Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.294/2006
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{T 0/2}
5P.294/2006 /bnm

Urteil vom 14. August 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Schett.

X. ________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Rieder,

gegen

Kantonsgericht Wallis, Präsident des Kassationshofs in Zivilsachen,
Justizgebäude, 1950 Sitten.

Art. 9 BV (Obhutsentzug),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis,
Präsident des Kassationshofs in Zivilsachen, vom 31. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ und Y.________ sind die unverheirateten Eltern der Tochter
Z.________, geboren am 15. Mai 2001. Im August 2002 trennten sie sich und
lösten ihren gemeinsamen Haushalt auf. In der Folge kam es zu einer Reihe von
Verfahren vor dem Vormundschaftsamt der Gemeinde A.________ und vor dem
Bezirksgericht Goms betreffend die elterliche Sorge und die Obhut über
Z.________ sowie das Besuchsrecht gegenüber dem Kind.

B.
Am 5. April 2004 entzog die Präsidentin des Vormundschaftsamtes der Gemeinde
A.________ X.________ mit sofortiger Wirkung die Obhut über ihre Tochter
Z.________ und übertrug diese an Y.________. Das Vormundschaftsamt bestätigte
am 5. Mai 2004 diese Präsidialverfügung. X.________ gelangte daraufhin an das
Bezirksgericht Goms, welches ihre Berufung mit Entscheid vom 3. April 2006
abwies.

C.
X.________ focht den bezirksgerichtlichen Entscheid am 29. Mai 2006 sowohl
mit Nichtigkeitsklage beim Kantonsgericht Wallis als auch mit eidgenössischer
Berufung beim Bundesgericht an. Mit Entscheid vom 31. Mai 2006 trat der
Präsident des Kassationshofs in Zivilsachen des Kantonsgerichts Wallis auf
die Nichtigkeitsklage von X.________ nicht ein.

D.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 3. Juli 2006 beantragt X.________ dem
Bundesgericht, den Entscheid des Kantonsgerichts Wallis aufzuheben. Sie
stellt das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Es sind keine
Vernehmlassungen eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde richtet sich gegen einen
letztinstanzlichen kantonalen Nichteintretensentscheid. Unter diesem
Gesichtspunkt ist die staatsrechtliche Beschwerde gegeben.

1.2 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin sind nur zu prüfen, soweit sie den
Begründungsanforderungen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügen. Demnach ist
klar darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern diese durch
den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Im Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht nur klar und einlässlich
erhobene Rügen. Auf bloss appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid
tritt es nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3). Ebenso wenig setzt sich das
Bundesgericht mit Sachverhaltsvorbringen auseinander, die nicht an eine
konkrete Willkürrüge geknüpft sind. Es nimmt auch keine Befragung der
Parteien vor.

2.
Das Kantonsgericht ist auf die Nichtigkeitsklage nicht eingetreten, da der
Entscheid des Vormundschaftsamtes betreffend Kindesschutzmassnahmen beim
Bezirksgericht mit Berufung angefochten werden könne, welches als letzte
kantonale Instanz entscheide (Art. 118 Abs. 1 EGZGB). In der Sache könne der
bezirksrichterliche Entscheid mit Berufung an das Bundesgericht angefochten
werden (Art. 44 lit. d. OG). Ein Rechtsmittel an das Kantonsgericht sei nicht
gegeben.

3.
Die Beschwerdeführerin wirft dem Kantonsgericht die willkürliche Anwendung
der Walliser Zivilprozessordnung vor. Sei gegen einen Entscheid kein
ordentliches kantonales Rechtsmittel gegeben, so dürfe nicht leichthin
angenommen werden, dies treffe auch für ein ausserordentliches Rechtsmittel
zu. Es gebe im kantonalen Recht keine Bestimmung, die für den vorliegenden
Fall die Nichtigkeitsklage ausschliesse. Zudem sehe der für die
Nichtigkeitsklage geltende Art. 228 Abs. 1 ZPO/VS vor, dass der
Kassationsbehörde volle Kognition zustehe, wenn die Verletzung eines
verfahrensrechtlichen Grundsatzes gerügt werde und die Berufung an das
Bundesgericht zulässig sei. Letzteres sei aufgrund von Art. 44 lit. d. OG der
Fall. Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, mit dem Nichteintreten auf
die Nichtigkeitsklage nehme das Kantonsgericht ihr die Möglichkeit,
Verfahrensfehler mit voller Kognition überprüfen zu lassen.

4.
Soweit die Beschwerdeführerin mit diesen (teilweise allgemein gehaltenen)
Vorbringen dem Kantonsgericht vorwirft, auf ihre Nichtigkeitsklage nicht
eingetreten zu sein, genügt sie den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs.
1 lit. b OG offensichtlich nicht. Im angefochtenen Entscheid wird nämlich
angeführt, weshalb die Urteile des Bezirksgerichts als Berufungsinstanz im
Bereich des Kindesschutzes kantonal letztinstanzlich und direkt beim
Bundesgericht mit Berufung anzufechten seien (Art. 118 Abs. 1 EGZGB), womit
kein Rechtsmittel an das Kantonsgericht gegeben sei. Mit dieser Begründung
setzt sich die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich auseinander, womit
auf die Willkürrüge nicht einzutreten ist.

5.
Nach dem Gesagten ist der staatsrechtlichen Beschwerde kein Erfolg
beschieden. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge
Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 152 Abs. 1 OG). Ausgangsgemäss trägt die
Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten (Art. 156 Abs.1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Kantonsgericht Wallis,
Präsident des Kassationshofs in Zivilsachen, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: