Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.61/2006
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{T 0/2}
2A.61/2006 /ble

Urteil vom 29. November 2006
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichterin Yersin,
Ersatzrichter Camenzind,
Gerichtsschreiber Fux.

X. ________ GmbH,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Frau A.Y.________,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern,
Eidgenössische Steuerrekurskommission,
avenue Tissot 8, 1006 Lausanne.

Mehrwertsteuer 1. Quartal 1999 bis 3. Quartal 2000
(subjektive Steuerpflicht, wirtschaftliche Einheit),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Eidgenössischen
Steuerrekurskommission
vom 14. Dezember 2005.

Sachverhalt:

A.
Die Firma "X.________ GmbH" ist eine seit dem 29. Juni 1998 im
Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz
in Zürich. Die Gesellschaft bezweckt die Führung von Buchhaltungs-, Steuer-
und Inkassobüros, Beratung, Ausübung und Vermittlung von Finanzgeschäften
sowie Beteiligungen an in- und ausländischen Handelsunternehmen aller Art;
sie kann Liegenschaften und Wertschriften erwerben, verwalten und verkaufen
sowie sich an anderen Unternehmen beteiligen. Als Gesellschafter und
Geschäftsführer ist B.Y.________, kroatischer Staatsangehöriger, und als
weitere Gesellschafterin seine Frau, A.Y.________, eingetragen.
Daneben besteht eine Einzelfirma "Y.________ ", die seit dem 30. Oktober 1989
im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen ist. Die Firma bezweckt die
Beratung in Sozial-, Rechts-, Finanz- und Inkassofragen sowie den Betrieb
eines Übersetzungsbüros. Als Inhaber ist B.Y.________ eingetragen.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung stellte im Rahmen einer
Mehrwertsteuer-Kontrolle vom 9./10. Oktober 2000 fest, dass die X.________
GmbH und die Einzelfirma Y.________ die gleichen Leistungen erbringen, und
betrachtete deshalb die beiden Firmen als wirtschaftliche Einheit. Dies hatte
zur Folge, dass die erforderliche Umsatzgrenze erreicht wurde, weshalb die
X.________ GmbH unter Einbezug der Einzelfirma Y.________ per 1. Januar 1999
in das Register für Mehrwertsteuerpflichtige eingetragen wurde.

B.
Mit Ergänzungsabrechnung vom 15. Februar 2001 forderte die Eidgenössische
Steuerverwaltung von der X.________ GmbH für den Zeitraum ab dem 1. Januar
1999 bis zum 30. September 2000 Mehrwertsteuern im Betrag von Fr. 17'231.--
nach (zuzüglich Verzugszins). In der Folge wurden die Steuerpflicht der
X.________ GmbH ab dem 1. Januar 1999 wie auch die einverlangte
Mehrwertsteuer bestätigt (Entscheid vom 28. März 2001 und Einspracheentscheid
vom 18. August 2003).

C.
Die Eidgenössische Steuerrekurskommission hiess eine Beschwerde gegen den
Einspracheentscheid am 14. Dezember 2005 insofern teilweise gut, als sie die
Steuerschuld auf Fr. 15'564.35 (zuzüglich Verzugszins) herabsetzte. Die
Reduktion erfolgte aufgrund der von der X.________ GmbH erstmals im
Rekursverfahren eingereichten Geschäftsabschlüsse 2000.

D.
Die X.________ GmbH hat am 31. Januar 2006 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an
das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, der Entscheid der Eidgenössischen
Steuerrekurskommission vom 14. Dezember 2005 "betreffend Nachzahlung als
Gruppensteuerpflicht ab 1.01.1999 bis 30. 09. 2003" sei aufzuheben. Die
Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG:
Mehrwertsteuerrecht; Rechtsgleichheit; Wettbewerbsneutralität) und im
Zusammenhang mit der Kontrolle vom 9./10. Oktober 2000 eine unrichtige
Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts geltend (Art. 104 lit. b OG).
Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Die
Eidgenössische Steuerrekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Beschwerdeentscheide der Eidgenössischen Steuerrekurskommission können
nach den Artikeln 97 ff. OG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht angefochten werden (Art. 54 Abs. 1 der Verordnung vom 22. Juni
1994 über die Mehrwertsteuer [MWSTV; AS 1994 1464]; Art. 66 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 2. September 1999 über die Mehrwertsteuer [MWSTG; SR
641.20]).

1.2 Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 103 lit. a OG zur Beschwerde
legitimiert. Auf die form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde ist
grundsätzlich einzutreten.

1.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens,
sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und lit. b OG). An die
Sachverhaltsfeststellung ist das Bundesgericht allerdings gebunden, wenn wenn
- wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den
Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter
Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (Art. 105
Abs. 2 OG). Offensichtlich unrichtig ist eine Sachverhaltsermittlung nicht
schon dann, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und
augenfällig unzutreffend ist (Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2.
Aufl., Bern 1983, S. 286, mit Hinweisen).

1.4 Das Bundesgericht wendet im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren
das Bundesrecht von Amtes wegen an, ohne an die Begründung der Parteibegehren
gebunden zu sein (Art. 114 Abs. 1 OG); es kann die Beschwerde auch aus andern
als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (vgl. statt
vieler: BGE 129 Il 183 E. 3.4 S. 188, mit Hinweisen).

1.5 Die hier zur Beurteilung stehenden Sachverhalte wurden alle vor
Inkrafttreten des Mehrwertsteuergesetzes (am 1. Januar 2001) verwirklicht.
Auf das vorliegende Verfahren sind deshalb noch die Bestimmungen der
Mehrwertsteuerverordnung von 1994 (MWSTV) anwendbar (vgl. Art. 93 und 94
MWSTG).

1.6 Streitgegenstand ist die Mehrwertsteuer 1. Quartal 1999 bis 3. Quartal
2000. Beim Antrag in der Beschwerdeschrift, die "Nachzahlung ..... bis
30.09.2003" aufzuheben, dürfte es sich deshalb um ein Versehen handeln, wie
aus dem Zusammenhang geschlossen werden kann. Andernfalls wäre der Antrag
unzulässig, soweit er über den Streitgegenstand hinausgeht.

2.
Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss eine unrichtige
Sachverhaltsfeststellung geltend, indem sie behauptet, es habe gar keine
Kontrolle im Sinn von Art. 50 MWSTV stattgefunden.
Aus den Akten ergibt sich, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin
offensichtlich nicht zutrifft: Eine Darstellung der örtlichen Verhältnisse
(z.B. die fehlende räumliche Trennung) und der übrigen bei der Prüfung
gewonnen Erkenntnisse, wie sie sich schon in der Ergänzungsabrechnung findet,
wäre ohne Kontrolle an Ort und Stelle nicht möglich gewesen. Daran ändert
nichts, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung anscheinend gleichzeitig
Abklärungen und Kont-rollen im Zusammenhang mit einem andern Fall vornahm.
Eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung im Sinn von Art. 105
Abs. 2 OG liegt jedenfalls nicht vor.

3.
Materiell bestreitet die Beschwerdeführerin grundsätzlich ihre subjektive
Steuerpflicht.

3.1 Die Voraussetzungen der subjektiven Steuerpflicht bei der Inlandsteuer
ergeben sich aus Art. 17 MWSTV (vgl. auch Art. 21 MWSTG). Danach ist
steuerpflichtig, wer eine mit der Erzielung von Einnahmen verbundene
gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt, sofern seine
Lieferungen seine Dienstleistungen und sein Eigenverbrauch im Inland jährlich
gesamthaft Fr. 75'000.-- übersteigen (Abs. 1). Ob und wann der
Steuerpflichtige diese Voraussetzungen erfüllt, hat er aufgrund des bei der
Mehrwertsteuer geltenden Selbstveranlagungsprinzips selber zu klären (Art. 36
f. MWSTV).
Für die Beurteilung der Frage, ob ein oder zwei Steuersubjekte vorliegen, ist
vorab von der zivilrechtlichen Gestaltung auszugehen. Weil aber das
Steuerrecht an wirtschaftliche Verhältnisse anknüpft, hat die Analyse des
Steuersachverhalts sowohl unter wirtschaftlichen als auch unter
zivilrechtlichen Aspekten zu erfolgen. Zu klären ist dabei, ob das
zivilrechtliche Erscheinungsbild dem wirtschaftlichen Vorgang entspricht oder
nicht (Blumenstein/Locher, System des schweizerischen Steuerrechts, 6. Aufl.,
Zürich 2002, S. 30 f.). Auch bei der Mehrwertsteuer ist dort, wo die
zivilrechtliche Ausgestaltung eines Sachverhalts nicht den wirtschaftlichen
Verhältnissen entspricht, auf das tatsächliche wirtschaftliche Ergebnis
abzustellen (Alois Camenzind/Niklaus Honauer/Klaus A. Vallender, Handbuch zum
Mehrwertsteuergesetz, 2. Aufl., Bern 2003, Rz. 173, S. 80).
Gegebenenfalls stellt sich die Frage einer Steuerumgehung, die von der
eigentlichen Steuerplanung abzugrenzen ist. Nach bundesgerichtlicher
Rechtsprechung liegt eine Steuerumgehung vor, wenn die vom Steuerpflichtigen
gewählte Rechtsgestaltung dem wirtschaftlichen Sachverhalt nicht entspricht,
eine erhebliche Steuerersparnis eintreten würde und das ungewöhnliche
Vorgehen nur aus Gründen der Steuerersparnis gewählt wurde. In einem solchen
Fall ist der Besteuerung diejenige Rechtsgestaltung zugrunde zu legen, die
sachgemäss gewesen wäre, um den angestrebten wirtschaftlichen Zweck zu
erreichen(BGE 131 II 627 E. 5.2 S. 635 f.; ASA 66 406 E. 5c, je mit
Hinweisen; vgl. auch Blumenstein/Locher, a.a.O., S. 32 f.).
3.2 Im vorliegenden Fall ist aufgrund des von der Vorinstanz - für das
Bundesgericht verbindlich - festgestellten Sachverhalts davon auszugehen,
dass sich die geschäftlichen Aktivitäten der beiden Firmen (X.________ GmbH
und Einzelfirma Y.________) in weiten Teilen überschneiden, dass keine
räumliche Trennung besteht und dass namentlich auch keine klare Abgrenzung
beim Marktauftritt nach aussen vorgenommen wurde; hinzu kommen die
personellen Verflechtungen zwischen den beiden Unternehmungen. Unter diesen
Umständen entspricht das zivilrechtliche Erscheinungsbild, d.h. die
zivilrechtliche Registrierung von zwei Firmen, nicht den wirtschaftlichen
Gegebenheiten. Aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse kann vielmehr nur von
einem Steuersubjekt gesprochen werden. Der Vorinstanz ist auch darin
beizupflichten, dass die handelsrechtlich vorgenommene Aufteilung in zwei
Firmen unter den gegebenen Umständen als ungewöhnlich, sachwidrig und nicht
nachvollziehbar bezeichnet werden muss. Die Steuerbehörden haben deshalb zu
Recht auf eine Firma und damit auf ein Steuersubjekt abgestellt, welches
gestützt auf Art. 17 MWSTV die Voraussetzungen für einen Eintrag in das
Register für Mehrwertsteuerpflichtige erfüllte.

3.3 Die Beschwerdeführerin rügt auch eine Verletzung von Art. 17 Abs. 3
MWSTV, der die Gruppenbesteuerung regelt. Sie legt indessen nicht dar, worin
die angebliche Verletzung bestehen soll. Eine Verletzung von Art. 17 Abs. 3
MWSTV ist denn auch nicht ersichtlich. Weder die Eidgenössische
Steuerverwaltung noch die Vorinstanz haben sich auf diese Bestimmung berufen,
sondern sind vielmehr davon ausgegangen, dass aufgrund der tatsächlichen
Verhältnisse von Anfang an nur ein Steuersubjekt bestanden habe.

3.4 Die Beschwerdeführerin macht schliesslich eine Verletzung des
Rechtsgleichheitsgebots sowie der Wettbewerbsneutralität geltend.
Gemäss Art. 27 BV ist die Wirtschaftsfreiheit gewährleistet (Abs. 1); sie
umfasst insbesondere den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen
Erwerbstätigkeit und deren freie Ausübung (Abs. 2; vgl. dazu Klaus A.
Vallender, in: St. Galler BV-Kommentar, Zürich 2002, Rzn.18 ff. zu Art. 27).
Das Bundesgericht leitet aus dieser Verfassungsbestimmung ebenfalls den
Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbekonkurrenten ab (BGE 132 I 97 E.
2.1 S. 100, mit Hinweisen). Inwiefern diese Verfassungsrechte vorliegend
verletzt sein könnten, ist weder ersichtlich noch dargetan. Insbesondere ist
Art. 27 BV nicht verletzt, wenn die Steuerverwaltung aufgrund der
tatsächlichen Verhältnisse davon ausgegangen ist, dass nur ein Steuersubjekt
vorliege und deshalb nur ein Steuerpflichtiger im Register für
Mehrwertsteuerpflichtige eingetragen werde. Eine Verwendung der im
schweizerischen Obligationenrecht vorgesehenen beiden Rechtsformen, d.h. der
GmbH und der Einzelfirma, wird damit nicht vereitelt. Wenn diese im Rahmen
einer zulässigen rechtlichen Ausgestaltung und der damit verbundenen
effektiven Tätigkeit sowie mit einem Auftritt nach aussen eindeutig
unterschieden werden können, dürfen beide Firmen auch einzeln verwendet
werden. Diese Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall offensichtlich nicht
erfüllt.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde in allen Teilen unbegründet und deshalb
abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und
153a OG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen
Steuerverwaltung und der Eidgenössischen Steuerrekurskommission schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 29. November 2006

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: