Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.159/2006
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{T 0/2}
4P.159/2006 /len

Urteil vom 24. Oktober 2006

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Mathys,
Gerichtsschreiber Luczak.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hess,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Robert Walder,
Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, Postfach,
6002 Luzern.

Art. 29 BV (Zivilprozess),

Staatsrechtliche Beschwerde [OG] gegen das Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern, I. Kammer als Appellationsinstanz, vom 8. Mai 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (Beschwerdeführer) schloss anfangs September 1999 mit Y.________
(Beschwerdegegner) einen Vertrag über den Ausbau des A.________ Sportzentrums
in B.________. Die Parteien gerieten in der Folge in Streit über Inhalt und
Umfang der vom Beschwerdegegner übernommenen Pflichten und deren Erfüllung.

B.
Mit Klage beim Amtsgericht Luzern-Stadt vom 20. Februar 2001 verlangte der
Beschwerdegegner vom Beschwerdeführer Zahlung von Fr. 181'916.85 und
Fr. 25'000.-- Schadenersatz, je nebst Zins, richterliches Ermessen und
Nachforderungen vorbehalten. Der Beschwerdeführer beantragte die Abweisung
der Klage und erhob Widerklage auf Zahlung von Fr. 160'000.-- nebst Zins. Das
Amtsgericht verpflichtete den Beschwerdeführer am 29. Dezember 2004, dem
Beschwerdegegner Fr. 118'024.70 nebst Zins zu bezahlen. Die vom
Beschwerdeführer erhobene Appellation hielt das Obergericht des Kantons
Luzern, soweit darauf einzutreten war, für unbegründet und entschied mit
Urteil vom 8. Mai 2006 gleich wie das Amtsgericht.

C.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher
Beschwerde, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner und das
Obergericht schliessen auf Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit
darauf einzutreten ist.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners hat der Beschwerdeführer, der
in einem Streit um vermögensrechtliche Ansprüche im kantonalen Verfahren
teilweise unterlegen ist, ein aktuelles, praktisches, rechtlich geschütztes
Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides und ist daher zur
staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Art. 88 OG; BGE 127 III 41 E. 2b S.
42 mit Hinweisen).

2.
Von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen ist die staatsrechtliche
Beschwerde rein kassatorischer Natur (BGE 132 III 291 E. 1.5 S. 294 mit
Hinweisen). Auf die vorliegende Beschwerde ist daher insoweit nicht
einzutreten, als der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer hat nach dem angefochtenen Urteil der eingeklagten
Forderung Schadenersatzansprüche wegen Kostenüberschreitung zur Verrechnung
gegenübergestellt. Diese hat der Beschwerdeführer vor Obergericht mit Fr.
144'972.35 beziffert. Zum Beweis reichte er einen Kontoauszug der C.________
vom 3. April 2002 ein. Dieser Beleg ist indessen nach Auffassung des
Obergerichts zu wenig aussagekräftig und vermag den behaupteten Schaden nicht
zu beweisen, zumal der vom Beschwerdeführer in Aussicht gestellte
"Sammelbeleg der einzelnen Rechnungen zu der von der C.________ erstellten
Bauabrechnung vom 3. April 2002" beim Gericht nicht eingegangen sei. Im
Übrigen verwies das Obergericht zur Begründung auf die substanziierten und
als zutreffend erachteten Ausführungen des Beschwerdegegners in der
Appellationsantwort, wobei es die einschlägigen Seiten bezeichnete.

3.2 In der staatsrechtlichen Beschwerde wird geltend gemacht, der Hinweis des
Obergerichts auf die Ausführungen in den Rechtsschriften des
Beschwerdegegners als Urteilsbegründung reiche zur Wahrung des
Gehörsanspruchs des Beschwerdeführers nach Art. 29 Abs. 2 BV nicht aus. Der
Beschwerdegegner habe die Bauabrechnung nur pauschal und in wenigen Punkten
konkret und substanziiert bestritten. Das Obergericht hätte daher nach
Auffassung des Beschwerdeführers konkret darlegen müssen, inwiefern die
Bauabrechnung der C.________ zu wenig aussagekräftig sein soll. Wenn von den
Parteien verlangt werde, ihren Standpunkt in der Rechtschrift selbst
darzulegen und Hinweise auf die Akten nicht genügten, müsse dasselbe auch für
das Obergericht gelten.

3.3 Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) verlangt
insbesondere, dass die Gerichte die rechtserheblichen Vorbringen der Parteien
anhören und bei der Entscheidfindung berücksichtigen (BGE 127 I 54 E. 2b S.
56; 124 I 241 E. 2 S. 242). Damit sich die Parteien ein Bild über die
Erwägungen des Gerichts machen können, ist sein Entscheid zu begründen. Die
Begründung muss kurz die Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat
leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist
hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich
auseinander setzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Es
genügt, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann
(BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236; 126 I 97 E. 2b S. 102 f., je mit Hinweisen).

3.4 Dass der Beschwerdeführer nicht hätte erkennen können, auf welche
Ausführungen der Gegenpartei sich das Obergericht gestützt hat, behauptet er
nicht. An der vom Obergericht angeführten Stelle der Appellationsantwort
setzt sich der Beschwerdegegner mit dem eingereichten Abrechnungsbeleg
einlässlich auseinander. Insbesondere bringt er vor, die Bauabrechnung sei
weder aussagekräftig noch nachvollziehbar. So werde etwa der darin
aufgeführte Saldovortrag von Fr. 361'178.90 weder belegt noch begründet noch
lägen entsprechende Akten vor. Unklar seien ebenfalls zahlreiche Buchungen
die sogleich wieder storniert worden seien. Sodann figurierten unter den
behaupteten Kosten für den Umbau solche für Werbematerial, welche nicht
Bestandteil der Bauabrechnung bilden könnten. Der Beschwerdeführer hat nach
eigenen Angaben erkannt, dass sich das Obergericht diese Auffassung zu eigen
machte. Demnach konnte er aber auch erkennen, aus welchen Gründen das
Obergericht den betreffenden Beleg nicht als beweiskräftig erachtete. Von
einer Verletzung des Gehörsanspruchs nach Art. 29 Abs. 2 BV kann keine Rede
sein.

3.5 Im Übrigen bezeichnet der Beschwerdeführer keine Vorschrift des
kantonalen Prozessrechts, welche es dem Gericht versagen würde, seine Urteile
durch Hinweise auf Vorbringen unterer Instanzen oder der Gegenpartei zu
begründen, so dass eine willkürliche Anwendung kantonalen Prozessrechts von
vornherein ausscheidet. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern es
verfassungsmässige Rechte der Bürger  verletzen soll, wenn die Gerichte bei
der Urteilsbegründung auf den Parteien bekannte Akten verweisen, ohne deren
Inhalt wiederzugeben (vgl. z. B. Art. 36a Abs. 3 OG).

3.6 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei seiner Behauptungslast
hinreichend nachgekommen, der Beschwerdegegner habe die Behauptungen aber
ungenügend bestritten, zeigt er nicht ansatzweise auf, inwiefern die
Auffassung der Vorinstanz, die vom Gegenteil ausging, in tatsächlicher
Hinsicht offensichtlich unhaltbar sein soll (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211
mit Hinweisen). Die blosse Behauptung, das Obergericht sei in Willkür
verfallen, genügt den Begründungsanforderungen im Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde nicht (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 130 I 26 E.
2.1 S. 31, 258 E. 1.3 S. 261 f.). Mangels hinreichender Auseinandersetzung
mit dem angefochtenen Entscheid ist die Rüge nicht zu hören.

4.
4.1 Das Obergericht legt dar, der Beschwerdeführer habe einen zur Verrechnung
gestellten Schaden wegen der behauptetermassen um zweieinhalb Monate
verspäteten Eröffnung des Sportzentrums vor der ersten Instanz zwar erwähnt,
aber nicht beziffert. Die erstmalige Bezifferung des Schadens im
Appellationsverfahren (Fr. 131'326.10) stelle eine unzulässige Änderung des
Rechtsbegehrens im Sinne von § 98 Abs. 2 ZPO/LU dar.

4.2 Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht diesbezüglich Aktenwidrigkeit
und willkürliche Anwendung von § 98 ZPO/LU vor. Er führt aus, der im Rahmen
der Widerklage eingeklagte Betrag von Fr. 160'000.-- setze sich aus
Verzögerungsschaden wegen verspäteter Eröffnung, Mängeln sowie Planungs- und
Bauleitungsfehlern zusammen. Wenn der Beschwerdeführer in der Appellation den
Schaden für die verspätete Eröffnung mit Fr. 131'326.10 beziffert habe,
stelle dies keine Klageänderung dar, bleibe doch das Rechtsbegehren
unverändert.

4.3 Wie es sich damit verhält kann offen bleiben. Die Aufhebung eines
Entscheides rechtfertigt sich nämlich nur, wenn er sich nicht nur in
einzelnen Punkten seiner Begründung, sondern auch im Ergebnis als
verfassungswidrig erweist (BGE 131 I 217 E. 2.1 S. 219; 129 I 8 E. 2.1 S. 9,
je mit Hinweisen). Das Amtsgericht hat mit Bezug auf den behaupteten
Verspätungsschaden festgehalten, der Beschwerdeführer habe lediglich einen
Beweisantrag für den Verzug des Beschwerdegegners, nicht aber für den
entstandenen Schaden gestellt. Selbst wenn das Obergericht verfassungswidrig
von mangelnder Bezifferung des Schadens ausgegangen wäre, könnte der
betreffende Betrag dem Beschwerdeführer daher nicht zugesprochen werden, legt
er doch in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht dar, diese bestrittene
Schadensposition mit Beweisanträgen untermauert zu haben. Auf die Rüge ist
nicht einzutreten.

5.
5.1 Was die Behauptung mangelhafter Werkausführung durch den Beschwerdegegner
anbelangt, führte das Amtsgericht aus, der Beschwerdeführer habe diverse
Mängel aufgezählt, daraus aber nichts Konkretes für sich abgeleitet, d. h.
keine entsprechenden Rechtsbegehren gestellt. Wiederum liess das Amtsgericht
den betreffenden Anspruch am Nachweis eines dem Beschwerdeführer aus den
behaupteten Mängeln entstandenen Schadens scheitern. Mit der Appellation hat
der Beschwerdeführer gerügt, dass das Amtsgericht seinem Antrag auf
Durchführung einer Expertise nicht gefolgt ist, welche nicht nur zur
Feststellung des Bestehens der Werkmängel, sondern auch zur Feststellung der
mutmasslichen Höhe der Kosten für die Behebung dieser Mängel hätte dienen
sollen. Das Obergericht schloss sich jedoch der Rechtsauffassung des
Amtsgerichts an. Es erwog, der Beschwerdeführer könne aus den einzelnen
Mängeln nichts Konkretes für sich ableiten, weil er sich darauf beschränkt
habe, die Kosten der Behebung pauschal auf mindestens Fr. 80'000.-- zu
beziffern.

5.2 Der Beschwerdeführer erblickt darin eine willkürliche Anwendung von § 70
ZPO/LU und eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Seiner Meinung nach
haben seine Behauptungen betreffend Werkmängel und voraussichtliche Kosten
der Mängelbehebung genügt, um die Pflicht des Obergerichts zu begründen,
seinem Beweisantrag um Durchführung einer Expertise stattzugeben. Dem
Beweisführer könne nicht zugemutet werden, alle Einzelheiten hinsichtlich
eines vom gerichtlichen Sachverständigen zu begutachtenden Sachverhalts
substanziiert vorzubringen.

5.3 Nach § 70 Abs. 1 ZPO/LU haben die Rechtsschriften nebst der Angabe des
Streitwerts, der Darlegung der rechtserheblichen Tatsachen und der
Beweisanträge zu den beweisbedürftigen Tatsachen die Begehren zu enthalten.
Unzulässig ist es, fehlende tatsächliche Darlegungen durch Beweisanträge zu
heilen bzw. im Rahmen des Beweisverfahrens ersetzen zu lassen, es sei denn,
die Substanziierungspflicht finde ihre Grenze in der Unzumutbarkeit für die
betroffene Partei (Studer/Rüegg/Eiholzer, Der Luzerner Zivilprozess, N. 4 zu
§ 70 ZPO, mit Hinweisen auf die kantonale Rechtsprechung; vgl. auch
Bühlmann/Rüegg/Eiholzer, Ergänzungen zum Luzerner Zivilprozess, N. 1 zu § 70
ZPO). § 92 ZPO/LU sieht vor, dass jedes Rechtsbegehren so bestimmt sein muss,
dass es als Grundlage des richterlichen Urteilsspurchs dienen kann (Abs. 1).
Kann die Höhe einer Forderung zu Beginn des Prozesses nicht genau beziffert
werden, weil sie vom Beweisergebnis abhängt, ist dies nach der Beweiserhebung
nachzuholen (Abs. 2). Dabei handelt es sich um die Konkretisierung eines
allgemeinen Rechtsgrundsatzes (BGE 112 Ib 334 S. 335 f.; 122 III 237 nicht
publizierte E. 2a, je mit Hinweisen). Im Übrigen ist eine Änderung oder
Ergänzung des Rechtsbegehrens (im Sinne eines Mehr oder Anderen) innerhalb
des Klagefundaments - unter weiteren, hier gegebenen Voraussetzungen -
erstinstanzlich bis zum Parteivortrag an der Hauptverhandlung gestattet (§ 98
Abs. 1 ZPO), wobei eine solche Änderung des Rechtsbegehrens als Klageänderung
gilt, welche vor zweiter Instanz nicht mehr zulässig ist (§ 98 Abs. 2 ZPO;
LGVE 2003 I Nr. 33 S. 66 f.).
5.4 Der staatsrechtlichen Beschwerde ist nicht zu entnehmen, und es ist nicht
nachvollziehbar, weshalb es für den Beschwerdeführer unzumutbar hätte sein
sollen, für jeden einzelnen Mangel anzugeben, wie viel dessen Behebung kosten
würde, zumal er in der Lage war, die Behebungskosten auf insgesamt Fr.
80'000.-- anzusetzen. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, inwiefern
das Obergericht § 70 ZPO unrichtig, geschweige denn willkürlich angewandt
haben soll, indem es die Durchführung der verlangten Expertise verweigerte
und dies mit der wiedergegebenen kantonalen Rechtsprechung begründete. Die
Rüge ist unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen gemäss Art. 90
Abs. 1 lit. b OG überhaupt genügt.

6.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist insgesamt abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer für
das bundesgerichtliche Verfahren kosten- und entschädigungspflichtig (Art.
156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Oktober 2006

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: