Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.201/2006
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{T 0/2}
5P.201/2006 /bnm

Urteil vom 23. August 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X.________-Group, einfache Gesellschaft,
bestehend aus:
1.Y.________,
2.Z.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Werner Zgraggen,

gegen

Erbengemeinschaft W.________ sel., bestehend aus:
1.R.________,
2.S.________,
3.T.________,
4.U.________,
5.V.________,
Beschwerdegegner,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Hischier,
Obergericht des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung Grosse Kammer, Rathausplatz
1, 6371 Stans.

Art. 9 und 29 BV (Annahme einer Erbschaft, Nichtanmeldung einer Forderung im
öffentlichen Inventar),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Nidwalden, Zivilabteilung Grosse Kammer, vom 19. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
Am 24. April 2001 beschloss die ausserordentliche Generalversammlung der
finanziell angeschlagenen Q.________ AG eine Aktienkapitalerhöhung von
mindestens 1 Mio. Franken. Am 23. Juni 2001 setzte P.________, Treuhänder der
X.________ Group, einfache Gesellschaft, bestehend aus Y.________ und
Z.________, folgendes Schreiben auf:
Ich, W.________, bestätige, dass ich sFr. 1,000,000.00 (eine Million) nom.
Aktien Q.________ AG - welche aus der laufenden Kapitalerhöhung am 26. Juni
2001 gezeichnet werden - bis spätestens am 1. Oktober 2001 gegen Aushändigung
der sFr. 1 Mio. nom. Aktien Q.________ AG zum Preis von sFr. 1,000,00.--
unwiderruflich erwerben werde.
Der Kaufpreis ist gegen Uebergabe der Aktien (oder eines rechtsgültig
unterzeichneten Aktienzertifikates des Q.________) in Form eines Bankchecks
der P.________ Treuhand, (zHd. ...) zu übergeben.
..., den 23. Juni 2001   W.________"
Unter dem Namen W.________ befindet sich eine Unterschrift. Am 26. Juni 2001
erwarben Y.________ und Z.________ 50'000 Inhaberaktien à Fr. 20.-- gegen
Bezahlung von 1 Mio. Franken. Am 2. August 2002 verstarb W.________. Die
Aktien befanden sich zu diesem Zeitpunkt immer noch im Eigentum von
Y.________ und Z.________.

B.
Am 19. Februar 2004 erhoben Y.________ und Z.________ Klage gegen die
Erbengememeinschaft W.________ sel., bestehend aus R.________, S.________,
T.________, U.________ und V.________ im Wesentlichen mit dem Begehren, die
Beklagten seien zu verpflichten, den Klägern 1 Mio. Franken nebst Zins zu
bezahlen Zug um Zug gegen Übergabe von 5 Aktienzertifikaten über je 10'000
Inhaberaktien der Q.________ AG, eventuell sei R.________ zu verpflichten,
den Klägern 1 Mio. Franken nebst Zins zu bezahlen. Die Beklagten beantragten
Abweisung der Klage. Mit Urteil vom 20. April 2005 wies das Kantonsgericht
Nidwalden die Klage ab.

Die am 5. Juli 2005 erklärte Appellation der Gesellschafter der X.________
Group blieb ohne Erfolg. Das Obergericht des Kantons Nidwalden wies die
Appellation am 19. Januar 2006 ab.

C.
Gegen dieses Urteil führen Y.________ und Z.________ mit Eingabe vom 16. Mai
2006 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 und Art. 29 BV
und beantragen dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben.

Auf das Einholen von Vernehmlassungen wurde verzichtet.

D.
In der gleichen Sache gelangen Y.________ und Z.________ auch mit Berufung an
das Bundesgericht (Verfahren 5C.126/2006).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Urteil des Obergerichts ist als letztinstanzlicher kantonaler Entscheid
mit staatsrechtlicher Beschwerde grundsätzlich anfechtbar (Art. 86 Abs. 1
OG). Erhebt eine Partei gleichzeitig staatsrechtliche Beschwerde und
Berufung, so ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu
befinden, und der Entscheid über die Berufung wird ausgesetzt (Art. 57 Abs. 5
OG). Im vorliegenden Fall besteht kein Anlass, anders zu verfahren.

2.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV).

2.1 Das Obergericht führte im angefochtenen Entscheid unter anderem aus, zur
Frage der Anmeldung der klägerischen Forderung im Inventar bzw. zur Frage, ob
die Beschwerdeführer die Anmeldung im Inventar ohne eigene Schuld unterlassen
haben, könne vollumfänglich auf die tatsächlichen und rechtlichen
Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden. Die Beschwerdeführer würden
dazu keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorbringen. Betreffend
Zeugeneinvernahmen habe die Erstinstanz im Wesentlichen ausgeführt, auf deren
Befragung könne verzichtet werden, da nicht anzunehmen sei, dass diese frei
und unbeeinflusst aussagen könnten. Zudem sei nicht anzunehmen, dass die
Zeugen anlässlich einer Zeugenbefragung etwas anderes aussagen würden, als
bereits in den Rechtsschriften festgehalten sei. Der Verzicht der Vorinstanz
auf Anhörung der klägerischerseits offerierten Zeugen sei einerseits aus
Gründen der Glaubwürdigkeit und andererseits im Sinne antizipierter
Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Der Sachverhalt sei hinlänglich
abgeklärt und es sei nicht davon auszugehen, dass die Zeugenaussagen der
Herren E.________, C.________, B.________ und dessen Ehefrau am Ergebnis des
Entscheids etwas ändern könnten.

2.2 Diese antizipierte Beweiswürdigung (vgl. dazu BGE 114 II 289 E. 2a S.
291; 123 III 219 E. 3c S. 223) verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör
nicht und ist nicht willkürlich. Tatsächlich lässt sich mit haltbaren Gründen
ausführen, die genannten Zeugen würden kaum etwas anderes aussagen, als in
den Rechtsschriften der Beschwerdeführer bereits ausgeführt worden sei und es
fehle ihnen - soweit sie noch leben - angesichts ihrer besonderen Nähe zur
konkursiten Q.________ AG die erforderliche Glaubwürdigkeit im vorliegenden
Zusammenhang. Die Beschwerdeführer stossen sich vorab daran, dass wegen des
Verzichts auf die Zeugeneinvernahmen die wesentliche Frage, ob sich die
Beschwerdegegner in die Erbschaft eingemischt haben, indem sie sich
Erbenbescheinigungen ausstellen liessen bzw. sich am 27. September 2002 in
den Verwaltungsrat von zwei Unternehmen des Erblassers haben wählen lassen,
überhaupt nicht abgeklärt worden sei. Dazu ist einerseits zusätzlich
einzuwenden, dass das Ausstellen der Erbenbescheinigung unbestritten ist und
andererseits, dass die Rüge, die Beschwerdegegner hätten sich teilweise in
Verwaltungsräte der Firmen des Erblassers wählen lassen und sich damit in die
Erbschaft eingemischt, vor Obergericht nicht erhoben und daher aus Sicht des
Anspruchs auf rechtliches Gehör auch nicht behandelt werden musste.
Jedenfalls legen die Beschwerdeführer nicht dar, wo sie diese Rüge im
obergerichtlichen Verfahren erhoben haben. Was die vom Obergericht genannten
und von den Beschwerdeführern aufgezählten noch lebenden Zeugen im Umfeld der
Q.________ AG zur Abklärung der Frage beitragen könnten, ob aus den Papieren
des Erblassers eine Geschäftsverbindung zu den Beschwerdeführern ersichtlich
gewesen sei, ist nicht erkennbar, hatten diese Zeugen doch keine Einsicht in
die Papiere des Erblassers. Am Ergebnis, dass der Verzicht auf die
Zeugeneinvernahmen nicht willkürlich ist, vermag auch der Einwand der
Beschwerdeführer nichts zu ändern, dass Streitgegenstand des Prozesses
zwischen den Parteien eine Forderung im Betrag von 1 Mio. Franken sei. Das
Obergericht hat - was von den Beschwerdeführern nicht beanstandet wird - zum
Bestand dieser Forderung nicht abschliessend Stellung genommen, so dass es zu
deren Abklärung auch keine Beweismassnahmen treffen musste. Was den angeblich
angerufenen Zeugen L.________ anbelangt, welcher bestätigen könne, dass die
Witwe des Erblassers von der Forderung der Beschwerdeführer Kenntnis gehabt
habe, zeigen sie nicht auf, wo in ihrer Appellationsbegründung an das
Obergericht sie diesen Zeugen mit dem Zweck angerufen haben, die Kenntnis der
Forderung seitens der Witwe zu beweisen. Bei dieser Sachlage können sie sich
nicht auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör berufen, wenn
das Obergericht dazu nicht Stellung genommen hat.

3.
Die Beschwerdeführer rügen eine willkürliche Beweiswürdigung (vgl. dazu BGE
118 Ia 28 E. 1b S. 30; 128 I E. 2 S. 86). Sie wenden sich insbesondere gegen
die Feststellung des Obergerichts, die Witwe des Erblasser habe
offensichtlich ausschliesslich als Willensvollstreckerin - und nicht als
Erbin - gehandelt. Soweit es sich dabei um eine tatsächliche Feststellung
handelt und die Beschwerdeführer diese Feststellung lediglich mit dem Hinweis
rügen, die Witwe habe sich eine Erbenbescheinigung ausstellen lassen,
vermögen sie gegenüber der differenzierten Begründung des Obergerichts (auf
S. 9 des Urteils) keine Willkür in der Beweiswürdigung nachzuweisen. Dass die
Witwe Willensvollstreckerin des Erblassers ist, wird von den
Beschwerdeführern nicht bestritten, und dass sie in dieser Eigenschaft eine
Erbenbescheinigung verlangen kann, ebenso wenig. Wollten die Beschwerdeführer
bei dieser Sachlage mit Erfolg Willkür in der Beweiswürdigung behaupten,
müssten sie im Einzelnen darlegen, weshalb die Annahme des Obergerichts
willkürlich sei, die Witwe habe ausschliesslich in dieser Eigenschaft - und
nicht als Erbin - die Erbenbescheinigung verlangt. Dies tun sie nicht. Soweit
die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang zudem rügen, das Obergericht habe
den Umstand willkürlich nicht gewürdigt, dass die Witwe Verwaltungsrätin
zweier Firmen des Erblassers sei, legen sie nicht dar, wo in ihrer
Berufungsbegründung an das Obergericht sie diese tatsächliche Behauptung
aufgestellt haben. Bei dieser Sachlage kann dem Obergericht keine Willkür
vorgeworfen werden, wenn es diese Behauptung nicht gewürdigt hat.

4.
Aus diesen Gründen muss die staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen werden,
soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
tragen die Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet, weil keine Vernehmlassung eingeholt
worden ist (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 9'000.-- wird den Beschwerdeführern zu gleichen
Teilen unter Solidarhaft auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden,
Zivilabteilung Grosse Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: