Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.48/2006
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5P.48/2006 /blb

Urteil vom 28. Februar 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Möckli.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Franziska Ryser-Zwygart,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Flückiger,
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn, Postfach 157, 4502 Solothurn.

Art. 9 BV (Besuchsrecht),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 21. Dezember 2005.

Sachverhalt:

A.
Die unverheirateten, seit 2001 getrennten Parteien sind die Eltern des im
Jahre 2000 geborenen A.________, über den die Vormundschaftsbehörde
V.________ am 20. März 2002 eine Beistandschaft errichtete. Ausserdem
gewährte sie dem Vater am 18. September 2002 ein Besuchsrecht an jedem
zweiten Wochenende von Samstag 12 Uhr bis Sonntag 19 Uhr.

B.
Aufgrund mehrerer Gefährdungsmeldungen des Vaters, wonach die Mutter nicht
erziehungsfähig sei und sich ihr Freund gegenüber Kindern problematisch
verhalte, eröffnete die Vormundschaftsbehörde am 8. September 2004 ein
Verfahren zur Neuregelung des Besuchsrechts. In dessen Ausdehnung beauftragte
sie am 4. November 2004 den kinder- und jugendpsychiatrischen Dienst (KJPD)
mit der Abklärung von Fragen insbesondere betreffend den Entwicklungsstand
von A.________, allfällige auf das belastete Verhältnis zwischen den Eltern
zurückzuführende Verhaltensauffälligkeiten, Anzeichen sexueller Übergriffe,
Betreuung durch die Mutter, Entzug des Sorgerechts und die
Besuchsrechtsregelung. Ausserdem verfügte die Vormundschaftsbehörde am 10.
November 2004 ein begleitetes Besuchsrecht im Rahmen der begleiteten
Besuchssonntage, wobei nach Vorliegen des Berichts des KJPD über die
Besuchsregelung neu entschieden werde.
Gegen die Verfügungen vom 4. und 10. November 2004 erhob der Vater
Beschwerde, welche das Departement des Innern des Kantons Solothurn am 28.
Juli 2005 abwies.
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde änderte das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn das begleitete Besuchsrecht mit
Urteil vom 21. Dezember 2005 in ein unbegleitetes mit schrittweiser
Ausdehnung (die ersten drei Monate an einem Sonntag pro Monat von 11 bis 17
Uhr, sodann während drei weiteren Monaten an zwei Sonntagen pro Monat von 11
bis 17 Uhr, danach drei Monate lang ein Wochenende und ein Sonntag pro Monat
und anschliessend zwei Wochenenden pro Monat); im Übrigen wies es die
Beschwerde ab (unbeschränktes Besuchsrecht, Obhutsentzug und Fremdplatzierung
des Kindes sowie sofortiger Entzug der elterlichen Sorge ohne vorgängiges
Einholen eines Gutachtens).

C.
Am 30. Januar 2006 hat der Vater sowohl Berufung als auch staatsrechtliche
Beschwerde eingereicht, im Wesentlichen mit den Begehren um Aufhebung des
verwaltungsgerichtlichen Urteils, soweit dieses nicht ein Besuchsrecht im
Umfang des Beschlusses der Vormundschaftsbehörde vom 18. September 2002
vorsieht, sowie des departementalen Entscheids und der vormundschaftlichen
Verfügungen vom 4. und 10. November 2004, um sofortige Fremdplatzierung von
A.________ und Anordnung der notwendigen Kindesschutzmassnahmen sowie um
sofortige Gewährung eines Besuchsrechts an jedem zweiten Wochenende. Es
wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
In Umkehr der Regel von Art. 57 Abs. 5 OG wurde die konnexe Berufung vorweg
behandelt. Mit Urteil heutigen Datums trat die II. Zivilabteilung auf sie
nicht ein.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist gemäss Art. 86 Abs. 1 OG einzig gegen
letztinstanzliche kantonale Entscheide zulässig, weshalb auf sie insofern
nicht einzutreten ist, als der departementale Entscheid bzw. die Verfügungen
der Vormundschaftsbehörde angefochten werden.
Im Übrigen ist die staatsrechtliche Beschwerde, von hier nicht gegebenen
Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur, weshalb auf sie auch nicht
einzutreten ist, soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides (BGE 125 I 104 E. 1b S. 107; 127 II 1 E. 2c S.
5); dies betrifft namentlich die Begehren um Anordnung verschiedenster
Massnahmen.

3.
Seine auf sofortige Fremdplatzierung von A.________ und Entzug der
elterlichen Sorge schliessende staatsrechtliche Beschwerde begründet der
Beschwerdeführer nicht mehr mit dem Vorwurf, die Mutter lasse den Sohn
verwahrlosen, sondern nur noch damit, dass deren neuer Freund pädophil sei
und dieser nunmehr im gleichen Haushalt lebe. Das Verwaltungsgericht habe
seine zahlreichen Beweismittel (schriftliche Aussagen verschiedener Personen
sowie Nennung von Zeugen, Videoaufzeichnungen, Photos, Briefe, etc.) zu
diesen beiden Tatsachen als nicht tauglich gewürdigt und sei deshalb in
Willkür verfallen, belegten die entsprechenden Dokumente doch in eindeutiger
Weise die akute Gefährdung von A.________.

3.1 Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn ein Entscheid auf einem
offensichtlichen Versehen beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.
Dabei genügt es nicht, wenn der angefochtene Entscheid sich nur in der
Begründung als unhaltbar erweist; eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn
er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; 128 II
259 E. 5 S. 280 f.; 129 I 49 E. 4 S. 58). Willkür in der Beweiswürdigung
setzt sodann voraus, dass der Richter den Sinn und die Tragweite eines
Beweismittels offensichtlich nicht erkannt, ohne vernünftigen Grund ein
entscheidendes Beweismittel ausser Acht gelassen oder aus den vorhandenen
Beweismitteln einen unhaltbaren Schluss gezogen hat (BGE 129 I 8 E. 2.1 S.
9).
Vorliegend ist demnach zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht in willkürlicher
Weise die angeblich akute Gefährdung von A.________ verkannt und deshalb von
sofortigen Massnahmen abgesehen hat.

3.2 Das Verwaltungsgericht hat die sofortige Anordnung von
Kindesschutzmassnahmen abgelehnt mit der Begründung, das aufgrund einer
Anzeige bzw. Gefährdungsmeldung des Beschwerdeführers gegen den neuen Freund
der Mutter eingeleitete Strafverfahren sei mit der Begründung eingestellt
worden, es bestehe kein hinreichender Verdacht (angefochtener Entscheid, S. 6
Mitte). Die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn hat denn
auch die gegen die Einstellungsverfügung erhobene Beschwerde u.a. mit dem
Hinweis abgewiesen, in der Einvernahme vom 14. April 2005 habe der
Beschwerdeführer selbst ausdrücklich festgehalten, es bestehe kein konkreter
Verdacht, dass der neue Freund der Mutter mit A.________ sexuelle Handlungen
vorgenommen habe (E. 4a).
Die sich letztlich in der stereotyp wiederholten Aussage in der
staatsrechtlichen Beschwerde, 95 % der Pädophilen seien Wiederholungstäter,
weshalb die Gefährdung nach der allgemeinen Lebenserfahrung sehr gross sei,
erschöpfende Argumentation des Beschwerdeführers ist jedenfalls nicht
geeignet, ein willkürliches Verkennen einer akuten Gefährdungssituation
darzutun. Umso weniger ist diesbezügliche Willkür belegt, als das Departement
des Innern, auf dessen Entscheid das Verwaltungsgericht verweist,
festgehalten hat, dass A.________ während der Arbeitszeit der Mutter durch
die Grossmutter, bei der er einen von der Vormundschaftsbehörde bewilligten
Pflegeplatz hat, betreut und dass er jeden Abend von der Mutter ins Bett und
auch ausschliesslich von ihr auf die Toilette begleitet wird (Ziff. 2.2.2.2).
Mit diesen Feststellungen setzt sich der Beschwerdeführer entgegen seiner
Rüge- und Begründungspflicht gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. c OG ebenso wenig
auseinander wie mit der Feststellung, dass der neue Freund sich jedenfalls in
den vergangenen Jahren in keiner Weise auffällig verhalten habe (Ziff.
2.2.2.1).
Ist aber bereits vor diesem Hintergrund nicht dargetan, dass das
Verwaltungsgericht in willkürlicher Weise eine akute Gefährdungssituation
verkannt hätte, wird die sich anschliessende Rüge (S. 22 ff.), in
willkürlicher Beweiswürdigung habe das Verwaltungsgericht nicht erkannt, dass
der neue Freund bei der Mutter eingezogen sei (was diese bestreitet),
gegenstandslos.

4.
Der Beschwerdeführer macht weiter geltend (S. 32 ff.), das Verwaltungsgericht
sei auch mit Bezug auf das Besuchsrecht einer willkürlichen Beweiswürdigung
erlegen, habe doch dieses bis im Juli 2004 gut funktioniert und habe er
A.________ stets verantwortungsvoll betreut, weshalb ein unbeschränktes
Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende zu gewähren sei.

4.1 Soweit der Beschwerdeführer die involvierten Behörden schilt und ihnen
unterstellt, das Besuchsrecht als blosse Retorsionsmassnahme für die
Gefährdungsmeldungen beschränkt zu haben, ist auf die staatsrechtliche
Beschwerde nicht einzutreten, sind doch diese Vorbringen vom Inhalt her nicht
materieller, sondern wären sie wenn schon aufsichtsrechtlicher Natur.

4.2 In materieller Hinsicht hat das Verwaltungsgericht festgehalten, die
Beiständin halte zwar in ihrem Bericht vom 4. November 2004 ein begleitetes
Besuchsrecht für angebracht, sie habe aber auch den Eindruck, dass der
Beschwerdeführer den Sohn gut und verantwortungsvoll betreue. Die Verfügung
eines begleiteten Besuchsrechts sei zwar im damaligen Zeitpunkt aufgrund der
Gesamtsituation (namentlich Auseinandersetzungen bei der Übergabe, zu der
auch die Beiständin oft gerufen wurde, weil die Eltern je mit ihren Partnern
erschienen, vor den Augen von A.________ heftige verbale Auseinandersetzungen
führten und die Übergaben sogar auf Video festhielten) sicher richtig
gewesen. Nachdem die begleiteten Besuche vom Vater regelmässig wahrgenommen
worden und problemlos verlaufen seien, erscheine es trotz der noch
bestehenden Spannungen als verantwortbar, dem Beschwerdeführer wieder
unbegleitete Besuche zu bewilligen. Es deute nichts darauf hin, dass der
Vater heute nicht mehr in der Lage wäre, gut für A.________ zu sorgen. Die
von ihm eingereichten Videoaufnahmen liessen zwar gewisse Zweifel aufkommen,
bedränge er doch darin A.________ längere Zeit bis zu dessen Äusserung, seine
Mutter und deren Freund würden schlecht über ihn reden. Die weitere
Entwicklung dürfte bei ihm aber mittlerweile die Einsicht herbeigeführt
haben, dass das sehr schlechte Einvernehmen zwischen den Eltern nicht zu
einer derartigen Belastung des in einem Loyalitätskonflikt stehenden Kindes
führen dürfe.
Was an diesen Erwägungen willkürlich sein soll, ist nicht ersichtlich.
Insbesondere hat das Verwaltungsgericht entgegen den Behauptungen des
Beschwerdeführers nicht verkannt, dass das Besuchsrecht seinerzeit klappte
und der Vater für seinen Sohn sorgen kann, sondern gerade gestützt auf den
Umstand, dass die Besuche (abgesehen von Problemen bei der Übergabe, wenn
sich die Eltern sehen) problemlos verliefen, das begleitete Besuchsrecht in
ein unbegleitetes umgewandelt. Dass das Verwaltungsgericht angesichts der
Tatsache, dass das Besuchsrecht während rund eineinhalb Jahren stark
beschränkt war und es während dieser Zeit auch Probleme gab, in die
A.________ direkt involviert war, wie namentlich die heftigen
Auseinandersetzungen vor seinen Augen und die Videoaufzeichnungen, nicht auf
der Stelle das vollumfängliche Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende
gewährt, sondern dieses in Quartalsschritten ausgedehnt hat, ist nicht
willkürlich, sondern im wohlverstandenen Interesse des erst fünfjährigen
Knaben. Der Beschwerdeführer setzt sich denn entgegen seiner Rügepflicht mit
den zitierten Erwägungen der Vorinstanz auch gar nicht auseinander, weshalb
seine Beschwerde unsubstanziiert bleibt (zu den Begründungsanforderungen bei
Willkürrügen vgl. BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.; 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I
258 E. 1.3 S. 262).

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen
ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr ist folglich
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Gegenpartei ist
im bundesgerichtlichen Verfahren kein entschädigungspflichtiger Aufwand
entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Februar 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: