Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.105/2006
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5P.105/2006 /blb

Urteil vom 18. April 2006
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Pr sident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdef hrer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Alfred M ller,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Rudolf Forrer,
Kantonsgericht St. Gallen, Pr sident der II. Zivilkammer, Klosterhof 1, 9001
St. Gallen.

Art. 9 BV (Ab nderung von Massnahmen nach Art. 137 ZGB),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St.
Gallen, Pr sident der II. Zivilkammer, vom 6. Februar 2006.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (Kl ger) und Y.________ (Beklagte) f hren seit Anfang 2004 ein
Scheidungsverfahren. Mit Entscheid vom 15. April 2004 verpflichtete der
Pr sident des Kreisgerichts Alttoggenburg-Wil den Ehemann, der Ehefrau
w hrend des Verfahrens vorsorglichen Unterhalt von monatlich Fr. 3'500.-- zu
bezahlen. Im Hinblick auf die Gerichtsverhandlung  ber die Scheidungsklage
verlangte der Kl ger, den vorsorglichen Unterhalt aufzuheben bzw. dem
mutmasslich tieferen nachehelichen Unterhalt anzupassen.

A.b Mit Urteil vom 7. Juni 2005 schied das Kreisgericht die Ehe der Parteien
und verhielt den Kl ger dazu, der Beklagten f r die Dauer eines Jahres
nachehelichen Unterhalt von monatlich Fr. 1'000.-- zu bezahlen. Das Gesuch
des Kl gers um Ab nderung der vorsorglichen Massnahmen wurde (in den
Erw gungen) abgewiesen.

B.
B.aGegen die Massnahmeverf gung erhob der Kl ger
Rechtsverweigerungsbeschwerde mit den Antr gen, die Verf gung des
Kreisgerichts aufzuheben und den vorsorglichen Unterhalt f r die weitere
Dauer des Verfahrens und l ngstens f r zw lf Monate auf Fr. 1'000.--
festzusetzen. Mit Entscheid vom 6. Februar 2006 wies der Pr sident der II.
Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen die Rechtsverweigerungsbeschwerde
ab. Dem Ersuchen des Kl gers um Ab nderung der vorsorglichen Massnahmen
entsprach er dagegen teilweise und verpflichtete den Kl ger nunmehr, der
Beklagten ab 1. Februar 2006 f r die weitere Dauer des Berufungsverfahrens
vorsorglichen Unterhalt von Fr. 2'200.-- pro Monat zu bezahlen.

B.b Der Pr sident hielt zusammengefasst daf r, es liege kein Grund f r eine
nachtr gliche Ab nderung der vorsorglichen Massnahmen vor, so dass die im
 brigen rein kassatorische Rechtsverweigerungsbeschwerde abzuweisen sei.
Soweit der Kl ger vor dem Pr sidenten um Ab nderung der vorsorglichen
Massnahmen ersuche, sei diesem Begehren teilweise zu entsprechen und der
vorsorgliche Unterhalt auf Fr. 2'200.-- monatlich festzusetzen. Die Beklagte
verlange in ihrer Berufung gegen das erstinstanzliche Scheidungsurteil unter
anderem, den nachehelichen Unterhalt bis zu ihrem ordentlichen AHV-Alter auf
Fr. 2'200.--, f r den Fall der Aussteuerung auf Fr. 2'500.-- im Monat
festzusetzen. Eine Aussteuerung stehe indes nicht an, weshalb der
vorsorgliche Unterhalt f r die Dauer des Berufungsverfahrens der
Dispositionsmaxime entsprechend auf monatlich Fr. 2'200.-- festzusetzen sei.

C.
Der Kl ger f hrt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Begehren, den Entscheid
des Pr sidenten der II. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen
aufzuheben. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erw gung:

1.
Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind neue tats chliche und
rechtliche Vorbringen grunds tzlich unzul ssig (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205;
118 Ia 20 E. 5a S. 26; 127 I 145 E. 5c/aa S. 160) und es k nnen auch keine
neuen Beweismittel eingereicht werden (BGE 108 II 69 E. 1 S. 71; BGE 128 I
354 E. 6c S. 357 f.). Im  brigen pr ft das Bundesgericht nur klar und
detailliert erhobene und soweit m glich belegte R gen (R geprinzip). Auf
ungen gend begr ndete R gen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt es nicht ein (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495; 127 III 279 E. 1c
S. 282).

1.1 Soweit der Beschwerdef hrer das erstinstanzliche Urteil vom 7. Juni 2005
w rtlich zitiert, handelt es sich um ein Novum, das im vorliegenden Verfahren
nicht zu h ren ist.

1.2 Auf die Beschwerde ist sodann nicht einzutreten, soweit sich der
Beschwerdef hrer nicht mit den Erw gungen des angefochtenen Entscheides
auseinandersetzt und erl utert, worin die Verfassungsverletzung liegen soll.
Dies trifft insbesondere auf den Vorwurf zu, der angefochtene Entscheid
verletze die Grunds tze gem ss BGE 128 III 7 E. 4b, wird doch mit dem Verweis
nicht verst ndlich erl utert, inwiefern das Willk rverbot bzw. ein anderes
Verfassungsrecht verletzt worden sein soll.

2.
Der Beschwerdef hrer macht geltend, der Pr sident weise im angefochtenen
Entscheid darauf hin, dass die kantonale Rechtsverweigerungsbeschwerde rein
kassatorische Wirkung habe, wobei nicht klar sei, ob er dem Beschwerdef hrer
eine Verletzung dieses Grundsatzes entgegenhalten wolle. Sofern dies
zutreffe, erweise sich der Entscheid als willk rlich, zumal er (der
Beschwerdef hrer) in seiner Beschwerde auch die Aufhebung des
erstinstanzlichen Entscheids beantragt habe.
Dem angefochtenen Entscheid lassen sich keine Hinweise entnehmen, wonach der
Pr sident sich  ber die Rechtsbegehren des Beschwerdef hrers in der
kantonalen Beschwerde nicht im Klaren gewesen w re. Daraus ergibt sich
vielmehr klar, dass die Beschwerde abgewiesen wird. Zudem wurde das Begehren
des Beschwerdef hrers um Ab nderung der vorsorglichen Massnahmen behandelt.
Eine Verletzung des Willk rverbotes ist nicht ersichtlich.

3.
Im Rahmen des erstinstanzlichen Scheidungsverfahrens hatte der
Beschwerdef hrer dem Kreisgericht beantragt, den vorsorglichen Unterhalt zu
Gunsten der Beschwerdegegnerin dem Erlass des Scheidungsurteils anzupassen,
falls das Gericht "auf tiefere oder gar keine zu leistenden
Unterhaltsbeitr ge mehr entscheiden sollte". Dem Ausgang des
erstinstanzlichen Scheidungsverfahrens entsprechend hatte er vom Pr sidenten
des Kantonsgerichts verlangt, ihn zu verpflichten, der Beschwerdegegnerin ab
dem 1. Juni 2005 w hrend der Dauer des Scheidungsprozesses, l ngstens aber
f r zw lf Monate einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. Der
Pr sident hat diesem Antrag nur teilweise entsprochen und den vorsorglichen
Unterhalt dem Begehren der Beschwerdegegnerin im Hauptverfahren angepasst.

3.1 Der Beschwerdef hrer erblickt eine Verfassungsverletzung darin, dass der
Pr sident die urspr nglich angeordneten vorsorglichen Massnahmen nicht
bereits ab dem Zeitpunkt der Ausf llung des erstinstanzlichen
Scheidungsurteils aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur
Anwendung der Kriterien des Art. 125 ZGB im Massnahmenverfahren abge ndert
hat. Er begr ndet seinen Willk rvorwurf gegen den kantonalen Richter
zusammengefasst damit, dieser habe zwar eine Anpassung der Massnahmen
angesichts des Scheidungsurteils bejaht, bei der Festsetzung des
vorsorglichen Unterhalts aber den Kriterien zur Bestimmung des
Scheidungsunterhalts, wie sie in Art. 125 ZGB umschrieben werden, entgegen
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht Rechnung getragen. Unterblieben
sei ferner eine Hauptsachenprognose, wie dies f r die Festsetzung des
vorsorglichen Unterhalts vorgesehen sei. Auch wenn diese auf Ermessen beruhe,
geh re die beschriebene Prognose doch zu den Aufgaben des Massnahmenrichters,
was erst recht gelte, wenn der Scheidungsrichter erstinstanzlich  ber H he
und Dauer des nachehelichen Unterhalts befunden habe; diesfalls liege ein
Urteil vor, welchem das von der Beschwerdegegnerin eingelegte Rechtsmittel
gegen berzustellen sei. Mit der Ablehnung jeglicher Prognose sei der
Pr sident in Willk r verfallen, habe  berdies das Recht des Beschwerdef hrers
auf Pr fung der Argumente sowie Begr ndung eines allenfalls abweichenden
Standpunktes missachtet und damit auch den Anspruch auf rechtliches Geh r
verletzt (Art. 29 Abs. 2 BV).

3.2 Vorsorgliche Massnahmen w hrend des Scheidungsverfahrens verfolgen einen
anderen Zweck als Eheschutzmassnahmen. Nach Eintritt der Rechtsh ngigkeit des
Scheidungsprozesses wird eine R ckkehr zur gemeinsam vereinbarten
Aufgabenteilung weder angestrebt noch ist sie wahrscheinlich; die Aufl sung
der ehelichen Gemeinschaft ist vielmehr gewollt und steht unmittelbar bevor.
Dem Ziel der wirtschaftlichen Selbstst ndigkeit des bisher nicht (oder bloss
in beschr nktem Umfang) erwerbst tigen Ehegatten darf deshalb bereits eine
gewisse Bedeutung zugemessen werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob die
Aufnahme oder Ausdehnung einer Erwerbst tigkeit zumutbar ist, kann in
st rkerem Masse - als im Eheschutzverfahren - auf die bundesgerichtlichen
Richtlinien zum Scheidungsunterhalt abgestellt werden (BGE 130 III 537 E. 3.2
S. 542 mit Hinweisen auf nicht publizierte Rechtsprechung und Lehre). Diese
Grunds tze gelten erst recht, wenn - wie hier - das erstinstanzliche Urteil
im Scheidungspunkt in Rechtskraft erwachsen ist.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid hat der Beschwerdef hrer
im kantonalen Verfahren keinen eigentlichen Ab nderungsgrund geltend gemacht,
sondern nur verlangt, dass die Massnahmeverf gung sogleich dem
(erstinstanzlichen) Haupturteil folgen m sse. Abgesehen davon, dass der
Beschwerdef hrer diese Feststellung nicht rechtsgen glich als
verfassungswidrig beanstandet, ergibt sich aus der an den Pr sidenten
gerichteten Beschwerde auch nicht, dass der Beschwerdef hrer konkrete
Elemente vorgetragen und glaubhaft gemacht h tte, wonach der
Beschwerdegegnerin aufgrund der Kriterien nach Art. 125 ZGB kein
Unterhaltsbeitrag oder ein weit geringerer Beitrag zust nde. Insbesondere
wird nicht substanziiert, dass die Beschwerdegegnerin ihren massgebenden
Lebensbedarf durch eigene Mittel teilweise oder vollst ndig deckt und von
daher auf keinen oder zumindest nicht auf einen Beitrag in bisheriger H he
angewiesen ist. Der Beschwerdef hrer vertrat, wie der Pr sident ausf hrt, den
Standpunkt, der vorsorgliche Unterhalt habe sich mit dem Erlass des
erstinstanzlichen Scheidungsurteils nach diesem zu richten. Damit werden
indes der Sinn der vorsorglichen Massnahme und die durch das Bundesgericht
aufgezeigten Grunds tze verkannt.
Entsprechendes gilt f r den Vorwurf mit Bezug auf die Hauptsachenprognose.
Wie der Beschwerdef hrer in der vorliegenden Beschwerde selbst ausf hrt, ist
diese Prognose aufgrund eines Vergleichs des eingelegten Rechtsmittels mit
dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil zu f llen. In diesem Zusammenhang
wird indes in der kantonalen Beschwerde nichts ausgef hrt, was eine
entsprechende Prognose durch den Pr sidenten erlaubt h tte. Hat der
Beschwerdef hrer aber keine konkreten Fakten mit Blick auf die anzustellende
Prognose vorgetragen und glaubhaft gemacht, so ist Willk r des angefochtenen
Entscheides in dieser Hinsicht nicht ersichtlich und erweist sich auch der
Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Geh rs als haltlos.

4.
Damit aber ist auch den weiteren Vorw rfen des Beschwerdef hrers, der
Pr sident habe den Anspruch auf Gleichbehandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) sowie
jenen auf gleiche und gerechte Behandlung (Art. 29 Abs. 1 BV) verletzt, der
Boden entzogen. Ob sich diese R gen in der Willk rr ge ersch pfen, kann offen
bleiben.

5.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdef hrer
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Entsch digung ist nicht zu
sprechen, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgeb hr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdef hrer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Pr sident
der II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. April 2006

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Pr sident:  Der Gerichtsschreiber: