Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.77/2006
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2A.77/2006 /vje

Urteil vom 15. Februar 2006
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Rainer Weibel,

gegen

Amt für Bevölkerung und Migration des Kantons Freiburg, route d'Englisberg
9/11,
1763 Granges-Paccot,
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg,
I. Verwaltungsgerichtshof, route André-Piller 21, Postfach, 1762 Givisiez.

Aufenthaltsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Freiburg,
I. Verwaltungsgerichtshof, vom 20. Dezember 2005.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der polnische Staatsangehörige X.________, geb. 1958, reiste im Oktober 1990
in die Schweiz ein. Er erhielt in Anwendung von Art. 32 der Verordnung vom 6.
Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer
(Begrenzungsverordnung, BVO; SR 823.21) eine Aufenthaltsbewilligung zwecks
Verfassens einer Dissertation an der Universität Freiburg.

Seit dem Herbst 1995 wohnte X.________ in gemeinsamem Haushalt mit einer
Schweizer Bürgerin, mit welcher zusammen er einen Sohn, Y.________, geb.
1997, hat. In Berücksichtigung dieses Umstands erhielt er Anfang 1999 eine
nunmehr gestützt auf Art. 13 lit. f BVO von den Höchstzahlen ausgenommene
Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Freiburg. Die Hausgemeinschaft wurde im
Februar 2001 aufgegeben; die Trennung von der Kindsmutter erfolgte definitiv
im März 2002. Seit April 2002 hat X.________ kein Arbeitseinkommen. Vom 1.
April 2002 bis Ende Oktober 2003 bezog er Arbeitslosenunterstützung; in der
Folge wurde er vom Sozialdienst der Stadt Freiburg mit monatlich Fr. 2'456.--
unterstützt. Am 11. Mai 2005 lehnte das Amt für Bevölkerung und Migration des
Kantons Freiburg eine Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung ab. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg wies die gegen diese Verfügung
erhobene Beschwerde am 20. Dezember 2005 ab.

Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde vom 6.
Februar 2006 beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihm die Aufenthaltsbewilligung zu
verlängern, subsidiär die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden. Das Urteil, mit dessen Ausfällung das Gesuch um
aufschiebende Wirkung gegenstandslos wird, ergeht im vereinfachten Verfahren
(Art. 36a OG).

2.
2.1 Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig
gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das
Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Der Beschwerdeführer kann weder aus
einem Bundesgesetz noch aus einem bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz
und Polen einen Bewilligungsanspruch ableiten. Ein solcher ergibt sich
insbesondere auch nicht aus der Begrenzungsverordnung (BGE 130 II 281 E. 2.2
S. 284, mit Hinweisen). Als mittelbar anspruchsbegründende Norm kommt allein
Art. 8 EMRK (bzw. 13 BV) in Betracht. Der Sohn des Beschwerdeführers hat das
Schweizer Bürgerrecht, und die Beziehung zwischen Vater und Sohn wird
tatsächlich gepflegt. Obwohl dem Beschwerdeführer nicht das Sorgerecht
zusteht, hat er unter diesen Umständen gestützt auf Art. 8 EMRK einen
(bedingten) Rechtsanspruch auf eine ausländerrechtliche Bewilligung; die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts ist
daher zulässig (BGE 120 Ib 1; 22); Raum für eine staatsrechtliche Beschwerde
besteht nicht (Art. 84 Abs. 2 OG).

2.2
2.2.1 Der Anspruch auf Achtung des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK
gilt nicht absolut. Vielmehr ist nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ein Eingriff in das
durch Ziff. 1 geschützte Rechtsgut statthaft, soweit er eine Massnahme
darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale
Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von
strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesellschaft und Moral sowie der
Rechte und Pflichten anderer notwendig ist. Die Konvention verlangt insofern
eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen an der Erteilung der
Bewilligung und den öffentlichen Interessen an deren Verweigerung, wobei
letztere in dem Sinn überwiegen müssen, dass sich der Eingriff als notwendig
erweist (BGE 122 II 1 E. 2 S. 6 mit Hinweis).

Bei der im Hinblick auf die Bewilligungserteilung nach Art. 8 EMRK
erforderlichen Interessenabwägung fällt das Interesse des um Bewilligung
ersuchenden Ausländers dann ins Gewicht, wenn er mit der in der Schweiz
anwesenheitsberechtigten Person zusammenlebt. Was das Verhältnis von Eltern
zu ihren Kindern betrifft, gilt dies im Falle getrennt lebender Eltern für
denjenigen Elternteil, dem das Sorgerecht zusteht. Der nicht sorgeberechtigte
Ausländer kann demgegenüber die familiäre Beziehung zu seinen Kindern zum
Vornherein nur in einem beschränkten Rahmen, nämlich durch Ausübung des ihm
eingeräumten Besuchsrechts, leben; hierzu ist nicht unabdingbar, dass er sich
dauernd im gleichen Land wie die Kinder aufhält und dort über eine
Anwesenheitsberechtigung verfügt. Es ist daher im Allgemeinen zulässig, dem
Ausländer, der die familiäre Beziehung zu seinem in der Schweiz fest
anwesenheitsberechtigten Kind im Rahmen von Besuchen pflegt, die
Aufenthaltsbewilligung zu verweigern; den Anforderungen von Art. 8 EMRK ist
Genüge getan, wenn ein Besuchsrecht im Rahmen von Kurzaufenthalten vom
Ausland her ausgeübt werden kann, wobei allerdings dessen Modalitäten
entsprechend aus- bzw. umzugestalten sind. In ausländerrechtlicher Hinsicht
hat das Bundesgericht daraus die Konsequenz gezogen, dass die
Aufenthaltsbewilligung nur dann erteilt oder erneuert werden muss, wenn
einerseits zwischen dem Ausländer und seinem in der Schweiz ansässigen Kind
in wirtschaftlicher und affektiver Hinsicht eine besonders enge Beziehung
besteht, die sich wegen der Distanz zwischen der Schweiz und dem Land, in das
der Ausländer bei Verweigerung der Bewilligung auszureisen hätte, praktisch
nicht aufrechterhalten liesse, und wenn andererseits das bisherige Verhalten
des Ausländers zu keinerlei Klagen Anlass gegeben hat (BGE 120 Ib 1 E. 3 S. 4
ff., 22 E. 4 S. 24 ff.; Urteile 2A.508/2005 vom 16. September 2005 E. 2.2.3;
2A.218/2005 vom 21. April 2005 E. 2.1; 2A.119/2004 vom 5. März 2004 E. 3.1;
2A.563/ 2002 vom 23. Mai 2003, E. 2.2., mit weiteren Hinweisen). Was das
Erfordernis der besonderen Intensität der Beziehung betrifft, kann dieses
regelmässig nur dann als erfüllt betrachtet werden, wenn ein grosszügig
ausgestaltetes Besuchsrecht eingeräumt ist und dieses kontinuierlich, spontan
und reibungslos ausgeübt wird (Urteil 2A.412/1998 vom 15. Dezember 1998 E.
3a).

2.2.2 Der Beschwerdeführer bezeichnet das Verhältnis zwischen ihm und dem
Sohn bzw. zwischen diesem und der Mutter als "faktisches
Mitobhutsverhältnis"; es ist von einer "gemeinsame(n) und unzertrennbare(n)
Erziehungseinheit" die Rede. Nun verhält es sich so, dass eine
Lebensgemeinschaft der Eltern nicht besteht und das elterliche Sorgerecht
allein der Mutter zukommt. Der Beschwerdeführer hat demgegenüber bloss ein
Besuchsrecht und kann eine ausländerrechtliche Bewilligung nur unter den
vorstehend umschriebenen strengen Voraussetzungen beanspruchen.

Die Besuchsregelung ist grosszügig ausgestaltet, und die Kontakte werden
entsprechend kontinuierlich und reibungslos gepflegt, wobei der
Beschwerdeführer regelmässig auch Betreuungsfunktionen wahrnimmt. Es darf -
aus der Sicht des Vaters wie aus derjenigen des Sohnes - von einer engen
affektiven Beziehung ausgegangen werden, und es ist anzunehmen, dass die
Ausreise des Beschwerdeführers für seinen Sohn nicht leicht zu verkraften
wäre. Das Verwaltungsgericht anerkennt dies grundsätzlich, und der Verzicht
auf ergänzende Abklärungen hiezu lässt sich unter dem Gesichtswinkel von Art.
105 Abs. 2 OG nicht beanstanden; die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der
willkürlichen bzw. unvollständigen Sachverhaltsabklärung ist daher
unbegründet. Während in affektiver Hinsicht eine enge Beziehung besteht,
lässt sich dies in wirtschaftlicher Hinsicht nicht sagen. Seit längerer Zeit
kommt der Beschwerdeführer nicht mit eigenen Beiträgen für den Unterhalt des
Kindes auf; die mit der Ausübung des Besuchsrechts verbundenen Kosten werden
aus den Sozialhilfebeiträgen der Gemeinde finanziert; nach verbindlicher
tatsächlicher Feststellung des Verwaltungsgerichts (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG)
ist in den monatlichen Unterstützungsleistungen ein Teilbetrag von Fr. 280.--
vorgesehen für "visites enfant; Garde alternée 50 %". Damit bleibt
irrelevant, dass die Mutter freiwillig auf Unterhaltszahlungen bzw. auf
Alimentenbevorschussung verzichtet. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich
geltend, das Verwaltungsgericht unterscheide nicht klar zwischen der
Sozialhilfeabhängigkeit und der Nichterfüllung seiner finanziellen
Unterhaltsbeitragspflicht. Dazu ist nachfolgend unter dem Aspekt der
zusätzlich kumulativ zu erfüllenden Bedingungen, dass das Verhalten des
Ausländers zu keinen Klagen Anlass geben darf, Stellung zu nehmen.

2.2.3 Der Beschwerdeführer ist nie straffällig geworden. Dies reicht zur
Annahme klaglosen Verhaltens im Sinne der für die vorliegende
Bewilligungskonstellation massgeblichen Rechtsprechung nicht aus. Der
Beschwerdeführer hat für ein Kind aufzukommen. Dennoch hat er nunmehr seit
bald vier Jahren (bis zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen negativen
Bewilligungsentscheids seit mehr als drei Jahren) kein Erwerbseinkommen
erzielt, obwohl er über einen Studienabschluss verfügt und offenbar ergänzend
Ausbildungskurse in Informatik absolviert hat. Es gibt aufgrund der
bisherigen tatsächlichen Abläufe keine konkreten Anzeichen dafür, dass seine
Fürsorgeabhängigkeit in absehbarer Zeit dahinfallen könnte. Daran ändert
insbesondere die wenig konkrete Bestätigung der Z.________ AG vom 24. Januar
2006 nichts, welche sich ohnehin als vor Bundesgericht unzulässiges Novum
erweist (Art. 105 Abs. 2 OG; vgl. BGE 125 II 217 E. 3a S. 221). Der
Beschwerdeführer hat seit der definitiven Auflösung der Gemeinschaft mit der
Mutter seines Sohnes (anfangs 2002) zu keinem Zeitpunkt eine auch nur
minimale Integration in die Arbeitswelt geschafft. Er lebt seit November 2003
vollständig von der Fürsorge. In diesem Zusammenhang ist auch darauf
hinzuweisen, dass er sein Studienziel, wegen dem ihm während Jahren
Aufenthaltsbewilligungen erteilt worden waren, nicht erreicht hat.

Zu Recht hält das Verwaltungsgericht fest, dass der Beschwerdeführer bei
diesen Verhältnissen grundsätzlich den Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1
lit. d ANAG erfüllt, wonach der Ausländer ausgewiesen werden kann, wenn er
oder eine Person, für die er zu sorgen hat, der öffentlichen Wohltätigkeit
fortgesetzt und in erheblichem Ausmass zur Last fällt. Mittlerweile hat die
Unterstützung ein erhebliches Ausmass angenommen, und bei einer
Gesamtbetrachtung liegt der Schluss nahe, dass eine massgebliche Änderung
nicht zu erwarten ist. Der Beschwerdeführer weist auf zwei publizierte
bundesgerichtliche Urteile zum Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. d
ANAG hin. In BGE 119 Ib 1 war die Ausweisung eines Ehepaars mit
Niederlassungsbewilligung zu beurteilen, das mehr als 20 Jahre in der Schweiz
weilte und seit Jahren über die Niederlassungsbewilligung verfügte, wobei die
Unterstützungsbedürftigkeit erst durch einen Unfall entstanden und im Übrigen
dank der Entwicklung der Verhältnisse vorerst dahingefallen war. BGE 123 II
529 sodann betrifft einen anerkannten Flüchtling, welchem, gleich wie seiner
Familie, Asyl erteilt worden war. Das Bundesgericht schützte den kantonalen
Entscheid, womit die Erteilung der Niederlassungsbewilligung gestützt auf den
Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. d ANAG verweigert worden war. Es ist
unerfindlich, welche für den Beschwerdeführer günstigen Rückschlüsse sich aus
jenen Urteilen ziehen lassen sollten. Dasselbe gilt für allfällige Berichte
des Bundesamtes für Statistik oder der Direktion für Gesundheit und Soziales
des Kantons Freiburg, welche der Beschwerdeführer einzuholen beantragt. Der
Fall des Beschwerdeführers ist aufgrund der gesamten konkreten Umstände
behandelt worden; blosse statistische Erkenntnisse als solche sind unter dem
Gesichtswinkel des Rechtsgleichheitsgebots unerheblich. Der Beschwerdeführer
hat keine konkreten Vergleichsfälle aufgezeigt, welche auf eine
Ungleichbehandlung zu seinen Ungunsten schliessen liessen. Die
Bewilligungsverweigerung erweist sich als verhältnismässig.

2.3 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet und
abzuweisen.

Dementsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG), dessen Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wegen
Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen ist (Art. 152 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'200.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Bevölkerung und
Migration und dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Februar 2006

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: