Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.392/2006
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{T 0/2}
5P.392/2006 /gyw

Urteil vom 21. Dezember 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Hasenböhler,
Gerichtsschreiber Gysel.

X.________ (Ehemann),
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dominik Infanger,

gegen

Y.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Schreiber,
Kantonsgericht von Graubünden (Zivilkammer), Poststrasse 14, 7002 Chur.

Art. 9 und 29 Abs. 2 BV (Ehescheidung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von
Graubünden (Zivilkammer) vom 4. April 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (Ehemann) (geboren 1952) und Y.________ (Ehefrau) (geboren 1961)
heirateten am 4. September 1981. Sie haben zwei inzwischen erwachsene Kinder.
Seit Mai 2000 leben sie getrennt.

Auf Klage von Y.________ hin wurde die Ehe durch das Bezirksgericht
A.________ am 23. September 2005 geschieden. Das Gericht genehmigte die von
den Ehegatten geschlossene Vereinbarung zur güterrechtlichen
Auseinandersetzung und verpflichtete X.________ unter anderem, an den
Unterhalt der geschiedenen Ehefrau bis zum Zeitpunkt seines ordentlichen
Pensionierungsalters Beiträge von monatlich Fr. 900.-- und alsdann bis zum
Zeitpunkt des ordentlichen Pensionsierungsalters der geschiedenen Ehefrau
solche von monatlich Fr. 450.-- zu zahlen.

Die von X._________ gegen dieses Urteil erhobene kantonale Berufung wies das
Kantonsgericht von Graubünden (Zivilkammer) am 4. April 2006 ab.

B.
X.________ hat sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische
Berufung erhoben. Mit der staatsrechtlichen Beschwerde verlangt er, das
Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die
kantonale Instanz zurückzuweisen.

Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Ist ein kantonales Urteil zugleich mit staatsrechtlicher Beschwerde und mit
Berufung angefochten, wird in der Regel der Entscheid über letztere
ausgesetzt bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 57
Abs. 5 OG). Von diesem Grundsatz abzuweichen, besteht hier kein Anlass.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Kantonsgericht zunächst eine Verletzung
seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) vor mit der
Begründung, es habe die von ihm im zweitinstanzlichen Verfahren vorgebrachten
Argumente, weshalb der Beschwerdegegnerin als gelernter Arztgehilfin ein
hypothetisches Einkommen von monatlich Fr. 3'700.-- anzurechnen sei,
überhaupt nicht gewürdigt; namentlich habe es zu der von ihm eingereichten
Lohnerhebung des Bundesamtes für Statistik für die Ostschweiz und zu dem von
ihm dazu Ausgeführten gar nicht Stellung genommen, sondern sich damit
begnügt, auf die Erwägungen der ersten Instanz zu verweisen.

2.2 Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs als persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid
in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, sorgfältig und
ernsthaft prüft und bei der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus ergibt
sich die grundsätzliche Pflicht, den Entscheid zu begründen (BGE 129 I 232
E. 3.2 S. 236).

In Anbetracht der Ausführungen im angefochtenen Urteil stösst die Rüge der
Gehörsverletzung ins Leere: Das Kantonsgericht hat die Vorbringen des
Beschwerdeführers zum hypothetischen Einkommen der Beschwerdegegnerin,
insbesondere auch seine Ausführungen zur Lohnstrukturerhebung 2004 des
Bundesamtes für Statistik, keineswegs übergangen. Es hat sich damit sehr wohl
befasst und auch eingehend begründet, weshalb der Argumentation des
Beschwerdeführers nicht zu folgen sei. Namentlich hat die kantonale
Berufungsinstanz darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegegnerin nur während
vier Jahren auf dem erlernten Beruf als medizinische Praxisassistentin tätig
gewesen sei und sich nach der Heirat während 17 Jahren ausschliesslich der
Familie gewidmet habe. Sie hat dafür gehalten, dass der Berufsunterbruch zu
lang gewesen sei, so dass angesichts der bedeutenden Entwicklung auf dem
betreffenden Tätigkeitsgebiet und der dementsprechend fehlenden Kenntnisse
der Beschwerdegegnerin nicht zu erwarten sei, diese könnte eine Stelle als
Arztgehilfin finden (Urteil S. 16).

2.3 Was der Beschwerdeführer gegen die Annahme vorbringt, es sei nicht zu
erwarten, dass die Beschwerdegegnerin eine Stelle als medizinische
Praxisassistentin finden werde, vermag die Einschätzung des Kantonsgerichts
nicht als willkürlich, d.h. als offensichtlich unhaltbar, der tatsächlichen
Situation klar widersprechend erscheinen zu lassen (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17
mit Hinweisen). Damit stösst aber der Hinweis des Beschwerdeführers auf die
nach den angerufenen Lohnstrukturerhebungen für eine Arztgehilfin bestehenden
Verdienstmöglichkeiten ins Leere. Von einer Gehörsverweigerung kann unter den
dargelegten Umständen nicht gesprochen werden.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer beanstandet das vom Kantonsgericht unter Berufung auf
den erstinstanzlichen Entscheid auf monatlich Fr. 2'800.-- festgesetzte
hypothetische Einkommen der Beschwerdegegnerin auch deshalb, weil die
Annahme, ein solcher Betrag entspreche dem, was diese in der Trennungszeit
(Mai 2000 bis September 2005) durchschnittlich verdient habe, in den Akten
keine Stütze finde und somit auf einer willkürlichen Feststellung der
Tatsachen beruhe: Die Arbeitsverträge und Lohnausweise lägen nur lückenhaft
bei den Akten und es fehlten teilweise Angaben über das jeweilige
Arbeitspensum.

3.2 Dass die Unterlagen zum Einkommen der Beschwerdegegnerin unvollständig
seien, hatte der Beschwerdeführer weder im erst- noch im zweitinstanzlichen
Verfahren geltend gemacht. Dem von der ersten Instanz festgestellten
Einkommen hatte er vor Kantonsgericht einzig den Antrag entgegengehalten, es
sei eine Expertise zum Arbeitsmarkt für medizinische Praxisassistentinnen in
Graubünden in den Jahren 2000 bis heute und für die Zukunft anzuordnen
(Berufungserklärung vom 12. Dezember 2005, S. 3). Der Verzicht des
Kantonsgerichts auf das Einholen einer solchen Expertise wird in der
vorliegenden Beschwerde nicht beanstandet. Die Vorbringen des
Beschwerdeführers zur Lückenhaftigkeit der Akten erscheinen nach dem Gesagten
als neu und deshalb unzulässig, zumal keine Gründe dargetan sind, sie
ausnahmsweise zuzulassen (dazu BGE 128 I 354 E. 6c S. 357 mit Hinweisen). In
diesem Punkt ist auf die Beschwerde demnach nicht einzutreten.

4.
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine willkürliche Rechtsanwendung, da
das Kantonsgericht die Praxis des Bundesgerichts missachtet und ihn über
seine Pensionierung hinaus zur Leistung eines Unterhaltsbeitrags an die
Beschwerdegegnerin verpflichtet habe. Auch auf diese Rüge ist nicht
einzutreten: Sie kann im vorliegenden Fall einzig mit Berufung vorgetragen
werden, zumal der für diese erforderliche Streitwert von 8'000 Franken
(Art. 46 OG) bei weitem erreicht ist (vgl. Art. 84 Abs. 2 OG).

5.
Soweit auf die Beschwerde einzutreten ist, ist sie nach dem Gesagten
abzuweisen. Die Gerichtsgebühr ist bei diesem Ausgang dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassungen eingeholt worden
sind und der Beschwerdegegnerin somit keine Kosten erwachsen sind, entfällt
die Zusprechung einer Parteientschädigung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden
(Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Dezember 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: