Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.61/2006
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5P.61/2006 /bnm

Urteil vom 31. M rz 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Pr sident,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber Schett.

X. ________ (Ehemann),
Beschwerdef hrer,
vertreten durch Rechtsanwalt Alfred Paul M ller,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanw ltin Pia Dennler-Hager,
Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter im Familienrecht, Klosterhof 1, 9001
St. Gallen.

Art. 9 und 30 Abs. 2 BV (Vollzug einer Erziehungsbeistandschaft),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St.
Gallen, Einzelrichter im Familienrecht, vom 4. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
In einem Eheschutzverfahren zwischen Y.________ (Ehefrau) und X.________
(Ehemann) gab der Einzelrichter des Bezirksgerichts Winterthur am 16. Oktober
2002 das Kind V.________ einstweilen in die Obhut des Vaters und das Kind
W.________ in die Obhut der Mutter. Zugleich ordnete er eine
Erziehungsbeistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB an. Weil der Vater in
A.________, die Mutter hingegen in B.________ wohnte, wurden die
Vormundschaftsbeh rden eingeladen, einen gemeinsamen Beistand zu bestellen.
Nach Absprache zwischen den beiden  mtern setzte die Vormundschaftsbeh rde
A.________ mit Beschluss vom 16. Dezember 2002 Amtsvormund Z.________ als
Beistand f r beide Kinder ein. Gest tzt auf eine kinderpsychiatrische
Empfehlung  nderte der Eheschutzrichter am 20. Dezember 2002 seinen Entscheid
ab und stellte auch den Sohn V.________ in die Obhut der Mutter. Darauf wurde
die Beistandschaft mit Beschluss der Vormundschaftsbeh rde A.________ vom 20.
Januar 2003 an die Vormundschaftsbeh rde B.________  bertragen. Diese
 bernahm sie mit Pr sidialverf gung vom 22. Januar 2003 und ernannte
Amtsvormund S.________ zum neuen Beistand. Dagegen erhob Y.________ am 4.
Februar 2003 Beschwerde an das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St.
Gallen (JPD) und verlangte, mit der  bernahme durch die St. Galler Beh rden
vorl ufig zuzuwarten oder zumindest den bisherigen Beistand Z.________ im Amt
zu belassen. Mitte M rz 2003 begab sich die Mutter in station re
psychiatrische Behandlung und  berliess die Kinder dem Vater. Am 15. April
2004 stellte der Eheschutzrichter die Kinder in die Obhut des Vaters und
ordnete die Beibehaltung der Erziehungsbeistandschaft an. Am 17. Dezember
2004 anerkannte die Vormundschaftsbeh rde A.________ ihre Zust ndigkeit, hob
die anders lautende fr here Verf gung auf und ernannte neu T.________ zur
Beist ndin. In  bereinstimmung mit dieser Verf gung widerrief auch die
Vormundschaftsbeh rde B.________ am 6. Januar 2005 ihren Beschluss vom 22.
Januar 2003 betreffend die  bernahme der Erziehungsbeistandschaft. Dagegen
erhob X.________ am 31. Januar 2005 Beschwerde beim JPD und stellte
verschiedene Antr ge. Im Entscheid vom 4. Juli 2005 behandelte das JPD sowohl
die Beschwerde von Y.________ vom 4. Februar 2003 als auch diejenige von
X.________ vom 31. Januar 2005. Das JPD sch tzte die Beschwerde von
Y.________ und wies diejenige von X.________ ab. Der Rekurs an den
Einzelrichter im Familienrecht des Kantonsgerichts St. Gallen blieb ohne
Erfolg. Dieser wies den Rekurs am 4. Januar 2006 ab, soweit er darauf
eintreten konnte.

B.
Gegen diesen Entscheid hat X.________ staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit
dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei kostenf llig aufzuheben. Es ist
keine Vernehmlassung eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erw gung:

1.
Gegenstand der erstinstanzlichen Verf gung der Vormundschaftsbeh rde
B.________ bildet einzig der Widerruf ihres Beschlusses vom 22. Januar 2003
betreffend die  bernahme der Erziehungsbeistandschaft f r die beiden Kinder.
Im angefochtenen Entscheid hat das Kantonsgericht St. Gallen den vom
Beschwerdef hrer dagegen erhobenen Rekurs kantonal letztinstanzlich
abgewiesen. Es geht dabei nicht um die Anordnung oder Aufhebung einer
Beistandschaft, sondern lediglich um deren Durchf hrung. Die Berufung gem ss
Art. 44 lit. d OG ist deshalb unzul ssig. Auch die Nichtigkeitsbeschwerde
wegen Verletzung von Vorschriften des eidgen ssischen Rechts  ber die
 rtliche Zust ndigkeit ist nicht gegeben (Art. 68 Abs. 1 lit. e OG), weil
diese Bestimmung die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 59
aBV, bzw. Art. 30 BV vorbeh lt. Bei dieser Sachlage steht ausschliesslich die
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsm ssiger Rechte
offen.

2.
Der Beschwerdef hrer befasst sich nicht nur mit dem am 6. Januar 2005
verf gten erstinstanzlichen Widerruf des Beschlusses der
Vormundschaftsbeh rde vom 22. Januar 2003 und dessen Best tigung durch den
angefochtenen Entscheid, sondern auch noch mit andern Fragen. Soweit der
Beschwerdef hrer nicht unmittelbar diesen Beschwerdegegenstand behandelt,
kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

3.
Gem ss Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdef hrung Privaten bez glich
solcher Rechtsverletzung zu, die sie durch sie pers nlich treffende
Verf gungen erlitten haben. Legitimiert ist demnach nur, wer beschwert und in
seinen rechtlich gesch tzten Interessen verletzt ist. Das Bundesgericht
verlangt in konstanter Rechtsprechung, dass der in seinen Rechten
beeintr chtigte Beschwerdef hrer an der Aufhebung des angefochtenen
Entscheids ein aktuelles und praktisches Interesse hat. Dieses Erfordernis
soll sicherstellen, dass das Bundesgericht  ber konkrete und nicht bloss
theoretische Fragen entscheidet. Das Interesse an der Beschwerdef hrung ist
aktuell und praktisch, wenn der erlittene Nachteil im Zeitpunkt der
Beurteilung durch das Bundesgericht noch besteht und durch die beantragte
Aufhebung des angefochtenen Hoheitsaktes beseitigt w rde. Es fehlt, wenn der
Hoheitsakt vollstreckt, anerkannt, widerrufen oder sonst gegenstandslos
geworden ist (vgl. zum Ganzen: Walter K lin, Das Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 228, 258 mit Hinweisen). Auch
wenn das Bundesgericht die Prozessvoraussetzungen von Amtes wegen  berpr ft,
hat der Beschwerdef hrer im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht diese darzulegen
und zu erl utern (vgl. BGE 113 Ia 247 E. 3b/aa S. 252).

3.1 Gem ss Art. 315 Abs. 1 ZGB werden Kindesschutzmassnahmen am Wohnsitz des
Kindes durchgef hrt. Steht es in der elterlichen Sorge getrennt lebender
Eltern, so befindet sich sein Wohnsitz an demjenigen des Elternteils, der die
Obhut aus bt (Art. 25 Abs. 1 ZGB). Im vorliegenden Fall ist nicht bestritten,
dass der Eheschutzrichter die Kinder in die Obhut des Vaters gab und die
Beibehaltung der Erziehungsbeistandschaft anordnete. Ebenfalls ist nicht
bestritten, dass die Vormundschaftsbeh rde A.________ ihre Zust ndigkeit am
Wohnsitz des Beschwerdef hrers anerkannte und eine Beist ndin ernannte. Diese
Verf gung hat der Beschwerdef hrer nicht angefochten. Der Beschwerdef hrer
anerkennt ausdr cklich, dass f r die Durchf hrung der
Erziehungsbeistandschaft die Beh rden in A.________ und nicht diejenigen von
B.________ zust ndig sind. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, wo das
aktuelle praktische Interesse des Beschwerdef hrers liegen k nnte, den den
erstinstanzlichen Entscheid best tigenden Rekursentscheid anzufechten, wonach
die Vormundschaftsbeh rde B.________ ihren fr heren Entscheid betreffend die
 bernahme der Erziehungsbeistandschaft widerrief und damit die Zust ndigkeit
der Beh rden von A.________ anerkannte.

3.2 Der Beschwerdef hrer f hrt zu seiner Legitimation einzig aus, er habe ein
schutzw rdiges Interesse an einer nachtr glichen Kl rung der Frage, welche
Beh rde wann f r diese Kindesschutzmassnahme zust ndig gewesen sei.
Insbesondere k nne damit klargestellt werden, dass der Beistand Z.________
sich amtsanmassend und damit strafrechtlich relevant am 10. Februar 2003 bei
seinem Auftritt im Kinderspital Z rich in die Familie eingemischt habe,
obwohl er damals f r die Familie X.________ nicht mehr zust ndig gewesen sei.
Damit vermag der Beschwerdef hrer kein aktuelles praktisches Interesse an der
Aufhebung des angefochtenen Entscheids und des Widerrufs der Beistandschaft
in B.________ zu begr nden. Sofern der Beistand Z.________ am 10. Februar
2003 eine Handlung vorgenommen haben sollte, welche die Interessen des
Beschwerdef hrers beeintr chtigte, h tte er damals gem ss Art. 420 ZGB
Beschwerde f hren k nnen. Soweit der Beschwerdef hrer ein strafrechtlich
relevantes Verhalten des damaligen Beistands r gt, h tten die Strafbeh rden
diesen Vorfall zu pr fen. Dabei w re wohl auch die Zust ndigkeit des
Beistands zu pr fen gewesen. Eine Anfechtung des nachtr glichen
Widerrufsentscheids der Vormundschaftsbeh rde B.________ ist zu diesem Zweck
untauglich. Im  brigen beklagt sich der Beschwerdef hrer immer wieder  ber
einen negativen Kompetenzkonflikt. Im Zusammenhang mit dem Vorkommnis vom 10.
Februar 2003 r gt er aber eine Amtsanmassung des Beistands und damit einen
positiven Kompetenzkonflikt. Zusammenfassend bleibt es dabei, dass ein
aktuelles praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids
nicht ersichtlich ist.

3.3 Daran  ndert nichts, dass der Beschwerdef hrer unter anderem eine
Rechtsverz gerung r gt. Er begr ndet keine Verz gerung des
Widerrufsverfahrens, sondern eine solche von fr heren Verfahren, so dass auch
darauf nicht einzutreten ist.

4.
Aus diesen Gr nden kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten
werden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdef hrer die
Verfahrenskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientsch digung an
die Gegenpartei ist nicht geschuldet, weil keine Vernehmlassung eingeholt
worden ist (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgeb hr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdef hrer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Einzelrichter im Familienrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. M rz 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Pr sident:  Der Gerichtsschreiber: