Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.481/2006
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{T 0/2}
5P.481/2006 /bnm

Urteil vom 19. Februar 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Ruppen.

M.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Manuela B. Vock,

gegen

F.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Carola Reetz,
Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.

Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV (vorsorgliche Massnahmen im
Ehescheidungsprozess),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, I. Zivilkammer, vom 16. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
M.________ und F.________ heirateten am 21. Mai 1993. Der Ehe entspross
einzig das Kind K.________; die Ehegattin brachte zudem den vorehelichen Sohn
V.________ mit in die Ehe. Die Parteien trennten sich gerichtlich am 1. Mai
2000. Der gemeinsame Sohn K.________ (geboren 1993) lebt seit dem Jahre 2003
beim Vater und der voreheliche Sohn V.________ (geboren 1987) seit der
Trennung bei seiner Mutter. Im Rahmen eines Eheschutzverfahrens wurde
M.________ mit Beschluss des Kassationsgerichts Zürich vom 9. April 2003
unter anderem verpflichtet, F.________ ab dem 1. Dezember 2001 einen
monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 615.-- zu bezahlen.

B.
Das Scheidungsverfahren wurde am 5. November 2004 durch das Einreichen des
gemeinsamen Scheidungsbegehrens anhängig gemacht. Gleichzeitig verlangte
M.________ den Erlass vorsorglicher Massnahmen. Am 29. Mai 2006 ergingen
sowohl das Scheidungsurteil als auch der Entscheid über die vorsorglichen
Massnahmen durch das Bezirksgericht Zürich, welches im Rahmen einer
Abänderung der bestehenden Eheschutzmassnahmen die Unterhaltspflicht von
M.________ ab September 2006 neu auf Fr. 83.-- pro Monat herabsetzte.

C.
Gegen diesen Massnahmeentscheid rekurrierte M.________ - der auch gegen das
Scheidungsurteil Berufung einlegte - an das Obergericht des Kantons Zürich.
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 hiess das Obergericht den Rekurs teilweise
gut. Es beliess die monatlichen Unterhaltsbeiträge gemäss Eheschutzentscheid
unverändert bei Fr. 615.-- bis Ende Februar 2006. Für die Monate März bis und
mit August 2006 setzte es den Unterhaltsbeitrag auf Fr. 260.-- herab. Ab
September 2006 befreite es M.________ von jeglicher Unterhaltszahlung an
F.________ und verpflichtete diese, M.________ für den bei ihm lebenden Sohn
K.________ ab September 2007 monatlich Fr. 600.-- zu bezahlen.

D.
Gegen diesen Entscheid führt M.________ (fortan: Beschwerdeführer) mit
Eingabe vom 20. November 2006 staatsrechtliche Beschwerde an das
Bundesgericht wegen Verletzung von Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV und beantragt
dem Bundesgericht in der Sache, den obergerichtlichen Beschluss vom 16.
Oktober 2006 aufzuheben.
Es sind keine Vernehmlassungen in der Sache eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der angefochtene Beschluss ist am 16. Oktober 2006 ergangen, womit auf
das vorliegende Verfahren noch die Bestimmungen des
Bundesrechtspflegegesetzes (OG) anwendbar sind, ungeachtet des Inkrafttretens
des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG) am 1. Januar 2007 (vgl. Art.
132 Abs. 1 BGG).

1.2 Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
in welchem Umfang auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE
131 I 153 E. 1 S. 156; 130 II 249 E. 2 S. 250).

1.3 Der Beschluss des Obergerichts betreffend vorsorgliche Massnahmen
(Unterhaltsbeiträge) ist kantonal letztinstanzlich, weil er der kantonalen
Nichtigkeitsbeschwerde nicht unterliegt (vgl. § 284 Ziff. 7 ZPO/ZH, in Kraft
seit dem 1. Juli 2003), und Endentscheid im Sinne von Art. 86 OG, gegen
welchen gemäss ständiger Rechtsprechung einzig die staatsrechtliche
Beschwerde zulässig ist (BGE 126 III 261 E. 1 S. 263 mit Hinweisen). Auf die
staatsrechtliche Beschwerde ist aus dieser Sicht einzutreten.

1.4 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat sich ein Beschwerdeführer mit den
Erwägungen des angefochtenen Entscheides auseinander zu setzen und im
Einzelnen darzustellen, worin die Verletzung der angerufenen
Verfassungsrechte bestehen soll. Im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert (und damit
rechtsgenüglich) erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 131 I 313
E. 2.2 S. 315; 130 I 258 E. 1.3 S. 261 mit Hinweisen). Tatbeständliche
Vorbringen, welche nicht mit einer konkreten Rüge verbunden sind, werden im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt. Ebenso tritt das
Bundesgericht auf ungenügend begründete Vorbringen und rein appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid, wie sie allenfalls im Rahmen eines
Berufungsverfahrens zulässig ist, nicht ein (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3; 125 I
492 E. 1b S. 495; 131 I 291 E. 1.5 S. 297). Der Beschwerdeführer verlangt die
Aufhebung der ganzen Dispositiv-Ziffer 2 des obergerichtlichen Beschlusses.
Aus seiner Begründung ergibt sich jedoch, dass ausschliesslich der Bestand
und die Höhe des Unterhaltsbeitrages an seine Ehegattin von November 2004 bis
Ende Februar 2006 strittig sind und nicht der von dieser geschuldete
Unterhaltsbeitrag an das gemeinsame Kind K.________. Die Verlegung der
kantonalen Gerichtskosten und Parteientschädigungen (Dispositiv-Ziffern 3 bis
5) rügt der Beschwerdeführer nicht als verfassungswidrig, sondern verlangt
deren Aufhebung lediglich für den Fall der Gutheissung seiner
staatsrechtlichen Beschwerde. Der Antrag ist zulässig.

2.
Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft können für die Dauer des
Scheidungsverfahrens durch vorsorgliche Massnahmen abgeändert werden, solange
das Scheidungsverfahren insgesamt noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
Voraussetzung ist der Eintritt einer erheblichen und dauernden Änderung der
Entscheidgrundlagen oder der tatsächlichen Umstände, die dem
Massnahmeentscheid zu Grunde lagen, wobei der Anpassungsentscheid
grundsätzlich nur für die Zukunft wirkt. Eine Änderung ist ferner angebracht,
wenn sich der Entscheid nachträglich im Ergebnis als nicht gerechtfertigt
herausstellt, weil dem Massnahmegericht die Tatsachen nicht zuverlässig
bekannt waren. Gelangt das Gericht zum Schluss, dass ein Abänderungsgrund
vorhanden ist, ist die gesamte Unterhaltsberechnung unter Einbezug der
aktuellen Einkommens- und Notbedarfspositionen für beide Ehegatten neu
durchzuführen (vgl. dazu: Gloor, Basler Kommentar, N 15 zu Art. 137 ZGB;
Hasenböhler/Opel, Basler Kommentar, N 2 ff. zu Art. 179 ZGB).

2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, das Obergericht habe sich mit seinen
Rekursvorbringen zu den finanziellen Verhältnissen der Parteien für den
Zeitraum von November 2004 (Einreichung des Abänderungsbegehrens) bis Februar
2006 nicht auseinandergesetzt und habe daher den Unterhaltsbeitrag nicht
herabgesetzt. Insbesondere habe sich das Obergericht mit den ab November 2004
markant verbesserten Einkommensverhältnissen der Beschwerdegegnerin mit
keinem Wort auseinandergesetzt. In diesem Vorgehen erblickt der
Beschwerdeführer eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV).

2.2 Das Obergericht hat dazu festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin seit
Juli 2005 ein Nettoeinkommen von Fr. 4'650.-- erziele. Entgegen dem
Vorbringen des Beschwerdeführers, dass sich das Obergericht mit keinem Wort
zu den markant verbesserten Einkommensverhältnissen der Beschwerdegegnerin
geäussert habe, ist dieses für die Zeit von November 2004 bis August 2006 von
einem anrechenbaren Einkommen der Beschwerdegegnerin von Fr. 4'650.--
ausgegangen. Des Weiteren hat es festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin ab
August 2004 wesentliche Schulgeldkosten (vgl. unten E. 3.2) für ihren
vorehelichen Sohn zu tragen habe. Aufgrund dieser Feststellungen hat das
Obergericht unter Beibehaltung des monatlichen Unterhaltsbeitrages von Fr.
615.-- für die Zeitspanne von November 2005 (recte: 2004) bis Februar 2006
die Aufteilung des Freibetrages von einem Drittel (33.33%) für die
Beschwerdegegnerin zu zwei Dritteln (66.66%) für den Beschwerdeführer mit dem
gemeinsamen Sohn K.________ auf 45% zu 55% abgeändert.

2.3 Das Obergericht hat die wesentlichen und dauerhaften Änderungen bei den
Einkommens- und Bedarfspositionen angeführt und gestützt auf diese neuen
Berechnungsgrundlagen begründet, dass der bisher gültige Unterhaltsbeitrag in
der Höhe von Fr. 615.-- pro Monat weiterhin gelten solle. Seine Begründung
genügt damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art. 29 Abs. 2 BV;
vgl. dazu BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236).

3.
Sodann wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht vor, den aus dem
Eheschutzverfahren stammenden monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 615.--
als Ergebnis festgesetzt und die sich daraus ergebende Freibetragsaufteilung
von 55% zu 45% nachträglich und ergebnisorientiert begründet zu haben, womit
es gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) verstossen habe.

3.1 Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht
schon dann vor, wenn eine andere Lösung als die beanstandete ebenfalls
vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen
kantonalen Entscheid wegen materieller Rechtsverweigerung nur dann auf, wenn
er offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder sonst wie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Die Aufhebung eines kantonalen Entscheides rechtfertigt sich in
jedem Fall nur dort, wo nicht nur die Begründung, sondern auch das Ergebnis
unhaltbar ist (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17; 131 I 57 E. 2 S. 61 und 217 E. 2.1
S. 219, je mit Hinweisen).

3.2 Das Obergericht hat das Schulgeld der Tageshandelsschule S.________ für
den ausserehelichen Sohn der Beschwerdegegnerin als neue Ausgabe ab August
2004 (bis Juli 2005) zum Bedarf der Unterhaltsgläubigerin hinzugerechnet.
Dieser wesentliche Ausgabeposten (Fr. 950.-- pro Monat) ist gegenüber dem
Eheschutzverfahren neu hinzugetreten. Das Bundesgericht prüft nicht von Amtes
wegen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig ist. Entgegen Art. 90
Abs. 1 lit. b OG (vgl. oben E. 1.4) setzt sich der Beschwerdeführer jedoch in
Bezug auf den erhobenen Willkürvorwurf mit dem Entscheid nicht auseinander.
Er bringt in diesem Zusammenhang denn auch nicht vor, inwiefern die
obergerichtliche Vorgehensweise bezüglich der Freibetragsaufteilung in der
Begründung und im Ergebnis unhaltbar sei. Die Willkürrüge des
Beschwerdeführers ist insgesamt unbegründet, weshalb diesbezüglich auf die
Beschwerde nicht eingetreten werden kann.

4.
Schliesslich sieht der Beschwerdeführer im obergerichtlichen Vorgehen die
Dispositionsmaxime verletzt. Demnach darf einer Partei weder mehr noch
anderes zugesprochen werden als sie selbst verlangt. Eine solche Verletzung
ist jedoch weder ersichtlich noch dargetan, weil das Obergericht im durch
Parteianträge vorgegebenen Rahmen - Aufhebung der Unterhaltspflicht ab dem 5.
November 2004 (Beschwerdeführer) und Abweisung des Massnahmebegehrens sowie
Beibehaltung der Unterhaltsverpflichtung gemäss Eheschutzverfahren
(Beschwerdegegnerin) - entschieden hat. Gebunden ist das Gericht unter der
Herrschaft der Dispositionsmaxime nur an die formellen Parteianträge, nicht
hingegen an die einzelnen Einnahmen- und Aufwandpositionen (vgl. zur
Schadensberechnung: BGE 119 II 396 E. 2 S. 396). Somit gilt die vorgenommene
Freibetragsaufteilung als von den Anträgen der Parteien miterfasst, weshalb
für die vorgebrachte Rüge kein Raum mehr verbleibt.

5.
Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Beschwerdegegnerin
ist jedoch für das bundesgerichtliche Verfahren keine Entschädigung
zuzusprechen, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Februar 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: