Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.397/2006
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5P.397/2006 /blb

Urteil vom 1. Mai 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Gysel.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Max Auer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin lic. iur. Hannelore Fuchs,
Kantonsgericht St. Gallen (II. Zivilkammer), Klosterhof 1, 9001 St. Gallen.

Art. 9 BV (nachehelicher Unterhalt),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Kantonsgerichts St. Gallen (II. Zivilkammer)
vom 17. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Durch Urteil des Kreisgerichts K.________ vom 29. Dezember 2005 wurde die von
X.________ und Y.________ im Jahre 1982 geschlossene kinderlos gebliebene Ehe
geschieden. Das Gericht verpflichtete X.________ unter anderem, an den
Unterhalt von Y.________ monatliche Beiträge von Fr. 2'000.-- bis
30. September 2006 und solche von Fr. 1'500.-- ab 1. Oktober 2006 bis zum
Eintritt der geschiedenen Ehefrau ins AHV-Alter zu zahlen.

B.
Beide Parteien erhoben Berufung, X.________ bezüglich der Berufung von
Y.________ auch Anschlussberufung. Das Kantonsgericht St. Gallen
(II. Zivilkammer) entschied am 17. August 2006 unter anderem, dass die
Y.________ zugesprochenen Unterhaltsbeiträge auf Fr. 1'500.-- im Monat für
die Zeit bis Dezember 2006 und Fr. 1'000.-- für die Zeit darnach und bis zum
Eintritt der geschiedenen Ehefrau ins AHV-Alter festgesetzt würden
(Dispositiv-Ziffer 1).

C.
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Art. 9 und
29 Abs. 2 BV und verlangt, Dispositiv-Ziffer 1 des Entscheids des
Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die
kantonale Instanz zurückzuweisen; allenfalls sei er zu verpflichten, der
geschiedenen Ehefrau (Beschwerdegegnerin) Unterhaltsbeiträge von monatlich
Fr. 1'500.-- bis Dezember 2006 und von monatlich Fr. 1'000.-- für die Zeit
von Januar 2007 bis Dezember 2009 zu zahlen.
Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG;
SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene
Entscheid ist vorher ergangen, so dass noch die Bestimmungen des
Bundesrechtspflegegesetzes (OG) anzuwenden sind (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Das Bundesgericht prüft die Rechtsmittelvoraussetzungen frei und von Amtes
wegen, ohne an die Auffassungen der Parteien gebunden zu sein (BGE 132 III
291 E. 1 S. 292 mit Hinweis).

2.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht in Betracht fallenden
Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 132 I 21, E. 1 S. 22, und
68, E. 1.5 S. 71, mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer (mit seinem
Eventualbegehren) mehr verlangt als die Aufhebung des kantonsgerichtlichen
Urteils, ist auf die Beschwerde daher von vornherein nicht einzutreten.

2.2 Der Beschwerdeführer wirft dem Kantonsgericht Willkür (Art. 9 BV) bei der
Sachverhaltsfeststellung bzw. bei der Beweiswürdigung und eine Missachtung
seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) vor. Für diese
Rügen steht die staatsrechtliche Beschwerde offen, zumal im
Berufungsverfahren tatsächliche Feststellungen grundsätzlich nicht
beanstandet werden könnten (Art. 63 Abs. 2 und Art. 84 Abs. 2 OG). Auf die
Beschwerde, die von der durch den strittigen Entscheid der letzten kantonalen
Instanz betroffenen Partei rechtzeitig erhoben worden ist, ist auch aus der
Sicht von Art. 86 Abs. 1, Art. 88 und Art. 89 Abs. 1 OG einzutreten.

2.3 Im Bereich der staatsrechtlichen Beschwerde gilt der Grundsatz der
richterlichen Rechtsanwendung nicht. Das Bundesgericht prüft nur gestützt auf
(im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG) klar und detailliert erhobene und,
soweit möglich, belegte Rügen, ob ein kantonaler Entscheid verfassungswidrig
ist. Auf rein appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines
Berufungsverfahrens zulässig ist, wird nicht eingetreten (BGE 130 I 258
E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). Bei der Willkürrüge ist klar und detailliert
aufzuzeigen, inwiefern der kantonale Entscheid qualifiziert unrichtig sein
soll (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262 mit Hinweisen). Die Aufhebung eines
kantonalen Entscheids rechtfertigt sich in jedem Fall nur dort, wo nicht nur
die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 132 I 13 E. 5.1
S. 17; 128 I 81 E. 2 S. 86, mit Hinweisen).

2.4 Neue Tatsachenbehauptungen, neue rechtliche Argumente und neue
Beweisanträge sind im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
grundsätzlich unstatthaft. Zulässig sind neue Vorbringen rechtlicher oder
tatsächlicher Art, zu deren Geltendmachung erst die Begründung des
angefochtenen Entscheids Anlass gegeben hat, sowie neue Vorbringen zu
Gesichtspunkten, die sich aufdrängen und die deshalb von der kantonalen
Instanz offensichtlich hätten berücksichtigt werden müssen. Eine weitere
Ausnahme gilt für Vorbringen, die erstmals im Rahmen von
Sachverhaltsabklärungen gemäss Art. 95 OG Bedeutung erlangen, und für neue
rechtliche Vorbringen in Fällen, da die letzte kantonale Instanz volle
Überprüfungsbefugnis besass und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte
(BGE 128 I 354 E. 6c S. 357 mit Hinweisen).

3.
Gegenstand der Beschwerde sind einzig die der Beschwerdegegnerin
zugesprochenen Unterhaltsbeiträge. In diesem Zusammenhang beanstandet der
Beschwerdeführer hauptsächlich die Bestimmung des Einkommens der
Beschwerdegegnerin im angefochtenen Entscheid.

3.1 Das Kantonsgericht weist vorab auf die Annahme der ersten Instanz hin,
wonach die Beschwerdegegnerin bis September 2006 Fr. 2'000.-- und
anschliessend Fr. 2'500.-- im Monat werde verdienen können, und hält fest,
dass die Beschwerdegegnerin ein Einkommen von Fr. 2'000.-- für möglich halte.
Unter Berufung auf deren Angaben vor Kreisgericht bzw. gegenüber einer
Leasinggesellschaft gehe der Beschwerdeführer seinerseits von einem Einkommen
von Fr. 3'000.-- aus. Auf die angerufenen Angaben könne indessen nicht
unbesehen abgestellt werden, sei doch die Auskunft gegenüber der
Leasinggesellschaft verständlicherweise eher optimistisch ausgefallen und
zudem vor mehr als einem Jahr erteilt worden. Den Einwand der
Beschwerdegegnerin, bei ihrer Aussage, sie könne monatlich Fr. 3'000.--
verdienen, habe sie den Bruttogewinn gemeint, bezeichnet das Kantonsgericht
angesichts der Unterlagen zu ihrer Geschäftstätigkeit als zumindest nicht
unplausibel. Aus den eingereichten Unterlagen lasse sich nicht zuverlässig
bestimmen, wie viel die Beschwerdegegnerin tatsächlich verdiene bzw. zu
verdienen in der Lage sein werde. Angesichts des Alters, der bisherigen
Tätigkeit als Selbständigerwerbende und der chronischen Hauterkrankung der
Beschwerdegegnerin sowie der heutigen Arbeitsmarktlage erscheine ein
Einkommen von monatlich Fr. 2'000.-- bis Ende 2006 und ein solches von
Fr. 2'500.-- für die Zeit darnach als angemessen. Bei einem ausgewiesenen
Bedarf von Fr. 3'500.-- habe die Beschwerdegegnerin mithin Anspruch auf
monatliche Unterhaltsbeiträge von zunächst Fr. 1'500.-- und von Fr. 1'000.--
ab Januar 2007 bis zu ihrem Eintritt ins AHV-Alter.

3.2 Die Ansicht des Kantonsgerichts, es sei nicht unplausibel, dass die
Beschwerdegegnerin mit dem von ihr genannten Betrag den erzielbaren
Bruttogewinn gemeint habe, bezeichnet der Beschwerdeführer als willkürlich.
Er beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das im kantonalen
Berufungsverfahren Vorgetragene zu wiederholen. Seine Vorbringen stossen
insofern ohnehin ins Leere, als das Kantonsgericht festgehalten hat, die
Angaben in den Akten liessen keine zuverlässigen Schlüsse auf die
tatsächlichen Einkünfte der Beschwerdegegnerin zu. Mit dieser Feststellung
setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander, und er legt somit auch
nicht dar, inwiefern sie vollkommen unhaltbar sein soll. Ebenso wenig bringt
er etwas vor, was die Schätzung des Einkommens der Beschwerdegegnerin durch
das Kantonsgericht als willkürlich erscheinen liesse.

3.3 Im Verzicht des Kantonsgerichts, auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin
zu ihrem Einkommen vor Kreisgericht abzustellen, erblickt der
Beschwerdeführer ferner eine materielle Rechtsverweigerung und eine
Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Er habe die
Beschwerdegegnerin bei ihrer Zugabe, monatlich netto Fr. 3'000.-- zu
verdienen, behaftet, so dass zwingend darauf hätte abgestellt werden müssen.
Indem das Kantonsgericht dies nicht getan habe, habe es auch in willkürlicher
Weise das Dispositionsprinzip nicht angewendet.

3.3.1 Dem Begriff der materiellen Rechtsverweigerung kommt üblicherweise die
gleiche Bedeutung zu wie demjenigen der Willkür (vgl. BGE 124 IV 86 E. 2a
S. 88), wovon auch der Beschwerdeführer selbst auszugehen scheint. Dass
dieser mit dem Vorwurf der materiellen Rechtsverweigerung etwas anderes hätte
geltend machen wollen, ist seinen Vorbringen jedenfalls nicht zu entnehmen.
Da die Rügen der Willkür und der materiellen Rechtsverweigerung identisch
sind, ist auf das oben (E. 3.2) Ausgeführte zu verweisen.

3.3.2 Die Tragweite der Dispositionsmaxime bestimmt sich nach dem kantonalen
Prozessrecht (vgl. BGE 110 II 113 E. 4 S. 115; 109 II 452 E. 5d S. 460). Eine
Bestimmung des kantonalen Verfahrensrechts nennt der Beschwerdeführer nicht,
und er legt denn auch nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen
genügenden Form dar, dass eine solche vom Kantonsgericht willkürlich
angewendet worden wäre. In diesem Punkt ist auf die Beschwerde daher
ebenfalls nicht einzutreten. Im Übrigen stösst das in diesem Zusammenhang
Vorgetragene insofern ins Leere, als das Kantonsgericht dafür gehalten hat,
die strittige Aussage der Beschwerdegegnerin sei nicht zwingend in dem vom
Beschwerdeführer geltend gemachten Sinn zu verstehen, und nicht dargetan ist,
dass die Auffassung der kantonalen Berufungsinstanz willkürlich wäre. Nicht
nachvollziehbar ist, weshalb das Kantonsgericht auf die strittige Aussage -
in dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sinn - (nur schon deshalb)
hätte abstellen müssen, weil die Beschwerdegegnerin vom Beschwerdeführer
dabei behaftet worden sei.

3.4
3.4.1 Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, dass das Kantonsgericht
überhaupt nicht begründet habe, wieso kein Ende der Unterhaltspflicht vor
Eintritt des Rentenalters der Beschwerdegegnerin in Betracht fallen könne;
mit der Dauer seiner Unterhaltspflicht setze sich der angefochtene Entscheid
gar nicht auseinander. Dies stelle eine materielle (gemeint wohl: formelle)
Rechtsverweigerung in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, da er
einen Anspruch auf eine Begründung und auf eine Beurteilung des von ihm in
diesem Zusammenhang gestellten Antrags habe.

3.4.2 Bei der sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ergebenden Pflicht der Behörde, ihren Entscheid zu
begründen, geht es darum, dass der Betroffene sich über dessen Tragweite ein
Bild machen und ihn in voller Kenntnis der Sache gegebenenfalls anfechten
kann; es besteht kein Anspruch auf ausführliche Begründung, namentlich nicht
darauf, dass auf jede Einwendung eingegangen wird (BGE 129 I 232 E. 3.2
S. 236 mit Hinweisen).
Aus den Erwägungen zum Bedarf der Beschwerdegegnerin und zu ihren
Einkommensmöglichkeiten ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, weshalb
das Kantonsgericht keinen Grund für eine Reduzierung der Unterhaltsbeiträge
für die Zeit vor Erreichen des AHV-Alters sah. Eine sachgerechte Anfechtung
des kantonsgerichtlichen Entscheids war dem Beschwerdeführer auch in diesem
Punkt möglich. Die Rüge der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV ist daher
unbegründet.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang ist die Gerichtsgebühr dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassungen
eingeholt worden sind und der Beschwerdegegnerin somit keine Kosten erwachsen
sind, entfällt die Zusprechung einer Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen
(II. Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Mai 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: