Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.748/2006
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{T 0/2}
2A.748/2006 /leb

Urteil vom 18. Januar 2007
II. Öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Feller.

Bundesamt für Migration, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch
Advokat Jan Goepfert,
Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichter für
Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, Bäumleingasse 1, 4051 Basel,

Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, 4001 Basel.

Haftentlassung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Basel-Stadt, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht,
vom 3. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Der aus dem Sudan stammende X.________ sowie seine Ehefrau und ihr
gemeinsamer Sohn stellten am 29. August 2004 Asylgesuche, welche das
Bundesamt für Migration unter gleichzeitiger Anordnung der Wegweisung der
Familie mit Verfügung vom 16. Juni 2005 ablehnte; die Verfügung erwuchs in
Rechtskraft. Spätere Wiedererwägungsgesuche blieben erfolglos. Wegen einer
per Ende 2006 oder anfangs 2007 geplanten Hüft- und Knieoperation einer
Tochter von X.________ wurde der Wegweisungsvollzug für die Ehefrau und die
mittlerweile drei Kinder ausgesetzt, nicht aber für diesen selber
(gestaffelter Wegweisungsvollzug im Sinne von Art. 34 Abs. 1 der
Asylverordnung 1 vom 11. August 1999 über Verfahrensfragen [AsylV 1]).

X. ________ weigerte sich in der Folge, in den Sudan zurückzukehren, weshalb
er am 19. Oktober 2006 in Ausschaffungshaft genommen wurde. Der Einzelrichter
für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht des Verwaltungsgerichts des Kantons
Basel-Stadt (Haftrichter) genehmigte die Haft vorerst für zwei Wochen, d.h.
bis zum 3. November 2006.

Mit Urteil vom 3. November 2006 stellte der Haftrichter fest, dass eine
Verlängerung der Ausschaffungshaft unzulässig sei, und er ordnete die
unverzügliche Haftentlassung von X.________ an.

B.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 8. Dezember 2006 beantragt das
Bundesamt für Migration dem Bundesgericht, der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 3. November 2006 sei
aufzuheben.

Es ist weder ein Schriftenwechsel noch sind andere Instruktionsmassnahmen
angeordnet worden. Das Urteil ergeht auf der Grundlage der Beschwerdeschrift,
des angefochtenen Urteils und der Beschwerdebeilagen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS
2006 1205 ff., S. 1242). Da die vorliegende Beschwerde vor dem 1. Januar 2007
eingereicht worden ist und ein zuvor ergangenes Urteil zum Gegenstand hat,
finden die Vorschriften des Bundesrechtspflegegesetzes (OG) Anwendung (Art.
132 Abs. 1 BGG).

2.
2.1 Nach Art. 103 lit. b OG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 der
Organisationsverordnung vom 17. November 1999 für das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement (OV-EJPD; SR 172.213.1) ist das Bundesamt für
Migration in den Bereichen des Ausländer- und Bürgerrechts ermächtigt,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide zu
führen. Die Legitimation des Bundesamtes zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
hat zum Zweck, die richtige und einheitliche Anwendung des Bundesrechts zu
sichern. Es hat daher nicht darzulegen, dass es ein spezifisches
schutzwürdiges (öffentliches) Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG an
der Aufhebung des angefochtenen Entscheids hat. Erforderlich ist nur, dass es
ihm nicht um die Behandlung abstrakter Fragen des objektiven Rechts, sondern
um konkrete Rechtsfragen eines tatsächlich bestehenden Einzelfalles geht
(vgl. BGE 129 II 1 E. 1.1 S. 4; 128 II 193 E. 1 S. 195 f., je mit Hinweisen).
Auch die Beschwerdelegitimation nach Art. 103 lit. b OG setzt dabei in der
Regel das Bestehen eines aktuellen Interesses voraus.

2.2 Im Zusammenhang mit den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht wird das
Bundesamt sich vorab dann zur Ergreifung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
veranlasst sehen, wenn der Haftrichter die von der Fremdenpolizei angeordnete
Ausschaffungshaft nicht bestätigt hat, was zur sofortigen Freilassung des
Ausländers führt. Oft wird dessen Aufenthaltsort zum Zeitpunkt, da das
Verfahren vor Bundesgericht eingeleitet wird, nicht bekannt sein, und das
Bundesamt wird selten mit Wirkung für den konkreten Einzelfall Beschwerde
führen können. Damit es die mit der Einräumung des Beschwerderechts
verbundene Aufgabe, die einheitliche Anwendung des Bundesrechts zu
ermöglichen, wahrnehmen kann, muss nötigenfalls vom Erfordernis des aktuellen
Interesses abgesehen werden können (vgl. BGE 128 II 193 E. 1 S. 196 oben).
Immer aber muss - im Hinblick auf weitere Fälle - ein hinreichendes Interesse
an der Beurteilung der mit der Beschwerde aufgeworfenen Frage bestehen
(Urteile 2A.338/2004 vom 1. Dezember 2004 E. 1.2 und 2A.148/2003 vom 30. Mai
2003 E. 1.1), so wenn es sich dabei um eine neue Rechtsfrage handelt oder
einer konkret drohenden und anders nicht zu verhindernden
bundesrechtswidrigen Rechtsentwicklung Einhalt zu gebieten ist (vgl. Urteil
2A.338/2004 E. 1.2.6).
2.3 Vorliegend ist der Beschwerdegegner aus der Haft entlassen und zudem in
seine Heimat zurückgeführt worden. In Bezug auf den konkreten Streitfall muss
und kann insofern die richtige und einheitliche Durchsetzung des Bundesrechts
nicht mehr sichergestellt werden, und es besteht offenkundig kein aktuelles
Interesse an der Behandlung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Es ist zu
prüfen, ob sonstwie ein hinreichendes Interesse im Sinne der vorstehenden
Ausführungen gegeben ist.

3.
Der Haftrichter hat die Verlängerung der Ausschaffungshaft nicht bewilligt
und dies vorab mit der Unverhältnismässigkeit der Wegweisung begründet; er
stellte fest, dass der vorzeitige Vollzug der Wegweisung allein des
Beschwerdeführers angesichts der familiären Verhältnisse unzumutbar sei (E. 3
des angefochtenen Urteils).

Das Bundesamt macht geltend, dass der Haftrichter mit dieser Begründung seine
Kompetenzen überschritten hat. In der Tat hat dieser die Rechtmässigkeit der
Wegweisung bzw. des Wegweisungsvollzugs materiell überprüft. Die
entsprechenden Anordnungen sind für ihn indessen verbindlich, wenn sie im
Asylverfahren ergangen sind, und auch andere Wegweisungsentscheide kann er
nicht überprüfen, es sei denn, sie seien augenfällig unzulässig bzw. derart
krass falsch, dass sie sich als nichtig erweisen (vgl. BGE 128 II 193 E. 2.2
S. 197 ff.). Zu Unrecht beruft er sich in diesem Zusammenhang auf das Urteil
2A.304/2005 vom 26. Mai 2005 E. 2.2, wo es nicht um die Rechtmässigkeit des
Wegweisungs(vollzugs)entscheids ging. Zum massgeblichen Haftprüfungsprogramm
sowie zur grundsätzlichen Verbindlichkeit von Wegweisungsentscheiden und zur
insofern beschränkten Tragweite von Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG liegt eine
klare publizierte Rechtsprechung vor (nebst BGE 128 II 193 auch BGE 121 II 59
E. 2 S. 61 ff.), die in zahlreichen nicht publizierten Urteilen bestätigt
worden ist. Die Rechtslage ist eindeutig, und es besteht bei Fehlen eines
aktuellen Interesses keine Notwendigkeit, die Beschwerde zur Klärung der
Rechtsfrage im Hinblick auf zukünftige Fälle materiell zu behandeln.
Nicht beanstandet hat das Bundesamt die Erwägungen des angefochtenen Urteils
insofern, als der Haftrichter sich zum Haftgrund der Untertauchensgefahr
geäussert und diesen relativiert hat (E. 2). Diesbezüglich will es keine
Rechtsfrage beantwortet haben oder sonstwie eine Klärung für zukünftige Fälle
herbeiführen; dies wäre auch kaum möglich, stehen doch in dieser Hinsicht
stark einzelfallgeprägte und sachverhaltsspezifische Aspekte im Mittelpunkt
(vgl. Urteil 2A.338/ 2004 E. 1.2.6).

Nach dem Gesagten ist kein hinreichendes Interesse an der Behandlung der
Beschwerde ersichtlich; es ist darauf, im Sinne der Erwägungen, nicht
einzutreten.

4.
Gemäss Art. 156 Abs. 2 OG sind dem Bundesamt keine Gerichtskosten
aufzuerlegen. Da keine Vernehmlassung zu erstatten war, sind dem
Beschwerdegegner durch den Rechtsstreit keine Kosten entstanden, die ihm das
Bundesamt zu ersetzen hätte (s. Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen nicht
eingetreten.

2.
Es werden keine Kosten erhoben und eine Parteientschädigung wird nicht
zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Basel-Stadt, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, sowie dem
Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Januar 2007

Im Namen der II. Öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: