Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.473/2006
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{T 0/2}
5P.473/2006 /blb

Urteil vom 19. Dezember 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Marc Dübendorfer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Galligani,
Obergericht des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau.

Art. 9 BV (vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungsprozess),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 25. September 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a
Mit Präliminarurteil des Gerichtspräsidiums Aarau vom 17. März 2003 wurde
X.________ verpflichtet, Y.________ monatlich vorschüssig an den Unterhalt
der beiden gemeinsamen Kinder je Fr. 750.-- und an ihren persönlichen
Unterhalt Fr. 1'500.-- zu bezahlen. Die gegen dieses Urteil erhobene
Beschwerde von X.________ wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Urteil
vom 8. März 2004 ab.

A.b Mit Eingabe vom 29. September 2004 beantragte X.________ (Kläger) dem
Gerichtspräsidium Aarau, ihn in Abänderung des Urteils des Gerichtspräsidiums
Aarau vom 17. März 2003 zu verpflichten, Y.________ (Beklagte) ab September
2004 monatlich und vorschüssig an den Unterhalt der beiden Kinder je
Fr. 562.-- plus allfällige Kinderzulagen und an denjenigen der Beklagten
Fr. 126.-- zu entrichten, wobei die Verrechnung mit bereits geleisteten
Zahlungen zuzulassen sei. Mit Urteil vom 26. Mai 2005 wies das
Gerichtspräsidium I Aarau die Klage ab (Ziff. 1).

B.
Die vom Kläger dagegen erhobene Beschwerde hiess das Obergericht des Kantons
Aargau mit Urteil vom 25. September 2006 teilweise gut; es hob Ziffer 1 des
Urteils des Gerichtspräsidiums I vom 26. Mai 2005 auf und verhielt den Kläger
dazu, der Beklagten monatlich und vorschüssig an den Unterhalt der Kinder je
Fr. 600.-- zuzüglich allfälliger Kinderzulagen und an deren persönlichen
Unterhalt Fr. 981.-- zu bezahlen, wobei bereits geleistete Beträge
angerechnet werden können.

C.
Der Kläger führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV
mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom
25. September 2006 aufzuheben. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht
er um unentgeltliche Rechtspflege.
Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind neue tatsächliche und
rechtliche Vorbringen grundsätzlich unzulässig (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205;
118 Ia 20 E. 5a S. 26; 127 I 145 E. 5c/aa S. 160); ferner können auch keine
neuen Beweismittel eingereicht werden (BGE 108 II 69 E. 1 S. 71; BGE 128 I
354 E. 6c S. 357 f.; 129 I 49 E. 3 S. 57). Im Übrigen prüft das Bundesgericht
nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen
(Rügeprinzip). Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 125 I 492 E. 1b
S. 495; 127 III 279 E. 1c S. 282).

1.1 Soweit der Beschwerdeführer auf das im angefochtenen Urteil nicht
erwähnte Scheidungsurteil der Parteien verweist, um damit Willkür bei der
Bestimmung der Auslagen zu belegen (Beschwerde, act. 9, S. 6, Ziff. 5 am
Ende), kann darauf nicht eingetreten werden.

1.2 Nicht einzutreten ist ebenso auf die Beschwerde, soweit der
Beschwerdeführer die Nichtberücksichtigung der Fahrtkosten im Zusammenhang
mit der Ausübung des Besuchsrechts als willkürlich anficht (Beschwerde,
act. 1, Ziff. 6). Das Obergericht hat diese Kosten als nicht substanziiert
betrachtet und sie daher nicht in die Berechnung aufgenommen. Mit dieser
Erwägung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander; er bedient sich
vielmehr ausschliesslich unzulässiger appellatorischer Kritik am
angefochtenen Entscheid.

2.
Der Beschwerdeführer wirft der letzten kantonalen Instanz vor, bei der
Ermittlung des Existenzminimums in willkürlicher Weise die Kosten für den
privaten Personenwagen nicht berücksichtigt und damit gegen Art. 9 BV
verstossen zu haben.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt Willkür nicht schon vor, wenn eine andere
Lösung vertretbar oder gar vorzuziehen wäre; das Bundesgericht hebt einen
Entscheid vielmehr nur auf, wenn dieser mit der tatsächlichen Situation in
offensichtlichem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dabei rechtfertigt sich die Aufhebung
des angefochtenen Entscheides nur, wenn er sich auch im Ergebnis als
verfassungswidrig herausstellt (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; 129 I 49 E. 4
S. 58, je mit Verweisen).

3.
Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft bzw. vorsorgliche Massnahmen
für die Dauer des Scheidungsverfahrens können abgeändert werden, wenn nach
Eintritt der Rechtskraft des Urteils eine wesentliche und dauernde Änderung
eingetreten ist oder die tatsächlichen Umstände, die dem Massnahmeentscheid
zu Grunde lagen, sich nachträglich als unrichtig erwiesen haben. Eine
Änderung ist ferner angebracht, wenn sich der Entscheid nachträglich im
Ergebnis als nicht gerechtfertigt herausstellt, weil dem Massnahmegericht die
Tatsachen nicht zuverlässig bekannt waren. Andernfalls steht die formelle
Rechtskraft des Eheschutz- bzw. des Präliminarentscheides einer Abänderung
entgegen. Eine Abänderung ist ferner ausgeschlossen, wenn die Sachlage durch
eigenmächtiges, widerrechtliches, mithin rechtsmissbräuchliches Verhalten
herbeigeführt worden ist (Hausheer/Reusser/Geiser, Berner Kommentar, N. 8, 8a
und 10 zu [a]Art. 179 ZGB; Hasenböhler/Opel, Basler Kommentar
Zivilgesetzbuch I, 3. Aufl. 2006, N. 3 und 4 zu Art. 179 ZGB; Leuenberger,
Fam Kommentar Scheidung, 2005, N. 15-17 zu Art. 137 ZGB; Susanne Bachmann,
Die Regelung des Getrenntlebens nach Art. 176 und 179 ZGB sowie nach
zürcherischem Verfahrensrecht, Diss. Zürich 1995, S. 229, 4.1.8 am Anfang).

3.1 Im kantonalen Verfahren hat der Beschwerdeführer darum ersucht, ihm seien
für den Arbeitsweg Fr. 287.-- im Notbedarf zu berücksichtigen, zumal er
aufgrund der Bestätigung der Arbeitgeberin wegen arbeitsbedingter Fahrten und
damit verbundener Zeitersparnis auf ein privates Fahrzeug angewiesen sei. Die
Stiftung S.________ in K.________, wohin er sich zu beruflichen Sitzungen
begeben müsse, liege weit ausserhalb des Dorfes, bzw. drei Kilometer vom
Bahnhof entfernt. Das Obergericht hat eine Berücksichtigung der Kosten für
das Privatfahrzeug abgelehnt (angefochtenes Urteil, act. 9, E. 3.1.4.).
Zur Begründung seines Willkürvorwurfs macht der Beschwerdeführer geltend, das
Obergericht verhalte sich widersprüchlich. Es gelange mit Bezug auf die
Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers zu einem anderen Schluss als die erste
Instanz, welche ihm eine Arbeitsfähigkeit von 100 % zuerkannt habe. Nach dem
angefochtenen Entscheid sei davon auszugehen, dass ihm aufgrund der
fachärztlichen Begutachtung als Behindertenbetreuer kein grösseres als das
derzeit verrichtete Arbeitspensum von 80 % zugemutet werden könne, da seine
Ressourcen nach einem solchen Arbeitstag erschöpft seien und er auch nicht
zur Verrichtung eines zusätzlichen Arbeitspensums in einem anderen Bereich
verhalten werden könne (act. 9, E. 2.2., S. 7). Sei nun aber die
Arbeitsfähigkeit im obergerichtlichen Verfahren anders beurteilt worden als
von der ersten Instanz, habe das Obergericht auch überprüfen müssen, ob die
erstinstanzliche Einschätzung, der Beschwerdeführer könne mit dem
öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit fahren und sei nicht auf ein privates
Fahrzeug angewiesen, nicht ebenfalls unzutreffend sei (Beschwerde, act. 1,
S. 6, Ziff. 5).

3.2 Die Rüge erweist sich als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden
kann. Mit Bezug auf die Kosten des Arbeitsweges hat das Obergericht
dafürgehalten, es habe in seinem Urteil vom 8. März 2004 einzig den
Arbeitsweg von L.________ nach M.________, dem Arbeitsort des
Beschwerdeführers, zu beurteilen gehabt, da im damaligen Verfahren nicht von
regelmässigen beruflichen Sitzungen in K.________ die Rede gewesen sei. Der
Beschwerdeführer habe zudem im Abänderungsverfahren auch nicht dargelegt,
dass sich an seiner beruflichen Situation im Anschluss an den ursprünglichen
Massnahmeentscheid etwas geändert habe, dass insbesondere die Sitzungen erst
seit jüngerer Zeit in K.________ stattfänden (act. 9, S. 8, 3.1.4.). Der
Beschwerdeführer hat insoweit das obergerichtliche Urteil vom 25. September
2006 nicht als willkürlich beanstandet. Bei dieser Sachlage aber verfiel das
Obergericht nicht in Willkür, indem es die Kosten des privaten Fahrzeuges für
die Fahrt zur Arbeit, bzw. an die in K.________ abgehaltenen Sitzungen nicht
berücksichtigte. Nicht gefolgt werden kann inbesondere dem Beschwerdeführer,
soweit er mit seinen Ausführungen davon ausgeht, eine entsprechende
Überprüfung und Neubeurteilung hätte sich aufgrund der in Ehesachen geltenden
Untersuchungsmaxime aufgedrängt (vgl. § 300 Abs. 2 ZPO/AG). Auch die
Untersuchungsmaxime entbindet die Parteien nicht von ihrer Mitwirkungspflicht
(BGE 128 III 411 E. 3.2.1 S. 413). Dieser Pflicht entsprechend hätte der
Beschwerdeführer aufzeigen müssen, inwiefern sich die Verhältnisse mit Bezug
auf das erforderliche Verkehrsmittel seit den ursprünglich angeordneten
Massnahmen geändert haben. Solche Ausführungen sind indes nach den nicht als
willkürlich beanstandeten Feststellungen des Obergerichts unterblieben,
weshalb denn auch im Lichte von Art. 9 BV keine Veranlassung bestand,
diesbezüglich von Amtes wegen Abklärungen zu treffen. Dies erst recht nicht,
da zwischen der reduzierten Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den
Kosten des Arbeitsweges - entgegen der offenbaren Auffassung des
Beschwerdeführers - kein Zusammenhang ersichtlich ist.

4.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Beschwerdegegnerin
ist jedoch für das bundesgerichtliche Verfahren keine Entschädigung
zuzusprechen, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.

5.
Die staatsrechtliche Beschwerde hat sich von Anfang an als aussichtslos
erwiesen; dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für
das bundesgerichtliche Verfahren kann somit nicht entsprochen werden (Art.
152 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. Dezember 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: