Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.404/2006
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2006
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2006


{T 0/2}
5P.404/2006 /blb

Urteil vom 8. November 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Riemer,
Gerichtsschreiber von Roten.

C. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Nicolas von Werdt,

gegen

Gesellschaft G.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Gregor Marcolli,
Obergericht des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, Postfach 7475,
3001 Bern.

Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 BV (Arrest),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Obergerichts des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer, vom 18.
August 2006.

Sachverhalt:

A.
Die G.________, eine ausländische Gesellschaft, stellte am 20. Februar 2006
als Gläubigerin für eine Forderung von rund 5.7 Mio. Franken nebst Zins ein
Arrestbegehren gegen die von ihr als Schuldner bezeichneten Geschwister
A.________, B.________ und C.________, alle mit Wohnsitz im Ausland.
Der Arrest wurde gerichtlich bewilligt gegen Leistung einer Sicherheit über
Fr. 100'000.--. Er erfasste unter anderem eine Liegenschaft in S.________
(Arrestbefehl vom 22. Februar 2006).
Die Liegenschaft stand einst im Eigentum des Ausländers V.________, der am
19. August 2003 mit letztem Wohnsitz in der Schweiz verstorben war und in der
Person von W.________ einen Willensvollstrecker bestellt hatte. Im Grundbuch
eingetragene Eigentümerin der verarrestierten Liegenschaft ist die
Erbengemeinschaft des Verstorbenen, bestehend aus dessen Kindern, den drei
Arrestschuldnern.

B.
Gegen den Arrest erhoben die drei Arrestschuldner je für sich und als
Erbengemeinschaft, handelnd durch den Willensvollstrecker, Einsprache. Der
Präsident des Gerichtskreises XI Interlaken-Oberhasli trat auf die
Arresteinsprache nicht ein und bestätigte den Arrest auf der Liegenschaft
(Entscheid vom 2. Mai 2006).

C.
Gegen den Einspracheentscheid appellierten die drei Arrestschuldner als
Erbengemeinschaft, handelnd durch den Willensvollstrecker, und der
Willensvollstrecker in eigenem Namen in seiner Funktion sowie die
Arrestschuldnerin C.________ für sich selbst. Das Obergericht des Kantons
Bern trat auf die Appellation des Willensvollstreckers, die er in eigenem
Namen kraft seiner Funktion eingelegt hatte, nicht ein (Dispositiv-Ziff. 1)
und wies die Einsprache der Arrestschuldnerin C.________ zurück
(Dispositiv-Ziff. 2). Es hob den Arrest auf in Gutheissung der Appellation
der Erbengemeinschaft bzw. der drei Erben, vertreten durch den
Willensvollstrecker (Dispositiv-Ziff. 3). Das Obergericht setzte den
Arrestschuldnern eine Klagefrist von sechzig Tagen, nach deren unbenutztem
Ablauf die Arrestkaution der G.________ zurückerstattet würde
(Dispositiv-Ziff. 4), und auferlegte sämtliche Gerichts- und Parteikosten der
G.________ (Dispositiv-Ziff. 5 und 6 des Entscheids vom 18. August 2006).

D.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt die Arrestschuldnerin C.________
dem Bundesgericht, den obergerichtlichen Entscheid aufzuheben und das
Verfahren bis zur Erledigung der hängigen staatsrechtlichen Beschwerde der
G.________ gegen den obergerichtlichen Entscheid zu sistieren. Es sind keine
Vernehmlassungen eingeholt worden.

E.
Der Präsident der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat dem Gesuch der
Beschwerdeführerin entsprochen und das Verfahren antragsgemäss sistiert
(Verfügung vom 25. September 2006). Mit Urteil vom heutigen Tag hat die
II. Zivilabteilung des Bundesgerichts die staatsrechtliche Beschwerde der
G.________ abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (5P.355/2006).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht hat die Arresteinsprache der Beschwerdeführerin in
Dispositiv-Ziff. 2 zurückgewiesen. Dieses sie betreffende Prozessurteil ficht
die Beschwerdeführerin an (Ziff. 4 S. 2 der Beschwerdeschrift), so dass ihr
weitergehender Beschwerdeantrag, den obergerichtlichen Entscheid insgesamt
aufzuheben, unzulässig ist.

2.
Mit der Aufhebung des Arrests durch das Obergericht und nach Abweisung der
dagegen gerichteten staatsrechtlichen Beschwerde der Arrestgläubigerin
G.________ ist das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin als
Arrestschuldnerin an der Beurteilung ihrer Arresteinsprache entfallen
(Artho von Gunten, Die Arresteinsprache, Diss. Zürich 2001, S. 19). Dass es
ihr infolgedessen auch am aktuellen praktischen Interesse zur
Beschwerdeführung fehlt (vgl. BGE 131 I 153 E. 1.2 S. 157), räumt die
Beschwerdeführerin ein (Ziff. 9 S. 3 f.), behauptet aber, die Voraussetzungen
seien erfüllt, die es nach der Rechtsprechung rechtfertigten, ihre
Verfassungsrügen gleichwohl zu prüfen (Ziff. 10 S. 4 der Beschwerdeschrift
mit Hinweis auf BGE 110 Ia 140 E. 2b S. 143). Die Beschwerdeführerin hält
damit an der Beurteilung ihrer staatsrechtlichen Beschwerde nach Wegfall des
Sistierungsgrundes fest.
Das Bundesgericht sieht vom Erfordernis des aktuellen Interesses im Sinne von
Art. 88 OG ab, wenn sich die mit der Beschwerde aufgeworfene Frage jederzeit
und unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer
Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes
öffentliches Interesse besteht und eine rechtzeitige verfassungsgerichtliche
Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (BGE 127 I 164 E. 1a S. 166;
129 I 113 E. 1.7 S. 119; vgl. BGE 131 II 670 E. 1.2 S. 674).
Inwiefern diese Voraussetzungen hier erfüllt sein könnten, ist weder
ersichtlich noch dargetan. Auf Grund des Prozessverlaufs, wie er aus dem
Urteil 5P.355/2006 hervorgeht (E. 3.2 dortselbst), muss vielmehr angenommen
werden, dass die Rügen der Beschwerdeführerin eng mit der konkreten
Verfahrenslage zusammenhängen und keine Fragen von allgemeiner Tragweite
betroffen sind (vgl. BGE 127 III 429 E. 1b S. 432). Die Beschwerdeführerin
belegt und begründet auch nicht im Einzelnen, inwiefern unter den besonderen
Umständen ihres Falls ein Absehen vom Erfordernis des aktuellen praktischen
Interesses an der Beschwerdeführung als gerechtfertigt erschiene (Art. 90
Abs. 1 lit. b OG; vgl. BGE 113 Ia 247 E. 4b S. 252 f.; 125 I 173 E. 1b
S. 175).

3.
Aus den dargelegten Gründen kann auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht
eingetreten werden. Die Beschwerdeführerin wird damit kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, sowie dem Betreibungs- und Konkursamt Berner
Oberland, Dienststelle Interlaken, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. November 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: