Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.50/2006
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{T 0/2}
5P.50/2006 /bru

Urteil vom 23. Juni 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiberin Scholl.

X. _______ Lebensversicherungs- Gesellschaft,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Gruber,

gegen

Y._______,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Sven Marguth,
Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof,
2. Zivilkammer, Postfach 7475, 3001 Bern.

Art. 8 und 9 BV (Versicherungsvertrag),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Bern, Appellationshof,

2. Zivilkammer, vom 17. November 2005.

Sachverhalt:

A.
Y. _______ hatte sich bei der X._______ Lebensversicherungs-Gesellschaft
(nachfolgend: X._______) gegen Erwerbsunfähigkeit versichert. Im Jahr 1992
wurde Y._______ anlässlich einer Operation ein Nerv durchtrennt, der später
rekonstruiert werden musste. Nach diesem Eingriff konnte Y._______ ihre
Tätigkeit als selbstständige Zahnärztin nur noch unter Schmerzen ausführen.
Im Jahr 1997 verkaufte sie ihre Zahnarztpraxis. Seit 2003 arbeitet sie zu
50 % als Mitarbeiterin ICD-Codierung. Ihren Beruf als Zahnärztin könnte
Y._______ theoretisch noch zu 50 % ausüben.

B.
Mit Klage vom 13. Mai 2004 verlangte Y._______ im Wesentlichen, X._______ sei
zu verurteilen, ihr eine Rente auszurichten. Mit Urteil vom 29. Juni 2005
wies der Gerichtspräsident 2 des Gerichtskreises III Aarberg-Büren-Erlach die
Klage vollumfänglich ab.

Dagegen führte Y._______ Appellation an das Obergericht des Kantons Bern.
Dieses verpflichtete am 17. November 2005 X._______, an Y._______
aufgelaufene Leistungen in der Höhe von Fr. 145'680.-- zuzüglich Zins zu
bezahlen und ihr zudem - gestützt auf zwei Policen - jährliche
Erwerbsunfähigkeitsrenten auszurichten sowie sie teilweise von der
Prämienpflicht zu befreien.

C.
X._______ führt staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht. Sie
beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils vom 17. November 2005.

Y. _______ schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme
verzichtet.

In der gleichen Sache ist X._______ auch mit eidgenössischer Berufung an das
Bundesgericht gelangt (Verfahren 5C.50/2006).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche
Beschwerde erhoben, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche
Beschwerde zu befinden und der Entscheid über die Berufung ist auszusetzen
(Art. 57 Abs. 5 OG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu
verfahren.

2.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und in
welchem Umfang auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 131
I 153 E. 1 S. 156).

2.1 Nach Art. 86 Abs. 1 OG ist eine staatsrechtliche Beschwerde nur gegen
letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig. Das Urteil des Obergerichts
stellt einen solchen dar. Soweit die Beschwerdeführerin die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte rügt, ist die Berufung ans Bundesgericht nicht
gegeben (Art. 43 Abs. 1 OG) und somit nur die staatsrechtliche Beschwerde
möglich (Art. 84 Abs. 2 OG).

2.2 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat sich ein Beschwerdeführer mit den
Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinander zu setzen und im
Einzelnen darzustellen, worin die Verletzung der angerufenen
Verfassungsrechte bestehen soll. Im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene Rügen.
Auf ungenügend begründete Vorbringen und rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein. Rügt der Beschwerdeführer eine
Verletzung des Willkürverbotes (Art. 9 BV), so reicht es - anders als bei
einem appellatorischen Rechtsmittel - nicht aus, die Rechtslage aus seiner
Sicht darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als
willkürlich zu bezeichnen (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 125 I 492 E. 1b S.
495; 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.).

Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdeschrift - welche in
weiten Teilen wortgleich mit der gleichzeitig eingereichten Berufung ist -
nicht, wie nachfolgend aufzuzeigen ist.

3.
Die Beschwerdeführerin kritisiert zunächst die Berechnung des
Valideneinkommens der Beschwerdegegnerin. Sie behauptet, das Obergericht habe
auf ein Bruttoeinkommen abgestellt. Bei den in der Erfolgsrechnung 1997
verbuchten Beiträgen an die Sozialversicherungen könne es sich nur um solche
auf den Löhnen der Angestellten handeln. Dies bedeute, dass die Sozialabzüge
auf dem Einkommen der Beschwerdegegnerin nicht berücksichtigt worden seien.

Im angefochtenen Entscheid wird das Valideneinkommen zwar nicht ausdrücklich
als "netto" bezeichnet. Das bedeutet indes nicht, dass das Obergericht auf
ein Bruttoeinkommen abgestellt hat. Es ist für die Berechnung vom
Betriebsgewinn der Zahnarztpraxis ausgegangen und hat anschliessend die
Teuerung aufgerechnet. Diese Methode ficht die Beschwerdeführerin nicht
grundsätzlich an. Allein aus der Höhe der in der Erfolgsrechnung
ausgewiesenen Beiträge an die Sozialversicherungen lässt sich nicht ohne
weiteres ableiten, dass die Sozialabzüge der Beschwerdegegnerin darin nicht
enthalten sind. Auf die Rüge kann damit mangels rechtsgenüglicher Begründung
nicht eingetreten werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

4.
Weiter wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Berechnung des
Invalideneinkommens. Sie führt aus, das Obergericht sei bei der Bemessung von
einer Tätigkeit als angestellte Zahnärztin ausgegangen. Dabei habe es aber zu
hohe Sozialabgaben berücksichtigt. Für eine angestellte Zahnärztin würden
diese nur 6.05 % betragen und nicht 9 %, wie das Obergericht angerechnet
habe. Auch für die berufliche Vorsorge sei nur ein Abzug von 7.5 % zu
berücksichtigen statt ein solcher von 10 %.

Zwar ist das Obergericht zum Schluss gelangt, dass der Beschwerdegegnerin
eine Rückkehr in die Selbstständigkeit nicht mehr zuzumuten sei. Indes hat es
diese Frage für die Höhe des Invalideneinkommens nicht als
entscheidwesentlich erachtet: Es hat erwogen, "so oder anders" werde ein
Einkommen von Fr. 60'000.-- nicht wesentlich unterschritten. Dabei ist es von
einem Einkommen ausgegangen, welches eine Zahnärztin mit eigener Praxis
erzielen kann. Inwiefern es unter diesen Umständen geradezu willkürlich sein
soll, wenn das Obergericht nicht nur die tieferen Sozialversicherungsabzüge
einer unselbstständig Erwerbenden berücksichtigt hat, legt die
Beschwerdeführerin nicht substantiiert dar (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
Folglich kann auch in diesem Punkt nicht auf die Beschwerde eingetreten
werden.

5.
Damit ist auf die Rüge, das Obergericht habe ein Brutto-Valideneinkommen mit
einem Netto-Invalideneinkommen verglichen, nicht einzugehen. Auf die
staatsrechtliche Beschwerde ist insgesamt nicht einzutreten.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

6.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Juni 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: