Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.227/2006
Zurück zum Index I. Zivilabteilung 2006
Retour à l'indice I. Zivilabteilung 2006


4P.227/2006 /len

Urteil vom 26. März 2007

I. zivilrechtliche Abteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Ersatzrichter Geiser,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwältin Britta Keller,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Leonhard Müller,
Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer.

Art. 9 und 29 Abs. 2 BV (Willkürliche Beweiswürdigung im Zivilprozess;
rechtliches Gehör),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, vom 4. Juli 2006.

Sachverhalt:

A.
Seit 1978 arbeitete A.________ als Flugzeugmechaniker und
Luftfahrzeug-Kontrolleur Kat. II bei der X.________ AG. Auf den 1. Januar
1986 wurde er zum Werkstattchef befördert. A.________ kündigte das
Arbeitsverhältnis auf Ende November 2000. Die Parteien kamen überein, das
Arbeitsverhältnis ab 1. Dezember 2000 mit einem neuen Arbeitsvertrag
(Lohnreduktion und Rückstufung des Klägers auf fachtechnische Verantwortung)
fortzusetzen. Per 31. März 2001 wurde das Arbeitsverhältnis beendet. Der
letzte Arbeitstag von A.________ war am 31. Januar 2001.

B.
Mit Klage vom 30. Mai 2003 beantragte A.________ dem Arbeitsgericht Brugg,
die X.________ AG sei zu verpflichten, ihm Fr. 129'231.-- netto zuzüglich
Zins von 5 % seit dem 1. April 2001 für nicht abgegoltene Überstunden zu
bezahlen. Das Arbeitsgericht Brugg wies mit Urteil vom 10. September 2004 die
Klage ab. Auf Appellation des Klägers wies das Obergericht des Kantons Aargau
die Klage am 4. Juli 2006 ebenfalls ab.

C.
A.________ gelangt mit staatsrechtlicher Beschwerde und Berufung gegen das
obergerichtliche Urteil an das Bundesgericht. Er verlangt mit der
staatsrechtlichen Beschwerde die Aufhebung des angefochtenen Entscheids.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem OG (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2
Das Obergericht hatte erwogen, dass die Parteien eine 42-Stunden-Woche
vereinbart und im Arbeitsvertrag grundsätzlich die Überstunden pauschal
abgegolten hatten. Der Beschwerdeführer sei aber nicht leitender Arbeitnehmer
im Sinne des Arbeitsgesetzes, so dass die Entschädigung für die 60 Stunden
pro Jahr übersteigenden Überzeiten nicht wegbedungen werden könne. Ob die
Wegbedingung einer weitergehenden Entschädigung für die Überstunden und die
ersten 60 Stunden Überzeit vorliegend verbindlich ist, hat das Gericht offen
gelassen, weil die Mehrleistung des Arbeitnehmers gar nicht nachgewiesen sei.
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend,
diese Beweiswürdigung sei willkürlich.

2.
Willkürlich ist ein Entscheid bei der Beweiswürdigung indessen nicht schon,
wenn eine andere Lösung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre,
sondern erst, wenn er offensichtlich unhaltbar ist oder zur tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, was in der staatsrechtlichen
Beschwerde darzulegen ist (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG;
BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.). Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss
die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist
(BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; 126 III 438 E. 3 S. 440; 125 I 166 E. 2a
S. 168; 124 I 247 E. 4 S. 250; 123 I 1 E. 4a S. 5). Daraus ergibt sich, dass
nur ein Beweis willkürlich gewürdigt werden kann, der für den Rechtsstreit
überhaupt wesentlich ist.

2.1
Diese Umschreibung des Begriffs der Willkür verkennt der Beschwerdeführer,
wenn er der Vorinstanz vorwirft, die Aussage des Zeugen B.________ bezüglich
der Zulässigkeit der handschriftlichen Einträge in der Stempelkarte nicht
richtig gewürdigt zu haben. Vorliegend geht es nämlich nicht um die Frage, ob
der Beschwerdeführer die Stempelkarte von Hand ausfüllen durfte, sondern
welche Beweiskraft den so ausgefüllten Karten zukommt. Auch wenn die
Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer erlaubt, Stempelkarten von Hand auszufüllen,
wird dadurch ihr Beweiswert nicht erhöht. Entscheidend ist nicht die
Zulässigkeit des Vorgehens, sondern die Frage, wie glaubwürdig die in der
Karte enthaltenen Eintragungen sind. Diesbezüglich liegt es aber auf der
Hand, dass von Hand vorgenommene Eintragungen eher falsch sein können als die
Ergebnisse einer Stempeluhr. Den von Hand ausgefüllten Stempelkarten keine
Schlüssigkeit zuzuerkennen, namentlich wenn nicht nachgewiesen ist, dass sie
dem Vorgesetzten zur Kenntnis gebracht worden sind, ist eine freie
Beweiswürdigung, welche vor einem Willkürvorwurf standhält.

2.2
Ob eine Schätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR auch unterbleiben kann, wenn
feststeht, dass Überstunden geleistet worden sind, aber keinerlei
Anhaltspunkte zu deren Ausmass vorhanden sind, ist eine Frage des
Bundesprivatrechts und damit nicht im Verfahren auf Grund der
staatsrechtlichen Beschwerde zu behandeln, sondern mit Berufung geltend zu
machen. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Das gilt auch für die Frage, ob die fehlende betriebliche Zeiterfassung nach
Art. 73 Abs. 1 lit. c der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1; SR 822.111)
zu einer Umkehr der Beweislast bezüglich Überstunden führt. Auch auf diese
Frage ist nicht im Beschwerdeverfahren einzugehen.

2.3
Was die Würdigung der weiteren Zeugenaussagen betrifft, übersieht der
Beschwerdeführer, dass die Leistung eines gewissen Masses an Überstunden im
vorliegenden Rechtsstreit unbestritten ist. Es ist aber ebenso unbestritten,
dass ein Teil durch ein höheres Salär ausdrücklich ausgeglichen worden ist
und dass ein Teil der Überstunden spezielle Aufgaben betraf, welche separat
entschädigt worden sind. Im vorliegenden Rechtsstreit kann es somit nur um
die Frage gehen, ob darüber hinaus weitere Überstunden geleistet worden sind.
Inwiefern diesbezüglich aber etwas den angegebenen Zeugenaussagen sollte
entnommen werden können, ist nicht zu sehen. Insofern liegt auch keine
Willkür vor, wenn das Obergericht daraus nicht die gleichen Schlüsse gezogen
hat wie der Beschwerdeführer.

2.4
Wenn der Beschwerdeführer im Weiteren geltend macht, das Gericht habe nicht
beachtet, dass die handschriftlichen Zeiterfassungen nach seiner Ansicht von
einer Angestellten der Beklagten kontrolliert worden seien, übersieht er,
dass es sich bei dieser Angestellten um die Ehefrau des Beschwerdeführers
handelt. Das Obergericht durfte mit Blick auf die Nähe dieser Mitarbeiterin
zum Beschwerdeführer dem genannten Umstand keine Bedeutung beimessen und
insofern auf weitere Beweisabnahmen verzichten. Damit im Einklang steht auch,
dass auf eine Zeugeneinvernahme der Ehefrau zu den Überstunden in
vorweggenommener Beweiswürdigung verzichtet wurde. In dieser antizipierten
Beweiswürdigung liegt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine
Willkür.

3.
Damit erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde insgesamt als unbegründet,
soweit darauf einzutreten ist. Entsprechend hat der Beschwerdeführer die
Verfahrenskosten zu tragen und die Beschwerdegegnerin für das
bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159
Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
wird.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. März 2007

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: