Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.380/2006
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{T 0/2}
5P.380/2006 /blb

Urteil vom 17. November 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Lisa Zaugg,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Guido Fischer,

A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Luc Humbel,
Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, Obere Vorstadt 38,
5000 Aarau.

Kindesrückführung,

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 28. August
2006.

Sachverhalt:

A.
A.a Der französische Staatsangehörige Y.________ (Kläger) und die Schweizerin
X.________ (Beklagte) sind die unverheirateten Eltern des in Frankreich
geborenen Kindes A.________ (November 2004). Der Kläger anerkannte das Kind
in Frankreich, wo es in der Folge zusammen mit seinen Eltern lebte.

A.b Am 3. Juni 2005 reiste die Beklagte ohne Einverständnis des Klägers
zusammen mit dem Kind in die Schweiz und bezog hier eine Wohnung. Der Kläger
besuchte die Beklagte und das Kind während des Sommers 2005 in der Schweiz;
nicht erstellt ist, ob er auf einer Rückreise des Kindes nach Frankreich
bestand. Ferner überführte er für die Beklagte im Herbst 2005 verschiedene
Gegenstände in die Schweiz.

A.c Anfang Januar 2006 begab sich die Beklagte mit dem Kind nach Frankreich;
am 25./26. Januar 2006 verliessen beide die Wohnung des Klägers und reisten
erneut in die Schweiz, wo sie sich noch heute aufhalten.

B.
B.aAm 8. März 2006 beantragte der Kläger dem Gerichtspräsidium Baden, es sei
festzustellen, dass die Beklagte das Kind widerrechtlich in der Schweiz
zurückbehalte; die Beklagte sei zu verpflichten, es unverzüglich nach
Frankreich zurückzubringen, unter Androhung des polizeilichen Vollzuges im
Unterlassungsfall; im Fall der Nichtbefolgung der Anweisung sei der Beklagten
ausdrücklich die Bestrafung wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen
anzudrohen; sodann sei das kantonale Pass- und Patentamt anzuweisen, den
anbegehrten Reisepass für das Kind nicht herauszugeben. Letzterem Begehren
wurde vorsorglich mit Verfügung vom 13. März 2006 entsprochen. Mit Urteil vom
16. Juni 2006 wurde die Klage abgewiesen und das Pass- und Patentamt in
Abänderung der Verfügung vom 13. März 2006 angewiesen, den Reisepass für das
Kind an die Beklagte herauszugeben.

B.b Mit Beschwerde vom 10. Juli 2006 beantragte der Kläger, die Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils und die Gutheissung der Klage unter Ansetzung einer
angemessenen Frist für die Rückführung des Kindes nach Frankreich. Mit Urteil
vom 28. August 2006 hiess das Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht,
5. Kammer, Beschwerde und Klage gut und verpflichtete die Beklagte unter
Androhung des polizeilichen Vollzugs und der Ungehorsamstrafe nach Art. 292
StGB, das Kind in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Justiz innert zehn
Tagen seit Zustellung des Urteils nach Frankreich zurückzuführen
(Dispositiv-Ziff. 1.1). Ferner wurde das Pass- und Patentamt angewiesen, den
Reisepass für das Kind nicht an die Beklagte oder an Dritte herauszugeben
(Dispositiv-Ziff. 1.2).

C.
Mit Eingaben vom 13. September und 6. Oktober 2006 führt die Beklagte
staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Aargau vom 28. August 2006 aufzuheben, der Beklagten die
unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren zu
bewilligen und der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Der Kläger beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden könne. Überdies ersucht er um unentgeltliche
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren sowie darum, das Gesuch um
aufschiebende Wirkung abzuweisen.
Das Obergericht und der Rechtsbeistand des Kindes haben auf jegliche
Vernehmlassung verzichtet.

D.
Mit Verfügung vom 26. September 2006 hat der Präsident der II. Zivilabteilung
des Bundesgerichts der staatsrechtlichen Beschwerde aufschiebende Wirkung mit
Bezug auf Dispositiv-Ziff. 1.1 des angefochtenen Urteils zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Auseinandersetzung über die Rückführung eines Kindes nach dem Haager
Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte
internationaler Kindesentführung (HEntfÜ; SR 0.211.230.02) stellt keine
Zivilrechtsstreitigkeit dar. Es geht in diesem Verfahren vielmehr um eine Art
administrative Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten. Damit steht gegen
Entscheide über Rückführungsgesuche die Berufung nicht offen, so dass sich
die staatsrechtliche Beschwerde im Sinne von Art. 84 Abs. 1 lit. c OG als
zulässig erweist (BGE 123 II 419 E. 1a S. 421; 120 II 222 E. 2b S. 224).

1.2 Bei der Staatsvertragsbeschwerde überprüft das Bundesgericht
Konventionsverletzungen frei (BGE 130 III 489 E. 1.4 S. 492; 126 III 438 E. 3
S. 439). Hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellungen beschränkt sich die
Prüfung dagegen auf Willkür, jedenfalls wenn sich die Beschwerde - wie hier -
gegen den Entscheid einer gerichtlichen Instanz richtet (BGE 129 I 110 E. 1.3
S. 111 f.).
1.3 Nova sind in einer Staatsvertragsbeschwerde unzulässig (BGE 128 I 357
E. 6c, d). Soweit sich die Parteien in ihren Eingaben nicht an den vom
Obergericht festgestellten Sachverhalt halten, ohne die entsprechenden
Feststellungen als willkürlich zu beanstanden, ist darauf nicht einzutreten.
Nicht unter dieses Novenverbot fallen indes Zugeständnisse an die Gegenpartei
in den Eingaben an das Bundesgericht; auf die entsprechenden Zugeständnisse
kann somit im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ohne weiteres
abgestellt werden.

2.
Das HEntfÜ zielt auf sofortige Rückgabe widerrechtlich in einen Vertragsstaat
verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder (Art. 1 lit. a HEntfÜ). Als
widerrechtlich gilt das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes, wenn
dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person allein oder gemeinsam
nach den Regeln des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem
Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 3
Abs. 1 lit. a HEnftÜ).
Im vorliegenden Fall ist vor Bundesgericht nicht mehr strittig, dass das Kind
am 3. Juni 2005, als die Beschwerdeführerin mit ihm aus Frankreich in die
Schweiz reiste, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hatte und das
Sorgerecht über das Kind nach dem anwendbaren französischen Recht beiden
Eltern gemeinsam zustand. Fest steht schliesslich, dass die
Beschwerdeführerin das Kind ohne Einverständnis des Beschwerdegegners in die
Schweiz überführt und damit das dem Beschwerdegegner ebenfalls zustehende
Sorgerecht im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a HEntfÜ verletzt hat. Die
Überführung des Kindes in die Schweiz gilt damit als widerrechtlich im Sinne
von Art. 3 Abs. 1 lit. a HEntfÜ.

3.
3.1 Art. 13 Abs. 1 lit. a HEntfÜ ermöglicht es, die Rückführung abzulehnen,
wenn die Person, welche sich der Rückgabe des Kindes widersetzt, nachweist,
dass der Gesuchsteller dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt oder
dieses nachträglich genehmigt hat.

3.2 Gemäss der nicht veröffentlichten Praxis des Bundesgerichts (Urteil 5P.
367/2005 vom 15. November 2005, E. 7.1) hat der beweislastpflichtige
entführende Elternteil die Verweigerungsgründe anhand substantiiert
vorgetragener Anhaltspunkte objektiv glaubhaft zu machen und muss die
Zustimmung bzw. Genehmigung (ausdrücklich oder konkludent) klar zum Ausdruck
gelangen. Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung im ebenfalls nicht
veröffentlichten Urteil 5P.199/2006 vom 13. Juli 2006, E. 4 präzisiert, da
sie nicht mit der nötigen Klarheit zwischen tatsächlichen Feststellungen
einerseits und der Frage anderseits unterscheidet, ob die festgestellten
Tatsachen (Tatfrage) den Schluss erlauben, dass der Gesuchsteller den
Verweigerungsgründen - hier dem Verbringen oder Zurückhalten - zugestimmt
oder dieses Verhalten nachträglich genehmigt hat (Rechtsfrage).

3.3 Nach dem zitierten präzisierenden Urteil interessiert mit Bezug auf die
Tatfrage, welchem Beweismass die Tatsachenfeststellungen im Zusammenhang mit
dem HEntfÜ zu genügen haben. Soweit das HEntfÜ keine verfahrensrechtlichen
Bestimmungen enthält, kommt in der Schweiz - in Ermangelung einer
eidgenössischen Einführungsgesetzgebung - zwangsläufig kantonales Recht zur
Anwendung (BGE 130 III 530 E. 1 S. 532 f.). Gemäss dem angefochtenen Urteil
beurteilen sich Gesuche um Rückführung von Kindern aufgrund des
Übereinkommens im Summarverfahren (E. 1 des angefochtenen Urteils). Das
typische oder eigentliche Summarverfahren ist u.a. durch Beschränkung der
Beweismittel, aber auch der Beweisstrenge charakterisiert (Vogel/Spühler,
Grundriss des Zivilprozessrechts, 8. Aufl. 2006, 12. Kap., N. 150 ff.;
betreffend Kanton AG: Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur aargauischen
Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, N. 4 Vorbemerkungen zu §§ 289-316):
Gefordert wird Glaubhaftmachung. Auch in der (schweizerischen) Literatur wird
hinsichtlich der Beweisstrenge bei den Verweigerungsgründen nach Art. 13
HEntfÜ postuliert, es seien diese "anhand substantiiert vorgetragener
Anhaltspunkte objektiv glaubhaft" zu machen "und zwar ohne langwierige
Ermittlungsverfahren" (Hauser/Urwiler, Kindesentführungen, in: Rechtshilfe
und Vollstreckung, hrsg. von Leuenberger/Guy, Bern 2004, S. 72). Glaubhaft zu
machen sind so genannte Tatsachen. Ob eine Tatsache glaubhaft gemacht ist,
überprüft das Bundesgericht als Tatfrage unter dem Gesichtswinkel der
Willkür, jedenfalls wenn sich die Beschwerde - wie hier - gegen den Entscheid
einer gerichtlichen Instanz richtet (E. 1.2 hiervor; BGE 129 I 110 E. 1.3
S. 111 f.).
3.4 Was den umstrittenen Verweigerungsgrund der Zustimmung bzw.
nachträglichen Genehmigung (Rechtsfrage) anbelangt, fordert die Lehre, soweit
sie sich zum Problem überhaupt äussert, dass daran hohe Anforderungen zu
stellen sind (statt vieler: Staudinger/Pirrung, Kommentar zum BGB, 13. Aufl.
1994, Vorbemerkungen zu Art. 19 EGBGB, Rz. 682; Carla Schmid, Neuere
Entwicklungen im Bereich der internationalen Kindesentführungen, AJP 2002
S. 1332; Bucher, L'enfant en droit international privé, 2003, S. 165
Rz. 465). Dass an die Zustimmung bzw. nachträgliche Genehmigung strenge
Anforderungen zu stellen sind, liegt in der Natur der Sache, darf man sich
doch bei rechtsgestaltenden Erklärungen nicht mit Zweideutigkeiten zufrieden
geben. Deshalb muss die Zustimmung bzw. nachträgliche Genehmigung klar sein.
Das Erfordernis der Klarheit der Zustimmung bzw. der Genehmigung ergibt sich
aus den materiellen Bestimmungen des HEntfÜ. Ob die glaubhaft gemachten
Tatsachen auch den Schluss auf eine klare ausdrückliche bzw. konkludente
Zustimmung bzw. Genehmigung des Verbringens oder Zurückhaltens in der Schweiz
zulassen oder nicht, ist Rechtsfrage, die das Bundesgericht im Rahmen der
Staatsvertragsbeschwerde frei prüft, sofern - wie hier - eine den
Begründungsanforderungen genügende Rüge vorliegt (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG;
BGE 129 I 110 E. 2.1 S. 112).

4.
Nachdem die Beschwerdeführerin das Kind nach den verbindlichen Feststellungen
am 3. Juni 2005 ohne Einverständnis des Beschwerdegegners in die Schweiz
überführt hat (E. 2 hiervor), stellt sich die Frage, ob der Beschwerdegegner
das Verbringen bzw. Zurückbehalten nachträglich genehmigt hat (Art. 13 Abs. 1
lit. a in fine; vgl. E. 3.1 hiervor).

4.1 Das Obergericht hält dafür, entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführerin vermöge sie mit ihren Vorbringen eine ausdrückliche oder
konkludente Zustimmung des Beschwerdegegners zum dauernden Verbringen des
Kindes in die Schweiz weder glaubhaft zu machen noch zu beweisen.
Unbehelflich sei der Einwand, sie habe ihren Wohnsitz in der Schweiz nie
aufgegeben, sei in Frankreich nie angemeldet gewesen und habe dort auch nie
Steuern bezahlt. Hieraus lasse sich kein Einverständnis des Beschwerdegegners
zum Verbleib des Kindes in der Schweiz ableiten.
Ebenso wenig könne der Besuch des Beschwerdegegners vom 6. bis 15. Juli 2005
in der Schweiz als derartiges Einverständnis angesehen werden. Die
Beschwerdeführerin habe in Bezug auf diesen Besuch vor erster Instanz zu
Protokoll gegeben, der Beschwerdegegner habe seinen Sohn sehen wollen und sie
deswegen besucht. Daraus könne lediglich geschlossen werden, dass dem
Beschwerdegegner etwas an seinem Sohn liege und er den Kontakt zu ihm
aufrecht erhalten wollte.
Soweit die Parteien offenbar über einen Wohnsitzwechsel in die Schweiz
diskutiert hätten, seien die diesbezüglichen Aussagen widersprüchlich: Der
Beschwerdegegner habe anlässlich der Verhandlung vom 24. Mai 2006 ausgeführt,
die Parteien seien zwar getrennt gewesen, hätten aber ihre gemeinsame Zukunft
in der Schweiz geplant. Er habe der Beschwerdeführerin vorgeschlagen,
zusammen in die Schweiz zu ziehen. Sie habe aber nicht gewollt, dass sie alle
drei zusammen in der Schweiz lebten. Die Beschwerdeführerin habe demgegenüber
behauptet, die Parteien hätten erwogen, ob nicht auch der Beschwerdegegner in
die französische Schweiz ziehen und sich dort eine Stelle suchen solle, damit
er näher bei ihr und dem Kind wäre. So oder anders könne auch daraus nicht
auf ein Einverständnis des Beschwerdegegners geschlossen werden, er wäre mit
dem Verbringen des Kindes in die Schweiz bzw. dessen Verbleib in der Schweiz
einverstanden gewesen. Nach glaubhafter Darstellung des Beschwerdegegners sei
er bei diesen Überlegungen jeweils von der Hoffnung ausgegangen, dass er
weiterhin mit der Beschwerdeführerin und dem Kind zusammenleben werde. Dass
der Beschwerdegegner eine derartige Hoffnung hegte, schliesse selbst die
Beschwerdeführerin nicht aus.
Soweit die Beschwerdeführerin darlege, der Beschwerdegegner habe sie nach
einem Besuch in Frankreich zurückgefahren und mit einem Kleintransporter
persönliche Sachen in die Schweiz zurückgeführt, seien die Darstellungen der
Parteien ebenfalls widersprüchlich: In der Klageantwort habe die
Beschwerdeführerin noch behauptet, der Beschwerdegegner habe sämtliche Möbel
in die Schweiz überführt. Nach dem Beschwerdegegner sei die Miete des
Kleintransporters einzig zum Transport der Nähmaschine und von Sachen
erfolgt, welche die Beschwerdeführerin herstellte (Colliers, Trag- und
Einkaufstaschen etc.), um sie in der Schweiz zu verkaufen. Anlässlich der
Verhandlung vom 24. Mai 2006 habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, es seien
Kleider und Spielsachen des Kindes dabei gewesen. Sie habe auch noch
persönliche Sachen wie Schmuck, Accessoires und Ausweispapiere und für die
"Märte" bestimmte Taschen mitgenommen. Der Beschwerdegegner wiederum habe
ausgesagt, sie hätten nur Produkte mitgenommen, welche die Beschwerdeführerin
auf den Märkten in der Schweiz habe verkaufen wollen. Sie habe sicher keine
Möbel, wohl aber einen Koffer mit persönlichen Effekten mitgenommen. Die
Aussagen der Parteien stimmten insofern überein, als dass offenbar für den
Verkauf in der Schweiz bestimmte Gegenstände transportiert wurden. In Bezug
auf weitere persönliche Gegenstände der Beschwerdeführerin und des Kindes
seien die Aussagen widersprüchlich. Immerhin sei nicht anzunehmen, dass
Möbelstücke dabei waren, ansonsten dies von der Beschwerdeführerin anlässlich
der vorinstanzlichen Verhandlung nicht explizit verneint worden wäre. Damit
sei auch nicht erstellt, der Beschwerdegegner habe der Beschwerdeführerin
beim "Zügeln" eines ganzen Haushalts geholfen und damit sein Einverständnis
zu einem definitiven Wegzug seines Kindes erteilt. Auch die übrigen, von der
Beschwerdeführerin noch vorgebrachten Umstände seien weder für sich allein
noch im Gesamtzusammenhang geeignet, eine ausdrückliche oder zumindest
konkludente Zustimmung des Beschwerdegegners zum Verbringen des Kindes in die
Schweiz zu beweisen. Ein Verweigerungsgrund im Sinne von Art. 13 Abs. 1
lit. a HEntfÜ bestehe daher nicht.

4.2 Die Beschwerdeführerin lässt im Wesentlichen auseinandersetzen, aufgrund
der willkürfrei glaubhaft gemachten Tatsachen dränge sich zwingend der
Schluss auf, dass der Beschwerdegegner zumindest im Nachhinein den Umzug der
Beschwerdeführerin zusammen mit dem Kind in die Schweiz genehmigt habe. Wie
dem Beschwerdegegner bekannt gewesen sei, habe sie in der Schweiz zusammen
mit dem Sohn eine Wohnung bezogen, wo sie beide vom Beschwerdegegner Anfang
Juli 2005 besucht worden seien (staatsrechtliche Beschwerde act. 13 S. 7;
2.1.2; S. 16 lit. b). Im Weiteren hätten die Parteien gemeinsam eine grössere
Wohnung in S.________ besichtigt, womit sie der Beschwerdegegner in ihren
Bemühungen unterstützt habe, in der Schweiz definitiv Fuss zu fassen (act. 13
S. 8 f. 2.1.3.; S. 16 lit. c). Sodann sei bereits im kantonalen Verfahren
darauf hingewiesen worden, dass der Beschwerdegegner ab Dezember 2005 in
Frankreich keine Kinderzulagen mehr bezogen habe, was vom Beschwerdegegner
denn auch nicht bestritten worden sei (act. 13 S. 14 2.1.7. und S. 16
lit. g). Weiter habe der Beschwerdegegner selbst beabsichtigt, in die Schweiz
zu ziehen, und sei davon ausgegangen, dass die Zukunft der Familie in der
Schweiz stattfinde (act. 13 S. 12 f. 2.1.6. und S. 16 lit. f). Schliesslich
habe der Beschwerdegegner ihren Hausrat in die Schweiz transportiert (act. 13
S. 10 2.1.5. S. 16 lit. e). Die vom Obergericht gezogene Schlussfolgerung
trage diesen Umständen nicht bzw. zu wenig Rechnung und verletze damit
Art. 13 Abs. 1 lit. a HEntfÜ.

4.3 Der Beschwerdegegner schliesst sich im Wesentlichen den Ausführungen des
angefochtenen Urteils an und betont insbesondere, bei der von der
Beschwerdeführerin mit dem Sohn bezogenen Wohnung handle es sich um das
Gästezimmer der Liegenschaft der Eltern der Beschwerdeführerin. Der
Mietvertrag vom 1. Juli 2005 sei mit einer Vermieterin abgeschlossen worden,
in deren Verwaltungsrat die Mutter der Beschwerdeführerin Einsitz genommen
habe (Vernehmlassung act. 16 S. 6 zu 2.1.2.). Dass die Parteien gemeinsam
eine Wohnung in S.________ besichtigt hätten, treffe zwar zu; doch sei es
immer darum gegangen, dass die dreiköpfige Familie ihre Zukunft gemeinsam in
der Schweiz verbringe. Getragen von dieser Absicht habe er 2005 auf die in
Frankreich zu beziehende Kinderzulage verzichtet (Vernehmlassung S. 8 f. zu
2.1.7.). Schliesslich habe er weder Mobiliar noch persönliche Effekten der
Beschwerdeführerin bzw. des Kindes, sondern einzig für den Verkauf an
Schweizer Märkten bestimmte Gegenstände in die Schweiz transportiert (act. 16
S. 7 f. zu 2.1.5.).
4.4 Das Obergericht zieht in rechtlicher Hinsicht den Schluss, die
ausdrücklich im Urteil aufgeführten, aber auch die übrigen, nicht
ausdrücklich angeführten tatsächlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin
seien weder für sich allein noch im Gesamtzusammenhang geeignet, eine
ausdrückliche oder zumindest konkludente Zustimmung des Beschwerdegegners zum
Verbringen des Kindes in die Schweiz zu beweisen. Diese Ausführungen sind
insofern unpräzis, als es vorliegend nicht mehr um die Zustimmung zum
Verbringen in die Schweiz geht, sondern vielmehr darum, ob aufgrund glaubhaft
gemachter tatsächlicher Gegebenheiten auf eine ausdrückliche oder konkludente
nachträgliche Genehmigung des Verbleibs (Zurückhaltens) des Kindes
geschlossen werden kann.

4.5 Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin in der Schweiz eine Wohnung
bezogen hat und dass der Beschwerdegegner darum wusste. Der Beschwerdegegner
hat die Beschwerdeführerin und das Kind gemäss den Feststellungen des
angefochtenen Urteils vom 6. bis 15. Juli 2005 in der Schweiz besucht und ist
danach wieder nach Frankreich zurückgekehrt, wobei den Feststellungen des
angefochtenen Urteils nicht entnommen werden kann, dass er auf einer
Rückreise des Kindes nach Frankreich bestanden hätte. Wie sich vielmehr aus
den nicht bestrittenen Vorbringen der Beschwerdeführerin im kantonalen
Verfahren bzw. aus dem obergerichtlichen Urteil und den Ausführungen des
Beschwerdegegners in der Vernehmlassung ergibt, hatte er die Absicht, sich
zusammen mit der Beschwerdeführerin und dem Kind in der Schweiz
niederzulassen; von dieser Absicht getragen, besichtigte er zusammen mit der
Beschwerdeführerin eine Wohnung in S.________ (Vernehmlassung S. 7) und
verzichtete er auf die in Frankreich bezogenen "Kinderzulagen"
(Vernehmlassung S. 9 oben). Ferner überführte er seinen eigenen Aussagen
zufolge für den Verkauf an den hiesigen Märkten bestimmte Gegenstände der
Beschwerdeführerin von Frankreich in die Schweiz (Vernehmlassung S. 9 unten).

4.6 Aufgrund der vom Obergericht erstellten tatsächlichen Gegebenheiten und
der im vorliegenden Verfahren ausdrücklich eingestandenen Tatsachen drängt
sich entgegen der Auffassung des Obergerichts der Schluss auf, der
Beschwerdegegner habe durch konkludentes Verhalten den Verbleib (das
Zurückhalten) des Kindes in der Schweiz nachträglich klar genehmigt. Für
diese Schlussfolgerung ist nicht von Belang, ob es sich bei der Wohnung um
eine in der elterlichen Liegenschaft gelegenen Wohngelegenheit handelt und
wer die Wohnung vermietet hat. Nicht wesentlich ist zudem, ob die in die
Schweiz verbrachten Gegenstände auch Mobiliar und persönliche Effekten des
Kindes bzw. der Beschwerdeführerin umfassten. Indem der Beschwerdegegner
nämlich, wie er selbst einräumt, für die "Märkte" bestimmte Gegenstände in
die Schweiz führte, hat er eine berufliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin
in der Schweiz als Lebensgrundlage für die Beschwerdeführerin und das
Kleinkind akzeptiert und gefördert. Ebenso wenig kann entscheidend sein, dass
der Wunsch des Beschwerdegegners bezüglich einer gemeinsamen Zukunft mit
seiner "Familie" sich schliesslich nicht verwirklicht hat; dies umso weniger,
als nicht erstellt ist, dass der Beschwerdegegner im Verlaufe des Jahres 2005
auf einer Rückkehr des Kindes nach Frankreich bestanden hat, obwohl die
Beschwerdeführerin - laut Aussagen des Beschwerdegegners (Urteil S. 12 3.3.
letzter Absatz) - ein gemeinsames Zusammenleben nicht begehrte.

5.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene
Urteil aufzuheben. Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Behandlung der
weiteren Rügen (Beschwerde Ziff. 2.1 S. 4-16, Ziff. 3 S. 18-21 und Ziff. 4
S. 21-23). Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdegegner
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG; BGE 131 III 334 E. 7 S. 344). Er hat
grundsätzlich die Beschwerdegegnerin angemessen zu entschädigen (Art. 159
Abs. 2 OG).

6.
6.1 Soweit das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege
nicht gegenstandslos geworden ist, wird es gutgeheissen, da sich die
Beschwerdeführerin als bedürftig und die Angelegenheit sich nicht als von
vornherein aussichtslos erwiesen hat (Art. 152 Abs. 1 OG). Rechtsanwältin
Lisa Zaugg wird zum amtlichen Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin ernannt;
ihr ist eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten, zumal
sich die Parteientschädigung unter den gegebenen Umständen als offensichtlich
uneinbringlich erweist (Art. 152 Abs. 2 OG; vgl. E. 6.2).
6.2 Gutzuheissen ist ferner das Gesuch des Beschwerdegegners um
unentgeltliche Rechtspflege. Auch er gilt als bedürftig. Zudem kann auch sein
Standpunkt im Verfahren nicht als von vornherein aussichtslos bezeichnet
werden. Diesen Ausführungen entsprechend wird die Gerichtsgebühr einstweilen
auf die Bundesgerichtskasse genommen. Fürsprecher Guido Fischer wird zum
amtlichen Rechtsbeistand des Beschwerdegegners bestellt und aus der
Bundesgerichtskasse entschädigt (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des
Obergerichts, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 28. August 2006 wird aufgehoben.

2.
2.1 Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird
gutgeheissen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist. Der
Beschwerdeführerin wird Rechtsanwältin Lisa Zaugg, ..., als unentgeltlicher
Rechtsbeistand beigegeben.

2.2 Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird
gutgeheissen. Dem Beschwerdegegner wird Fürsprecher Dr. Guido Fischer, ...,
als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt,
einstweilen aber auf die Bundesgerichtskasse genommen.

4.
Rechtsanwältin Lisa Zaugg und Fürsprecher Dr. Guido Fischer wird je ein
reduziertes Honorar von Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse entrichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 5. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. November 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: