Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.446/2006
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2006
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2006


{T 0/2}
5P.446/2006 /blb

Urteil vom 7. März 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Gysel.

X. ________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Dominik Hasler,
Obergericht des Kantons Thurgau, Promenadenstrasse 12A, 8500 Frauenfeld.

Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV (Ehescheidung; Rückzug einer kantonalen
Berufung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 17. Juli 2006 (ZBR.2005.69).

Sachverhalt:

A.
Durch Urteil der Kommission des Bezirksgerichts B.________ vom 4. Mai 2005
wurde die von Y.________ und X.________ im Jahre 1979 geschlossene Ehe
geschieden. Die Gerichtskommission genehmigte die Teilvereinbarung der
Ehegatten über die Nebenfolgen der Scheidung und ordnete unter anderem an,
dass Y.________ der geschiedenen Ehefrau mit Wirkung ab 1. August 2007 für
die Dauer von sechs Jahren (d.h. bis zum 31. Juli 2013) eine Rente von
monatlich Fr. 700.-- zu zahlen haben werde.

X. ________ erhob mit Eingabe vom 4. Juli 2005 an das Bezirksgericht Berufung
und verlangte, die ihr zugesprochenen Unterhaltsbeiträge zu erhöhen. Am
7. Juli 2005 teilte sie der gleichen Instanz mit, sie sei nach reiflicher
Überlegung zur Überzeugung gelangt, dass ihr ein weiteres Verfahren aus
finanziellen Gründen nicht möglich sei, sie ziehe die Berufungserklärung
deshalb zurück. Mit Eingabe vom 26. Juli 2005 kam sie auf dieses Schreiben
zurück mit der Bemerkung, sie lasse sich auf den Rückzug der
Berufungserklärung nicht behaften. Das Bezirksgericht teilte ihr am 2. August
2005 mit, das Scheidungsurteil sei in Rechtskraft erwachsen, ein Zurückkommen
auf den Rückzug der Berufung sei nicht möglich und ein ordentliches
Rechtsmittel gegen seinen Entscheid gebe es nicht mehr. Nachdem X.________
das Bezirksgericht am 9. August 2005 hatte wissen lassen, dass sie dessen
Auffassung nicht teile, stellte sie mit Eingabe vom 29. August 2005 das
Begehren, die Sache an das Obergericht des Kantons Thurgau als
Berufungsinstanz zu überweisen. Sie brachte ausserdem vor, sie sei im
Zeitpunkt des Rückzugs der Berufungserklärung nicht handlungsfähig gewesen
und die Rückzugserklärung leide an einem Willensmangel. Gleichzeitig machte
sie Ausführungen zur Begründung ihres Standpunktes.
Das Bezirksgericht überwies die Sache antragsgemäss an die Berufungsinstanz.

B.
Am 17. Juli 2006 beschloss das Obergericht, dass auf die Berufung von
X.________ nicht eingetreten werde.

C.
X.________ erhebt sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische
Berufung. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde verlangt sie, den Beschluss
des Obergerichts aufzuheben. Ferner stellte sie das Prozessbegehren, der
Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und Y.________ (den
Beschwerdegegner) im Rahmen einer vorsorglichen Verfügung zu verpflichten,
ihr für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens Unterhaltsbeiträge von
monatlich Fr. 850.-- zu zahlen, vorbehältlich des Ausgangs der vor
Bundesgericht hängigen Verfahren betreffend Eheschutz bzw. vorsorgliche
Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses.
Der Beschwerdegegner beantragte, das Begehren um aufschiebende Wirkung und
Anordnung einer vorsorglichen Massnahme abzuweisen. Unaufgefordert hat er
sich auch zur Sache selbst geäussert und das Rechtsbegehren gestellt, die
Beschwerde vollumfänglich abzuweisen.
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende
Wirkung verzichtet.

D.
Durch Präsidialverfügung vom 10. November 2006 ist das Begehren um Anordnung
von Massnahmen nach Art. 94 OG abgewiesen worden.

E.
Mit Eingabe vom 15. November 2006 beanstandete die Beschwerdeführerin, die
dem Bundesgericht im Berufungsverfahren übermittelten gerichtlichen Akten
(Art. 56 OG) seien nicht vollständig. Sie beantragte, das Obergericht
anzuhalten, sämtliche Akten einzureichen und ein aussagekräftiges
Aktenverzeichnis vorzulegen. Einer entsprechenden Aufforderung des
Instruktionsrichters kam das Obergericht am 22. Dezember 2006 nach. Durch
Verfügung des Instruktionsrichters vom 11. Januar 2007 wurde der
Beschwerdeführerin Gelegenheit eingeräumt, sich zum Schreiben des
Obergerichts und zu den von diesem eingereichten Aktenverzeichnissen zu
äussern. In ihrer Eingabe vom 26. Januar 2007 hält die Beschwerdeführerin
nach wie vor dafür, die Aktenführung der kantonalen Instanzen sei mangelhaft
gewesen und die Aktenverzeichnisse wiesen verschiedene Unzulänglichkeiten
auf.

F.
Durch Urteil vom heutigen Tag hat die erkennende Abteilung entschieden, dass
auf die Berufung nicht eingetreten werde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG; SR
173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid
ist vorher ergangen, so dass noch die Bestimmungen des
Bundesrechtspflegegesetzes (OG) anzuwenden sind (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Wie die nachstehenden Erwägungen zeigen werden, kommt der Frage der
Aktenführung durch die kantonalen Instanzen für das Schicksal der Beschwerde
keine Bedeutung zu. Die betreffenden Vorbringen der Beschwerdeführerin
brauchen daher nicht näher erörtert zu werden.

3.
3.1 Zur Begründung ihres Vorbringens, sie sei im Zeitpunkt des Rückzugs der
Berufung handlungsunfähig gewesen und die Rückzugserklärung leide an einem
Willensmangel, hatte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ausgeführt, sie
habe wegen des Drucks und des Stresses, unter denen sie zur fraglichen Zeit
gelitten habe, nicht mehr klar und logisch denken können. Sie sei der
Fehleinschätzung erlegen, sie werde sich mit dem Beschwerdegegner schon noch
aussergerichtlich einigen können. Dr. med. D.________bestätige in seinem
Bericht vom 24. August 2005, dass sie im Hinblick auf den Rückzug der
Berufungserklärung infolge panikartiger Ängste urteilsunfähig gewesen sei.

3.2 Das Obergericht gelangte zum Schluss, dass für den geltend gemachten
Willensmangel oder für eine Urteilsunfähigkeit keine rechtsgenügenden
Indizien vorhanden seien: Von allem Anfang an und bis zum Schluss seien die
finanziellen Nebenfolgen der Scheidung der Grund dafür gewesen, dass es
zwischen den Parteien nur zu einer Teilkonvention gekommen sei. Die
Kommission des Bezirksgerichts B.________ habe der Beschwerdeführerin für die
Dauer von sechs Jahren einen Unterhaltsbeitrag von monatlich Fr. 700.--
zugesprochen und diesen Entscheid einlässlich begründet. Die
Beschwerdeführerin habe einen weit grösseren Betrag verlangt, und es möge
deshalb durchaus zutreffen, dass sie sich hinsichtlich ihres finanziellen
Auskommens Sorgen gemacht habe. Schon nach der erstinstanzlichen
Hauptverhandlung und dann kurz nach Erhalt des Scheidungsurteils habe sie mit
ihrem Schwager, nach ihren Angaben einem Prozessanwalt, Kontakt aufgenommen,
um sich über Höhe und Dauer der Unterhaltsbeiträge zu besprechen. Ausserdem
habe sie ihre Anwältin aufgesucht und dort eine Berufungserklärung
unterzeichnet. Zwei Tage später, am 6. Juli 2005, habe sie sich mit dem
Beschwerdegegner getroffen. Mit schriftlichem Vorschlag vom 14. Juli 2005
habe ihr dieser dann angeboten, zusätzlich zu den ab 1. August 2007
geschuldeten Fr. 700.-- im Monat während einer Dauer von sechs Jahren
monatlich Fr. 200.-- für ihre Altersvorsorge zu zahlen. Es treffe somit nicht
zu, dass die Beschwerdeführerin der von ihr geltend gemachten
Fehleinschätzung erlegen sei, sie werde sich mit dem Beschwerdegegner
bezüglich der Unterhaltsbeiträge schon noch aussergerichtlich einigen können.
Der Beschwerdegegner habe hierzu erwiesenermassen Hand geboten.
Alsdann weist das Obergericht darauf hin, dass das Schreiben vom 7. Juli
2005, mit dem die Beschwerdeführerin den Rückzug der Berufung erklärt habe,
klar formuliert und sauber gehalten gewesen sei und detailliert die
notwendigen Angaben enthalten habe. Der Brief sei ohne jede Zittrigkeit
unterschrieben, und es ergäben sich aus ihm auch keine anderen Hinweise
dafür, dass die Beschwerdeführerin sich in einem Ausnahmezustand befunden
hätte. Die Beschwerdeführerin habe mit dem Hinweis auf die finanzielle
Unmöglichkeit, ein Berufungsverfahren durchzuziehen, sogar den Grund dafür
angegeben, weshalb sie nach langem Nachdenken zur Überzeugung gelangt sei,
auf das Rechtsmittelverfahren zu verzichten. Als sie dies mitgeteilt habe,
sei ihr Wille ganz klar darauf gerichtet gewesen, das erstinstanzliche Urteil
nicht durch das Obergericht überprüfen zu lassen. Es liege kein einziges
Indiz dafür vor, dass sie im massgeblichen Zeitpunkt tatsächlich
handlungsunfähig gewesen sei. Daran ändere auch der von der
Beschwerdeführerin erwähnte Bericht von Dr. med. D.________nichts. Die
Beschwerdeführerin gebe wohl an, dass in diesem Schreiben "panikartige
Ängste" bestätigt würden, die sie urteilsunfähig gemacht hätten. Das
Obergericht bemerkt, dass verschiedene Gründe ausschlössen, auf diese Angaben
abzustellen. So sei es äusserst erstaunlich, dass das Zeugnis erst vom
24. August 2005 datiere, der Rückzug der Berufung jedoch rund sechs Wochen
früher erklärt worden sei. Die Beschwerdeführerin mache mit keinem Wort
geltend, sie habe noch am selben Abend, nämlich am 7. Juli 2005, als sie
gegen aussen "nach reiflicher Überlegung", angeblich aber zufolge Panik die
Rückzugserklärung geschrieben habe, ihren psychiatrischen Betreuer
aufgesucht. Am 26. Juli 2005, d.h. gut zweieinhalb Wochen später, sei der
Rückzug widerrufen worden. In der Zwischenzeit habe die Beschwerdeführerin im
Massnahmenverfahren Rekurs gegen die Verfügung des Vizegerichtspräsidiums
B.________ eingereicht und höhere Unterhaltsbeiträge verlangt. In ihrer
Rekursschrift vom 14. Juli 2005 sei von einem Widerruf des Rückzugs (der
Berufung) noch keine Rede gewesen; erstmals in ihrer Eingabe vom 24. Juli
2005, in der sie darum ersucht habe, auf den im Rekursverfahren verlangten
Kostenvorschuss zu verzichten, habe sie - kommentarlos - erklärt, sie lasse
sich bei ihrem Rückzug der Berufung nicht behaften. Von allfälliger
Urteilsunfähigkeit im massgebenden Zeitpunkt sei nicht die Rede gewesen,
ebenso wenig von einem eine solche bestätigenden ärztlichen Bericht.
Zusätzlich hält das Obergericht fest, das angerufene Schreiben von
Dr. med. D.________vom 24. August 2005 könnte selbst dann keine Beachtung
finden, wenn sich daraus ergeben sollte, dass die Beschwerdeführerin den
genannten Arzt unverzüglich aufgesucht habe, als sie sich im behaupteten
schlechten Zustand befunden habe: Ganz bewusst habe die Beschwerdeführerin
darauf verzichtet, das Zeugnis einzureichen. Sie habe verlangt, es seien
vorerst die geeigneten Schutzmassnahmen anzuordnen, damit der
Beschwerdegegner und weitere Dritte von der Einsichtnahme ausgeschlossen
würden. Gründe, weshalb die Angaben im Arztbericht derart geheim oder
schützenswert sein sollten, dass sie dem Beschwerdegegner vorzuenthalten
wären, sind nach Ansicht der kantonalen Berufungsinstanz nicht dargetan: Die
Kernaussage, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt urteilsunfähig gewesen
sei, sei kein Geheimnis, weise doch die Beschwerdeführerin selbst darauf hin.
Ausserdem bemerkt das Obergericht, dass die Beschwerdeführerin zumindest das
Arztzeugnis hätte einreichen müssen; es sei nicht verpflichtet,
Aktenergänzungen anzuordnen und von sich aus fehlende Unterlagen einzuholen.
Auch sei es nicht möglich, der Beschwerdeführerin für die Einreichung des
Arztzeugnisses eine Nachfrist anzusetzen, sei es doch keineswegs die Folge
eines Versehens, sondern vielmehr Absicht gewesen, dass sie dieses nicht
gleichzeitig mit ihrer Rechtsschrift zugesandt habe.
Gestützt auf die dargelegten Ausführungen hat das Obergericht den am 7. Juli
2005 erklärten Rückzug der Berufung als verbindlich betrachtet, so dass auf
diese nicht einzutreten sei.

4.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Obergericht in verschiedener Hinsicht vor,
es habe gegen das Verbot der Rechtsverweigerung verstossen bzw. ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet und sei in Willkür verfallen.

4.1 Im Bereich der Verfassungsbeschwerde gilt der Grundsatz der richterlichen
Rechtsanwendung nicht. Das Bundesgericht prüft nur gestützt auf (im Sinne von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) klar und detailliert erhobene und, soweit möglich,
belegte Rügen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig ist. Auf rein
appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines
Berufungsverfahrens zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 130 I 258
E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). Bei der Willkürrüge ist klar und detailliert
aufzuzeigen, inwiefern der kantonale Entscheid offensichtlich unhaltbar sein,
eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzen oder
sonst wie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen soll.
Die Aufhebung eines kantonalen Entscheids rechtfertigt sich in jedem Fall nur
dort, wo nicht nur die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist
(BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17; 120 Ia 31 E. 4b S. 40, mit Hinweisen).

4.2 Neue Tatsachenbehauptungen, neue rechtliche Argumente und neue
Beweisanträge sind im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
grundsätzlich unstatthaft. Zulässig sind neue Vorbringen rechtlicher oder
tatsächlicher Art, zu deren Geltendmachung erst die Begründung des
angefochtenen Entscheids Anlass gegeben hat, sowie neue Vorbringen zu
Gesichtspunkten, die sich aufdrängen und die deshalb von der kantonalen
Instanz offensichtlich hätten berücksichtigt werden müssen. Eine weitere
Ausnahme gilt für Vorbringen, die erstmals im Rahmen von
Sachverhaltsabklärungen gemäss Art. 95 OG Bedeutung erlangen, und für neue
rechtliche Vorbringen in Fällen, da die letzte kantonale Instanz volle
Überprüfungsbefugnis besass und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte
(BGE 128 I 354 E. 6c S. 357 mit Hinweisen).

5.
5.1 Ohne nähere Substantiierung verweist die Beschwerdeführerin auf von ihr im
kantonalen Verfahren eingereichte Rechtsschriften und weitere Schriftstücke.
Diese Vorbringen sind unbeachtlich, da die Begründung der Beschwerde in der
Rechtsschrift selbst enthalten sein muss (BGE 115 Ia 27 E. 4a S. 30 mit
Hinweisen). Dass die Beschwerdeführerin seit Jahren von einem Psychiater
behandelt bzw. betreut werde und vom 18. April 2002 bis zum 7. Juli 2002 in
einer psychiatrischen Klinik hospitalisiert gewesen sei, ist dem
angefochtenen Entscheid nicht zu entnehmen.

5.2 Die Beschwerdeführerin erklärt, das Obergericht wäre verpflichtet
gewesen, von Amtes wegen zu überprüfen, ob die von ihr geltend gemachten
Mängel (Urteilsunfähigkeit, Willensmängel) vorgelegen hätten und ihre
Rückzugserklärung deshalb unwirksam sei. Dieses Vorbringen stösst ins Leere,
hat sich doch die kantonale Berufungsinstanz mit diesen Fragen eingehend
befasst.

6.
Eine Missachtung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)
und Willkür - namentlich in Form der Nichtbeachtung verschiedener
Bestimmungen der Thurgauer Zivilprozessordnung (ZPO) - erblickt die
Beschwerdeführerin darin, dass das Obergericht davon abgesehen habe, ihr vor
der Fällung seines Entscheids Gelegenheit für eine Ergänzung ihrer Vorbringen
einzuräumen bzw. zur Frage der Rechtswirksamkeit des Rückzugs der
Berufungserklärung Beweismassnahmen oder andere prozessleitende Anordnungen
zu treffen.

6.1 Der von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Max Guldener
(Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 50)
vorgetragenen Verfahrenssystematik ist entgegenzuhalten, dass der angerufene
Autor das Rechtsmittelverfahren gleich wie etwa das Einleitungs- oder das
Beweisverfahren als ein Stadium des Zivilprozesses versteht. Dass das
Rechtsmittelverfahren seinerseits in die verschiedenen Stadien (mit
Einleitungs-, Haupt- und Beweisverfahren) aufzuteilen wäre, ist seinen
Ausführungen nicht zu entnehmen.

6.2 Dem Obergericht wird vorgeworfen, die §§ 227 und 232 ZPO willkürlich
angewendet zu haben. § 227 ZPO (wonach die Berufungsinstanz in gewissen
Fällen ohne weiteres Verfahren auf die Berufung nicht eintritt) erlaube die
von der kantonalen Instanz gewählte Erledigungsmethode nur bei verspäteten
oder offensichtlich nicht zulässigen Berufungen. Das Vorbringen ist insofern
von vornherein unbehelflich, als es bei der der Berufungsinstanz eingeräumten
Möglichkeit, "ohne weiteres Verfahren" zu entscheiden, darum geht, dass der
berufungsbeklagten Partei (die durch den Nichteintretensentscheid nicht
beschwert wird) ausnahmsweise das rechtliche Gehör nicht gewährt zu werden
braucht (Barbara Merz, Die Praxis zur thurgauischen Zivilprozessordnung,
2. Auflage, Bern 2007, N. 3 zu § 227). Aus § 227 ZPO lässt sich mithin nicht
ableiten, dass das Gericht in einem Fall wie dem vorliegenden den
Berufungskläger zu einer Ergänzung seiner Vorbringen einzuladen hätte.
Der von der Beschwerdeführerin angerufene § 232 ZPO bestimmt, dass bei
Berufungen gegen Urteile der Bezirksgerichtlichen Kommissionen und der
Einzelrichter eine schriftliche Berufungsbegründung und eine schriftliche
Berufungsantwort eingeholt (Abs. 1) und auf Verlangen einer Partei eine
mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt wird (Abs. 3). Weshalb es
willkürlich sein soll, diese den eigentlichen Gegenstand der Berufung
betreffende Bestimmung nicht auch auf die Frage der Gültigkeit des Rückzugs
einer Berufung anzuwenden, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und ist auch
nicht ersichtlich. Das Gleiche gilt bezüglich des Hinweises auf die §§ 19 und
94 ZPO, wonach das Gericht von Amtes wegen Mängel der Prozessfähigkeit und
der Vertretung einer Partei zu berücksichtigen bzw. die
Prozessvoraussetzungen zu prüfen hat. Zu bemerken ist im Übrigen, dass auch
dort, wo das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen hat, für
die Parteien eine Mitwirkungspflicht besteht (BGE 107 II 233 E. 2c S. 236;
vgl. auch BGE 123 III 328 E. 3 S. 329).

6.3 Die Beschwerdeführerin beanstandet hauptsächlich, dass das Obergericht
davon ausgegangen sei, sie hätte den in ihrer Eingabe vom 29. August 2005
angesprochenen psychiatrischen Bericht von Dr. med. D.________vom 24. August
2005 spontan einreichen müssen, und ihr keine Gelegenheit gegeben habe, ihn
nachzureichen. Art. 29 Abs. 2 BV verleiht der Partei im Verfahren ein
persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht. Sie soll in den Punkten, die
geeignet sind, den zu erlassenden in ihre Rechtsstellung eingreifenden
Entscheid zu beeinflussen, unter anderem erhebliche Beweise beibringen können
(BGE 129 II 497 E. 2.2 S. 504 f. mit Hinweisen). Ob die Beschwerdeführerin
gehalten gewesen wäre, das fragliche Arztzeugnis von Anfang an einzureichen,
mag dahin gestellt bleiben. Die genannte Verfassungsbestimmung hindert den
Richter nämlich nicht daran, einem beantragten Beweismittel auf Grund einer
vorweggenommenen Beweiswürdigung, weil er seine Überzeugung bereits aus
anderen Beweisen gewonnen hat und davon ausgeht, dass weitere Abklärungen am
massgeblichen Beweisergebnis nichts mehr zu ändern vermöchten, die
Tauglichkeit abzusprechen. Verfassungswidrig ist das Übergehen des
Beweisantrags in einem solchen Fall einzig dann, wenn die vorweggenommene
Beweiswürdigung willkürlich ist (vgl. BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 602; 129 III
18 E. 2.6 S. 24 f.).
Das Obergericht hat namentlich unter Hinweis auf das Datum des angerufenen
Arztzeugnisses und auf weitere Tatsachen dafür gehalten, dass auf die
Angaben, die sich nach der Beschwerdeführerin im ärztlichen Bericht bestätigt
finden sollen, von vornherein nicht abzustellen wäre. Mit dem von der
kantonalen Instanz in diesem Zusammenhang Ausgeführten setzt sich die
Beschwerdeführerin nicht auseinander. Sie beschränkt sich darauf, die
(antizipierte) Beweiswürdigung des Obergerichts als willkürlich zu
bezeichnen, ohne ihre Rüge in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1
lit. b OG genügenden Form zu begründen.
Die Begründungsanforderungen erfüllt die Beschwerde schliesslich auch
insofern nicht, als die Beschwerdeführerin erklärt, es hätte ihr Gelegenheit
eingeräumt werden müssen, ihren Standpunkt bezüglich der der
Rückzugserklärung anhaftenden Willensmängel abschliessend zu begründen und zu
beweisen. Umstände, die es aus der Sicht von Art. 29 Abs. 2 BV geboten
hätten, das zur geltend gemachten Unverbindlichkeit der Rückzugserklärung
Ausgeführte noch ergänzen zu lassen, bringt die Beschwerdeführerin nicht vor.

6.4 Schliesslich macht die Beschwerdeführerin eine willkürliche Anwendung der
Art. 12 ff. ZGB geltend, wobei sie dem Sinne nach insbesondere beanstandet,
das Obergericht habe den Begriff der Urteilsfähigkeit (Art. 16 ZGB) verkannt.
Da auf die von ihr erhobene Berufung nicht einzutreten war (Urteil vom
heutigen Tag im Verfahren 5C.266/2006), ist diese Rüge aus der Sicht von
Art. 84 Abs. 2 OG an sich zulässig. Indessen stösst sie ins Leere: Eine
Verfassungswidrigkeit im Zusammenhang mit der Feststellung der tatsächlichen
Gegebenheiten durch das Obergericht ist nach dem Gesagten nicht dargetan, und
die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass eine Verletzung der
genannten bundesrechtlichen Bestimmungen auch dann gegeben sei, wenn von dem
von der kantonalen Instanz festgestellten Sachverhalt ausgegangen werde.

7.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Die Gerichtsgebühr ist mithin der Beschwerdeführerin aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG). Diese ist ausserdem zu verpflichten, den
Beschwerdegegner für seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren zu
entschädigen (Art. 159 Abs. 1 OG), wobei zu berücksichtigen ist, dass der
Beschwerdegegner einzig eingeladen wurde, sich zum Gesuch um Erlass einer
vorsorglichen Verfügung im Sinne von Art. 94 OG zu äussern, seine
Ausführungen zur Sache deshalb unbeachtlich sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, den Beschwerdegegner für seine
Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 750.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: