Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.65/2006
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{T 0/2}
5P.65/2006 /bnm

Urteil vom 19. Juni 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

1. X.________,
2.Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Konkursamt Bern-Mittelland, Dienststelle Bern, Speichergasse 12, 3011 Bern,
Beschwerdegegner,
Bank Z.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Christoph Käser,
Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern.

Art. 9 BV (Freihandverkauf),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Bern als kantonaler Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen vom
26. Januar 2006 (Nr. ABS 05 345).

Sachverhalt:

A.
A.a Über die ausgeschlagene Verlassenschaft V.________, gestorben 2003, wurde
am 25. August 2004 der Konkurs eröffnet. Die konkursamtliche Liquidation der
Erbschaft wird vom Konkursamt Bern-Mittelland, Dienststelle Bern, im
summarischen Verfahren durchgeführt (Amtsblatt des Kantons Bern, 1. Dezember
2004 Nr. 49, S. 1512). Zum Nachlass gehört die Liegenschaft
A.________-Grundbuchblatt 1, umfassend 2/3 Miteigentumsanteil an Grundbuch
Blatt 2,  in A.________. Grundpfandgläubiger dieses Miteigentumsanteils ist
die Bank Z.________. Der weitere Miteigentumsanteil (A.________-Grundbuch
Blatt 3) gehört X.________ und Y.________, welche auch Konkursgläubiger sind.

A.b Am 2. November 2004 schlossen die Bank Z.________ einerseits und
X.________ und Y.________ andererseits (in einem früher angehobenen
Widerspruchsprozess über verarrestierte Mietzinsen) eine Vereinbarung, worin
sich X.________ und Y.________ bereit erklären, den in der Konkursmasse
liegenden Miteigentumsanteil A.________-Grundbuch Blatt 1 zum Preis von 1,5
Mio. Franken zu kaufen. Im Juli 2005 unterzeichnete das Konkursamt die
Vereinbarung vom 2. November 2004. In der Folge stellten X.________ und
Y.________ ein Begehren um Ausweisung eines Mieters (Restaurantbetreiber
W.________).

A.c Am 19. August 2005 unterbreitete der beauftragte Notar dem Konkursamt und
X.________ und Y.________ einen Kaufvertrag (die erste Fassung lag im März
2005 vor). Das Konkursamt teilte mit Schreiben vom 2. September 2005 mit, den
Kaufvertrag nicht zu unterschreiben, da die Angaben bezüglich Mietverträge in
keiner Weise den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würden. Hiergegen
gelangten X.________ und Y.________ mit Beschwerde vom 12. September 2005 an
das Obergericht des Kantons Bern als kantonaler Aufsichtsbehörde in
Betreibungs- und Konkurssachen. Sie verlangten im Wesentlichen, die Verfügung
vom 2. September 2005 sei aufzuheben (Rechtsbegehren Ziffer 1) und das
Konkursamt sei anzuweisen, den Kaufvertrag zu unterzeichnen (Rechtsbegehren
Ziffer 2) sowie Massnahmen zur Ausweisung des Mieters W.________ zu ergreifen
(Rechtsbegehren Ziffer 3).

B.
Mit Entscheid vom 26. Januar 2006 schrieb die Aufsichtsbehörde die Beschwerde
betreffend das Begehren um Anweisung zur Unterzeichnung des Kaufvertrages,
enthalten in Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2, als gegenstandslos ab
(Dispositiv-Ziffer 1). Im Übrigen wies sie die Beschwerde ab, soweit darauf
eingetreten wurde (Dispositiv-Ziffer 2).

C.
X.________ und Y.________ führen mit Eingabe vom 13. Februar 2006
staatsrechtliche Beschwerde und verlangen die Aufhebung des Entscheides der
kantonalen Aufsichtsbehörde vom 26. Januar 2006.

Es sind keine Vernehmlassungen zur staatsrechtlichen Beschwerde eingeholt
worden.

D.
In der gleichen Sache sind X.________ und Y.________ mit Beschwerde gemäss
Art. 19 SchKG an das Bundesgericht gelangt (Verfahren 7B.24/2006).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Wird ein kantonales Urteil gleichzeitig mit staatsrechtlicher Beschwerde und
mit Beschwerde gemäss Art. 19 SchKG angefochten, wird in der Regel der
Entscheid über letztere bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde
ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5 i.V.m. Art. 81 OG). Vorliegend bestehen keine
Gründe, von dieser Praxis abzuweichen.

2.
2.1 Die Aufsichtsbehörde hat erwogen, dass sich die Verhältnisse nach
Einreichung der Beschwerde geändert hätten, denn am 13. Dezember 2005 sei ein
Kaufvertrag zwischen dem Konkursamt und den Beschwerdeführern über das
Grundstück A.________-Grundbuch Blatt 1 unterzeichnet worden. In der neuen
Fassung des Kaufvertrages vom 13. Dezember 2005 sei die umstrittene
Vertragsziffer betreffend die Mietverträge (Ziffer 5) offen formuliert, denn
es werde lediglich festgehalten, dass die Frage der Übernahmepflicht der
Mietverträge umstritten sei und die Parteien Kenntnis von den Differenzen
hätten. Mit der Vertragsunterzeichnung entfalle indessen das
Rechtsschutzinteresse, über das Rechtsbegehren (Aufhebung der
konkursamtlichen Verfügung vom 2. September 2005 und Anweisung an das
Konkursamt, den Vertrag zu unterzeichnen) zu entscheiden, und die Beschwerde
sei in den betreffenden Punkten (Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2) als
gegenstandslos abzuschreiben.

2.2 Weiter hat die Aufsichtsbehörde festgehalten, dass die Beschwerde selbst
im Fall, dass sie nicht als gegenstandslos zu betrachten sei, abgewiesen
werden müsse. Das Konkursamt habe sich nie grundsätzlich geweigert, den
Kaufvertrag zu unterzeichnen. Das Amt und die Beschwerdeführer seien im
Rahmen der Verhandlungen zum Kaufvertrag lediglich betreffend die Folgen der
Mietverhältnisse nicht einig gewesen, was dazu geführt habe, dass über die
Formulierung des Kaufvertrages gerungen worden sei. Nur weil die
Beschwerdeführer mit dem Handeln des Konkursamtes nicht einverstanden gewesen
seien, könne nicht abgeleitet werden, dieses handle unangemessen. Dem
Konkursamt könne weder eine Gesetzesverletzung noch die Weigerung, eine
gesetzlich vorgeschriebene Handlung vorzunehmen, vorgeworfen werden, wenn es
den Kaufvertrag in der Fassung vom August 2005 nicht unterschrieben habe. Im
Weiteren sei die Frage, ob der Mietvertrag mit dem Restaurateur (W.________)
die Beschwerdeführer als Erwerber binde und ob dieser Vertrag auf diese
übergehe, nicht im Beschwerdeverfahren zu entscheiden.

2.3 Was die angebliche Weigerung des Konkursamts, die Ausweisung des Mieters
W.________ zu veranlassen, betrifft, so ist die Aufsichtsbehörde (betreffend
Rechtsbegehren Ziffer 3) im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, dass für die
Vermietung des Grundstücks A.________-Grundbuch Blatt 1 bis zur Veräusserung
das Konkursamt zuständig sei, welches den Konkurs verwalte. Es liege keine
Rechtsverweigerung vor, wenn das Konkursamt die Ausweisung des Mieters nicht
veranlasse.

3.
Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen geltend, sie seien von der
Aufsichtsbehörde nicht über deren Absicht informiert worden, dass die
Beschwerde gestützt auf den mittlerweile (am 13. Dezember 2005) von ihnen und
dem Konkursamt unterzeichneten Kaufvertrag als teilweise gegenstandslos
abzuschreiben sei. Entgegen der Auffassung der Aufsichtsbehörde sei das
Rechtsbegehren nicht teilweise erfüllt worden. Indem ihnen die
Aufsichtsbehörde kein Recht auf Stellungnahme gegeben habe, bevor die
Beschwerde als teilweise gegenstandslos erklärt wurde, sei ihr Anspruch auf
das rechtliche Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV verletzt worden.

3.1 Die Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass die Beschwerde, selbst wenn
diese nicht "gegenstandlos" geworden wäre und die Tatsache der
Vertragsunterzeichnung vom 13. Dezember 2005 nicht berücksichtigt würde,
abgewiesen werden müsse. Nach dem Inhalt des angefochtenen Entscheides hat
die Aufsichtsbehörde die Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2 in einer
selbständigen Begründung materiell beurteilt. Liegt auch eine materielle
Beurteilung des Rechtsstreites vor, können sich die Beschwerdeführer nicht
mit der Rüge begnügen, der formellen Erledigung hafte ein Verfassungsmangel
an. Das Bundesgericht hebt in einem solchen Fall den angefochtenen Entscheid
nur auf, wenn auch die materielle Begründung die verfassungsmässigen Rechte
der Beschwerdeführer verletzt (vgl. BGE 119 Ia 13 E. 2 S. 16).

3.2 Die Beschwerdeführer machen geltend, die Gehörsverletzung habe sich trotz
dieser Eventualbegründung ausgewirkt. Sie übergehen allerdings, dass hier die
Aufsichtsbehörde - wie dargelegt - die Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2 in
einer selbständigen materiellen Begründung abgewiesen hat, ohne auf die
Tatsache der Vertragsunterzeichnung vom 13. Dezember 2005 abzustellen.
Insoweit werfen die Beschwerdeführer der Aufsichtsbehörde vergeblich vor,
dass diese sich auf eine entscheidrelevante Tatsache abgestützt habe, zu
welcher sie sich nicht hätten äussern können, und der Vorwurf, die
Aufsichtsbehörde habe ihr Recht auf Teilnahme am Verfahren bzw. Art. 29 Abs.
2 BV (vgl. BGE 126 V 130 E. 2b S. 131) verletzt, ist daher unbegründet. Dass
die selbständige materielle Begründung, welche zur Abweisung der
Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2 geführt hat, gegen andere verfassungsmässige
Rechte verstosse, behaupten die Beschwerdeführer selber nicht. Die Rüge, dass
der Entscheid inhaltlich falsch sei, kann im vorliegenden Verfahren nicht
gehört werden, sondern kann mit Beschwerde gemäss Art. 19 SchKG überprüft
werden (Art. 84 Abs. 2 OG). Insoweit kann auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden.

3.3 Nach dem Dargelegten hält die Begründung des angefochtenen Entscheides
der Rüge der Verfassungsverletzung stand (BGE 119 Ia 13 E. 2 S. 16). Bei
diesem Ergebnis erübrigen sich - was die andere Begründung betrifft, mit
welcher die Rechtsbegehren Ziffern 1 und 2 als gegenstandslos erachtet wurden
- Erörterungen, ob den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Stellungnahme über
die beabsichtigte Abschreibung des Rechtsstreits hätte gegeben werden müssen.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 und 7 OG). Eine Parteientschädigung entfällt, da keine
Vernehmlassung eingeholt worden ist und den Beschwerdegegnern keine Kosten
entstanden sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern je zur Hälfte
unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Juni 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: