Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.505/2006
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5P.505/2006 /blb

Urteil vom 23. Mai 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Escher, Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Bernadette Staub Weidmann,

gegen

Y.________, geb. 1994,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch ihre Mutter M.________,
Bezirksgericht Steckborn, Hauptstrasse 24, 8268 Mannenbach-Salenstein.

Verfahrenssistierung (Abänderung von Unterhaltsbeiträgen),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss
des Bezirksgerichts Steckborn vom 26. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Am 29. Juni 2006 erhob X.________, wohnhaft in S.________, beim
Bezirksgericht Steckborn/TG Klage gegen seine Tochter Y.________ (geb. 1994),
mit Domizil bei ihrer Mutter in T.________/USA und mit Heimatort
U.________/TG. Er verlangte die Abänderung der mit Unterhaltsvereinbarung vom
4. März 1996 festgesetzten Unterhaltsbeiträge.

B.
Das Bezirksgericht Steckborn setzte mit Beschluss vom 26. Oktober 2006 das
Verfahren in Anwendung von Art. 9 IPRG aus. Zur Begründung hielt es im
Wesentlichen fest, dass die Tochter, vertreten durch ihre Mutter M.________,
am 16. Dezember 2005 beim Marin County Superior Court, T.________/USA, eine
Klage betreffend Abänderung der Unterhaltsbeiträge eingereicht hatte. Da die
Klage über denselben Gegenstand und zwischen denselben Parteien in den USA
zuerst hängig gemacht worden sei, sei das Verfahren in der Schweiz gemäss
Art. 9 Abs. 1 IPRG auszusetzen, da zu erwarten sei, dass das Gericht in den
USA in angemessener Frist eine Entscheidung fälle und diese in der Schweiz
anerkennbar sei.

C.
X.________ führt mit Eingabe vom 9. August 2006 staatsrechtliche Beschwerde
und beantragt die Aufhebung des Beschlusses des Bezirksgerichts vom
26. Oktober 2006. Vernehmlassungen zur staatsrechtlichen Beschwerde sind
nicht eingeholt worden.

D.
In der gleichen Sache ist X.________ mit eidgenössischer
Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht gelangt (Verfahren 5C.310/2006).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf das vorliegende Verfahren gelangen die Vorschriften des
Bundesrechtspflegegesetzes (OG) zur Anwendung, da der angefochtene Entscheid
vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110)
am 1. Januar 2007 ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Erhebt eine Partei gleichzeitig staatsrechtliche Beschwerde und
Nichtigkeitsbeschwerde, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche
Beschwerde zu befinden, und der Entscheid über die Nichtigkeitsbeschwerde
wird ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5, Art. 74 OG). Im vorliegenden Fall besteht
kein Anlass, anders zu verfahren.

3.
3.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur gegen letztinstanzliche kantonale
Entscheide zulässig (Art. 86 Abs. 1 OG, unter Vorbehalt von den - hier nicht
massgebenden - Ausnahmen gemäss Art. 86 Abs. 2 OG). Es müssen insbesondere
alle ordentlichen und ausserordentlichen Rechtsmittel, mit denen die Rügen
allenfalls kantonal geltend gemacht werden konnten, bereits ergriffen worden
sein (BGE 126 III 485 E. 1a S. 486 f.; Messmer/Imboden, Die eidgenössischen
Rechtsmittel in Zivilsachen, Ziff. 137, S. 192).

3.2 Der Beschwerdeführer führt betreffend Letztinstanzlichkeit aus, dass der
Entscheid des Bezirksgerichts weder End- noch Teilurteil darstelle und die
Berufung gemäss § 223 Abs. 1 ZPO/TG daher ausgeschlossen sei. Ebenso wenig
falle der Sistierungsentscheid des Bezirksgerichts unter die in § 234 Ziff. 3
ZPO/TG aufgezählten prozessleitenden Entscheide, gegen welche der Rekurs
zulässig sei. Da unter Hinweis auf die Kommentierung der ZPO/TG keine Lücke
in dieser Bestimmung anzunehmen sei, stelle der angefochtene Beschluss einen
kantonal letztinstanzlichen Entscheid dar.

3.3 Nach der zitierten Literatur ist im Fall, dass im Zusammenhang mit der
Rekursmöglichkeit keine Lücke vorliegt, zu prüfen, ob von der Möglichkeit der
Aufsichtsbeschwerde Gebrauch gemacht werden kann (Merz, Die Praxis zur
thurgauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. Bern 2007, N. 5 lit. a zu § 234,
ebenso in der Vorauflage). Gemäss § 242 ZPO/TG ist die Aufsichtsbeschwerde in
hängigen Verfahren zulässig wegen Rechtsverweigerung, Rechtsverzögerung oder
anderer Verletzungen von Amtspflichten durch richterliche Behörden oder
Beamten. Die Aufsichtsbeschwerde ist innert zwanzig Tagen seit der Mitteilung
oder Kenntnisnahme einzureichen, wenn sie sich gegen einen bestimmten
Entscheid oder eine bestimmte Handlung richtet (§ 243 ZPO/TG), wobei sich die
Aufsichtsbeschwerde gegen Entscheide des Bezirksgerichts an das Obergericht
richtet (Merz, a.a.O., N. 1 zu § 243).

3.4 Der Beschwerdeführer hält wohl zutreffend fest, dass der angefochtene
Sistierungsentscheid weder mit kantonaler Berufung noch mit kantonalem Rekurs
infrage gestellt werden kann. Nach der kantonalen Rechtsprechung (RBOG 2002
Nr. 20 Ziff. 3 lit. b/aa, S. 118) kann jedoch als Rechtsverzögerung im Sinne
von § 242 ZPO/TG gerügt werden, wenn entgegen den gesetzlichen Bestimmungen
statt der Fortführung die Einstellung des Verfahrens verfügt wird. So wie im
erwähnten - von der Lehre bestätigten (Merz, a.a.O., N. 10 lit. b, N. 11
lit. a zu § 242) - Urteil des Obergerichts die Sistierung eines Verfahrens
nach Art. 207 SchKG trotz Dringlichkeit des Prozesses mit Aufsichtsbeschwerde
anfechtbar war, kann zweifelsfrei auch ein Entscheid über die Sistierung
eines Verfahrens nach Art. 9 IPRG beim Obergericht angefochten werden. Der
Beschwerdeführer rügt in seiner Beschwerde eine rechtswidrige Sistierung des
Verfahrens durch das Bezirksgericht. Da vorliegend nicht alle Rechtsmittel,
mit denen die Rüge kantonal geltend gemacht werden konnte, bereits ergriffen
worden sind, handelt es sich beim angefochtenen Entscheid nicht um einen
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid gemäss Art. 86 OG. Der
Sistierungsentscheid des Bezirksgerichts kann nicht mit staatsrechtlicher
Beschwerde angefochten werden.

4.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde kann nicht eingetreten werden. Bei diesem
Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht Steckborn schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. Mai 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: