Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.140/2006
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{T 0/2}
6S.140/2006/bri

Urteil vom 20. Oktober 2006
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Daniel
Albietz,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat
Dr. Claude Schnüriger,

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, Postfach,
4001 Basel.

Fahrlässige schwere Körperverletzung, einfache
Verletzung der Verkehrsregeln, Zivilforderung,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons
Basel-Stadt, Ausschuss, vom 28. Oktober 2005.

Sachverhalt:

A.
Am 3. Juni 2003 um 16.15 Uhr fuhr Y.________ mit dem Personenwagen ihrer
Mutter von Weil nach Lörrach. In Riehen hielt sie an der Kreuzung der Weil-
und der Lörrachstrasse an, um links abzubiegen. Sie sah, dass sich X.________
auf seinem Motorrad von links der Kreuzung näherte. Da das Motorrad den
rechten Blinker gestellt hatte, fuhr sie los. X.________ bog jedoch nicht
nach rechts ab, sondern wollte geradeaus über die Kreuzung fahren. Als er
bemerkte, dass Y.________ losfuhr, bremste er und versuchte dem Personenwagen
auszuweichen. Bei diesem Manöver stürzte er und kollidierte mit der linken
Seite des Fahrzeugs von Y.________. X.________ erlitt schwere Verletzungen
und ist bis auf weiteres arbeitsunfähig.

Der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt sprach Y.________ am 13. September
2004 von der Anklage der schweren Körperverletzung frei. Das
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 28. Oktober 2005
dieses Urteil.

B.
X. ________ erhebt Nichtigkeitsbeschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt,
es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Verurteilung
von Y.________ wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und einfacher
Verletzung der Verkehrsregeln sowie zur Gutheissung der Zivilforderung dem
Grundsatz nach an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Appellationsgericht ersucht um Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Soweit der Beschwerdeführer im Strafpunkt mehr verlangt als die Aufhebung des
angefochtenen Entscheids, ist auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten, da die
Nichtigkeitsbeschwerde in dieser Hinsicht rein kassatorischer Natur ist (Art.
277ter Abs. 1 BStP).

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz verneine zu Unrecht eine
Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdegegnerin. Diese hätte vor dem
Anfahren nochmals einen Kontrollblick nach links werfen müssen, um sich zu
vergewissern, dass er das mit dem Blinker angekündigte Abbiegemanöver auch
tatsächlich vollziehe.

2.1 Nach dem aus Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten Vertrauensgrundsatz darf
jeder Strassenbenützer darauf vertrauen, dass sich die anderen
Verkehrsteilnehmer ordnungsgemäss verhalten, sofern nicht besondere Umstände
gegen ein korrektes Verhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers sprechen.
Solche Anzeichen eines Fehlverhaltens können sich namentlich aus dem
bisherigen Verhalten eines Fahrzeuglenkers oder aus der Unklarheit oder
Ungewissheit einer bestimmten Verkehrslage ergeben (BGE 125 IV 83 E. 2b S. 87
f.).
2.2 Die Vorinstanz stellt verbindlich fest, dass die Beschwerdegegnerin an
der fraglichen Kreuzung angehalten und vortrittsberechtigte Fahrzeuge habe
vorbeifahren lassen. Darauf habe sie erneut nach links geblickt und den
Beschwerdeführer auf seinem Motorrad in einer Entfernung von mehr als 30
Metern mit eingestelltem rechtem Blinker gesehen. Nach einem weiteren Blick
nach rechts sei sie losgefahren. Es hätten im Zeitpunkt, als die
Beschwerdegegnerin nach links schaute, keine Anzeichen dafür bestanden, dass
der Beschwerdeführer trotz des gestellten Blinkers geradeaus über die
Kreuzung fahren könnte. Sie habe deshalb darauf vertrauen dürfen, dass der
Beschwerdeführer nach rechts abbiegen werde.

Wenn der Beschwerdeführer diese Folgerung unter Hinweis auf den Umstand in
Zweifel zieht, dass er mit seinem Motorrad in der Mitte der Fahrbahn fuhr,
als ihn die Beschwerdegegnerin erstmals sah, weicht er von den
vorinstanzlichen Feststellungen ab, was im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde
unzulässig ist (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Es fragt sich deshalb einzig,
ob die Beschwerdegegnerin aufgrund der blossen Tatsache, dass sie den
Beschwerdeführer auf seinem Motorrad mit nach rechts gestelltem Blinker
herannahen sah, vor dem Losfahren zu einem weiteren Kontrollblick nach links
verpflichtet war. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, besteht eine solche
Pflicht nicht, weil die Beschwerdegegnerin - mangels Hinweisen auf ein
Fehlverhalten des Beschwerdeführers - darauf vertrauen durfte, dieser werde
nach rechts abbiegen. Es verhält sich gleich wie beim Fahrzeuglenker, der
nach links abbiegen will, den Blinker gestellt hat und korrekt eingespurt
ist. Er ist nach der Rechtsprechung in der Regel nicht verpflichtet,
unmittelbar vor dem Abbiegen nochmals einen Kontrollblick nach hinten zu
werfen, um sicher zu sein, dass ihn nicht ein Verkehrsteilnehmer in
unzulässiger Weise links überholen will (BGE 125 IV 83 E. 2d S. 89). Aus dem
vom Beschwerdeführer erwähnten Urteil (6A.59/2004 vom 3. Februar 2005), der
schon deshalb nicht vergleichbar ist, weil dort kein regelwidriges Verhalten
eines anderen Verkehrsteilnehmers vorlag, ergibt sich nichts anderes. Im
damals beurteilten Fall war die Strecke links der Einmündung wegen einer
Autobahnunterführung unübersichtlich, weshalb vor der Wegfahrt ein
zusätzlicher Kontrollblick nach links geboten war. Die Beschwerdegegnerin
hatte dagegen wie erwähnt keinen Anlass, beim Losfahren nochmals nach links
zu blicken.

2.3 Der angefochtene Entscheid verletzt demnach kein Bundesrecht. Die
Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Sein Gesuch um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist ab-zuweisen, da das
Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hatte (Art. 152 OG). Bei der
Festsetzung der Gerichtsgebühr ist auf seine finanzielle Situation Rücksicht
zu nehmen (Art. 153a Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Basel-Stadt und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. Oktober 2006

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: