Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.792/2006
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2A.792/2006 /leb

Urteil vom 1. Mai 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Ersatzrichter Locher,
Gerichtsschreiber Fux.

A. ________ und B.C.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch STW Consult AG,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Wallis,
Bahnhofstrasse 35, 1951 Sitten,
Steuerrekurskommission des Kantons Wallis, Regierungsgebäude, place de la
Planta 3, 1951 Sitten.

Direkte Bundessteuer 1997/98,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission
des Kantons Wallis
vom 22. Oktober 2003.

Sachverhalt:

A.
A. C.________ war in den Bemessungsjahren 1995/96 als Realschullehrer in
X.________ tätig. Daneben betrieb er zusammen mit seiner Ehefrau B.________
das Hotel "D.________" in Y.________.

Für die direkte Bundessteuer der Steuerperiode 1997/98 deklarierten
A.________ und B.C.________ ein steuerbares Einkommen von Fr. 89'600.--.
Aufgrund einer Buchprüfung durch das kantonale Steuerinspektorat wurde unter
anderem festgestellt, dass im Jahr 1995 zweimal Beträge von je Fr. 50'000.--
von einem Konto bei der UBS auf Konten bei der Raiffeisenbank verschoben
wurden.

Die Steuerverwaltung des Kantons Wallis forderte die Ehegatten C.________ in
der Folge mehrmals unter Androhung einer Ordnungsbusse auf, die betreffenden
Kontoauszüge der UBS für die Zeitspanne vom 1. Dezember 1994 bis zum 31.
Dezember 1996 beizubringen. Weil die Steuerpflichtigen dieser Auflage nicht
nachkamen, wurden sie am 13. Oktober 1999 androhungsgemäss mit Fr. 500.-- und
am 15. November 2000 mit Fr. 1'000.-- gebüsst. Die erste Busse wurde nicht
angefochten; die gegen die zweite Busse eingelegten Rechtsmittel wurden
abgewiesen (Einspracheentscheid vom 9. Januar 2001 der Steuerverwaltung des
Kantons Wallis; Urteil vom 1. Juni 2001 des Einzelrichters des
Kantonsgerichts des Kantons Wallis).

Am 13. November 2000 veranlagte die Bezirkssteuerkommission A.________ und
B.C.________ für ein bei der direkten Bundessteuer 1997/98 steuerbares
Einkommen von Fr. 144'346.--. Dabei rechnete sie gegenüber der
Selbstschatzung gewisse (hier nicht mehr umstrittene) Positionen auf und nahm
zudem einen Ermessenszuschlag von durchschnittlich Fr. 50'000.-- vor.

Eine dagegen erhobene Einsprache wurde von der Kantonalen Steuerverwaltung am
16. Februar 2001 abgewiesen.

B.
Die Steuerrekurskommission des Kantons Wallis wies eine gegen den
Einspracheentscheid erhobene Beschwerde mit Urteil vom 22. Oktober 2003 ab.

C.
A. ________ und B.C.________ haben gegen das Urteil der
Steuerrekurskommission, soweit die direkte Bundessteuer 1997/98 betreffend,
am 14. Dezember 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
erhoben. Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäss, das angefochtene Urteil
sei aufzuheben und von der Aufrechnung des Ermessenszuschlags von
durchschnittlich Fr. 50'000.-- sei abzusehen. Sie machen sinngemäss geltend,
die Voraussetzungen für eine Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen seien
nicht erfüllt, und rügen damit eine Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit.
a OG).

Die Steuerverwaltung des Kantons Wallis und die Eidgenössische
Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Die
Steuerrekurskommission des Kantons Wallis hat auf eine Stellungnahme
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das angefochtene Urteil der Steuerrekurskommission erging am 22. Oktober
2003. Auf das vorliegende Verfahren findet somit noch das bis Ende 2006
geltende Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) Anwendung (vgl. Art. 132 Abs. 1 des am 1. Januar 2007
in Kraft getretenen Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht,
BGG; SR 173.110).

2.
Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten
Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 131 II 571 E. 1 S.
573, mit Hinweis).

2.1 Der angefochtene Entscheid ist mit Bezug auf die direkte Bundessteuer
1997/98 ein auf Steuerrecht des Bundes gestütztes, letztinstanzliches
kantonales Urteil, das mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht
angefochten werden kann (Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG und
Art. 98 lit. g OG sowie Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990
über die direkte Bundessteuer, DBG; SR 642.11). Der Grundsatz der
Parallelität der Verfahren findet erst auf Steuern für das Steuerjahr ab 1.
Januar 2001 Anwendung (vgl. BGE 130 II 65). Als betroffene Steuerpflichtige
sind die Beschwerdeführer zur Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids
legitimiert (Art. 103 lit. a OG). Auf ihre form- und fristgerecht
eingereichte Beschwerde ist einzutreten.

2.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde können die Beschwerdeführer die
Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch
des Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts rügen (Art. 104 lit. a und b OG). Hat als
Vorinstanz - wie hier - eine richterliche Behörde entschieden, ist das
Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, wenn der
Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder unter
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ermittelt wurde (Art. 105 Abs.
2 OG).

Das Bundesgericht wendet im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren das
Bundesrecht von Amtes wegen an. Es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG nicht an die
Begründung der Parteibegehren gebunden und kann deshalb die Beschwerde auch
aus andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE
132 II 47 E. 1.3 S. 50, mit Hinweisen).

3.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 1. Juni 2001 des Einzelrichters
des Kantonsgerichts des Kantons Wallis steht die schuldhafte Verletzung von
Verfahrenspflichten durch die Beschwerdeführer an sich rechtskräftig fest.
Trotzdem vertreten sie in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneut die
Auffassung, sie seien rechtlich nicht verpflichtet gewesen, die verlangten
Kontoauszüge beizubringen. Damit stellt sich die Frage, wie weit die
Mitwirkungspflicht gemäss Art. 126 DBG reicht.

3.1 Nach Art. 89 Abs. 2 des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über
die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt) konnte die
Veranlagungsbehörde vom Steuerpflichtigen die "Vorlegung der in seinem Besitz
befindlichen Bücher, Urkunden und sonstigen Belege sowie die Einreichung von
Bescheinigungen und Aufstellungen verlangen, die vom Steuerpflichtigen zu
beschaffen oder zu erstellen sind und die für die Veranlagung von Bedeutung
sein können".

Nicht verlangt war somit, dass die Unterlagen für die Veranlagung des
Steuerpflichtigen notwendig waren; es genügte, dass sie dafür grundsätzlich
geeignet waren. Der Steuerpflichtige hatte die Pflicht, die einverlangten
Unterlagen vorzulegen und hatte kein Recht, diese vorzuenthalten, weil er
glaubte, die Behörde würde diese nicht benötigen (Heinz Masshardt, Kommentar
zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl., Zürich 1995, N 5 zu Art. 89 BdBSt).
Keine Auskunftspflicht bestand lediglich für Auskünfte über
Geschäftsbeziehungen, die nicht für die Veranlagung des Steuerpflichtigen
selber, sondern ausschliesslich der Geschäftspartner von Bedeutung sein
konnten (BGE 107 Ib 213 E. 2 S. 216).

An dieser Praxis hielt das Bundesgericht in der Folge trotz Kritik fest. Es
erkannte insbesondere, dass auch das Verhältnismässigkeitsprinzip nicht
verletzt werde, wenn die verlangte Aufstellung grundsätzlich geeignet sei,
einen steuerbaren oder steuerbefreiten Tatbestand nachzuweisen. Einschränkend
präzisierte es, dass eine Auskunftspflicht auch hinsichtlich solcher
Auskünfte entfalle, deren Erteilung für den Steuerpflichtigen einen
unzumutbaren Aufwand bedingen würde (BGE 120 Ib 417 E.1c S. 423).

3.2 Gemäss Art. 126 DBG muss der Steuerpflichtige alles tun, um eine
vollständige und richtige Veranlagung zu ermöglichen (Abs. 1); er muss auf
Verlangen der Veranlagungsbehörde insbesondere mündlich oder schriftlich
Auskunft erteilen, Geschäftsbücher, Belege und weitere Bescheinigungen sowie
Urkunden über den Geschäftsverkehr vorlegen (Abs. 2).

Das Bundesgericht hat zur Tragweite dieser Bestimmung, insbesondere im
Verhältnis zur dargestellten Praxis zu Art. 89 BdBSt, erwogen, es treffe zwar
zu, dass Art. 126 DBG weniger ausführlich formuliert sei als Art. 89 BdBSt;
namentlich werde dort nicht im Einzelnen ausgeführt, welche Auskünfte der
Steuerpflichtige zu erteilen habe und welche Bescheinigungen von ihm verlangt
werden können. Der Gesetzgeber habe damit aber nur den Gesetzestext
vereinfachen und nicht geringere Anforderungen an die Mitwirkungspflichten
stellen wollen, was sich klar aus der bundesrätlichen Botschaft ergebe. Zu
einer Lockerung der Bestimmungen über die Mitwirkungspflicht des
Steuerpflichtigen habe denn auch kein Anlass bestanden. Im Übrigen sei die
bisherige Auslegung von Art. 89 Abs. 2 BdBSt durch den Wortlaut von Art. 126
DBG gedeckt (vgl. zum Ganzen das zur Publikation bestimmte Urteil 2A.644/2006
vom 14. Februar 2007, E. 3.3 und 3.4, mit Hinweisen).

3.3 Im Lichte dieser Kriterien ist mit dem Einzelrichter des Kantonsgerichts
des Kantons Wallis davon auszugehen, dass die hier umstrittene Aufforderung
an die Beschwerdeführer, bestimmte Bankbescheinigungen beizubringen, zu Recht
erfolgte: Die einverlangten Kontoauszüge hätten über die Herkunft der
fraglichen Überweisungen Aufschluss geben können, weshalb sie für die
Veranlagung der Beschwerdeführer durchaus von Bedeutung gewesen wären. Anhand
der mit der Steuererklärung eingereichten Unterlagen und aufgrund der
vorhandenen zwei Belastungsanzeigen über je Fr. 50'000.-- waren diese Fragen
nämlich noch nicht überprüfbar. Dabei ist unbestritten, dass es um die
Einschätzung der Beschwerdeführer selber geht und nicht etwa um diejenige
ihrer Geschäftspartner. Weiter wurde der Aufwand für das Erstellen der
Bescheinigungen zu Recht als zumutbar beurteilt. Weder für die
Beschwerdeführer selber, die schriftlich an die Bank hätten gelangen sollen,
noch für die Bank, welche die detaillierten Kontoauszüge über etwas mehr als
zwei Jahre hätte ausstellen müssen, wäre dies mit unverhältnismässigem
Aufwand verbunden gewesen.

Damit waren die gesetzlichen Voraussetzungen für die Editionsaufforderungen
seitens der Steuerbehörde durchaus erfüllt.

4.
Die Beschwerdeführer rügen ferner, die vorgenommene Ermessensveranlagung sei
"offensichtlich falsch".

4.1 Hat der Steuerpflichtige trotz Mahnung seine Verfahrenspflichten nicht
erfüllt oder können die Steuerfaktoren mangels zuverlässiger Unterlagen nicht
einwandfrei ermittelt werden, so nimmt die Veranlagungsbehörde die
Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen vor. Sie kann dabei
Erfahrungszahlen, Vermögensentwicklung und Lebensaufwand des
Steuerpflichtigen berücksichtigen (Art. 130 Abs. 2 DBG). Eine Veranlagung
nach pflichtgemässem Ermessen kann der Steuerpflichtige nur wegen
offensichtlicher Unrichtigkeit anfechten. Die Einsprache ist zu begründen und
muss allfällige Beweismittel nennen (Art. 132 Abs. 3 DBG).

Musste eine Ermessensveranlagung deshalb vorgenommen werden, weil die
Steuerpflichtigen ihre Mitwirkungspflichten im Veranlagungsverfahren nicht
erfüllt haben, so müssen diese für den Nachweis der offensichtlichen
Unrichtigkeit zuerst die versäumten Mitwirkungshandlungen nachholen (das
heisst hier, die verlangten Bankauszüge beibringen). Erst wenn die
Ungewissheit im Sachverhalt beseitigt worden ist, lebt die
Untersuchungspflicht der Behörde wieder auf und hat diese nötigenfalls die
Ermessenstaxation dem wirklichen Sachverhalt anzupassen (ASA 75, 329 E. 5.1
S. 333 f., mit Hinweisen). Das in Art. 132 Abs. 3 DBG aufgestellte
Erfordernis, dass die Einsprache gegen eine Ermessensveranlagung zu begründen
ist und allfällige Beweismittel nennen muss, hat nicht bloss den Wert einer
Ordnungsvorschrift, sondern ist grundsätzlich eine Prozessvoraussetzung, bei
deren Fehlen auf die Einsprache nicht eingetreten wird (BGE 123 II 552 E. 4c
S. 557, mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 2A.72/2004 vom 4. Juli 2005, E. 6,
in: StR 60/2005 S. 973).

4.2 Vorliegend haben die Beschwerdeführer die verlangte Mitwirkungshandlung
trotz mehrmaliger Mahnung - gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz - nicht geleistet, obwohl sie deswegen zweimal
gebüsst wurden. Die verlangte Mitwirkungshandlung war verhältnismässig und
sachdienlich (vgl. E. 3.3). Richtigerweise hätte bei dieser Sachlage weder
auf die Einsprache noch auf die Beschwerde gegen den Ermessenszuschlag
eingetreten werden sollen. Solange die Beschwerdeführer ihre Mitwirkung
verweigern, ist die offensichtliche Unrichtigkeit des Ermessenszuschlags
nicht dargetan. Daran vermag auch der Einwand nichts zu ändern, dass die
Vermögensentwicklung mit den steuerbaren Einkünften übereinstimme.

5.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann.

Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens den Beschwerdeführern unter Solidarhaft aufzuerlegen (Art. 156
Abs. 1 und 7 OG in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die direkte Bundessteuer 1997/98
wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird den Beschwerdeführern unter
Solidarhaft auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Steuerverwaltung des Kantons
Wallis, der Steuerrekurskommission des Kantons Wallis sowie der
Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Mai 2007

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: