Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.609/2006
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{T 0/2}
2A.609/2006 /zga

Urteil vom 3. Januar 2007
Zweite öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Hatzinger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Fürsprecher Bruno C. Lenz,

gegen

Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern,
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
Speichergasse 12, 3011 Bern.

Ausweisung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
vom 11. September 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1964), Staatsangehöriger von Mazedonien, arbeitete ab 1986
als Saisonnier in der Schweiz und reiste im Jahr 1990 definitiv in die
Schweiz ein. Seit 1997 besitzt er die Niederlassungsbewilligung. Die Ehefrau,
zwei Kinder im Alter von 16 und 17 Jahren, die Eltern und eine Schwester
leben in Mazedonien, drei Brüder sind in der Schweiz. Am 11. April 2003
verurteilte die 2. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern X.________
wegen Geldwäscherei und Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz zu
drei Jahren Zuchthaus und einer bedingten Landesverweisung von sechs Jahren.
Aufgrund dieser Verurteilung wies ihn der Migrationsdienst des Kantons Bern
am 9. Februar 2005 für unbestimmte Zeit aus der Schweiz aus. Eine Beschwerde
gegen diese Verfügung wies die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern
am 15. Dezember 2005 ab.

B.
Gegen deren Beschwerdeentscheid gelangte X.________ an das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 11. September
2006 ebenfalls ab und setzte eine Ausreisefrist bis zum 31. Oktober 2006 an.

C.
X.________ hat am 11. Oktober 2006 beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Er beantragt, das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben; eventualiter sei die Sache zur weiteren
Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig ersucht er um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Antragsgemäss hat der Abteilungspräsident am 27. Oktober 2006 der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Verwaltungsgericht, die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern
sowie das Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR
173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16.
Dezember 1943 (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Gegen Ausweisungsverfügungen gemäss Art. 10 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR
142.20) steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (Art. 97 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 98 lit. g OG). Ein Ausschlussgrund im Sinne der Art. 99
bis 102 OG, insbesondere nach Art. 100 lit. b Ziff. 4 OG, liegt nicht vor.
Die Beschwerde ist daher zulässig (vgl. BGE 114 Ib 1 E. 1a S. 2).

1.3 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich einer Überschreitung oder eines Missbrauchs des
Ermessens, sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts (Art. 104 lit. a und b OG), nicht jedoch die
Unangemessenheit des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 104 lit. c OG)
gerügt werden.

1.4 Hat - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden,
ist das Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden, sofern
diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften erfolgt ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Damit
wird die Möglichkeit, vor Bundesgericht neue Tatsachen vorzubringen und neue
Beweismittel einzureichen, weitgehend eingeschränkt. Es sind praxisgemäss nur
solche neuen Tatsachen und Beweismittel zulässig, welche die Vorinstanz von
Amtes wegen hätte berücksichtigen müssen und deren Nichtbeachtung eine
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (BGE 128 II 145 E.
1.2.1 S. 150; 125 II 217 E. 3a S. 221; 121 II 97 E. 1c S. 99 f.).

2.
Gemäss Art. 10 Abs. 1 ANAG kann der Ausländer aus der Schweiz unter anderem
dann ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens
gerichtlich bestraft wurde (lit. a). Die Ausweisung soll nach Art. 11 Abs. 3
ANAG nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen
erscheint. Für die Beurteilung der Angemessenheit, das heisst der
Verhältnismässigkeit (vgl. BGE 125 II 521 E. 2a S. 523) der Ausweisung
erklärt Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG
(ANAV; SR 142.201) namentlich als wichtig die Schwere des Verschuldens des
Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm und
seiner Familie drohenden Nachteile. Ob die Ausweisung im Sinne von Art. 11
Abs. 3 ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV verhältnismässig ist, stellt eine
Rechtsfrage dar und kann damit vom Bundesgericht frei überprüft werden (BGE
129 II 193 E. 5.1 S. 208).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer wurde wegen Drogendelikten zu drei Jahren Zuchthaus
verurteilt. Er hat damit unbestrittenermassen einen Ausweisungsgrund gesetzt
(Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG). Zu prüfen bleibt, ob die Ausweisung unter den
gegebenen Umständen verhältnismässig ist.

3.2 Ausgangspunkt und Massstab sowohl für die Schwere des Verschuldens als
auch für die fremdenpolizeiliche Interessenabwägung ist die vom Strafrichter
verhängte Strafe.

3.2.1 Der Beschwerdeführer beging gemäss dem Urteil des bernischen
Obergerichts vom 11. April 2003 die Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz mehrfach, mengenmässig qualifiziert und bandenmässig
in der Zeit von November 2000 bis Ende Januar 2001; dazu kam Geldwäscherei
zwischen Oktober 2000 und Januar 2001. Der Beschwerdeführer war nicht
drogensüchtig und handelte aus rein finanziellen Motiven. Sein Verschulden
bezeichnete das Obergericht als schwer, wobei es bei der Strafzumessung
berücksichtigte, dass er die Straftaten grösstenteils nicht gestanden und
praktisch keine Einsicht oder Reue hatte erkennen lassen, seine Beteiligung
am Drogenhandel vielmehr hartnäckig geleugnet hatte.

3.2.2 Die Vorinstanz hat gestützt auf die Ausführungen im Strafurteil das
Verschulden des Beschwerdeführers aus fremdenpolizeilicher Sicht zutreffend
als schwer bewertet. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichts,
welches bei schwereren Betäubungsmitteldelikten im Hinblick auf den Kampf
gegen den Drogenhandel sowie auf die damit zusammenhängende Gefährdung der
Gesundheit einer Vielzahl von Menschen bei der Ausweisung eine strenge Praxis
verfolgt; das Interesse an der Fernhaltung von Ausländern, die an der
Verbreitung von Drogen teilnehmen, ist als gewichtig einzustufen (BGE 125 II
521 E. 4a S. 527). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz im
Lichte dieser Rechtsprechung und angesichts der gehandelten Drogenmengen -
1,5 kg verkauftes und 775 g zum Verkauf bestimmtes Heroingemisch, das heisst
250 g reines Heroin - zum Schluss gekommen ist, es bestehe ein erhebliches
sicherheitspolizeiliches Interesse an der Ausweisung des Beschwerdeführers.

3.3 Auch gegen die Beurteilung der Rückfallgefahr im angefochtenen Entscheid
ist nichts einzuwenden.

3.3.1 Zwar ist der Beschwerdeführer nicht vorbestraft und seit seiner
bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug (April 2003) nicht mehr straffällig
geworden. Angesichts der finanziellen Situation des Beschwerdeführers, der
seit 1998 nicht mehr gearbeitet hat und seither unterstützt werden musste,
sowie eines, abgesehen von drei Brüdern, fehlenden tragfähigen
Beziehungsnetzes in der Schweiz bleibt indessen ein gewisses Risiko, dass der
Beschwerdeführer erneut straffällig wird, bestehen, wie die Vorinstanz zu
Recht angenommen hat. Dass ihm das Obergericht für die Landesverweisung den
bedingten Strafvollzug gewährte, steht einer Ausweisung nicht entgegen. Die
Fremdenpolizeibehörden dürfen in dieser Hinsicht strenger urteilen als der
Strafrichter und ihre Interessenabwägung unabhängig von dessen Beurteilung
vornehmen (BGE 129 II 215 E. 3.2 S. 216 f.).
3.3.2 Für den Entscheid über die Ausweisung steht das allgemeinere Interesse
der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Vordergrund. Der Prognose über das
Wohlverhalten und dem Resozialisierungsgedanken des Strafrechts ist zwar im
Rahmen der umfassenden fremdenpolizeilichen Interessenabwägung ebenfalls
Rechnung zu tragen, die beiden Umstände geben aber nicht den Ausschlag (BGE
125 II 105 E. 2c S. 110, 521 E. 4a/bb S. 528; 130 II 176 E. 4.2 S. 185). Auch
das positive Verhalten des Beschwerdeführers im Strafvollzug ist nicht
ausschlaggebend, wird eine solche Bewährung doch allgemein erwartet (vgl. BGE
130 II 176 E. 4.3.3 S. 188). Die Vorinstanz hat diese Gesichtspunkte nicht
übersehen.

3.4 Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers überwiegt das öffentliche
Interesse an seiner Fernhaltung seine privaten Interessen am weiteren
Verbleib in der Schweiz.

3.4.1 Zwar wohnt der Beschwerdeführer seit längerer Zeit in der Schweiz
(definitiv ab 1990) und verfügt über die Niederlassungsbewilligung (seit
1997), doch ist er hier beruflich und sozial schlecht integriert (vgl. E.
3.3.1). Abgesehen von seinen Brüdern lebt seine Familie in Mazedonien. Dass
seine Ehe inzwischen geschieden worden ist, wie er neu und damit in
unzulässiger Weise behauptet (vgl. E. 1.4), ändert nichts daran, dass er noch
über familiäre Beziehungen zu diesem Land verfügt, welche er nach den für das
Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in den
letzten Jahren auch gepflegt hat. Namentlich wohnt sein minderjähriger Sohn,
der im Scheidungsurteil unter seine elterliche Sorge gestellt worden ist, in
Mazedonien. Auch mit der IV-Situation des Beschwerdeführers hat sich das
Verwaltungsgericht zutreffend auseinandergesetzt; danach ist ein
entsprechendes Verfahren hängig, wobei gemäss einem Vorbescheid ein
Invaliditätsgrad von 33 % errechnet wurde, was keinen Anspruch auf eine
Invalidenrente ergebe. Die Behauptung, der IV-Entscheid sei noch nicht
rechtskräftig, ist indes neu und daher nicht zu hören (vgl. E. 1.4); sie ist
für den Ausgang des Verfahrens auch nicht entscheidend. Aus
fremdenpolizeilicher Sicht besteht schliesslich auch kein Anlass, weitere
medizinische Gutachten einzuholen.

3.4.2 Die Ausweisung kommt auch nicht zur "Unzeit", sondern ist veranlasst
durch die Verurteilung wegen des schweren Betäubungsmitteldelikts. Der
Beschwerdeführer ist nicht in der Schweiz geboren, vielmehr reiste er erst
1990 im Alter von 26 Jahren definitiv ein; er ist damit kein Ausländer der
"zweiten Generation" und hat mehr als die Hälfte seines Lebens, insbesondere
die prägenden Kindes- und Jugendjahre, in seinem Heimatland verbracht (vgl.
BGE 125 II 521 E. 4b S. 528 f.). Aufgrund des Beziehungsnetzes in der Heimat
erscheint ihm eine Rückkehr als zumutbar; daran ändern auch seine
gesundheitlichen Beschwerden (Depression, Rücken- bzw. Hüftleiden) nichts
(vgl. BGE 128 II 200 E. 5.3 S. 209).

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach unbegründet und daher
abzuweisen. Der Migrationsdienst des Kantons Bern wird dem Beschwerdeführer
eine neue Ausreisefrist anzusetzen haben.

Aufgrund der sorgfältigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts hatte die
Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg, weshalb das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege und Verbeiständung (Art. 152 OG) abzuweisen ist. Damit wird der
unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 153, 153a und 156
OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Polizei- und Militärdirektion
und dem Verwaltungsgericht, Verwaltungsrechtliche Abteilung, des Kantons Bern
sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Januar 2007

Im Namen der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: