Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.62/2006
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4P.62/2006 /ruo

Urteil vom 18. April 2006

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Mazan.

A. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Fernando Willisch,

gegen

Erben X.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fritz Anthamatten,
Präsident des Kassationshofs in Zivilsachen des Kantonsgerichts Wallis.

Art. 9 BV (Räumungsbefehl; Vollstreckung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid
des Präsidenten des Kassationshofs in Zivilsachen
des Kantonsgerichts Wallis vom 27. Januar 2006.

Sachverhalt:

A.
A. ________ (Beschwerdeführer) bewohnt seit Mai 2002 eine Wohnung  in
Z.________, welche im Eigentum von B.________ steht und von X.________
verwaltet wurde. Mit Urteil vom 27. August 2004 verpflichtete das
Bezirksgericht Visp den Beschwerdeführer, die Wohnung bis zum Ende des auf
den Eintritt der Rechtskraft des Urteils folgenden Monats ordnungsgemäss zu
räumen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer erfolglos eine Berufung ans
Kantonsgericht Wallis und eine staatsrechtliche Beschwerde ans Bundesgericht.
Das Urteil des Bezirksgerichts Visp vom 27. August 2004 ist rechtskräftig.

B.
Mit Gesuch vom 13. Dezember 2005 verlangte X.________ die Vollstreckung des
Urteils des Bezirksgerichts Visp vom 27. August 2004. Mit Entscheid vom 13.
Januar 2006 wies das Bezirksgericht Visp den Beschwerdeführer an, die Wohnung
bis zum Montag, dem 30. Januar 2006, um 12.00 Uhr zu räumen und dem
Eigentümer zurückzugeben. Am 15. Januar 2006 ist X.________ verstorben. In
der Folge erhob der Beschwerdeführer Nichtigkeitsklage gegen den
Vollstreckungsentscheid vom 13. Januar 2006. Der Präsident des
Kantonsgerichts Wallis rubrizierte neu als Beschwerdegegner die "Erben
X.________" und wies mit Entscheid vom 27. Januar 2006 die vom
Beschwerdeführer erhobene Nichtigkeitsklage ab.

C.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 1. März 2006 beantragt der
Beschwerdeführer dem Bundesgericht im Wesentlichen, der Präsidialentscheid
des Walliser Kantonsgerichts vom 27. Januar 2006 sei aufzuheben.
Mit Präsidialverfügung vom 29. März 2006 wurde der staatsrechtlichen
Beschwerde die aufschiebende Wirkung gewährt.
In der Vernehmlassung vom 3. April 2006 beantragen die Beschwerdegegner die
Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV), weil ihm keine Gelegenheit gegeben worden sei, nach dem
Tod von X.________ zur Aktivlegitimation der Beschwerdegegner Stellung zu
nehmen. Diese Rüge ist schon deshalb verfehlt, weil der Beschwerdeführer in
seiner Nichtigkeitsklage vom 26. Januar 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen
hatte, dass X.________ am 18. Januar 2006 (recte: 15. Januar 2006) verstorben
sei. Wenn der Beschwerdeführer aber Gelegenheit hatte, sich zur
Parteistellung der Gegenpartei zu äussern, und in der Nichtigkeitsklage auch
davon Gebrauch gemacht hatte, kann von einer Gehörsverletzung keine Rede
sein.

2.
Weiter rügt der Beschwerdeführer in verschiedener Hinsicht als
verfassungswidrig, dass im angefochtenen Entscheid nicht berücksichtigt
worden sei, dass er unterdessen geheiratet habe und nun die Wohnung mit
seiner Ehefrau und einem Kleinkind bewohne.

2.1 In diesem Zusammenhang ist vorauszuschicken, dass sich das hier zu
beurteilende Vollstreckungsverfahren auf das Urteil des Bezirksgerichts Visp
vom 27. August 2004 bezieht, mit welchem der Beschwerdeführer verpflichtet
wurde, die umstrittene Wohnung unverzüglich und ordnungsgemäss zu räumen. Das
damalige Verfahren richtete sich ursprünglich auch gegen C.________ - die
heutige Ehefrau des Beschwerdeführers -, doch schied diese aus dem Verfahren
aus, nachdem sie erklärt hatte, mit dem Prozess nichts zu tun zu haben. Aus
diesem Grund wurde im Urteil des Bezirksgerichts Visp vom 27. April 2004
einzig der Beschwerdeführer zur unverzüglichen Räumung der Wohnung
verpflichtet. Dass sich in der Folge auch die Vollstreckung dieses Urteils
einzig gegen den Beschwerdeführer richtet, ist nicht verfassungswidrig.

2.2 Entscheidend ist jedoch, dass es sich bei der Frage, ob sich der
Beschwerdeführer mit seiner Familie in der umstrittenen Wohnung aufhält,
nicht um eine rechtserhebliche Tatsache handelt. Das Kantonsgericht hat
unangefochten festgehalten, dass im Verfahren, in welchem der
Beschwerdeführer rechtskräftig zur unverzüglichen und ordnungsgemässen
Räumung der umstrittenen Wohnung verpflichtet worden war, festgestellt worden
sei, dass ein Mietvertrag nicht zustande gekommen sei. Wenn aber im zu
vollstreckenden Urteil das Vorliegen eines Mietverhältnisses verworfen wurde,
kann sich der Beschwerdeführer im nachfolgenden Vollstreckungsverfahren nicht
auf die mietrechtliche Schutzbestimmung in Bezug auf Familienwohnungen (Art.
266n OR) berufen. Es bestand daher kein Anlass für das Kantonsgericht, den
erstinstanzlichen Vollstreckungsbefehl anhand der erwähnten mietrechtlichen
Schutzbestimmung zu prüfen. Damit erweisen sich sowohl die Rüge der
Gehörsverletzung wegen unterlassener Anwendung des massgebenden materiellen
Rechts (Art. 29 Abs. 2 BV) als auch die Rüge der willkürlichen Anwendung von
Bundesrecht (Art. 9 BV) als unbegründet.

2.3 Schliesslich wirft der Beschwerdeführer dem Kantonsgericht überspitzten
Formalismus vor (Art. 29 Abs. 1 BV), weil trotz entsprechender Vorbringen
nicht berücksichtigt worden sei, dass er die umstrittene Wohnung unterdessen
mit seiner Ehefrau und einem Kleinkind bewohne. Diesbezüglich ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten. Einerseits führt der Beschwerdeführer nicht
aus, inwiefern in der Nichtberücksichtigung seines Zivilstandes eine
exzessive Formstrenge zu erblicken sei, obwohl er im erstinstanzlichen
Verfahren gemäss dem Verhandlungsprotokoll zur Sitzung vom 13. Januar 2006
darauf verzichtet hatte, eigene Tatsachenbehauptungen vorzubringen. Und
anderseits äussert er sich nicht zur Frage, inwieweit diese Behauptung
überhaupt rechtserheblich sein soll, obwohl im zu vollstreckenden Urteil das
Vorliegen eines Mietverhältnisses verneint wurde.

3.
Aus diesen Gründen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und
Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit insgesamt Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Präsident des Kassationshofs in
Zivilsachen des Kantonsgerichts Wallis schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. April 2006

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: