Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.157/2006
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{T 0/2}
5P.157/2006 /bru

Urteil vom 12. Juli 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber von Roten.

B._______,
Gesuchsteller,

gegen

K._______,
Gesuchsgegner,
vertreten durch Advokat Prof. Dr. Pascal Simonius,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom 6. Februar 2006 (5P.161/2005),

Sachverhalt:

A.
Zwischen B._______ (hiernach: Gesuchsteller) und K._______ (im Folgenden:
Gesuchsgegner) war bis am 6. Februar 2006 eine Erbrechtsstreitigkeit um den
Nachlass der am 9. Juli 1995 verstorbenen E._______ (fortan: Erblasserin)
rechtshängig. In letzter kantonaler Instanz stellte das Appellationsgericht
des Kantons Basel-Stadt auf Klage des Gesuchsgegners hin fest, dass der
Gesuchsteller gegenüber der Erblasserin erbunwürdig sowie unfähig sei, das
Amt des Willensvollstreckers auszuüben (Urteil vom 22. Dezember 2004). Der
Gesuchsteller erhob dagegen staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische
Berufung. Die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts wies beide Rechtsmittel
ab, soweit darauf eingetreten werden konnte (Urteile 5P.161/2005 und
5C.121/2005 vom 6. Februar 2006).

B.
Der Gesuchsteller hat gegenüber beiden Bundesgerichtsurteilen die Revision
verlangt. In seinem Gesuch gegen das Beschwerdeurteil beantragt er, das
Urteil aufzuheben und in einer allfälligen neuen Entscheidung das Urteil des
Appellationsgerichts insoweit aufzuheben, als darin seine Erbunwürdigkeit und
Unfähigkeit, das Amt des Willensvollstreckers auszuüben, festgestellt werde.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragt der Gesuchsteller die
aufschiebende Wirkung und die Anweisung an die kantonalen Gerichte, alle im
Zusammenhang mit dem Nachlass der Erblasserin stehenden Verfahren zu
sistieren. Das Appellationsgericht hat auf eine Vernehmlassung zum Gesuch um
aufschiebende Wirkung verzichtet und betreffend Sistierung der kantonalen
Verfahren auf seine eigene Verfügung hingewiesen. Der Gesuchsgegner verlangt,
das Gesuch um aufschiebende Wirkung abzuweisen und auf dasjenige um
Sistierung der kantonalen Verfahren nicht einzutreten, eventuell das Gesuch
ebenfalls abzuweisen. In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt
worden.

C.
Das präsidierende Mitglied der II. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat die
Verfahrensanträge des Gesuchstellers abgewiesen (Verfügung vom 19. Mai 2006).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 144 Abs. 1 OG hebt das Bundesgericht die frühere Entscheidung auf
und entscheidet aufs neue, wenn es findet, dass der Revisionsgrund zutreffe.
Da das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde gemäss Art. 57 Abs. 5 OG
vor der gleichzeitig gegen das nämliche kantonale Urteil eingereichten
Berufung beurteilt hat, ist auch zuerst über die Revision gegen das
Beschwerdeurteil zu entscheiden und bis zu ihrer Erledigung die Revision
gegen das Berufungsurteil im Sinne von Art. 57 Abs. 5 OG auszusetzen.

2.
Der Gesuchsteller beruft sich einzig auf den Revisionsgrund gemäss Art. 136
lit. d OG. Danach ist die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheids
zulässig, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus
Versehen nicht berücksichtigt hat.

Der Revisionsgrund setzt unter anderem ein auf "Tatsachen" bezogenes
"Versehen" voraus. Das Bundesgericht muss eine bestimmte Aktenstelle
übersehen oder unrichtig - nicht in ihrer wahren Gestalt, insbesondere nicht
mit ihrem wirklichen Wortlaut - wahrgenommen haben. Der Begriff entspricht
dem "Versehen", das gemäss Art. 63 Abs. 2 OG im Berufungsverfahren gegenüber
Tatsachenfeststellungen der letzten kantonalen Instanz gerügt werden kann.
Hier wie dort versagt die Versehensrüge, wo gerichtliche Bewertung von
Tatsachen bzw. gerichtliche Beweiswürdigung vorliegt (BGE 96 I 279 E. 3
S. 280; 122 II 17 E. 3 S. 18 f.; vgl. auch BGE 131 I 45 E. 3.6-3.9
S. 49 ff.). Betrifft das gerügte Versehen nur einen Ausschnitt aus der
Beweiswürdigung, beispielsweise ein Indiz aus einer Vielzahl von Indizien
oder eine von mehreren Zeugenaussagen, die die Feststellung der streitigen
Tatsache erlaubt haben, ist eine Berichtigung weder im Berufungsverfahren
nach Art. 63 Abs. 2 OG noch in Gutheissung der Revision gemäss Art. 136
lit. d OG möglich. Die Zulassung der Versehensrüge gegen einzelne Teile oder
Elemente der Beweiswürdigung hätte zur Folge, dass die Beweiswürdigung
gestützt auf die unangefochtenen Teile und Elemente entweder aufrecht
erhalten bleiben könnte oder als nicht mehr vertretbar erschiene, in beiden
Fällen also zwangsläufig überprüft werden müsste, was die Bundesrechtsmittel
der Berufung und der Revision indessen nicht bezwecken, geschweige denn der
Wortlaut der einschlägigen Gesetzesvorschriften gestattet
(vgl. Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen,
Zürich 1992, S. 49 in Anm. 29 und S. 138 bei/in Anm. 8; Poudret/Sandoz-Monod,
Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, II, Bern 1990,
N. 5.4 zu Art. 63, und V, Bern 1992, N. 5 und N. 5.4 zu Art. 136 OG; für die
Berufung: BGE 81 II 86 Nr. 15; für die Revision: Forni, Svista manifesta,
fatti nuovi e prove nuove nella procedura di revisione davanti al Tribunale
federale, FS Guldener, Zürich 1973, S. 83 ff., S. 91 f. mit Hinweisen;
vgl. BGE 98 Ia 568 E. 5b S. 572 f.).

Zu beachten ist ferner, dass im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
nur klar und deutlich erhobene Rügen geprüft werden (BGE 130 I 258 E. 1.3
S. 261 f.) und dass das Vorbringen neuer Tatsachen unzulässig ist, sofern
dazu im kantonalen Verfahren bereits Anlass und Gelegenheit bestanden hat
(BGE 129 I 49 E. 3 S. 57). Wenn solche Tatsachen dem Beschwerdeführer bekannt
waren, von ihm aber nicht in das kantonale Verfahren eingeführt worden sind,
oder wenn sie vom kantonalen Gericht nicht beachtet und vom Beschwerdeführer
im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht als Verletzung
verfassungsmässiger Rechte der Bürger gerügt worden sind, so kann die
Unterlassung nicht über den Weg eines Revisionsgesuchs wettgemacht werden
(vgl. BGE 98 Ia 568 E. 5b S. 572 f.).

3.
In seinem Beschwerdeurteil hat das Bundesgericht auf Willkür hin überprüft,
ob sich die Beurteilung, das Vertrauensverhältnis zwischen der Erblasserin
und dem Gesuchsteller sei als "Abhängigkeitsverhältnis" aufzufassen und der
Gesuchsteller sei eine enge Bezugsperson der Erblasserin gewesen, auf die ihr
zugrunde liegenden Tatsachen zu stützen vermag (E. 4.1 S. 9 f.). Es hat die
von den kantonalen Gerichten festgestellten Tatsachen zusammengefasst (E. 4.2
S. 10) und auf Grund der geschilderten Umstände die Würdigung nicht als
willkürlich bezeichnet, der Gesuchsteller habe grossen Einfluss auf die
Erblasserin gehabt, die Erblasserin sei nicht bloss in einem
Vertrauensverhältnis zu ihm gestanden, sondern weitergehend in einem
eigentlichen Abhängigkeitsverhältnis und der Gesuchsteller sei beinahe die
einzige Bezugsperson der Erblasserin gewesen (E. 4.3 S. 10 f.). Die
gegenteiligen Vorbringen des Gesuchstellers beschränkten sich auf einzelne
Punkte, die am Gesamtbild nichts zu ändern vermöchten (E. 4.3 Abs. 2 S. 11
des Beschwerdeurteils).

Mit seiner Revision wendet sich der Gesuchsteller gegen die tatsächliche
Beurteilung des Verhältnisses zwischen ihm und der Erblasserin. Er listet
Zeugenaussagen und weitere Belege auf (Ziff. 3.1 S. 8 f.), aus denen
geschlossen werden müsse, dass ein Vertrauensverhältnis und eine enge
Freundschaft, aber niemals ein Abhängigkeitsverhältnis bestanden habe und
dass er die Erblasserin nicht habe beeinflussen können (Ziff. 4.1 S. 12 ff.
des Revisionsgesuchs).

Der Gesuchsteller ficht damit die Beweiswürdigung an und macht kein auf
Tatsachen bezogenes Versehen geltend. Die Beurteilung seines Verhältnisses
zur Erblasserin hat auf einer Fülle von Aussagen und Indizien beruht, so dass
der Revisionsgrund gemäss Art. 136 lit. d OG selbst dann nicht bejaht werden
könnte, wenn das Bundesgericht eine der im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde gerügten Aktenstellen in die Willkürprüfung nicht richtig im Sinne
eines Versehens einbezogen haben sollte. Das Revisionsgesuch muss abgewiesen
werden, da es sich gegen die Beweiswürdigung richtet, dergegenüber eine
Versehensrüge versagt.

4.
Unter Willkürgesichtspunkten hat sich das Bundesgericht in seinem
Beschwerdeurteil mit den Feststellungen des Appellationsgerichts befasst, der
Gesuchsteller habe mit Bereicherungsabsicht gehandelt (E. 5.2 S. 12 f.),
diese Absicht sei der Erblasserin verborgen geblieben (E. 5.3 S. 14) und der
Gesuchsteller habe seine Einflussmöglichkeiten und die Bindung der
Erblasserin, die in dieser Intensität zu keiner anderen Person als ihm
bestanden habe, sicherstellen und nicht von Seiten Dritter stören lassen
wollen (E. 6.3 S. 15 f. des Beschwerdeurteils).

Der Gesuchsteller zitiert aus Vorbringen im kantonalen Verfahren und aus
Protokollen über eigene Aussagen und Zeugenaussagen (Ziff. 3.2 S. 9 ff.) und
schliesst daraus, dass er keine Bereicherungsabsicht gehabt habe (Ziff. 4.2
S. 14 ff.) und dass die Erblasserin über seine Absichten genau im Bild
(Ziff. 4.3 S. 16) und eine starke, nicht beeinflussbare Persönlichkeit
gewesen sei (Ziff. 4.4 S. 17 des Revisionsgesuchs).

Die Revision betrifft ausschliesslich die Beweiswürdigung (vgl. das "Fazit"
auf S. 17 f. des Revisionsgesuchs), deren Unrichtigkeit kein Revisionsgrund
im Sinne von Art. 136 lit. d OG ist. Der Gesuchsteller greift wiederum
einzelne Ausschnitte aus einem Gesamtbild seines Verhaltens heraus, dessen
Beurteilung das Bundesgericht nicht als im Ergebnis willkürlich hat
bezeichnen können (vgl. E. 2 Abs. 2 S. 5 des Beschwerdeurteils). Es kommt
hinzu, dass der Gesuchsteller im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
die heute aufgegriffenen Punkte nicht oder nur unter einem unzutreffenden
Blickwinkel gerügt hat (vgl. E. 5.2 Abs. 2 S. 13, E. 5.3 S. 14 und E. 6.3
Abs. 3 S. 16 des Beschwerdeurteils). Insbesondere gegenüber der heute
wiederholten Rz. 61 der Beschwerdeschrift (S. 10 Punkt 4 des
Revisionsgesuchs) hat das Bundesgericht darauf hingewiesen (E. 5.2 Abs. 2
S. 13 des Beschwerdeurteils). Im Beschwerdeverfahren Versäumtes kann mittels
Revision nicht nachgeholt werden.

5.
Das Revisionsgesuch erweist sich insgesamt als unbegründet. Bei diesem
Verfahrensausgang wird der Gesuchsteller kostenpflichtig und hat den
Gesuchsgegner für die Vernehmlassung zu den abgewiesenen Verfahrensanträgen
zu entschädigen (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). Da das
Revisionsbegehren darauf gerichtet war, einen gegenteiligen Entscheid in der
Sache zu bewirken, ist bei der Bemessung der Gerichts- und Parteikosten auf
den Streitwert in der Hauptsache abzustellen. Dabei ist dem im Vergleich zum
Entscheid in der Hauptsache geringeren Aufwand Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 20'000.-- wird dem Gesuchsteller auferlegt.

3.
Der Gesuchsteller hat den Gesuchsgegner für seine Stellungnahme zu den
Verfahrensanträgen mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. Juli 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: