Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.58/2006
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2A.58/2006 /vje

Urteil vom 27. April 2006
II.  ffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Pr sident,
Bundesrichter Hungerb hler, M ller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

X. ________,
Y.________,
A.________ und B.________,
Beschwerdef hrer,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Peter Nider st,

gegen

Departement f r Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, Regierungsgeb ude,
8510 Frauenfeld,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570
Weinfelden.

Aufenthaltsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom

21. September 2005.

Sachverhalt:

A.
Der aus Algerien stammende X.________ (geb. 1958) reiste im Jahre 1985 in die
Schweiz ein und absolvierte in St. Gallen eine photogrammetrische Ausbildung.
Nach deren Abschluss heiratete er am 17. Oktober 1986 die Schweizer B rgerin
Z.________, worauf ihm die Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde. Am 12.
September 1989 wurde diese Ehe geschieden. Am 6. Januar 1994 verheiratete
sich X.________ in der Heimat mit seiner Landsfrau Y.________, welche in der
Folge im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz  bersiedelte. Das Ehepaar
hat zwei gemeinsame, in der Schweiz geborene Kinder, A.________ (geb. 1995)
und B.________ (geb. 2000).

B.
Vom 9. Januar 1990 bis zum 30. September 1995 arbeitete X.________ bei der
S.________ AG in M.________. Anschliessend bezog er Leistungen aus der
Arbeitslosenversicherung. Ab dem 13. November 1997 wurde die Familie
X.________ und Y.________ von der F rsorge M.________ unterst tzt. Am 12.
M rz 1998 mahnte die Fremdenpolizei des Kantons Thurgau, es komme zur
Wegweisung, falls eine fortgesetzte und erhebliche F rsorgeabh ngigkeit
entstehe. Am 1. Januar 1999 trat X.________ bei der T.________ AG,
M.________, eine neue Stelle (als Produktionsmitarbeiter) an; dieses
Arbeitsverh ltnis wurde Ende Oktober 2000 jedoch wieder aufgel st. Als Grund
daf r nannte die T.________ AG "aggressives Verhalten gegen ber Mitarbeitern
und Vorgesetzten" sowie "h ufige Abwesenheit von der Arbeitsstelle ohne
rechtzeitige R ckmeldung". Nach einer f rmlichen Verwarnung (unter Androhung
der Ausweisung) der Eheleute X.________ und Y.________ verl ngerte das
Ausl nderamt des Kantons Thurgau deren Aufenthaltsbewilligungen am 27. M rz
2003 bloss noch provisorisch.

C.
Mit Verf gung vom 18. Mai 2004 wies das Ausl nderamt des Kantons Thurgau das
Gesuch der Familie X.________ und Y.________ um eine weitere Verl ngerung der
Aufenthaltsbewilligungen ab. Das Amt erwog im Wesentlichen, obwohl die
Eheleute X.________ und Y.________ bereits verwarnt worden seien, erf llten
sie ihre finanziellen Verpflichtungen nach wie vor nicht und m ssten seit
M rz 2003 wieder durch das F rsorgeamt M.________ unterst tzt werden. Ihre
Schulden seien weiter angestiegen, und beide Eheleute seien arbeitslos. Die
Voraussetzungen f r eine Ausweisung der Familie X.________ und Y.________
seien erf llt, weshalb die Aufenthaltsbewilligungen nicht mehr verl ngert
w rden.
Ein hiergegen erhobener Rekurs beim Departement f r Justiz und Sicherheit des
Kantons Thurgau blieb erfolglos, und am 21. September 2005 wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die gegen den Departementsentscheid
vom 9. Mai 2005 erhobene Beschwerde ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat.

D.
Mit gemeinsamer Eingabe vom 30. Januar 2006 f hren X.________, Y.________
sowie deren Kinder A.________ und B.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde
sowie "f r den Fall, dass wider Erwarten auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (...) nicht eingetreten w rde",
staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht mit den Antr gen, den
angefochtenen Entscheid "mit Ausnahme der Dispositiv-Ziffern 2 a) und 3"
(Gutheissung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege, Mitteilungen)
aufzuheben und die Sache an das Departement f r Justiz und Sicherheit,
eventuell an das Verwaltungsgericht zur ckzuweisen. Gleichzeitig wird um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeist ndung ersucht.

Das Departement f r Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau beantragt, die
Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau beantragt,
auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei nicht einzutreten bzw. die
staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
k nne. Das Bundesamt f r Migration schliesst auf Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf  berhaupt einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erw gung:

1.
Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ausgeschlossen gegen die Erteilung oder
Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch
einr umt. Gem ss Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. M rz 1931  ber Aufenthalt
und Niederlassung der Ausl nder (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zust ndige
Beh rde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Vertr ge mit dem
Ausland, nach freiem Ermessen  ber die Bewilligung von Aufenthalt und
Niederlassung. Damit besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung,
es sei denn, der Ausl nder oder seine in der Schweiz lebenden Angeh rigen
k nnten sich hierf r auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines
Staatsvertrags berufen (BGE 130 II 281 E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1 S.
148 mit Hinweisen).

2.
2.1 Keine Anspr che lassen sich vorliegend aus dem innerstaatlichen
Gesetzesrecht ableiten. Die Beschwerdef hrer sind gem ss unbestrittener
Feststellung im angefochtenen Entscheid lediglich im Besitze einer
Aufenthaltsbewilligung, auf deren Verl ngerung sie keinen Anspruch haben
(vgl. BGE 119 Ib 91 E. 1d S. 95). Der Weg der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist ihnen insoweit verschlossen. In der Beschwerdeschrift wird ein
Anwesenheitsrecht bzw. der Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung jedoch
aus dem in Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV verankerten Recht auf Achtung des
Privatlebens abgeleitet. Diese Frage ist als Eintretensvoraussetzung f r die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu pr fen (BGE 130 II 281 E. 1 S. 283 f.; 127
II 161 E. 1b S. 165).

2.2 Aus dem Anspruch auf Achtung des Privatlebens kann nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Recht auf Verbleib im Land nur unter
ganz besonderen Umst nden abgeleitet werden. Eine lange Anwesenheit in der
Schweiz und die damit verbundene normale Integration gen gen f r sich allein
nicht; erforderlich sind vielmehr besonders intensive private Beziehungen
beruflicher oder gesellschaftlicher Natur zum Gastland (BGE 126 II 377 E. 2c
S. 384 ff., mit Hinweisen, 120 Ib 16 E. 3b S. 22).

2.3 Der Beschwerdef hrer X.________ weilt im Wesentlichen seit 1985 in der
Schweiz, seine Ehefrau seit 1994. Das Ehepaar hat zwei hier zur Welt
gekommene Kinder (geb. 1995 und 2000). Der Ehemann kann sich damit zwar auf
eine relativ lange Aufenthaltsdauer in der Schweiz berufen, doch kann von
einer besonders intensiven Integration offensichtlich nicht die Rede sein
(vgl. vorne "B." und "C."). Den Beschwerdef hrern ist eine R ckkehr in ihr
gemeinsames Heimatland Algerien auch sonstwie nicht unzumutbar, weshalb die
Anerkennung eines Anwesenheitsanspruches unter dem Titel der Achtung des
Privatlebens gem ss Art. 8 EMRK ausser Betracht f llt. Ebenso wenig zum Zuge
kommen kann hier der Anspruch auf Achtung des Familienlebens, da die Familie
durch die Pflicht zur (gemeinsamen) Ausreise in das Heimatland nicht getrennt
wird (BGE 126 II 377 E. 2b/cc S. 383). Das Rechtsmittel der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher unzul ssig.

3.
Die Eingabe ist, gem ss den eventualiter gestellten Begehren, als
staatsrechtliche Beschwerde zu behandeln. Da auf die Erneuerung der
Aufenthaltsbewilligungen nach dem Gesagten kein Anspruch besteht, fehlt es
den Beschwerdef hrern in der Sache jedoch an der Legitimation (Art. 88 OG).

Trotz fehlender Legitimation in der Sache sind die Beschwerdef hrer befugt,
eine Verletzung jener Verfahrensgarantien geltend zu machen, deren
Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt (vgl. BGE 127 II 161
E. 3b S. 167 mit Hinweisen). Dabei sind aber R gen nicht zu h ren, die im
Ergebnis auf eine materielle  berpr fung des Bewilligungsentscheides
abzielen, so etwa die Behauptung, Beweisantr ge seien wegen Unerheblichkeit
oder willk rlicher antizipierter Beweisw rdigung abgelehnt worden und die
Begr ndung des angefochtenen Entscheids sei unvollst ndig oder zu wenig
differenziert ausgefallen und setze sich nicht mit s mtlichen von den
Parteien erhobenen Argumenten auseinander (vgl. BGE 118 Ia 232 E. 1c S. 236;
117 Ia 90 E. 4a S. 95).

Die Beschwerdef hrer beschr nken sich in diesem Zusammenhang denn auch auf
die Geltendmachung von Geh rsverletzungen. Die betreffenden Einwendungen
(Nichtbeachtung des Protokollauszugs der F rsorgekommission M.________ vom
13. Dezember 2000, Nichtber cksichtigung von verschiedenen Arbeitszeugnissen,
fehlende Bem hungen der kantonalen Instanzen, sich mit den Argumenten der
Beschwerdef hrer auseinander zu setzen, vgl. S. 10 f. der Beschwerdeschrift)
sind jedoch untrennbar mit den streitigen Sachverhaltsfragen verkn pft,
weshalb praxisgem ss darauf nicht eingetreten werden kann (vgl. Urteil
2P.116/2001 vom 29. August 2001, E. 3b mit Hinweisen).

4.
Nach dem Gesagten ist auf die vorliegende Beschwerde nicht einzutreten.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten den Beschwerdef hrern
aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Ihrem Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeist ndung ist mangels Erfolgsaussicht
der gestellten Rechtsbegehren (vgl. Art. 152 OG) nicht zu entsprechen, da
 ber die Unzul ssigkeit des Rechtsmittels bzw. der erhobenen R gen keine
ernsthaften Zweifel bestehen konnten. Der finanziellen Situation der
Beschwerdef hrer wird bei der Bemessung der Gerichtsgeb hr Rechnung getragen
(Art. 153a OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeist ndung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgeb hr von Fr. 500.-- wird den Beschwerdef hrern auferlegt, unter
solidarischer Haftung.

4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdef hrern, dem Departement f r Justiz und
Sicherheit und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt
f r Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. April 2006

Im Namen der II.  ffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Pr sident:  Der Gerichtsschreiber: