Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.85/2006
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5P.85/2006 /bie

Urteil vom 5. April 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Schett.

A. ________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Althaus,

gegen

B.________, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Erich Leuzinger,
Obergericht des Kantons Glarus, Gerichtshaus, Gerichtshausstrasse 19, 8750
Glarus.

Art. 9 BV
(Anweisung an den Schuldner gemäss Art. 177 ZGB),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Glarus vom 27. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung des Kantonsgerichtspräsidiums des Kantons Glarus vom 18.
Februar 2000 wurde A.________ (Beschwerdeführer) verpflichtet, an den
Unterhalt seiner von ihm getrennt lebenden Ehegattin B.________
(Beschwerdegegnerin) monatlich Fr. 2'700.-- zu bezahlen; zudem hat er für die
Hypothekarzinsen der von der Ehegattin bewohnten (ehelichen) Liegenschaft
aufzukommen und hat ihr die Telefongebühren und die Betriebskosten eines
Autos zu erstatten.

Nachdem der Beschwerdeführer seiner Unterhaltspflicht ab Januar 2005 nicht
mehr nachgekommen war, stellte die Beschwerdegegnerin am 8. Juli 2005 das
Begehren, es sei die Sammelstiftung BVG der C.________
Lebensversicherungsgesellschaft gestützt auf Art. 177 ZGB anzuweisen, von der
dem Beschwerdeführer zustehenden BVG-Invalidenrente monatlich Fr. 3'677.--
abzuziehen und auf ihr Konto zu überweisen. Die
Kantonsgerichts-Vizepräsidentin entsprach dem Gesuch mit Verfügung vom 4.
Oktober 2005.

B.
Gegen diese Verfügung erhob der Beschwerdeführer am 24. Oktober 2005 Rekurs
beim Obergericht des Kantons Glarus mit dem Antrag, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen;
eventuell sei pro Monat der Betrag von Fr. 1'637.-- anzuweisen. Das
Obergericht wies den Rekurs am 27. Januar 2006 ab.

C.
Mit Eingabe vom 2. März 2006 hat der Beschwerdeführer staatsrechtliche
Beschwerde erhoben im Wesentlichen mit den Anträgen, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu
gewähren. Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die richterliche Anweisung an den Schuldner des Unterhaltspflichtigen ist
eine privilegierte Zwangsvollstreckungsmassnahme sui generis. Es handelt sich
deshalb nicht um eine Zivilsache, so dass sowohl die Berufung (Art. 43 ff.
OG) als auch die Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 68 ff. OG) ausgeschlossen sind
(BGE 130 III 489 E. 1 S. 491; 110 II 9 E. 2 S. 14). Bei dieser Sachlage ist
die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde zulässig (Art. 84 ff. OG).

2.
Der Beschwerdeführer beanstandet die richterliche Anweisung an den Schuldner
gemäss Art. 177 ZGB. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht die Schuldner
des Ehegatten, der seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht
erfüllt, anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu
leisten. Diese Bestimmung setzt eine gültige Vereinbarung oder ein Urteil des
Eheschutzrichters über die Geldbeträge voraus, die vom Unterhaltsschuldner an
den Familienunterhalt zu leisten sind. Liegt ein solcher Unterhaltstitel vor,
ist die Anweisung grundsätzlich für den darin festgesetzten Betrag
auszusprechen, sofern der Unterhaltsschuldner - was hier nicht streitig ist -
seine Pflicht gegenüber seiner Familie nicht erfüllt. Das mit der Anweisung
befasste Gericht hat sich grundsätzlich nicht erneut mit einem
abgeschlossenen Eheschutzverfahren und dem darin vorgebrachten und vom
Eheschutzrichter berücksichtigten Sachverhalt zu befassen. Gleichwohl dürfen
die grundlegenden Persönlichkeitsrechte des Rentenschuldners nicht verletzt
werden (BGE 110 II 9 E. 4 S. 15, Art. 291 ZGB betreffend). Dies bedeutet,
dass die Grundsätze über die Festsetzung des betreibungsrechtlichen
Existenzminimums dann erneut anzuwenden sind, wenn sich die Lage des
Unterhaltsschuldners seit Erlass des Unterhaltstitels in einer Weise
verschlechtert hat, dass die Anweisung neu in sein Existenzminimum eingreift.

2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Autobetriebskosten und die
Telefonkosten seien nie durch Belege ausgewiesen worden und die
Hypothekarzinsen seien schwankend. Im Ergebnis müsse der Beschwerdeführer
einen Unterhaltsbeitrag bezahlen, der zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch stehe, indem einerseits ein schwankender monatlicher
Hypothekarzins und andererseits nicht belegte Autobetriebs- und Telefonkosten
angewiesen würden. Dies sei offensichtlich unhaltbar und laufe in stossender
Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider.
Das erstinstanzliche Gericht hat ausgeführt, die Beschwerdeführerin verlange
die monatliche Anweisung von Fr. 3'677.--. Im Eheschutzentscheid sei ihr ein
Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'700.-- monatlich zuzüglich der Hypothekarzinsen
der auf der Liegenschaft Altweg 13 in Näfels lastenden Grundpfandschulden,
Telefonkosten sowie der Betriebskosten eines Autos zugesprochen worden. Die
Hypothekarzinsen, die Telefonkosten sowie die Betriebskosten des Autos (inkl.
obligatorische Haftpflichtversicherung) überstiegen die Differenz zwischen
dem im Begehren verlangten Anweisungsbetrag von Fr. 3'677.-- und dem
ziffernmässig festgesetzten Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'700.-- ohne weiteres.
Der beantragte Anweisungsbetrag sei somit belegt. In seinem Rekurs an das
kantonale Obergericht hat sich der Beschwerdeführer mit dieser Argumentation
nicht auseinandergesetzt.

Mit staatsrechtlicher Beschwerde können grundsätzlich keine neuen Rügen
vorgebracht werden. Erlaubt sind lediglich solche neuen Vorbringen, zu deren
Geltendmachung erst die Begründung des angefochtenen Entscheids Anlass gibt
sowie Gesichtspunkte, die sich derart aufdrängen, dass sie von der kantonalen
Instanz von Amtes wegen hätten berücksichtigt werden müssen (BGE 129 I 49 E.
3 S. 57).

Der Beschwerdeführer hätte Anlass gehabt, die erwähnte Überlegung des
erstinstanzlichen Gerichts in seinem Rekurs vom 24. Oktober 2005 an das
Obergericht hinreichend begründet zu beanstanden. Das hat er nicht getan. Auf
die Rüge ist nicht einzutreten.

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschwerdegegnerin erhalte die
IV-Zusatzrente des Beschwerdeführers von Fr. 600.-- direkt, was im Ergebnis
dazu führe, dass der Beschwerdeführer einen Unterhaltsbeitrag von Fr.
4'277.-- bezahlen müsse.

Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat der Beschwerdeführer den wesentlichen
Sachverhalt darzulegen, die als verletzt behaupteten Verfassungsbestimmungen
zu nennen und überdies darzutun, inwiefern diese verletzt sein sollen (BGE
129 I 113 E. 2.1 S. 120, 185 E. 1.6 S. 189 je mit Hinweisen). Dass und
inwiefern das Obergericht in diesem Zusammenhang ein verfassungsmässiges
Recht des Beschwerdeführers verletzt haben könnte, legt der Beschwerdeführer
nicht dar. Insbesondere legt er nicht dar, inwiefern die von ihm aufgeworfene
Frage das vorliegende Anweisungsverfahren und nicht - wenn überhaupt - den
ihm zugrunde liegenden Eheschutzentscheid betrifft. Auf die Rüge ist nicht
einzutreten.

2.3 Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, er erreiche - entgegen der
obergerichtlichen Annahme - das betreibungsrechtliche Existenzminimum eben
gerade nicht. Er legt zum Nachweis eine Existenzminimumsberechnung des
Betreibungs- und Konkursamtes des Kantons Glarus vom 10. Januar 2006 zu den
Akten. Dass und wo er dieses Beweismittel bereits im kantonalen Verfahren
eingebracht hat, legt er nicht dar. Dieses ist daher unbeachtlich. Im Übrigen
müsste er sich mit den ausführlichen Berechnungen und Darlegungen des
Obergerichts zur Berechnung des Existenzminimums auseinandersetzen und
darlegen, dass und inwiefern sich seine finanzielle Situation seit dem
Eheschutzentscheid verändert hat. Dies alles tut er nicht, weshalb auf seine
Rüge nicht einzutreten ist.

3.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde kann insgesamt nicht eingetreten werden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die
Verfahrenskosten, und er hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung.

Allerdings stellt der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege einschliesslich der unentgeltlichen Verbeiständung. Diese setzt
gemäss Art. 152 OG unter anderem voraus, dass das Rechtsbegehren nicht
aussichtslos erscheint. Wie sich aus den vorangehenden Erwägungen ergibt, ist
diese Voraussetzung nicht erfüllt, so dass das Gesuch abzuweisen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
1.1 Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

1.2 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. April 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: