Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.41/2006
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4P.41/2006 /ast

Urteil vom 4. April 2006

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Nyffeler,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Atilay Ileri,

gegen

A.Y.________,
B.Y.________,
Beschwerdegegner,
Kassationsgericht des Kantons Zürich.

Art. 8, 9 und 29 Abs. 1 BV (Zivilprozess; Prozesskaution),
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Sitzungsbeschluss des
Kassationsgerichts des Kantons Zürich
vom 5. Dezember 2005.

Sachverhalt:

A.
A. Y.________ erlitt am 23. Juni 1988 zusammen mit ihren damals vierjährigen
Söhnen einen Verkehrsunfall. Hinsichtlich der aus diesem Unfall folgenden
Haftpflichtansprüche wurde sie - unter anderem - von Rechtsanwalt Dr.
X.________ (Beschwerdeführer) vertreten. Dieser schloss für sie am 11.
November 1991 einen Vergleich mit der Haftpflichtversicherung des
Unfallverursachers ab.

Am 11. März 2002 reichten A.Y.________, ihr Ehegatte B.Y.________ sowie deren
Söhne C.________ und D.________ beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen
Rechtsanwalt X.________ ein; sie beantragten, diesen zu verpflichten, ihnen
wegen Sorgfaltspflichtverletzungen bei der Mandatsführung einen Fr. 1 Mio.
übersteigenden Betrag zu bezahlen.

B.
Im Rahmen des Prozesses beantragte der Beschwerdeführer die Kautionierung von
A.Y.________ und B.Y.________ (Beschwerdegegner). Das Bezirksgericht wies
diesen Antrag mit Beschluss vom 13. Juli 2004 ab, wogegen nicht rekurriert
wurde. Am 25. Januar 2005 stellte der Beschwerdeführer erneut einen
Kautionierungsantrag gegen die Beschwerdegegner, dem das Bezirksgericht mit
Beschluss vom 22. März 2005 ebenfalls nicht statt gab.

Dagegen gelangte der Beschwerdeführer erfolglos an das Obergericht des
Kantons Zürich, das seinen Rekurs am 13. Mai 2005 abwies. Eine gegen diesen
Entscheid gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers wies das
Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Sitzungsbeschluss vom 5. Dezember
2005 ab.

C.
Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Beschluss staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung von Art. 8, 9 und Art. 29 Abs. 1 BV erhoben. Ausser der
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt er, "das Obergericht des
Kantons Zürich als Vorinstanz" sei anzuweisen, die Beschwerdegegner im
Zivilprozess, den diese gegen den Beschwerdeführer eingeleitet hätten, zu
kautionieren.

Das Kassationsgericht hat auf eine Vernehmlassung zur Beschwerde verzichtet.
Die Beschwerdegegner beantragen sinngemäss die Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten sei. Ausserdem ersuchen sie um Durchführung einer
mündlichen, nicht-öffentlichen Verhandlung vor dem Bundesgericht sowie eine
Zeugenanhörung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen
abgesehen, kassatorischer Natur (BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131 f.; 124 I 327
E. 4 S. 332 ff. mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als
die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, kann auf seine Beschwerde nicht
eingetreten werden.

1.2 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid,
schliesst er doch das kantonale Verfahren nicht ab. Gegen Zwischenentscheide
ist die staatsrechtliche Beschwerde nur dann zulässig, wenn sie einen nicht
wiedergutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 87 Abs. 2 OG). Der
Nachteil muss rechtlicher Natur sein (BGE 131 I 57 E. 1; 129 III 107 E. 1.2.1
S. 110; 128 I 177 E. 1.1).

Die Zivilprozessordnung des Kantons Zürich sieht in § 73 vor, dass die
Klägerpartei unter gewissen Voraussetzungen zur Leistung einer Kaution für
die Gerichtskosten und die Prozessentschädigung zu verpflichten ist. Die
Prozesskaution bezweckt, die allenfalls geschuldeten Gerichtskosten und
Prozessentschädigungen zu decken (Frank/Sträuli/ Messmer, Kommentar zur
zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N. 2 zu § 73 ZPO).
Mit dem Entscheid, den Beschwerdegegnern keine Kaution aufzuerlegen, wird dem
Beschwerdeführer der Schutz, den ihm das Rechtsinstitut der Kautionspflicht
gewährt, vorbehältlich veränderter tatsächlicher Umstände, vorenthalten. Es
kann vorliegend allerdings mit Blick auf den Verfahrensausgang offen bleiben,
ob darin ein nicht wiedergutzumachender Nachteil rechtlicher Natur im Sinne
der zitierten Rechtsprechung zu erblicken ist.

1.3 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der staatsrechtlichen Beschwerde
sind erfüllt, insbesondere wurde die Frist nach Art. 89 OG zur
Beschwerdeeinreichung gewahrt.

2.
Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und
detailliert erhobene Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Die Beschwerdeführer
haben die als verletzt behaupteten Verfassungsbestimmungen zu nennen und
überdies darzutun, inwiefern diese missachtet sein sollen. Auf ungenügend
begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid,
als ob dieser in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend überprüft
werden könnte, tritt das Bundesgericht praxisgemäss nicht ein. Den
Begründungsanforderungen an eine staatsrechtliche Beschwerde genügt
namentlich nicht, wenn bloss mit pauschalen Vorwürfen behauptet wird, der
angefochtene Entscheid verletze die Verfassung. Vielmehr ist substanziiert
darzulegen, weshalb und inwiefern das kantonale Gericht verfassungsmässige
Rechte der beschwerdeführenden Partei missachtet haben soll (vgl. BGE 130 I
258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 113 E. 2.1, 185 E. 1.6; 127 I 38 E. 3c; 125 I 71
E. 1c, 492 E. 1b).

Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, genügt die vorliegende
Beschwerdeschrift diesen Anforderungen zu grossen Teilen nicht. Insbesondere
mit Bezug auf die geltend gemachte Verletzung von Art. 8 und 9 BV ist der
Beschwerdeschrift keine Begründung zu entnehmen. Auf die betreffenden Rügen
ist deshalb nicht einzutreten.

3.
Nach § 73 Ziff. 3 ZPO/ZH hat die Partei, welche als Kläger oder Widerkläger
auftritt oder die gegen einen erstinstanzlichen Entscheid ein Rechtsmittel
ergreift, für die Gerichtskosten und die Prozessentschädigung Kaution zu
leisten, wenn auf sie provisorische oder definitive inländische oder
ausländische Verlustscheine oder Pfandausfallscheine bestehen oder wenn sie
sonst als zahlungsunfähig erscheint.

Das Kassationsgericht führte im angefochtenen Entscheid im Wesentlichen aus,
eine Kautionspflicht der Beschwerdegegner lasse sich im vorliegenden Fall
nicht auf diese Bestimmung stützen. Der darin enthaltene Zusatz "oder wenn
sie sonst als zahlungsunfähig erscheint", betreffe nach konstanter Praxis des
Kassationsgerichts, die auch der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 150 Abs. 2
OG entspreche (BGE 111 II 206 E. 1), nur diejenigen Fälle, in denen sich die
Zahlungsfähigkeit aus betreibungsrechtlichen Akten ergebe. Es bestehe weder
bei einer historischen oder einer semantischen noch bei einer systematischen
Auslegung der Norm Anlass, vorliegend von dieser Praxis abzuweichen. Das
zürcherische Prozessrecht kenne sodann keine allgemeine Vorschusspflicht,
sondern enthalte in § 73 Ziff. 1-7 ZPO/ZH einen abschliessenden Katalog der
Kautionstatbestände. Die Aussichtslosigkeit bzw. die Rechtsmissbräuchlichkeit
einer Klage werde in diesem Katalog nicht aufgeführt und könne auch nicht
unter § 73 Ziff. 3 ZPO/ZH subsumiert werden.
Eine Kautionierung, so das Kassationsgericht weiter, vermöge den Beklagten
möglicherweise vor Aufwand zu bewahren, welcher ihm vom Kläger nicht
entschädigt werden könnte. Wollte man dem Sicherungsbedürfnis des Beklagten
möglichst weit nachkommen, müsste man den Kläger folglich nicht nur bei
bestehender (betreibungsrechtlich ausgewiesener), sondern auch bei drohender
künftiger Zahlungsunfähigkeit oder gar generell kautionieren. Im Kanton
Zürich werde der Schutz des Beklagten vor solchen Kosten aber gerade nicht in
jedem Fall über das Interesse des Klägers am unbeschwerten Zugang zum Gericht
gestellt. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, eine teleologische
Auslegung von § 73 Ziff. 3 ZPO/ZH verlange die Kautionierung auch bei
drohender künftiger Zahlungsunfähigkeit, verkenne er, dass der Gesetzgeber
mit dem abschliessenden Katalog von Kautionstatbeständen eine
Interessenabwägung vorgenommen habe. Da der Beschwerdeführer keine
betreibungsrechtlich nachgewiesene Zahlungsunfähigkeit der Beschwerdegegner
geltend mache, sei der Entscheid des Obergerichts nicht zu beanstanden.

4.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Anwendung der Normen der kantonalen
Zivilprozessordnung, namentlich des § 73 Ziff. 3 durch das Kassationsgericht
verletzte Art. 29 Abs. 1 BV, insbesondere das Gebot der rechtsgleichen
Behandlung der Prozessparteien.

4.1 Er macht dazu sinngemäss geltend, die allgemeinen Verfahrensgarantien von
Art. 29 und 30 BV, insbesondere der Schutz des freien Zugangs zu den
Gerichten, stünden einer Kautionierung im vorliegenden Fall nicht entgegen.
Es mangle für die Anwendbarkeit dieser Garantien zugunsten der
Beschwerdegegner an der Ernsthaftigkeit und Echtheit der von diesen vor
Bezirksgericht anhängig gemachten Streitigkeit, da diese aussichtslos sei.
Dem Beschwerdeführer erwachse zu seiner Verteidigung in diesem mutwillig
angehobenen Prozess ein grosser Aufwand, während die Beschwerdegegner im
Hinblick auf eine künftig zu leistende Prozessentschädigung zahlungsunfähig
bzw. zahlungsunwillig seien.

Auf diese Vorbringen ist nicht einzutreten, da der Beschwerdeführer damit von
vornherein keine Verfassungsverletzung durch das Kassationsgericht zu seinen
Lasten aufzuzeigen vermag: Vorliegend ist nicht zu prüfen, ob die kantonalen
Behörden den Beschwerdegegnern im Lichte der genannten Verfahrensgarantien
(vgl. dazu BGE 131 II 169 E. 2.2.3 S. 173 f.; 130 I 388 E. 4 S. 393 f.;
ferner: Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl
1997 I 1 ff., S. 181 ff.; Michel Hottelier, Les garanties de procédure, in:
Thürer/Aubert/Müller [Hrsg.], Verfassungsrecht der Schweiz, Zürich 2001, S.
810 ff.) eine Kaution hätten auferlegen dürfen, wie der Beschwerdeführer
geltend macht, sondern ob die Gerichte verfassungsmässige Rechte des
Beschwerdeführers verletzt haben, indem sie die Kautionspflicht der
Beschwerdegegner unter den von ihnen festgestellten Umständen verneint haben.
Inwiefern Letzteres der Fall sein soll, legt der Beschwerdeführer nicht
rechtsgenügend dar.

4.2 Fehl geht sodann die Rüge, das Kassationsgericht habe die Bestimmung von
§ 73 Ziff. 3 ZPO/ZH überspitzt formalistisch angewendet.

Überspitzter Formalismus bildet insofern eine besondere Form der
Rechtsverweigerung, als der rechtssuchenden Person durch übertriebene
formelle Anforderungen der Rechtsweg erschwert oder versperrt wird (vgl.
Botschaft, a.a.O., BBl 1997 I 1 ff., S. 182; Hottelier, a.a.O., S. 811). Das
aus Art. 29 Abs. 1 BV fliessende Verbot des überspitzten Formalismus wendet
sich gegen prozessuale Formenstrenge, die als exzessiv erscheint, durch kein
schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und
die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder
gar verhindert (vgl. dazu BGE 128 II 139 E. 2a; 127 I 31 E. 2a/bb S. 34; 125
I 166 E. 3a S. 170, je mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer macht nicht geltend und es ist nicht ersichtlich, dass
ihm durch die Anwendung von § 73 Ziff. 3 ZPO/ZH seitens des
Kassationsgerichts der Rechtsweg versperrt oder erschwert werde. Die von ihm
unter dem Titel des überspitzten Formalismus erhobene anderweitige Kritik an
der Auslegung der genannten Bestimmung, namentlich des Zusatzes "oder wenn
sie sonst als zahlungsunfähig erscheint", durch das Kassationsgericht, wäre
im vorliegenden Verfahren im Rahmen einer hinreichend substanziierten
Willkürrüge vorzubringen. Eine solche kann in den rein appellatorischen
Vorbringen des Beschwerdeführers gegen die Auslegung des Kassationsgerichts
indessen nicht erblickt werden (vgl. zu den Anforderungen an die Begründung
einer Willkürrüge: BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 113 E. 2.1; 125 I 71
E. 1c, 492 E. 1b). Auch insoweit kann auf die Beschwerde nicht eingetreten
werden.

5.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Angesichts des Verfahrensausgangs ist ohne weiteres
von der seitens der Beschwerdegegner beantragten mündlichen Verhandlung
abzusehen, soweit darauf im vorliegenden Verfahren überhaupt ein Anspruch
bestünde (vgl. Mark E. Villiger, Handbuch der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK), 2. Aufl., Zürich 1999, Rz. 441). Der
Beschwerdeführer hat die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 OG). Den nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnern ist
praxisgemäss keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 159 Abs. 1 OG; BGE
115 Ia 12 E. 5 S. 21).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. April 2006

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: