Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.98/2006
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{T 0/2}
2A.98/2006 /bie

Urteil vom 24. Juli 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Wurzburger, Müller, Ersatzrichterin Stamm Hurter,
Gerichtsschreiber Häberli.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Aufsichtskommission über die Anwältinnen
und Anwälte des Kantons Basel-Stadt,
c/o Appellationsgericht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Disziplinaraufsicht über die Rechtsanwälte,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt
als Verwaltungsgericht vom 26. Oktober 2005.

Sachverhalt:

A.
Im Herbst 2004 - als bekannt wurde, dass die bei Dieter Behring angelegten
Kundengelder weitgehend verloren waren - hat Advokat X.________ in
Chiffre-Inseraten seine Dienste angeboten. Die Inserate waren mit der Frage
"Geldanlage verloren?" überschrieben, und es wurde eine "diskrete Einbringung
durch Anwaltsbüro in BS" in Aussicht gestellt. Zu den Kosten dieser
Dienstleistung hiess es darin weiter: "Einschreibegebühr CHF 1'000.--.
Anwaltshonorar nur im Erfolgsfall gemäss Vereinbarung". Nach eigener
Darstellung vermochte X.________ durch diese Inserate allerdings keine
Mandate zu akquirieren.

B.
Am 15. März 2005 belegte die Aufsichtskommission über die Anwältinnen und
Anwälte des Kantons Basel-Stadt X.________ mit einem Verweis; sie war zum
Schluss gekommen, X.________ habe sowohl gegen das Verbot des Erfolgshonorars
als auch gegen das Gebot der objektiven Werbung verstossen (Art. 12 lit. e
bzw. lit. d des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der
Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61). Hiergegen gelangte
X.________ erfolglos an das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
(Urteil vom 26. Oktober 2005).

C.
Am 17. Februar 2006 hat X.________ beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, den angefochtenen
Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass das "beurteilte Vorgehen [..]
keine Verletzung der anwaltlichen Berufsregeln darstelle"; eventuell sei die
Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Das Appellationsgericht sowie die Aufsichtsbehörde schliessen je auf
Abweisung der Beschwerde, während sich das Bundesamt für Justiz hat vernehmen
lassen, ohne Antrag zu stellen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Juni 2002 ist das eidgenössische Anwaltsgesetz in Kraft getreten,
welches neben den Berufsregeln (Art. 12 BGFA) insbesondere auch das
Disziplinarrecht (Art. 17 ff. BGFA) abschliessend regelt. Gegen
letztinstanzliche kantonale Disziplinarentscheide steht nunmehr gestützt auf
Art. 97 ff. OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG die eidgenössische
Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (BGE 130 II 270 E. 1.1 S. 272 f.; 129 II
297 E. 1.1 S. 299).

1.2 Mit diesem Rechtsmittel kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geltend gemacht
werden (Art. 104 lit. a und b OG). Demgegenüber kann - von hier nicht in
Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht die Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids gerügt werden (vgl.
Art. 104 lit. c OG). Soweit der Beschwerdeführer entsprechende Rügen erhebt,
ist auf seine Eingabe nicht einzutreten.

2.
2.1 Art. 12 lit. e BGFA untersagt Erfolgshonorare und bestimmt ausdrücklich,
dass Rechtsanwälte vor Beendigung eines Rechtsstreits keine Vereinbarung über
die Beteiligung am Prozessgewinn "als Ersatz für das Honorar" mit dem
Klienten abschliessen dürfen; weiter wird ihnen auch verboten, sich für den
Fall eines ungünstigen Verfahrensausgangs zu verpflichten, auf ihr Honorar zu
verzichten. Das Verbot von Erfolgshonoraren, welches vor Inkrafttreten des
eidgenössischen Anwaltsgesetzes bereits in den meisten einschlägigen
kantonalen Erlassen enthalten war (vgl. die bundesrätliche Botschaft zum
BGFA, BBl 1999 S. 6057), soll verhindern, dass der Rechtsanwalt seine
Unabhängigkeit verliert, weil er wegen der Erfolgsabrede am Prozessergebnis
persönlich interessiert ist. Weiter soll das Verbot der Gefahr begegnen, dass
der Rechtsuchende durch seinen Anwalt, der die Prozessaussichten besser
beurteilen kann als er, übervorteilt wird (BGE 113 la 279 E. 4a S. 284; vgl.
auch: Felix Wolffers, Der Rechtsanwalt in der Schweiz, Diss. Bern 1986, S.
165 f.; Giovanni Andrea Testa, Die zivil- und standesrechtlichen Pflichten
des Rechtsanwaltes gegenüber dem Klienten, Diss. Zürich 2000, S. 221 f.;
Heinrich Gattiker, Das Erfolgshonorar des Anwalts: Chancengleichheit im
rechtlichen Konflikt?, Diss. Zürich 1975, S. 38 f.; kritisch: Lorenz Höchli,
Das Anwaltshonorar, Diss. Zürich 1991, S. 84 ff.; Michael Pfeifer, Übersicht
und Überlegungen zum Erfolgshonorar von Rechtsanwälten, in: DACH -
Europäische Anwaltsvereinigung [Hrsg.], Das künftige Berufsbild des Anwalts
in Europa, Köln 2000, S. 95 ff.; Kaspar Schiller, Das Erfolgshonorar nach
BGFA, in: SJZ 100/2004 S. 356 f.).
2.2 Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars kann im Einzelfall sehr
unterschiedlich ausgestaltet sein. Ein solches liegt jedenfalls dann vor,
wenn die Bezahlung des Rechtsanwalts vom Ausgang des ihm übertragenen Mandats
abhängt und das endgültige Honorar im Zeitpunkt der Mandatserteilung noch
nicht feststeht (vgl. Walter Fellmann, in: Fellmann/Zindel [Hrsg.], Kommentar
zum Anwaltsgesetz, Zürich/Basel/ Genf 2005, N 119 zu Art. 12). Allerdings
wurde bisher nicht ausgeschlossen, dass bei Rechnungstellung unter anderem
auch der Prozessausgang berücksichtigt wird (vgl. BGE 93 I 116 E. 4 S. 121;
Fellmann, a.a.O., N 122 zu Art. 12), wobei das Verbot des Erfolgshonorars
jedoch nicht bereits mit einer geringfügigen erfolgsunabhängigen
Entschädigung unterlaufen werden kann (Schiller, a.a.O., S. 357). Der
Rechtsanwalt muss unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ein Honorar erzielen,
welches nicht nur seine Selbstkosten deckt, sondern ihm auch einen
angemessenen Gewinn ermöglicht. Die Bandbreite für die Berücksichtigung des
Erfolgs bei der Honorarbemessung bleibt deshalb relativ schmal (vgl.
Fellmann, a.a.O., N 123 zu Art. 12).

3.
3.1 Die streitigen Inserate waren gemäss den eigenen Angaben des
Beschwerdeführers vorab an die Gläubiger von Dieter Behrings
Finanzgesellschaften gerichtet. Es ist deshalb mit der Vorinstanz und der
Aufsichtskommission anzunehmen, dass die vom Beschwerdeführer gesuchten
Klienten meist grössere Geldbeträge verloren hatten, was - angesichts der
hohen Streitwerte - zu beträchtlichen Honorarforderungen hätte führen müssen
(vgl. § 4 der Honorarordnung für die Anwältinnen und Anwälte des Kantons
Basel-Stadt vom 15. Dezember 2004, in Kraft seit dem 1. Januar 2005).
Dementsprechend hätte die "Einschreibegebühr" von 1'000 Franken zum
Vornherein nur einem Bruchteil des normalerweise geschuldeten Anwaltshonorars
entsprochen. Bei diesen Gegebenheiten lässt sich die Auffassung der
Vorinstanz, die Bemessung des Honorars des Beschwerdeführers sei
grösstenteils vom Verfahrensausgang abhängig gewesen, nicht beanstanden,
zumal eine zusätzliche - zu vereinbarende - Entschädigung
unbestrittenermassen nur im Erfolgsfall geschuldet gewesen wäre.

3.2 Der Beschwerdeführer hat mithin gegen das Verbot des Erfolgshonorars
verstossen; was er diesbezüglich gegen den angefochtenen Entscheid vorbringt,
geht an der Sache vorbei:
3.2.1 Zunächst hat die Vorinstanz nicht verkannt, dass sich die Inserate vorab
an die Gläubiger von Dieter Behrings Finanzgesellschaften richteten; sie hat
insoweit lediglich - wie auch bezüglich mehrerer anderer Punkte - auf eine
Wiederholung der Erwägungen der Aufsichtskommission verzichtet (vgl. die
verschiedenen Verweise auf deren Verfügung im angefochtenen Entscheid).

3.2.2 Weiter hat der Beschwerdeführer mit der Unterscheidung zwischen
"Einschreibegebühr" und "Anwaltshonorar", die er in den Inseraten traf,
selber eine Zweiteilung des Mandats vorgenommen. Es erscheint deshalb
widersprüchlich, wenn er der Vorinstanz nunmehr eine Bundesrechtsverletzung
unterstellt, weil im angefochtenen Entscheid zwischen einer "vorprozessualen
Abklärungsphase" und einer "prozessualen Durchführungsphase" unterschieden
werde. Die Rüge ist zudem unbegründet, weil das Appellationsgericht gerade
keine entsprechende Aufteilung des Mandatsverhältnisses vorgenommen, sondern
eine solche vielmehr ausdrücklich abgelehnt hat.

3.2.3 Schliesslich verkennt der Beschwerdeführer, dass die Vorinstanz die
Frage offen gelassen hat, ob die Inkassomandate, welche mit den Inseraten
akquiriert werden sollten, juristisch anspruchsvoll oder - wie von ihm
behauptet - einfach gewesen wären. Unabhängig vom Aufwand, der dem
Beschwerdeführer durchschnittlich pro Mandat erwachsen wäre, hielt sie Art.
12 lit. e BGFA für verletzt. Ihres Erachtens war ausreichend, dass der
Beschwerdeführer als Bemessungskriterien für sein Honorar keinerlei konkrete
Umständen des Einzelfalls berücksichtigen wollte, sondern - abgesehen von der
"Einschreibegebühr" - allein auf den Erfolg bzw. Misserfolg seiner Bemühungen
abstellte. Diese Auffassung der Vorinstanz ist nach dem Gesagten nicht zu
beanstanden: Das Vorgehen des Beschwerdeführers lässt sich offensichtlich
nicht mit einem Pauschalhonorar vergleichen; diesfalls wird die vom Klienten
zu bezahlende Entschädigung im Voraus festgesetzt, während das geschuldete
Honorar hier weder bestimmt noch bestimmbar ist, weil es vom Ausgang des
Verfahrens abhängig gemacht wird. Ferner hätte auch die Vielzahl gleich
gelagerter Mandate, welche sich der Beschwerdeführer offenbar erhofft hatte,
nichts daran geändert, dass die von ihm bei einem Misserfolg einzig
vereinnahmte "Einschreibegebühr" von 1'000 Franken regelmässig nur einen
Bruchteil des für derartige Mandate üblichen Anwaltshonorars ausgemacht
hätte. Es bleibt dabei, dass der erfolgsabhängige Teil des Honorars
wesentlich grösser ist als der erfolgsunabhängige und damit weit über das
hinausgeht, was im Rahmen von Art. 12 lit. e BGFA noch zulässig ist (vgl.
E. 2).

4.
Art. 12 lit. d BGFA erlaubt es den Rechtsanwälten, Werbung zu machen, solange
diese objektiv bleibt und dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit
entspricht. Mit dieser Regelung hat der Bundesgesetzgeber das in
verschiedenen Kantonen zuvor noch geltende absolute Werbeverbot gelockert. Er
hat die Werbung jedoch nicht völlig freigegeben, sondern die Rechtsanwälte
ausdrücklich zur Objektivität verpflichtet. Ob angesichts dieser Formulierung
von Art. 12 lit. d BGFA wie bis anhin in vielen kantonalen Erlassen die
aufdringliche, marktschreierische Werbung (vgl. hierzu BGE 125 I 417 E. 4b S.
422 f.) verboten bleibt, oder ob damit lediglich geradezu unlautere bzw.
täuschende Werbung untersagt ist (so bspw. Fellmann, a.a.O., N 115 zu Art.
12), braucht hier nicht näher untersucht zu werden. Der Beschwerdeführer hat
in seinen Inseraten hauptsächlich mit dem Erfolgshonorar - bzw. den (relativ)
geringen Anwaltskosten im Falle eines Misserfolgs - geworben. Durch eine
derartige Anpreisung von ungesetzlichen, weil gegen die Berufsregeln
verstossenden Honorarvereinbarungen wird Art. 12 lit. d BGFA so oder anders
verletzt. Es versteht sich von selbst, dass die Rechtsanwälte bei der Werbung
sämtliche Berufsregeln (einschliesslich des Verbots des Erfolgshonorars)
wahren müssen (vgl. auch die Botschaft zum BGFA, BBl 1999 S. 6057).

5.
Mithin hat der Beschwerdeführer durch die Aufgabe der streitigen Inserate
gegen Art. 12 lit. d und lit. e BGFA verstossen. Für diese
Berufspflichtverletzungen ist ihm lediglich ein Verweis erteilt worden.
Angesichts dieser milden Disziplinarmassnahme erübrigen sich weitere
Ausführungen zum Sanktionsmass, welches vom Beschwerdeführer denn auch nicht
beanstandet wird.

6.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art.
156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Parteientschädigung
ist keine auszurichten (vgl. Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Aufsichtskommission über die
Anwältinnen und Anwälte des Kantons Basel-Stadt und dem Appellationsgericht
des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht sowie dem Eidgenössischen
Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Juli 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: