Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.658/2006
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{T 0/2}
2A.658/2006 /fco

Urteil vom 10. Januar 2007
Zweite öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller, Karlen,
Gerichtsschreiber Hatzinger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch rüT Rechtsberatung- und Übersetzungsbüro
Tekol Fatma,
Rechtsberaterin und Dolmetscherin,

gegen

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.

Ausstellung eines Passes für eine ausländische Person,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartements vom 29. September 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ verfügt über die Niederlassungsbewilligung. Am 10. Februar 2005
ersuchte er um Ausstellung eines Passes für ausländische Personen unter
Beilage einer Übersetzung eines türkischen Geburtsregisterauszuges; danach
sei er am 4. Juli 2003 aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen
worden, da er keinen Militärdienst geleistet habe. Mit Verfügung vom 14. März
2005 wies das Bundesamt für Migration das Gesuch von X.________ ab.

B.
Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement am 29. September 2006 ebenfalls ab. Zur Begründung führte
es im Wesentlichen an, dass keine objektiven Gründe ersichtlich seien,
weshalb von X.________ nicht verlangt werden könne bzw. es für diesen
unmöglich sein solle, sich um die Wiedereinbürgerung und heimatliche
Reisepapiere zu bemühen.

C.
X.________ hat am 31. Oktober 2006 beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Er beantragt, den
Beschwerdeentscheid des Departements und die Verfügung des Bundesamts
aufzuheben; seine Schriften- bzw. Staatenlosigkeit sei zu bestätigen und es
sei ihm ein Pass für ausländische Personen auszustellen; zudem sei ihm die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Das Departement beantragt die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR
173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16.
Dezember 1943 (OG; Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Gemäss Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei unzulässig
gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das
Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Die Verweigerung eines Reisedokuments
für schriftenlose Ausländer fällt nicht unter diesen Ausschlussgrund, da ein
solches Dokument dem Gesuchsteller keinen bestimmten Anwesenheitsstatus in
der Schweiz verschafft und damit keine fremdenpolizeiliche Bewilligung
darstellt. Ein anderer Ausschlussgrund fällt nicht in Betracht, weshalb die
Beschwerde grundsätzlich zulässig ist.

1.3 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet der Entscheid des
Departements vom 29. September 2006. Soweit der Beschwerdeführer auch die
Aufhebung der Verfügung des Bundesamts vom 14. März 2005 verlangt, kann auf
seine Eingabe nicht eingetreten werden (sog. Devolutiveffekt; BGE 129 II 438
E. 1 S. 441 mit Hinweisen).

1.4 Der Beschwerdeführer, dem ein Reisedokument verweigert wurde, hat ein
schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids des
Departements und ist somit zur Erhebung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
legitimiert (Art. 103 lit. a OG). Soweit sich diese als zulässig erwiesen
hat, ist auf die Beschwerde einzutreten.

1.5 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann vorliegend die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts (Art.
104 lit. a und b OG) gerügt werden.

2.
2.1 Der angefochtene Entscheid des Departements stützt sich insbesondere auf
die Verordnung vom 27. Oktober 2004 über die Ausstellung von Reisedokumenten
für ausländische Personen (RDV; SR 143.5). Diese Verordnung regelt die Frage,
ob einem Ausländer ein Pass für eine ausländische Person, ein
Identitätsausweis, ein Reiseausweis oder ein Reiseersatzdokument ausgestellt
werden kann.

2.2 Der Beschwerdeführer, dem seine türkische Staatsangehörigkeit aberkannt
worden ist, ersucht um einen Pass für ausländische Personen. Dieser wurde ihm
verweigert, weil er sich gemäss den Vorinstanzen vorerst hätte
wiedereinbürgern lassen müssen, worauf ihm dann die Türkei Reisepapiere hätte
ausstellen können, so dass er nicht mehr als schriftenlos zu gelten hätte.

2.3 Nach Art. 4 Abs. 1 RDV hat Anspruch auf einen Pass für ausländische
Personen eine nach dem Übereinkommen vom 28. September 1954 über die
Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40) als staatenlos anerkannte
Person (lit. a) oder eine schriftenlose ausländische Person mit
Niederlassungsbewilligung (lit. b). Als schriftenlos gilt eine ausländische
Person, die keine gültigen Reisedokumente ihres Heimat- oder Herkunftsstaates
besitzt (Art. 7 Abs. 1 RDV), und von der nicht verlangt werden kann, dass sie
sich bei der zuständigen Behörde ihres Heimat- oder Herkunftsstaates um die
Ausstellung oder Verlängerung eines Reisedokuments bemüht (lit. a), oder für
welche die Beschaffung von Reisedokumenten unmöglich ist (lit. b).

2.4 Der angefochtene Entscheid ist nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer
kann weder als staatenlos noch als schriftenlos gelten; massgebend ist, dass
er die türkische Staatsbürgerschaft wieder erlangen könnte (vgl. auch Urteil
2A.147/2002 vom 27. Juni 2002, E. 3 und 4). Dass eine Wiedereinbürgerung
unter den gegebenen Umständen (Ausbürgerung wegen Dienstverweigerung)
grundsätzlich möglich ist, wird denn auch an sich nicht bestritten. Dass der
Beschwerdeführer, wie er behauptet, bei der türkischen Vertretung erfolglos
ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, ist indes durch nichts belegt. Es
kann daher jedenfalls im heutigen Zeitpunkt nicht als erstellt gelten, dass
ihm die Beschaffung eines türkischen Reisedokuments nicht möglich ist.

3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit unbegründet und abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Aufgrund der sorgfältigen Ausführungen des
Departements hatte die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg, weshalb das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 152 OG) abzuweisen ist. Damit
wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 153, 153a
und 156 OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 10. Januar 2007

Im Namen der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: