Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.57/2006
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5P.57/2006 /bnm

Urteil vom 30. Mai 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber von Roten.

V.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Bacchus Consulting Adrian J. Bacchini,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.

Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 bis 3 BV (Kindesvermögensverwaltung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 19. Dezember 2005.

Sachverhalt:

A.
K. ________, geboren am xxxx 1997, ist der Sohn und Alleinerbe der am xxxx
1997 verstorbenen A.________. Seit deren Tod befassen sich die
vormundschaftlichen Behörden mit dem Kind und dessen Vermögen, bestehend aus
einer Liegenschaft und Wertschriften. Gemäss rechtskräftigen Beschlüssen aus
den Jahren 2001/ 2002 besteht eine Beistandschaft und ist dem Kindsvater
V.________ die Verwaltung des Kindesvermögens entzogen. Die seitherigen
Streitigkeiten betreffen die Frage, in welchem Umfang V.________ die Erträge
des Kindesvermögens auszubezahlen sind.

B.
Für das Jahr 2005 forderte V.________ die Auszahlung von insgesamt rund Fr.
18'000.-- aus dem Ertrag des Kindesvermögens. Die Vormundschaftsbehörde
B.________ bewilligte die Zahlung von Fr. 11'981.-- (Beschluss vom 11. April
2005). Die dagegen erhobene Beschwerde hiess der Bezirksrat B.________
teilweise gut (Beschluss vom 30. August 2005). V.________ legte daraufhin
Rekurs ein. Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, hiess den
Rekurs teilweise gut und lud die Vormundschaftsbehörde bzw. den Beistand ein,
dem Rekurrenten für das Jahr 2005 als Beitrag an die Kosten des Unterhalts
von K.________ und des gemeinsamen Haushaltes Fr. 12'531.-- aus dem
Kindesvermögen zu zahlen, unter Berücksichtigung allfälliger bereits
geleisteter Akontozahlungen. Im Übrigen wurde der Rekurs abgewiesen, soweit
darauf eingetreten werden konnte (Dispositiv-Ziff. 1). Das Obergericht erhob
für das Rekursverfahren keine Kosten (Dispositiv-Ziff. 2) und wies den Antrag
betreffend unentgeltliche Vertretung ab (Dispositiv-Ziff. 3 des Beschlusses
vom 19. Dezember 2005).

C.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt V.________ dem Bundesgericht, den
obergerichtlichen Beschluss aufzuheben, die Sache verbunden mit bestimmten
Anweisungen an das Obergericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen und die
Verletzung von Verfahrensgarantien festzustellen. Er ersucht um
unentgeltliche Rechtspflege, eventuell um Befreiung von der
Sicherstellungspflicht. Es sind die Akten, aber keine Vernehmlassungen
eingeholt worden. Der Beschwerdeführer hat sein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege auf gerichtliche Einladung hin ergänzt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Von der berufungsfähigen Anordnung oder Aufhebung der Beistandschaft im Sinne
von Art. 325 ZGB abgesehen (Art. 44 lit. d OG), unterliegen Massnahmen der
Vormundschaftsbehörden zum Schutz des Kindesvermögens (Art. 324 ZGB) der
staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der
Bürger (Art. 84 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 OG). Der obergerichtliche
Rekursentscheid kann nicht mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde angefochten
werden (§ 280a i.V.m. § 284 Ziff. 5 ZPO/ZH) und ist damit letztinstanzlich
(Art. 86 f. OG). Soweit seinen materiellen Anträgen nur teilweise entsprochen
und sein Antrag auf unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen wurde, ist der
Beschwerdeführer zur Anfechtung legitimiert (Art. 88 OG). Unzulässig sind
seine Begehren auf Rückweisung verbunden mit bestimmten Anweisungen und auf
Feststellung von Verfassungsverletzungen, zumal der rechtmässige Zustand
durch die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wiederhergestellt werden
kann (BGE 124 I 327 E. 4 S. 332 ff.). Auf die staatsrechtliche Beschwerde
kann im Grundsatz eingetreten werden.

2.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Verfahrensgarantien geltend,
wie sie sich aus Art. 29 Abs. 1 und 2 BV (S. 15 ff.) sowie aus Art. 6 Ziff. 1
EMRK ergeben (S. 21 ff. der Beschwerdeschrift). Soweit er seine Rügen auf das
Verfahren vor der Vormundschaftsbehörde und vor dem Bezirksrat bezieht, kann
darauf nicht eingetreten werden. Deren Beschlüsse sind nicht letztinstanzlich
und konnten auf Rekurs des Beschwerdeführers hin vom Obergericht frei
überprüft werden (§ 279 i.V.m. § 280a Abs. 2 ZPO/ZH; vgl. BGE 126 I 257 E. 1a
S. 258).

Dem Obergericht wirft der Beschwerdeführer eine formelle Rechtsverweigerung
und eine mehrfache Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör vor,
weil es seine Vorbringen im Zusammenhang mit dem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege, mit der Ertragsberechnung und den dringlichen Zahlungsbegehren
sowie mit der beantragten Parteientschädigung nicht oder nur ungenügend
behandelt habe. Das Obergericht hat indessen die Notwendigkeit eines
anwaltlichen Beistands ausdrücklich verneint (E. 3 S. 4), die Ertragsrechnung
und die Zahlungsbegehren neu beurteilt (E. 4.1 und 4.3 S. 5 ff.) und die
Ausrichtung einer Entschädigung mangels anwaltlicher Vertretung abgelehnt (E.
5 S. 9 des angefochtenen Beschlusses). Es hat damit nicht nur alle Fragen
geprüft, sondern darüber auch mit einer Begründung entschieden, die es dem
Beschwerdeführer und der Rechtsmittelinstanz gestattet, sich von der
Tragweite des Beschlusses ein Bild zu machen. Eine formelle
Rechtsverweigerung liegt nicht vor (vgl. BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236).

Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe die von ihm gestellten
Beweisanträge nicht abgenommen und namentlich seinen Sohn nicht befragt. Der
angerufene Beweisanspruch besteht nur für (rechtserhebliche) Tatsachen (BGE
124 I 241 E. 2 S. 242), hat aber von vornherein keine Bedeutung, wo Begehren
- wie hier die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Parteientschädigung
- einzig aus rechtlichen Gründen abgewiesen werden (vgl. BGE 127 III 248 E.
3a S. 253). Er bedingt zudem Beweisanträge, die nach Form und Inhalt den
Vorschriften des kantonalen Rechts entsprechen (BGE 117 Ia 262 E. 4b S. 268
f.; 119 Ib 492 E. 5b/bb S. 505). Beweisofferten haben mit Bezug auf die
geforderten Zahlungen gemäss unangefochtener Feststellung des Obergerichts
indessen gefehlt, musste dem Beschwerdeführer doch vorgehalten werden, er
habe die Belege nicht eingereicht, die es erst erlaubt hätten, die
Berechtigung seines Anspruchs zu prüfen. Die Rüge des Beschwerdeführers
entbehrt insoweit der verfahrensmässigen Grundlage. Eine Verletzung des
Beweisanspruchs ist nicht dargetan.

3.
In der Sache rügt der Beschwerdeführer die Berechnung des Ertrags aus dem
Kindesvermögen als verfassungswidrig (S. 13 ff.). Dadurch werde sein
verfassungsmässiges Recht auf Hilfe in Notlagen verletzt (S. 20 f. der
Beschwerdeschrift).

3.1 Das Obergericht hat den Ertrag aus Wertschriften von Fr. 981.-- als durch
den Beistandschaftsbericht belegt angesehen (E. 4.1 S. 6, unter Hinweis auf
act. 8/7 und 8/8). Der Beschwerdeführer wendet ein, er könne die
Unkorrektheit nicht nachweisen, weil ihm vor Obergericht die Akteneinsicht
verweigert worden sei. Im Verfahren vor dem Bezirksrat hat bereits die
Vormundschaftsbehörde auf den Beistandschaftsbericht (act. 7 und 8)
verwiesen, anhand dessen der Ertrag überprüft werden könne (act. 9/16, S. 4
der Vernehmlassung). Der Beschwerdeführer hat daraufhin sogleich Einsicht in
die erwähnten Akten, namentlich in die Angaben des Beistands (act. 7 und 8)
verlangt (act. 9/20) und gemäss seiner Rücksendebestätigung (act. 9/21)
offensichtlich auch erhalten. Er konnte somit von den Entscheidgrundlagen
Kenntnis nehmen und sich wirksam und sachbezogen verteidigen (vgl. zum
Akteneinsichtsrecht: BGE 129 I 85 E. 4.1 S. 88). Durch eine erneute
Einsichtnahme in den aktenkundig bereits bekannten Beistandschaftsbericht
hätte der Beschwerdeführer nichts Neues erfahren, so dass eine nochmalige
Gewährung der Akteneinsicht diesbezüglich unterbleiben durfte. Das
Obergericht hat keine Verfahrensgarantien verletzt (vgl. Haefliger, Alle
Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 146; Albertini, Der
verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des
modernen Staates, Diss. Bern 1999, Druck 2000, S. 228, je mit Hinweis).

3.2 Vom tatsächlich erzielten Ertrag aus der Liegenschaft von Fr. 14'965.45
im Jahr 2004 hat das Obergericht einen Abzug von Fr. 3'420.-- zugelassen,
berechnet als Differenz zwischen den vom Ertrag bereits abgezogenen
tatsächlichen Aufwendungen für die Instandhaltung (Fr. 6'580.--) und dem auf
lange Sicht einzusetzenden Betrag für den Unterhalt (Fr. 10'000.--). Der
Betrag für tatsächlich angefallene und künftige Unterhaltskosten von Fr.
10'000.-- sei mit nicht ganz 1.5 % des Gebäudewerts von Fr. 675'000.--
angemessen. Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers ist das
Obergericht ausdrücklich auf seine Vorbringen eingegangen und hat ihm darin
beigepflichtet, dass Rückstellungen für Renovationen auf die in einem
bestimmten Jahr konkret angefallenen Renovationskosten - hier: Fr. 6'580.-- -
abzustimmen seien (E. 4.1 S. 5 des angefochtenen Beschlusses). Eine
Verletzung der Prüfungs- und Begründungspflicht liegt nicht vor (vgl. BGE 129
I 232 E. 3.2 S. 236). Das Obergericht hat aber weder eine Rückstellung im
Umfang der tatsächlich angefallenen Unterhaltskosten noch im steuerlich
abzugsfähigen Betrag als genügend angesehen, sondern dafürgehalten, es seien
auch Rückstellungen für grössere Renovationen notwendig. Inwiefern dies
willkürlich sein könnte, ist nicht ersichtlich und vermag der
Beschwerdeführer nicht darzutun (Art. 9 BV; vgl. BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17).
Erst kürzlich hat das Bundesgericht bei vergleichbarer Interessenlage
festgehalten, es müssten auch Rückstellungen gebildet werden, die die Kosten
für grössere Erneuerungs- und Wiederherstellungsarbeiten deckten, wenn der
Eigentümer einer vermieteten Liegenschaft - wie hier - auf einen dauernden
und stetigen Ertrag zur Bestreitung seiner Lebenshaltung angewiesen sei (vgl.
für die Verwandtenunterstützung: BGE 132 III 97 E. 3.4 S. 107 f.).
3.3 Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten kann die obergerichtliche
Berechnung des Ertrags aus dem Kindesvermögen nicht beanstandet werden. Der
Einwand des Beschwerdeführers, die Ertragsberechnung verletze sein Recht auf
Nothilfe (Art. 12 BV), ist unbegründet. Zum einen sind auf Seiten des
Beschwerdeführers die Voraussetzungen des angerufenen verfassungsrechtlichen
Anspruchs offensichtlich nicht erfüllt (vgl. BGE 131 I 166 E. 3 und 4 S. 172
ff.), wobei dahingestellt bleiben kann, ob Art. 12 BV im Verhältnis zwischen
Vater und Sohn überhaupt anwendbar ist. Zum anderen hat das Obergericht
ausdrücklich auf das zur Verwandtenunterstützungspflicht Gesagte verwiesen
(E. 4.3 S. 7 des angefochtenen Beschlusses), in deren Rahmen sich allenfalls
die Frage stellen kann, ob und in welchem Umfang ein Anspruch des
Beschwerdeführers auf weitere Leistungen aus dem Vermögen seines Sohnes
besteht (vgl. BGE 132 III 97 Nr. 13). Die staatsrechtliche Beschwerde muss
auch diesbezüglich abgewiesen werden.

4.
Gegen die Abweisung seines Gesuchs um unentgeltliche Vertretung wendet der
Beschwerdeführer ein, die Notwendigkeit einer Vertretung sei zu bejahen (S.
17 ff. und S. 22 f. der Beschwerdeschrift). Die Frage stellt sich nur für das
Rekursverfahren, zumal der Bezirksrat dem Beschwerdeführer einen
unentgeltlichen Rechtsvertreter bestellt hatte. Der Beschwerdeführer gibt die
Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV richtig wieder. Danach hat er Anspruch
auf unentgeltliche Vertretung, wenn seine Interessen in schwerwiegender Weise
betroffen sind und die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht
Schwierigkeiten bietet, denen er auf sich alleine gestellt nicht gewachsen
wäre (BGE 130 I 180 E. 2.2 S. 182). Die obergerichtliche Verneinung
derartiger Schwierigkeiten (E. 3 S. 4 des angefochtenen Beschlusses), die den
Beizug eines Rechtsvertreters notwenig machten, hält der Verfassungsprüfung
stand. Es ist aktenkundig, dass im Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer
und den vormundschaftlichen Behörden wiederholt um den jährlichen Ertrag des
Kindesvermögens gestritten wird und dass das Obergericht dem Beschwerdeführer
mehrfach die Grundlagen auseinandergesetzt hat, die für Auszahlungen aus dem
Kindesvermögen massgebend sind (vgl. die Beschlüsse vom 18. September 2002
und vom 25. Januar 2005). In der Sache geht es um die Prüfung eines
Kontoauszugs und einer Liegenschaftsabrechnung, zu der der Beschwerdeführer
als selbstständiger Handwerker in der Lage ist. Das Rekursverfahren stellt
zudem in formeller Hinsicht keine besonderen Anforderungen. Die Abweisung des
Antrags auf unentgeltliche Vertretung im (hier: kostenlosen) Rekursverfahren
verletzt kein Bundesverfassungsrecht. Weitergehendes ergibt sich weder aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK (BGE 119 Ia 264 E. 3; 126 I 194 E. 3a S. 195 f.) noch aus
§ 87 ZPO/ZH (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen
Zivilprozessordnung, Ergänzungsband, Zürich 2000, N. 2-5 zu § 87 ZPO).

5.
Aus den dargelegten Gründen muss die staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen
werden, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer wird damit
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Seinem Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Begehren nicht entsprochen
werden. Wie die obigen Erwägungen verdeutlichen, konnten die
Beschwerdeanträge von Anfang an keinen Erfolg haben (Art. 152 OG). Da keine
Sicherstellung der mutmasslichen Gerichtskosten einverlangt worden ist,
erweist sich der Eventualantrag auf Befreiung von der entsprechenden Pflicht
als gegenstandslos (Art. 150 Abs. 1 OG). Die Ausführungen des
Beschwerdeführers zur Parteientschädigung (S. 24 ff. der Beschwerdeschrift)
betreffen ausdrücklich nur den - hier nicht eingetretenen - Fall seines
Obsiegens (vgl. Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. Mai 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: