein. Die angetönten Strafmassrichtlinien können im Interesse
einer einheitlichen Praxis gerade bei Strassenverkehrsdelikten und namentlich
bei der Bussenfestsetzung eine Rolle spielen. Bei den vorliegend zu
beurteilenden Straftaten handelt es sich jedoch nicht um Massendelikte;
vielmehr liegen ihnen regelmässig Sachverhalte zugrunde, die sich teils
erheblich unterscheiden und damit auch nicht vergleichen oder gar
schematisieren lassen. Die Rüge, die Vorinstanz habe keinen Quervergleich mit
ähnlichen Fällen vorgenommen, ist deshalb unbehelflich.

3.6 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie habe bei der
Strafzumessung nicht berücksichtigt, dass er möglicherweise im hängigen
Zivilprozess mit seiner Schadenersatzklage auch ohne das gefälschte
Abnahmeprotokoll, nämlich aufgrund der anderen offerierten Beweismittel,
durchkomme. Falls dem Beschwerdeführer somit tatsächlich ein entsprechender
Schadenersatz zustehe, wovon zu seinen Gunsten auszugehen sei, würde dies die
Tat der Urkundenfälschung leichter erscheinen lassen.
Selbst wenn sich der Beschwerdeführer mit seiner Urkundenfälschung nur einen
unrechtmässigen Beweisvorteil im Zivilprozess verschaffen wollte, würde dies
sein deliktisches Verhalten verschuldensmässig nicht beeinflussen. Die
Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im
Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird (BGE
123 IV 61 E. 5a). Der Beschwerdeführer hat dieses Vertrauen mit seiner
weitreichenden Fälschung einer wichtigen Urkunde erheblich missbraucht,
weshalb von keinem leichten Verschulden auszugehen ist. Die ausgefällte, auch
Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte umfassende Strafe erweist sich
deshalb in jedem Fall als angemessen.

4.
Aus diesen Erwägungen ist die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind
bei diesem Ausgang des Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 278
Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
St. Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 24. Januar 2007

Im Namen des Kassationshofs
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: