Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.482/2006
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{T 0/2}
5P.482/2006 /blb

Urteil vom 31. Januar 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Gysel.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Steiner,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Thierry Frei,
Obergericht (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich,
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach, 8022 Zürich.

Art. 9 BV usw. (Ehescheidung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
(I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 9. Dezember 2005 und den
Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom
19. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________, geboren 1947, und Y.________, geboren 1923, heirateten im Jahre
1997 in T.________.
Am 11. April 2002 erhob Y.________ beim Bezirksgericht A.________ Klage auf
Scheidung der Ehe. X.________ widersetzte sich der Klage. Im Verlaufe des
Verfahrens reichte er eine Vereinbarung der Parteien vom 25. Februar 2003
ein, wonach die eheliche Gemeinschaft wieder aufgenommen werde und Y.________
einen Teil der Darlehen, die sie X.________ gewährt hatte, zurückerhalte.
Daraufhin wurde die Scheidungsklage zurückgezogen.
In der Folge focht Y.________ die genannte Vereinbarung an, worauf der
Einzelrichter am Bezirksgericht A.________ (5. Abteilung) mit Verfügung vom
16. Juni 2003 feststellte, dass die Vereinbarung zivilrechtlich unverbindlich
sei, und die Fortsetzung des Scheidungsverfahrens anordnete.
Mit Teilurteil vom 13. Oktober 2004 schied der Einzelrichter die Ehe der
Parteien. Gleichzeitig stellte er fest, diese seien mit Ausnahme der
güterrechtlichen Fragen, die nach Eintritt der Rechtskraft des Teilurteils
separat beurteilt würden, scheidungsrechtlich - insbesondere hinsichtlich
Vorsorgeausgleich und Unterhalt - vollständig auseinandergesetzt.

B.
X.________ gelangte mit Berufung vom 26. Oktober 2004 an das Obergericht des
Kantons Zürich und verlangte die vollständige Aufhebung des erstinstanzlichen
Teilurteils. Auf das von ihm im Hinblick auf Verhandlungen über einen Rückzug
der Scheidungsklage gestellte Sistierungsgesuch vom 22. November 2004 trat
das Obergericht nicht ein (Beschluss vom 24. November 2004). Y.________
teilte dem Obergericht in einer Eingabe vom 7. April 2005 mit, dass sie mit
ihrem Ehemann keine Verhandlungen über den Rückzug der Scheidungsklage führe.
Am 10. Mai 2005 ging beim Obergericht die Kopie eines Schreibens von
Y.________ ein, worin diese den Rückzug der Scheidung erwähnte. Der Sendung
lag eine vom 9. Mai 2005 datierte Rückzugserklärung bei. Anlässlich ihrer
Anhörung vom 9. Juni 2005 erklärte Y.________ dem Vorsitzenden der
I. Zivilkammer des Obergerichts, die Scheidungsklage nicht zurückziehen zu
wollen.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2005 wies das Obergericht (I. Zivilkammer) die
Berufung ab und bestätigte das bezirksgerichtliche Teilurteil. Auf ein Gesuch
von X.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege war es bereits
in einem Beschluss vom 8. November 2005 nicht eingetreten.

C.
Gegen das obergerichtliche Urteil hat X.________ Nichtigkeitsbeschwerde an
das kantonale Kassationsgericht und Berufung an das Bundesgericht erhoben.
Mit Zirkulationsbeschluss vom 19. Oktober 2006 entschied das
Kassationsgericht des Kantons Zürich, dass auf die Nichtigkeitsbeschwerde
nicht eingetreten werde.

D.
Am 20. November 2006 hat X.________ staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Er
verlangt, das Urteil des Obergerichts vom 9. Dezember 2005 und den Beschluss
des Kassationsgerichts vom 19. Oktober 2006 aufzuheben. Ferner ersucht er
darum, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche
Rechtspflege zu gewähren.
Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG; SR
173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Die angefochtenen Entscheide
sind vorher ergangen, so dass noch die Bestimmungen des
Bundesrechtspflegegesetzes (OG) anzuwenden sind (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Ist ein kantonales Urteil zugleich mit staatsrechtlicher Beschwerde und
mit Berufung angefochten (was hier bezüglich des obergerichtlichen Urteils
vom 9. Dezember 2005 der Fall ist), wird in der Regel der Entscheid über die
Berufung ausgesetzt bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde
(Art. 57 Abs. 5 OG). Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht hier kein
Anlass.

2.
2.1 Das mit der vorliegenden Beschwerde (mit)angefochtene Urteil des
Obergerichts vom 9. Dezember 2005 nahm der Vertreter des Beschwerdeführers am
19. Dezember 2005 in Empfang. Die Beschwerde wurde am 20. November 2006, d.h.
zu einem Zeitpunkt bei der Post aufgegeben, da die Beschwerdefrist von 30
Tagen (Art. 89 Abs. 1 OG) längst abgelaufen war.
Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde kann der Entscheid einer
unteren kantonalen Instanz nach der Rechtsprechung dann mitangefochten
werden, wenn entweder der letzten kantonalen Instanz nicht sämtliche vor
Bundesgericht erhobenen Rügen hatten unterbreitet werden können oder wenn
solche Rügen von der letzten kantonalen Instanz zwar beurteilt wurden, jedoch
mit einer engeren Prüfungsbefugnis, als sie dem Bundesgericht zusteht (BGE
128 I 46 E. 1c S. 51 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer, der dem
Obergericht im Wesentlichen die Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches
Gehör und Willkür bei der Anwendung kantonalen Verfahrensrechts und bei der
Beweiswürdigung vorwirft, bringt nichts vor, was auf das Vorliegen einer der
genannten Fälle schliessen liesse (vgl. denn auch § 281 der Zürcher
Zivilprozessordnung [ZPO]).
Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten insofern nicht
einzutreten, als sie sich gegen das Urteil des Obergerichts richtet.

2.2 Beim ebenfalls angefochtenen Zirkulationsbeschluss des Kassationsgerichts
vom 19. Oktober 2006 handelt es sich um einen Entscheid der letzten
kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 OG). Bezüglich dieses Entscheids ist mit
der am 20. November 2006 aufgegebenen Beschwerdeschrift die Rechtsmittelfrist
offensichtlich gewahrt, zumal im Falle einer Entgegennahme des Beschlusses am
20. Oktober 2006 der dreissigste Tag auf einen Sonntag gefallen wäre. Aus
dieser Sicht ist auf die Beschwerde daher ohne weiteres einzutreten.

3.
Mit Zwischenbeschluss vom 10. Mai 2006 hatte das Kassationsgericht das für
das Kassationsverfahren gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters abgewiesen
mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei seiner Mitwirkungspflicht bei
der Klärung seiner finanziellen Verhältnisse nicht nachgekommen. Gleichzeitig
hatte es dem Beschwerdeführer Frist zur Leistung einer Prozesskaution
angesetzt. Vor Ablauf dieser Frist erneuerte der Beschwerdeführer das
Armenrechtsgesuch. Im vorliegend angefochtenen Zirkulationsbeschluss vom
19. Oktober 2006 wurde entschieden, dass auf dieses neue Gesuch nicht
eingetreten und das vom Beschwerdeführer zusätzlich gestellte Begehren, auf
eine Kautionierung zu verzichten, abgewiesen werde. In der Sache wurde
gleichzeitig beschlossen, dass auf die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das
Scheidungsurteil des Obergerichts nicht eingetreten werde, da die
eingeforderte Kaution nicht geleistet worden sei.

4.
Der Beschwerdeführer bezeichnet den kassationsgerichtlichen Entscheid vom
19. Oktober 2006 in verschiedener Hinsicht als willkürlich.

4.1 Im Bereich der Verfassungsbeschwerde gilt der Grundsatz der richterlichen
Rechtsanwendung nicht. Das Bundesgericht prüft nur gestützt auf (im Sinne von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) klar und detailliert erhobene und, soweit möglich,
belegte Rügen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig ist. Auf rein
appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines
Berufungsverfahrens zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 130 I 258
E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). Bei der Willkürrüge ist klar und detailliert
aufzuzeigen, inwiefern der kantonale Entscheid offensichtlich unhaltbar sein,
eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzen oder
sonst wie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen soll
(BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17 mit Hinweisen).

4.2 Willkür wirft der Beschwerdeführer dem Kassationsgericht zunächst deshalb
vor, weil es auf seine Nichtigkeitsbeschwerde infolge Nichtleistens der
geforderten Kaution nicht eingetreten sei, obschon offensichtlich gewesen
sei, dass er diese nicht habe aufbringen können.
Da der beanstandete Nichteintretensentscheid auf kantonalem Verfahrensrecht
beruht, hätte der Beschwerdeführer darlegen müssen, inwiefern solches hier
willkürlich angewendet worden sein soll. Stattdessen beschränkt er sich
darauf, das Zürcher Prozessrecht als spitzfindig zu bezeichnen und dem
Kassationsgericht vorzuwerfen, mit der Kautionspflicht die einzige
Möglichkeit gefunden zu haben, auf seine offensichtlich begründete
Nichtigkeitsbeschwerde nicht eintreten zu müssen. Diese allgemeine Kritik am
angefochtenen Beschluss genügt den für eine staatsrechtliche Beschwerde
geltenden Begründungsanforderungen in keiner Weise.

4.3 Für willkürlich hält der Beschwerdeführer sodann auch die Verweigerung
der unentgeltlichen Rechtspflege. In diesem Punkt habe das Kassationsgericht
ebenfalls die verfassungsrechtlichen Ansprüche auf Zugang zu einem
unabhängigen Gericht, auf Ehe und auf rechtliches Gehör verletzt.
Mit der Begründung des angefochtenen Beschlusses setzt sich der
Beschwerdeführer auch bei diesen Rügen nicht einmal ansatzweise auseinander.
Wenn er vorbringt, es sei sonnenklar, dass er keine Prozesskosten bezahlen
könne, tut er damit nicht dar, weshalb er nicht zur Klärung seiner
wirtschaftlichen Verhältnisse beigetragen hatte. Daran ändert auch sein
Hinweis auf die Fürsorgepflicht, die das Kassationsgericht getroffen habe,
und auf den Untersuchungsgrundsatz, der bei der Beurteilung des Gesuchs um
unentgeltliche Rechtspflege gelte, nichts. Entgegen der Behauptung des
Beschwerdeführers hat sich das Kassationsgericht mit seinem Armenrechtsgesuch
sehr wohl befasst, womit von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht
die Rede sein kann. Inwiefern das Kassationsgericht mit seinem Beschluss das
Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht und sein
Recht auf Ehe missachtet haben soll, ist ohnehin nicht nachvollziehbar.
Mangels rechtsgenügender Begründung ist auch hinsichtlich dieser Rügen auf
die Beschwerde nicht einzutreten.

5.
Nach dem Gesagten ist der staatsrechtlichen Beschwerde insgesamt kein Erfolg
beschieden. Sie erschien unter den dargelegten Umständen von vornherein als
offensichtlich aussichtslos. Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist daher abzuweisen (vgl.
Art. 152 Abs. 1 OG), und die Gerichtsgebühr ist ausgangsgemäss dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassungen
eingeholt worden sind und der Beschwerdegegnerin somit keine Kosten erwachsen
sind, entfällt die Zusprechung einer Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht (I. Zivilkammer) des
Kantons Zürich und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 31. Januar 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: