Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.102/2006
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{T 0/2}
4P.102/2006 /ruo

Urteil vom 29. August 2006

I. Zivilabteilung

Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, Bundesrichter Favre,
Mathys,
Gerichtsschreiber Huguenin.

A. ________,
Gesuchstellerin,
vertreten durch Herrn Dr. Balz Gross und
Frau Mariella Orelli,

gegen

B.________,
Gesuchsgegnerin,
vertreten durch Herrn Nicolas Ulmer und
Herrn Dr. Franz Stirnimann,
ICC Schiedsgericht Genf, c/o RA Dr. Bernhard F. Meyer-Hauser, Obmann,
Kreuzstrasse 42, 8008 Zürich.

Revision eines Schiedsspruches,

Sachverhalt:

A.
Die A.________ (Beklagte und Gesuchstellerin) ist eine Gesellschaft mit Sitz
auf den X.________, die über Büros in M.________ verfügt. Die B.________
(Klägerin und Gesuchsgegnerin) ist eine nach dem Recht der Y.________-Inseln
inkorporierte Gesellschaft.

A.a Am 10. April 2001 schlossen die Parteien eine Call-Option-Vereinbarung
(im Folgenden: April-Vereinbarung oder AOA). Danach räumte die A.________ der
B.________ eine Kaufoption bis zu 77.7% der Gesellschaftsanteile der auf den
Z.________ inkorporierten C.________ ein. Die Parteien erklärten englisches
Recht als anwendbar. Nach Art. 13.1 AOA sollen Streitigkeiten aus diesem
Vertrag und über Bestand und Gültigkeit dieses Vertrags von einem
Schiedsgericht in Zürich beurteilt werden.

A.b Am 14. Dezember 2001 schlossen die Parteien eine zweite Call-
Option-Vereinbarung (im Folgenden Dezember-Vereinbarung oder DOA). Danach
räumte die A.________ der B.________ eine Kaufoption für die restlichen 22.3%
der C.________-Anteile ein. Die Parteien erklärten englisches Recht für
anwendbar (Art. 14.1 DOA). Nach Art. 14.2 DOA sollen Streitigkeiten aus
diesem Vertrag und über dessen Bestand und Gültigkeit von einem
IHK-Schiedsgericht mit Sitz in Genf entschieden werden.

A.c Der Zweck der beiden Vereinbarungen vom April und Dezember 2001 bestand
in einem indirekten Verkauf der D.________, einer russischen Gesellschaft,
die zu 99,99% von C.________ beherrscht wurde. D.________ war ihrerseits
Inhaberin von 25.1% der Gesellschaftsanteile von E.________, einer der
grössten Mobiltelefon-Betreiberinnen in Russland.

A.d Mit zwei Erklärungen vom Juli und August 2003 übte die B.________ die
Kaufoptionen nach der April- und der Dezember-Vereinbarung aus. Die
A.________ bestritt darauf sowohl die Gültigkeit dieser Erklärungen wie die
Gültigkeit der AOA und der DOA. Zuvor hatte die A.________ im Dezember 2002
schon 49.9% ihrer Anteile an C.________ auf drei panamesische Gesellschaften
übertragen; die restlichen 50.1 % an C.________ übertrug sie im Juli 2003 auf
weitere sechs Gesellschaften. Diese neun Gesellschaften verkauften ihre
Anteile an D.________ im August an drei auf den X.________ inkorporierte
Gesellschaften, die der russischen F.________ gehören.

A.e Mit Begehren vom August 2003 und vom Oktober 2003 leitete die B.________
die Schiedsverfahren gemäss AOA und DOA ein. Im Verfahren vor dem
Schiedsgericht Zürich (ad-hoc-Schiedsgericht Zürich) sind am 19. Oktober 2004
und am 16. Mai 2006 Zwischenentscheide ergangen.

Im zweiten Zwischenentscheid vom 16. Mai 2006 erklärte das ad-hoc
Schiedsgericht Zürich, dass die April-Vereinbarung eine illegale Transaktion
und rechtlich nicht durchsetzbar sei wegen rechtswidriger Zwecksetzung und
rechtswidrigen Vorgehens. Das ad-hoc-Schiedsgericht kam zum Schluss, die
Parteien hätten mit der April-Vereinbarung die russische staatseigene
Q.________ zugunsten der B.________ um ihren Mehrheitsanteil an der
D.________ gebracht und gewichtige Indizien sprächen dafür, dass der als
Zeuge Nr. 7 angerufene wirtschaftliche Eigentümer der B.________ sich mit
nach russischem Recht strafbaren Handlungen den Mehrheitsanteil an der
D.________ verschafft habe, was nach englischem Recht dazu führe, dass die
April-Vereinbarung rechtlich nicht durchsetzbar bzw. nicht vollstreckbar
(unenforceable) sei. Das ad-hoc-Schiedsgericht kam zudem zum Schluss, die
April-Vereinbarung erfülle den Tatbestand der Geldwäscherei im Sinne des
schweizerischen Strafgesetzbuches.

B.
Das zur Beurteilung von Streitigkeiten aus der Dezember-Vereinbarung
eingesetzte IHK-Schiedsgericht erliess am 16. August 2004 einen Endentscheid.

Das Schiedsgericht stellte in diesem Entscheid insbesondere fest, dass die
B.________ ihr Optionsrecht gemäss der Dezember-Vereinbarung gültig ausgeübt
habe und dass die Klägerin gegenüber der A.________ Anspruch auf Übertragung
von 22.3% des Gesellschaftskapitals der C.________ habe, wobei C.________
99,99% des Kapitals der D.________ halte und D.________ über 25.1% des
Gesellschaftskapitals von E.________ verfüge ("E.________-Beteiligungen").
Das Schiedsgericht verpflichtete die A.________, der B.________ gegen
Anerbieten von 16 Millionen US-Dollars die "E.________-Beteiligungen" zu
übertragen. Es erklärte diesen Entscheid  hinsichtlich der Frage der
Realerfüllung als endgültig, behielt jedoch allfälligen Schadenersatz der
B.________ für den Fall vor, dass die A.________ aus ausserhalb ihres
Machtbereichs liegenden Gründen nicht erfüllen könne. Das Schiedsgericht kam
in Würdigung der ihm vorliegenden Beweise zum Schluss, die
Dezember-Vereinbarung sei gültig und vollstreckbar. Es hielt das Vorbringen
der A.________ nicht für bewiesen, dass die beiden Vereinbarungen vom April
und Dezember 2001 Teil eines Geldwäschereisystems gebildet hätten und im
Widerspruch zur russischen Kartellgesetzgebung ständen. Im Zusammenhang mit
dem Vorwurf der Geldwäscherei klärte das Schiedsgericht zunächst beweismässig
die wirtschaftliche Berechtigung an der B.________ ab. Es gelangte zum
Schluss, der dänische Anwalt S.________ sei der wirtschaftlich Berechtigte.
Konkrete Anhaltspunkte für die behauptete deliktische Herkunft der Mittel der
B.________ habe die A.________ nicht vorzulegen vermocht, und das
schriftliche Zeugnis eines ehemaligen Angestellten der B.________ hielt das
Schiedsgericht nicht für glaubwürdig. Das von der A.________ dargestellte
Transaktionssystem zwischen verschiedenen Gesellschaften, Banken und
Stiftungen, die alle vom selben wirtschaftlich Berechtigten beherrscht seien,
würdigte das Schiedsgericht grundsätzlich als zutreffend. Es folgte jedoch
der Begründung von S.________, dass die komplexe Struktur der Gesellschaften
organisch gewachsen und aus steuerlichen Gründen so beibehalten worden sei.
Die Erklärungen von S.________ zu den Transaktionen erschienen dem
Schiedsgericht nachvollziehbar, zumal mehrere Anwaltskanzleien
zufriedenstellende Due Diligence-Prüfungen betreffend die B.________
durchgeführt hatten.

Das Bundesgericht wies eine Beschwerde der A.________ gegen das Schiedsurteil
vom 16. August 2004 am 14. Dezember 2004 ab, soweit darauf einzutreten war
(4P.208/2004). Insbesondere wurde die Rüge der Verletzung von Art. 190 Abs. 2
lit. e IPRG abgewiesen aus der Erwägung, die Verpflichtung der A.________ zur
Erfüllung des  Vertrages zwinge diese nicht zur Teilnahme an Geldwäscherei,
nachdem das Schiedsgericht den entsprechenden Vorwurf gegenüber der
B.________ in Würdigung der Behauptungen und Belege verworfen habe (E. 6).

C.
Mit Eingabe vom 12. April 2006 ersucht die A.________ um Revision des
Schiedsgerichtsurteils vom 16. August 2004. Sie beruft sich auf Art. 137 lit.
b OG und legt das Affidavit eines Organs der B.________ vom 13. Januar 2006
ins Recht, das dem Londoner Privy Council in einem anderen Verfahren
eingereicht wurde, und in dem unter Verweis auf drei Dokumente insbesondere
erklärt wird, das oberste Exekutivorgan der B.________ halte an der
Behauptung nicht fest, dass S.________ an der B.________ wirtschaftlich
allein berechtigt sei.

Die Gesuchstellerin stellt das Rechtsbegehren, es sei das
Schiedsgerichtsurteil Nr. 12875/MS vom 16. August 2004 vollumfänglich
aufzuheben und das Verfahren zur Neubeurteilung ihrer im
Schiedsgerichtsverfahren gestellten Anträge an das Schiedsgericht
zurückzuweisen. Sie stellt ausserdem die Editionsbegehren, es sei die
Gesuchsgegnerin zu verpflichten, die im Affidavit vom 16. Januar 2006
erwähnten Dokumente herauszugeben, nämlich das Schreiben der Kanzlei von
S.________ an Dr. T.________ vom 11. Juni 2002, die Aktennotiz von Dr.
U.________ vom 2. August 2001 sowie die Erklärung an die Bank V.________
betreffend die wirtschaftliche Berechtigung an der Anstalt K.________ (die
Gesuchsgegnerin sei auch zu verpflichten, Dokumente zu edieren, aus denen
sich der Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung ergebe); eventuell sei der
Obmann des ad-hoc-Schiedsgerichts Zürich anzuweisen, die in diesem Verfahren
als Exhibit C-993, C-994 und C-995a und b bezeichneten Dokumente zu edieren.

D.
Die Gesuchsgegnerin stellt in ihrer Vernehmlassung die Rechtsbegehren, auf
das Revisionsgesuch sei nicht einzutreten (Ziffer 1). Ausserdem beantragt
sie, auf das Editionsbegehren sei nicht einzutreten, eventualiter sei es
abzuweisen, subeventualiter nur mit strengen Auflagen und Schutzmassnahmen zu
bewilligen (Ziffer 2).

E.
Der Zwischenentscheid des ad-hoc-Schiedsgerichts Zürich vom 16. Mai 2006
betreffend dieselben Parteien, auf den die Gesuchsgegnerin in der
Vernehmlassung verweist und den sie mit Beschwerde beim Bundesgericht
angefochten hat (4P.168/2006), wurde vom Bundesgericht beigezogen.

F.
Mit zwei Eingaben vom 14. August 2006 beantragte die Gesuchstellerin die
Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels und stellte in einer Noveneingabe
ein weiteres Revisionsgesuch, mit dem sie ebenfalls die Aufhebung des
Schiedsurteils vom 16. August 2004 und die Rückweisung des Verfahrens zur
Neubeurteilung an das Schiedsgericht beantragt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 18. Dezember 1987
(IPRG) enthält keine Bestimmungen betreffend die Revision von
Schiedsentscheiden im Sinne von Art. 176 ff. IPRG. Nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichts, das diese Gesetzeslücke gefüllt hat, stellt das
Bundesrecht den Parteien eines internationalen Schiedsgerichtsverfahrens das
ausserordentliche Rechtsmittel der Revision zur Verfügung, für welches die
Zuständigkeit des Bundesgerichts gegeben ist (BGE 118 II 199 E. 3). Die
Revisionsgründe sind diejenigen, die in Art. 137 OG vorgesehen sind, und auf
das Verfahren finden die Art. 140 bis 143 OG sinngemäss Anwendung (BGE 118 II
199 E. 4; Urteil 4P.120/2002 vom 3. September 2003 E. 1.1, publ. in Praxis
2002 S. 1041). Das Bundesgericht ist für die Revision aller internationalen
Schiedsgerichtsentscheide zuständig, handle es sich um Endentscheide,
Teilentscheide oder Zwischenentscheide (BGE 122 III 492 ff.). Heisst das
Bundesgericht ein Revisionsgesuch gut, entscheidet es nicht selbst in der
Sache, sondern weist diese an das Schiedsgericht, das entschieden hat, oder
an ein neu zu bildendes Schiedsgericht zurück (vgl. Rigozzi/Schöll, Die
Revision von Schiedssprüchen nach dem 12. Kapitel des IPRG, Bibliothek zur
ZSR, Beiheft 37, Basel 2002, S. 55 f.).

2.
Die Gesuchstellerin beruft sich auf den Revisionsgrund von Art. 137 lit. b
OG. Danach ist die Revision zulässig, wenn der Gesuchsteller nachträglich
neue erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet,
die er im früheren Verfahren nicht beibringen konnte.

2.1 Als neu gelten Tatsachen, die sich in einem Zeitpunkt ereignet haben, in
dem sie im Hauptverfahren noch vorgebracht werden konnten, die aber dem
Revisionsgesuchsteller trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die
neuen Tatsachen müssen erheblich sein, das heisst sie müssen geeignet sein,
die tatsächliche Grundlage des angefochtenen Urteils zu verändern, so dass
sie bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung
führen können. Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision
begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu
dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt waren, aber zum Nachteil des
Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind. Sollen bereits vorgebrachte
Tatsachen mit den neuen Mitteln bewiesen werden, so hat der Gesuchsteller
darzutun, dass er die Beweismittel im früheren Verfahren nicht beibringen
konnte. Erheblich ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist, es hätte zu
einem andern Urteil geführt, falls das Gericht im Hauptverfahren davon
Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss
der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsermittlung dient. Ein
Revisionsgrund ist nicht schon dann gegeben, wenn das Gericht bereits im
Hauptverfahren bekannte Tatsachen unrichtig gewürdigt hat. Notwendig ist
vielmehr, dass die unrichtige Würdigung erfolgte, weil für den Entscheid
wesentliche Tatsachen unbewiesen geblieben sind (BGE 110 V 138 E. 2 S. 141;
vgl. auch BGE 118 II 199 E. 5 S. 205; 121 IV 317 E. 2 mit Verweisen). Wird
die Revision eines internationalen Schiedsgerichtsurteils beantragt,  hat das
Bundesgericht gestützt auf die in diesem Urteil aufgeführten Entscheidgründe
zu beurteilen, ob die Tatsache erheblich ist und - wäre sie bewiesen worden -
wahrscheinlich zu einem anderen Entscheid geführt hätte.

2.2 Die Gesuchstellerin hatte schon im Schiedsgerichtsverfahren behauptet,
der wirtschaftlich an der damaligen Klägerin Berechtigte sei ein bestimmter
Funktionsträger des russischen Staates, wie im angefochtenen Entscheid in Rz.
148 festgestellt wird. Sie hatte darauf  ihre Behauptung der Geldwäscherei
gestützt. Das Schiedsgericht hielt für die Beurteilung dieses Einwands der
damaligen Beklagten für erforderlich, den wirtschaftlich an der Klägerin im
Schiedsverfahren Berechtigten zu identifizieren, wie in Rz. 149 des
Schiedsentscheids vom 16. August 2004 dargelegt wird, wobei gemäss Rz. 150
die grosse Mehrheit der Gesellschaften und alle Gelder ein und derselben
Person gehören. Das Schiedsgericht gelangte in Würdigung der damals
vorliegenden Beweise zum Schluss, der wirtschaftlich an der Klägerin
Berechtigte sei der dänische Anwalt S.________. Die gegenteilige Behauptung
der Beklagten hielt das Gericht nicht für erwiesen. Die damalige Beklagte und
heutige Gesuchstellerin reicht im vorliegenden Verfahren die eidesstattliche
Erklärung (Affidavit) eines Organs der Klägerin vom 16. Januar 2006 ein, in
dem gestützt auf drei bestimmt bezeichnete, aber nicht beigelegte Dokumente
erklärt wird, das oberste Exekutivorgan der damaligen Klägerin halte an der
Behauptung nicht fest, der dänische Anwalt S.________ sei an ihr
wirtschaftlich allein berechtigt. Die Gesuchstellerin stützt ihr
Revisionsgesuch im vorliegenden Verfahren auf diese Dokumente, deren Edition
sie verlangt und für deren Inhalt sie sich eventuell auf die Darstellung in
der eidesstattlichen Erklärung vom 16. Januar 2006 und ihre eigene
Zusammenfassung (Beilage 12) beruft.

3.
Der Beizug der in der eidesstattlichen Erklärung vom 16. Januar 2006
genannten Dokumente ist für die Beurteilung des Revisionsgesuchs nicht
erforderlich. In der eidesstattlichen Erklärung wird der Inhalt dieser drei
Dokumente beschrieben und die Rechtsvertreter der Gesuchstellerin haben
diesen Inhalt aufgrund der Kenntnisnahme im Verfahren vor dem ad-hoc
Schiedsgericht Zürich aus ihrer Sicht zusammengefasst (Beilage 12). Die
Gesuchstellerin macht zwar geltend, der Inhalt der drei Dokumente sei in der
eidesstattlichen Erklärung vom 16. Januar 2006 mindestens teilweise falsch
oder geradezu irreführend dargestellt. Abgesehen davon, dass sie jedoch nicht
im Einzelnen ausführt, in welcher Hinsicht sie die Darstellung in der
eidesstattlichen Erklärung als geradezu irreführend erachtet, ist der Inhalt
der Dokumente im vorliegenden Zusammenhang nur insofern von Bedeutung, als
sich daraus die fehlende wirtschaftliche Alleinberechtigung des dänischen
Anwalts an der Klägerin ergibt, welche das Schiedsgericht im Entscheid vom
16. August 2004 als erwiesen angesehen hat bzw. sich umgekehrt die von der
Gesuchstellerin schon im Schiedsverfahren behauptete wirtschaftliche
Berechtigung des von ihr genannten Funktionsträgers des russischen Staates
belegen lässt. Dies trifft aber sowohl nach den Angaben in der
eidesstattlichen Erklärung vom 16. Januar 2006 wie auch nach der
vertraulichen Zusammenfassung der Gesuchstellerin in Beilage 12 ihres Gesuchs
zu. Die Gesuchstellerin weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin,
dass gemäss Ziffer 28 der eidesstattlichen Erklärung aus einem Schreiben der
Kanzlei von S.________ an Dr. T.________ vom Juni 2002 hervorgeht, dass der
russische Funktionär seit über zehn Jahren deren Klient und letztlich der
wirtschaftlich Berechtigte an B.________ war. Die Gesuchsgegnerin bestreitet
in der Antwort zwar, dass die wirtschaftliche Berechtigung an ihr für den
Vorwurf der Geldwäscherei erheblich sei, stellt den Inhalt dieser Erklärung
jedoch ebenso wenig in Frage wie denjenigen der Aktiennotiz Dr. U.________
vom 2. August 2001 oder der Erklärung an die Bank V.________. Nach der
Aktennotiz vom 2. August 2001 über eine Besprechung bestätigten der Anwalt
S.________ und einer seiner Büropartner, dass der russische Funktionär der
wirtschaftlich Berechtigte bestimmter, mit B.________ konzernverwandter
Gesellschaften ist. In der Erklärung an die Bank V.________ wird bestätigt,
dass der russische Funktionär der wirtschaftlich Berechtigte an der
liechtensteinischen Anstalt K.________ war, die ihrerseits zu den mit der
Gesuchsgegnerin wirtschaftlich verbundenen Gesellschaften gehört. Aus diesen
Gründen ist das Editionsbegehren der Gesuchstellerin abzuweisen.

4.
Das Gesuch um Revision des Schiedsurteils vom 16. August 2004 ist
gutzuheissen, wenn es innerhalb der Frist von Art. 141 Abs. 1 lit. b OG
gestellt worden ist und die Voraussetzungen von Art. 137 lit. b OG erfüllt.

4.1  Nach Art. 141 Abs. 1 lit. b OG muss das Revisionsgesuch bei Folge der
Verwirkung in den Fällen des Artikels 137 binnen 90 Tagen, von der Entdeckung
des Revisionsgrundes an, beim Bundesgericht anhängig gemacht werden. Danach
beginnt die Frist, sobald der Gesuchsteller hinreichend sichere Kenntnis von
den massgebenden Tatsachen oder Beweismitteln hat (BGE 95 II 283 E. 2b S.
286; Poudret/Sandoz, Commentaire de la loi d'organisation judiciaire, N. 1.2
zu Art. 141 OG). Dies traf hier spätestens zu, als die Gesuchstellerin die
eidesstattliche Erklärung des Organs der Gesuchsgegnerin zur Kenntnis nahm,
in der die Existenz und der Inhalt der Dokumente dargestellt werden, auf die
sich die Gesuchstellerin zum Beweis ihrer im Hauptverfahren aufgestellten
Tatsachenbehauptung über die Identität des an der Gesuchsgegnerin
wirtschaftlich Berechtigten beruft und die sie zur Begründung ihres
Revisionsgesuchs anführt. Die eidesstattliche Erklärung datiert vom 16.
Januar 2006 und das Revisionsbegehren wurde am 12. April 2006 eingereicht.
Das Revisionsgesuch wurde somit innert 90 Tagen seit Ausstellung der
eidesstattlichen Erklärung gestellt, von der die Gesuchstellerin früher keine
Kenntnis haben konnte. Die Frist ist in jedem Fall gewahrt, sofern die
Gesuchstellerin von den dort erwähnten drei Dokumenten nicht bereits früher
Kenntnis hatte. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte. Die Gesuchsgegnerin
bringt zwar in der Antwort vor, die Gesuchstellerin habe verfehlt, ihre
unverschuldete Unkenntnis der neuen Beweismittel darzulegen und habe
insbesondere im Hauptverfahren nicht hinreichend auf ihren Editionsbegehren
und Beweisanträgen zur Frage der wirtschaftlichen Berechtigung beharrt. Sie
behauptet aber nicht und es ist auch nicht ersichtlich, dass die
Gesuchstellerin von den in der eidesstattlichen Erklärung vom 16. Januar 2006
konkret erwähnten Dokumenten vor dem 16. Januar 2006 überhaupt Kenntnis
hatte. Das Revisionsgesuch ist demnach fristgerecht eingereicht worden.

4.2 Die als Revisionsgrund angerufenen Dokumente sind unechte Noven und damit
als neue Beweismittel im Sinne von Art. 137 lit. b OG zu qualifizieren (vgl.
Escher, in: Geiser/Münch (Hrsg.), Prozessieren vor Bundesgericht,  § 8
Revision und Erläuterung, 2. Aufl., Basel 1998, Rz. 8.21). Die in der
eidesstattlichen Erklärung vom 13. Januar 2006 erwähnten Dokumente datieren
vom August 2001 und vom Juni 2002, während der Zeitpunkt der Erklärung
gegenüber der Bank V.________ nach dem Wissensstand der Gesuchstellerin nicht
feststeht. Mindestens die beiden Dokumente vom August 2001 und Juni 2002
lagen damit zwar im Urteilszeitpunkt vom 16. August 2004 vor, konnten jedoch
von der Gesuchstellerin im früheren Verfahren nicht beigebracht werden, da
diese von deren Existenz keine Kenntnis hatte.

Auch die Erheblichkeit der neuen Beweismittel ist zu bejahen. Sie dienen dem
Beweis einer Tatsache, deren Kenntnis nach den Erwägungen des Schiedsgerichts
im Urteil vom 16. August 2004 für die Abklärung des von der damaligen
Beklagten erhobenen Vorwurfs der Geldwäscherei notwendig ist. Die als neue
Beweismittel angerufenen Dokumente dienen nicht der Sachverhaltswürdigung,
sondern der Sachverhaltsermittlung (oben E. 2.1). Sie sind geeignet, die vom
Schiedsgericht für die Beurteilung der Geldwäscherei ausdrücklich erheblich
erklärte Tatsache der Identität der wirtschaftlichen Berechtigung an der
Gesuchsgegnerin im Sinne der Gesuchstellerin zu beweisen. Das Schiedsgericht
hielt aufgrund der damaligen Beweislage die wirtschaftliche Berechtigung des
dänischen Anwalts in Übereinstimmung mit der Darstellung der Gesuchsgegnerin
für bewiesen, während sie die Behauptung der Gesuchstellerin für nicht
nachgewiesen hielt. Die in der eidesstattlichen Erklärung erwähnten Dokumente
veranlassten jedoch das Exekutivorgan der Gesuchsgegnerin selbst, an der
früheren Behauptung der wirtschaftlichen Alleinberechtigung des Anwalts
S.________ nicht festzuhalten, wie in der Erklärung vom 16. Januar 2006
dargelegt wird. Die in dieser Erklärung erwähnten Dokumente sind daher
geeignet, die vom Schiedsgericht als erheblich erachtete Tatsache der von der
Gesuchstellerin behaupteten Identität des wirtschaftlich an der
Gesuchsgegnerin Berechtigten zu beweisen.

5.
Aus diesen Gründen ist das Revisionsgesuch gutzuheissen und der Entscheid des
Schiedsgerichts im Verfahren Nr. 12875/MS vom 16. August 2004 aufzuheben. Die
Streitsache ist an das von der Internationalen Handelskammer bestellte
Schiedsgericht mit Sitz in Genf zur neuen Beurteilung des von der
Gesuchstellerin erhobenen Vorwurfs der Geldwäscherei unter Berücksichtigung
der neuen Beweismittel der Gesuchstellerin sowie zu neuem Entscheid in der
Sache zurückzuweisen.
Das zweite Revisionsgesuch der Gesuchstellerin vom 14. August 2006 wird mit
der Aufhebung des Schiedsurteils vom 16. August 2004 gegenstandslos.

6.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind bei diesem Verfahrensausgang der
Gesuchsgegnerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie hat die
Gesuchstellerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art.
159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Editionsbegehren der Gesuchstellerin im vorliegenden Verfahren wird
abgewiesen.

2.
Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen. Der Entscheid vom 16. August 2004 des
Schiedsgerichts der Internationalen Handelskammer (Verfahren Nr. 12875/MS)
wird aufgehoben und die Streitsache wird an das von der Internationalen
Handelskammer bestellte Schiedsgericht mit Sitz in Genf zur neuen Beurteilung
des von der Gesuchstellerin erhobenen Vorwurfs der Geldwäscherei unter
Berücksichtigung der neuen Beweismittel der Gesuchstellerin zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 50'000.-- wird der Gesuchsgegnerin auferlegt.

4.
Die Gesuchsgegnerin hat die Gesuchstellerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 60'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem ICC Schiedsgericht Genf schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 29. August 2006

Im Namen der I. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: