Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.232/2006
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2006
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2006


5P.232/2006

Urteil vom 18. Dezember 2007
II. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Rapp.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Ettler,

gegen

Flughafen Zürich AG, Postfach, 8058 Zürich,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Gfeller,
Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.

Art. 26 BV (Eigentumsfreiheitsklage, Zuständigkeit des Zivilrichters),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss
des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 25. April 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (nachfolgend: Beschwerdeführer) ist Miteigentümer eines
Einfamilienhauses in S.________.
Die Flughafen Zürich AG (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) ist seit 1. Juni
2001 Betreiberin des Flughafens Zürich und Inhaberin der Betriebskonzession
des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation (UVEK).

B.
Am 4. April 2003 wurden seitens der deutschen Behörden die Einschränkungen
für die An- und Abflüge zum und vom Flughafen Zürich durch Änderung der 213.
Durchführungsverordnung verschärft, indem ab 17. April 2003 die
Nachtflugsperre um je eine Stunde am Morgen (6 bis 7 Uhr) und am Abend (21
bis 22 Uhr) verlängert und die minimale Überflughöhe angehoben wurde;
vorgesehen war ausserdem, die Ausnahmegründe für einen Anflug von Norden her
zu den Sperrzeiten auf den 10. Juli 2003 erheblich einzuschränken.
Infolge dieser Einschränkungen wurde das Betriebsreglement für den Flughafen
Zürich verschiedentlich provisorisch geändert.
Am 30. Oktober 2003 wurden Südanflüge im sogenannten VOR/DME-Anflugverfahren,
am 30. April 2004 im LOC/DME-Anflugverfahren sowie am 31. Oktober 2004 im
ILS-Anflugverfahren eingeführt.

C.
Die Liegenschaft des Beschwerdeführers liegt in der Südanflugschneise, in
welcher der Flughafen Zürich seit Ende Oktober 2003 zu Randzeiten angeflogen
wird.
Mit Klage vom 29. Oktober 2004 stellte der Beschwerdeführer beim
Bezirksgericht Uster folgende Rechtsbegehren:
Die Beklagte sei unter Androhung von Haft oder Busse gemäss Art. 292 StGB zu
verpflichten, dafür zu sorgen, dass keine Luftfahrzeuge im Anflug auf die
Piste 34 des Flughafens Zürich-Kloten die Parzelle Kataster Nr. xxxx,
Grundbuchblatt yyyy, Plan zzzz in weniger als 500 Meter Höhe oder in einer
eventuell vom Gericht festzulegenden Mindesthöhe überfliegen.

Eventualiter sei vorstehende Verpflichtung mit der Massgabe auszusprechen,
dass sie sechs Monate nach Rechtshängigkeit dieser Klage in Kraft tritt."
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2005 trat das Bezirksgericht auf die Klage
nicht ein, weil es sich als Zivilgericht als sachlich nicht zuständig
erachtete.

D.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 18. Januar 2006 Rekurs an das
Obergericht des Kantons Zürich. Dessen I. Zivilkammer wies den Rekurs mit
Beschluss vom 25. April 2006 ab.

E.
Gegen den obergerichtlichen Beschluss erhob der Beschwerdeführer am 29. Mai
2006 Nichtigkeitsbeschwerde beim Kassationsgericht des Kantons Zürich und
beantragte, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben und das Obergericht sei
anzuweisen, auf die Eigentumsfreiheitsklage einzutreten.
Ebenfalls am 29. Mai 2006 erhob der Beschwerdeführer staatsrechtliche
Beschwerde beim Bundesgericht und verlangte, der Beschluss des Obergerichts
sei aufzuheben und das Obergericht sei anzuweisen, auf die
Eigentumsfreiheitsklage einzutreten.
Das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren wurde mit Verfügung des Präsidenten
der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 1. Juni 2006 bis
zum Entscheid des Kassationsgerichts sistiert.
Es wurde keine Vernehmlassung durchgeführt.

F.
Das Kassationsgericht trat auf die Nichtigkeitsbeschwerde mit
Zirkulationsbeschluss vom 15. Februar 2007 nicht ein.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde ist von Amtes wegen zu
prüfen. Zur Anwendung gelangt gemäss Art. 132 Abs. 1 des Bundesgesetzes über
das Bundesgericht (SR 173.110) übergangsrechtlich das
Bundesrechtspflegegesetz (OG).
Gegen kantonale Entscheide steht die staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger offen (Art. 84 Abs. 1 lit. a
OG). Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Eigentumsgarantie (Art. 26
Abs. 2 BV) bzw. sieht diese dadurch verletzt, dass der Zivilrichter auf seine
Klage nicht eingetreten ist. Der Beschluss des Obergerichts ist ein
letztinstanzlicher Entscheid i.S.v. Art. 86 Abs. 1 OG. Der Beschwerdeführer
ist durch den angefochtenen Beschluss des Obergerichts, mit dem dieses den
Nichteintretensentscheid des Bezirksgerichts geschützt hat, beschwert
(Art. 88 OG). Insoweit steht dem Eintreten auf die Beschwerde nichts
entgegen.
Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste
Darstellung darüber enthalten, welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den
angefochtenen Entscheid verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das
Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene Rügen (BGE 125 I 71
E. 1c S. 76; 129 I 185 E. 1.6 S. 189; 130 I 258 E. 1.3 S. 262).

2.
Das Obergericht erwog, dass Lärmimmissionen und Überflüge durch an- und
abfliegende Flugzeuge mit dem bestimmungsgemässen Betrieb des Flughafens
untrennbar verbunden seien. Sodann hielt das Obergericht fest, die vom
Beschwerdeführer beanstandeten Südanflüge seien unvermeidbar. Es bestünden
keine Alternativen zu den Südanflügen, da die Betriebsaufnahme eines
Landesflughafens morgens spätestens ab 6.00 Uhr gewährleistet sein müsse und
Nordanflüge aufgrund der einseitigen deutschen Massnahmen in den Randstunden
nicht mehr zulässig seien. Daher trete der Anspruch auf eine
Enteignungsentschädigung an die Stelle der zivilrechtlichen Klagen, und es
sei nicht mehr Sache des Zivilrichters, sondern des Enteignungsrichters, über
das Bestehen des Rechts sowie über die Art und den Betrag der Entschädigung
zu befinden. Die zivilrechtlichen Abwehrrechte sowohl gegen den Überflug im
eigentlichen Sinne als auch gegen übermässige Immissionen stünden - in
Übereinstimmung mit BGE 129 II 72 E. 2.4 S. 77 - nicht mehr zur Verfügung.

3.
3.1 Unter Berufung auf die nach seiner Auffassung verletzte Eigentumsgarantie
(Art. 26 Abs. 1 BV) kritisiert der Beschwerdeführer, dass sich der
Zivilrichter für die Beurteilung von Abwehransprüchen gegen direkte
Einwirkungen auf das Grundeigentum durch Überfliegen desselben als
unzuständig erklärt habe. Er beanstandet namentlich, dass die von Überflügen
ausgehenden Einwirkungen nicht im Rahmen eines vorgängigen (kombinierten)
Planauflageverfahrens, sondern - analog den indirekten Einwirkungen
(Immissionen) - in einem "nachlaufenden" Verfahren beurteilt würden. Da die
Enteignungsbefugnis von der Beschwerdegegnerin somit faktisch nicht ausgeübt
werde, könne sich der mit einer Eigentumsfreiheitsklage konfrontierte
Zivilrichter nicht als unzuständig erklären.

3.2 Damit hat es folgende Bewandtnis: Beim Flughafen Zürich handelt es sich
um ein Werk, das dem öffentlichen Verkehr dient und für dessen Betrieb eine
Konzession erforderlich ist (Art. 36a Abs. 1 des Bundesgesetzes über die
Luftfahrt [Luftfahrtgesetz, LFG; SR 748.0]). Dem Konzessionär steht von
Gesetzes wegen das Enteignungsrecht zu (Art. 36a Abs. 4 LFG). Mit Erteilung
der Betriebskonzession und dem damit verbundenen Enteignungsrecht steht nicht
nur fest, dass der Betrieb des Flughafens im vorrangigen öffentlichen
Interesse liegt, sondern auch, dass damit verbundene übermässige Immissionen
grundsätzlich zu dulden sind, wenn sie nicht vermeidbar sind, und vom
Enteignungsrecht erfasst werden. Damit weichen die privatrechtlichen
Abwehransprüche dem vorrangigen Interesse und stehen die nachbarrechtlichen
Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche gemäss Art. 679 ZGB
nicht zur Verfügung (BGE 106 Ib 241 E. 3 S. 244; 116 Ib 249 E. 2a S. 253; 119
Ib 334 E. 3a S. 341). An deren Stelle tritt ein Anspruch auf Entschädigung
für die Enteignung der nachbarrechtlichen Abwehransprüche (Art. 5 Abs. 1
EntG), falls die übermässigen Immissionen im Zeitpunkt des Erwerbs des
Grundstückes unvorhersehbar waren, eine besondere Schwere aufweisen und
erheblichen Schaden verursachen (BGE 123 II 481 E. 7a S. 490 f.; 124 II 543
E. 3a S. 548, E. 5a S. 551; 128 II 231 E. 2.1 S. 233 f.; 129 II 72 E. 2.1
S. 74; vgl. auch BGE 130 II 394 E. 7.1 S. 402). Die von den Einwirkungen
Betroffenen haben die sich aus dem EntG ergebenden Ansprüche im
Enteignungsverfahren wahrzunehmen, in welchem sie namentlich auch geltend
machen können, bestimmte übermässige Einwirkungen könnten vermieden werden
(BGE 130 II 394 E. 6 S. 400 f.; Margrit Schilling, Enteignungsrechtliche
Folgen des zivilen Luftverkehrs, in: ZSR 2006 I, S. 18, mit Hinweisen).

3.3 Mit seiner unter Berufung auf die verfassungsmässige Eigentumsgarantie
geübten Kritik am Zeitpunkt, in welchem sich Betroffene gegen nicht bereits
aus dem Bau des Flughafens, sondern erst aus dessen Betrieb sich ergebende
direkte Einwirkungen wehren können, aber auch mit dem Vorwurf, im
öffentlichrechtlichen Verfahren werde die Bestandesgarantie ungenügend
geprüft, stellt der Beschwerdeführer zwar die Verfassungsmässigkeit des
Enteignungsverfahrens und dessen Handhabung in Frage. Der Entscheid des
Obergerichts betraf aber die Frage der Zuständigkeit des Zivilrichters für
die Beurteilung von Einwirkungen, die (direkt oder indirekt) aus dem Betrieb
eines konzessionierten Flughafens herrühren. Der Beschwerdeführer legt nicht
dar, inwiefern die von ihm angerufene Eigentumsgarantie durch diesen
Entscheid verletzt worden ist (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Seine Kritik
ist somit von vornherein nicht geeignet, die Zuständigkeit des Zivilrichters
zu begründen, weshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.
Ob für die Beurteilung der in Frage stehenden Einwirkungen der
Enteignungsrichter zuständig ist, hängt vielmehr davon ab, ob diese vom
Enteignungsrecht gedeckt sind. Wer schliesslich für die Beurteilung dieser
Frage zuständig ist, ist eine Frage des Bundesrechts - es wird diesbezüglich
auf den Entscheid zur gleichzeitig erhobenen Berufung verwiesen (Urteil
5C.144/2006 vom 18. Dezember 2007) -, weshalb die staatsrechtliche Beschwerde
auch aus diesem Grunde unzulässig ist (Art. 84 Abs. 1 OG).

4.
Zusammenfassend ist auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten.
Zufolge Nichteintretens ist dem Beschwerdeführer eine reduzierte
Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Dezember 2007

Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:   Der Gerichtsschreiber:

Raselli   Rapp