Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.585/2006
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{T 0/2}
2A.585/2006 /ble

Urteil vom 4. Januar 2007
Zweite öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Hatzinger.

X. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg,

gegen

Departement des Innern des Kantons Solothurn,
vertreten durch das Amt für öffentliche Sicherheit, Ausländerfragen, des
Kantons Solothurn, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn,
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn,
Postfach 157, 4502 Solothurn.

Widerruf der Niederlassungsbewilligung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 23. August 2006.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1970, aus dem ehemaligen Jugoslawien), stellte im Oktober
1992 in der Schweiz ein Asylgesuch, das im Januar 1995 letztinstanzlich
abgewiesen wurde; die Frist zur Ausreise in sein Heimatland Kosovo wurde in
der Folge mehrmals erstreckt. Am 3. Januar 1997 heiratete er die Schweizer
Bürgerin Y.________ und erhielt sodann eine Aufenthaltsbewilligung. Ende 1999
teilte die Ehefrau dem Amt für öffentliche Sicherheit, Ausländerfragen, des
Kantons Solothurn mit, seit Ende Februar 1999 vom Ehemann getrennt zu leben.
Eine Scheidungsklage der Ehefrau wurde im Juni 2000 indes abgewiesen. Im
Rahmen von zwei Verlängerungen der Aufenthaltsbewilligung befragte das
kantonale Amt für Ausländerfragen die Ehegatten jeweils zu ihrer Ehe; es
stellte am 15. Dezember 2003 trotz voraussehbarer Scheidung die
Niederlassungsbewilligung in Aussicht, welche kurz darauf mit Wirkung ab 16.
Dezember 2003 erteilt wurde. Am 17. Dezember 2003 wurde die Ehe geschieden.
X.________ heiratete am 10. Juni 2004 im Kosovo die Landsmännin Z.________
(geb. 1974) und stellte im Februar 2005 für diese und die zwei gemeinsamen
Kinder A.________ (geb. 2000) und B.________ (geb. 2003) ein
Familiennachzugsgesuch. Mit Verfügung vom 28. April 2006 widerrief das
Departement des Innern des Kantons Solothurn die Niederlassungsbewilligung
mit der Begründung, X.________ habe gegenüber den Ausländerbehörden seine
Informationspflicht verletzt und diese Bewilligung erschlichen, indem er die
Vaterschaft seiner zwei ausserehelichen Kinder nicht angegeben habe; es
setzte ihm eine Frist, den Kanton zu verlassen. Auf das Gesuch um
Familiennachzug der Ehefrau und der beiden Kinder trat es nicht ein.

B.
Gegen die Verfügung des Departements gelangte X.________ an das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Dieses wies die Beschwerde am 23.
August 2006 ab (Zustellung: 4. September 2006).

C.
X.________ hat am 2. Oktober 2006 beim Bundesgericht
Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Er beantragt, das Urteil des
Verwaltungsgerichts aufzuheben und ihm die Niederlassungsbewilligung zu
belassen; eventuell sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen bzw.
subeventuell die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Antragsgemäss hat der Abteilungspräsident am 26. Oktober 2006 der Beschwerde
aufschiebende Wirkung erteilt.
Das Verwaltungsgericht, das Departement des Innern und das Bundesamt für
Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR
173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16.
Dezember 1943 (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Kantonal letztinstanzliche Entscheide über den Widerruf von
Niederlassungsbewilligungen können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht weitergezogen werden; der Ausschlussgrund von Art. 100 Abs. 1
lit. b Ziff. 3 OG steht dem nicht entgegen (vgl. Art. 101 lit. d OG). Die
Beschwerde ist daher zulässig, soweit damit die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und die Aufrechterhaltung der Niederlassungsbewilligung beantragt
wird.

1.3 Ob der vor Bundesgericht gestellte neue Antrag, dem Beschwerdeführer sei
eventualiter eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, prozessual zulässig
ist, kann dahingestellt bleiben, da dieses Begehren zum vornherein
unbegründet erscheint. Soweit die Beschwerde insofern überhaupt hinreichend
begründet ist, wird ein entsprechender Anspruch aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK
abgeleitet. Zwar kann sich nach der Rechtsprechung aus dieser Bestimmung
(vgl. auch Art. 13 Abs. 1 BV) bzw. aus dem Recht auf Achtung des Privatlebens
ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ergeben (vgl. BGE 130
II 281 E. 3.2.1 S. 286; 126 II 377 E. 2c/aa S. 384 f.); zu dessen Begründung
bedarf es aber praxisgemäss besonders intensiver, über eine normale
Integration hinausgehender privater Bindungen gesellschaftlicher oder
beruflicher Natur bzw. entsprechender vertiefter sozialer Beziehungen im
ausserfamiliären bzw. ausserhäuslichen Bereich. Solche durfte die Vorinstanz
vorliegend implizit verneinen: Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer
offenbar beruflich gut integriert und ihm auch eine soziale Integration
zuzusprechen ist, dass gegen ihn keine Betreibungen hängig sind und er einen
grundsätzlich guten Leumund besitzt, bringt er nichts Konkretes vor, was auf
besonders intensive private Beziehungen schliessen lässt. Daran ändert
nichts, dass der Arbeitgeber mit dem Beschwerdeführer zufrieden ist und
dieser in der örtlichen Vereinskultur nicht als Ausländer gelten mag.

1.4 Das Bundesgericht wendet vorliegend das Bundesrecht von Amtes wegen an;
es ist an die von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und
kann die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen
gutheissen oder abweisen (Art. 114 Abs. 1 OG; BGE 128 II 145 E. 1.2.2 S. 150
f.). Hat indes - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz
entschieden, ist deren Sachverhaltsfeststellung verbindlich, sofern diese
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgt ist (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn der Ausländer sie
durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen
erschlichen hat (Art. 9 Abs. 4 lit. a des Bundesgesetzes vom 26. März 1931
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAG; SR 142.20]). Der
Widerruf setzt voraus, dass der Betroffene wissentlich falsche Angaben
gemacht oder wesentliche Tatsachen verschwiegen hat, in der Absicht, gestützt
darauf den Aufenthalt oder die Niederlassung bewilligt zu erhalten (BGE 112
Ib 473 E. 3b S. 475 f.). Nach Art. 3 Abs. 2 ANAG ist der Ausländer
verpflichtet, der Behörde wahrheitsgetreu über alles Auskunft zu geben, was
für den Bewilligungsentscheid massgebend sein kann. Hiervon ist er selbst
dann nicht befreit, wenn die Fremdenpolizeibehörde die fragliche Tatsache bei
gebotener Sorgfalt selbst hätte ermitteln können. Wesentlich sind dabei nicht
nur die Umstände, nach denen die Fremdenpolizei ausdrücklich fragt, sondern
auch solche, von denen der Gesuchsteller wissen muss, dass sie für den
Bewilligungsentscheid massgeblich sind. Dazu gehört etwa die Absicht der
Nichtfortsetzung der bisherigen bzw. der Begründung einer neuen Ehe oder die
Tatsache, dass der Betroffene aussereheliche Kinder hat (Pra 2002 Nr. 163
S. 874, 2A.511/2001, E. 3.3-3.5). Ein Erschleichen der
Niederlassungsbewilligung kann nach der Praxis auch darin liegen, dass die
Angaben, auf die sich die Behörden bei der seinerzeitigen Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung gestützt hatten oder die bei späteren Verlängerungen
der Aufenthaltsbewilligung oder bei der Erteilung der
Niederlassungsbewilligung mangels anderer Angaben immer noch als massgebend
betrachtet werden durften, falsch oder unvollständig waren (Pra 2002 Nr. 163
S. 874, 2A.511/2001, E. 3.2; Nr. 165 S. 889, 2A.57/2002, E. 2.2). Es ist
nicht erforderlich, dass die Bewilligung bei richtigen und vollständigen
Angaben notwendigerweise zu verweigern gewesen wäre. Immerhin ist die
kantonale Behörde ihrerseits verpflichtet, vor Erteilung der
Niederlassungsbewilligung "das bisherige Verhalten des Ausländers nochmals
eingehend zu prüfen" (Art. 11 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März
1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer [ANAV;
SR 142.201]). Das Vorliegen eines Widerrufsgrundes führt zudem nicht zwingend
dazu, dass die Niederlassungsbewilligung auch tatsächlich zu widerrufen ist;
es muss beim entsprechenden Entscheid vielmehr jeweils den besonderen
Umständen des Einzelfalls angemessen Rechnung getragen werden (BGE 112 Ib 473
E. 4 und 5 S. 477 ff.; vgl. zum Ganzen Pra 2005 Nr. 100 S. 716, 2A.346/2004,
E. 2.2 mit weiteren Hinweisen).

3.
3.1 Dem Beschwerdeführer wird von den kantonalen Behörden vorgeworfen, das Amt
für Ausländerfragen nicht über die zweifache Vaterschaft informiert und somit
die Voraussetzungen für einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung (Art. 9
Abs. 4 lit. a ANAG) erfüllt zu haben.

3.2 Der Beschwerdeführer ging Ende Dezember 1999 mit Z.________ eine
aussereheliche Beziehung ein, welcher ein am 27. September 2000 geborenes
Kind entstammt. Zu dieser Zeit war der Beschwerdeführer zwar beinahe ein Jahr
von seiner damaligen Ehefrau Y.________ getrennt, mit ihr aber immer noch
verheiratet. Am 13. Dezember 2000 befragte ihn das kantonale Amt für
Ausländerfragen, ob er nicht rechtsmissbräuchlich an der Ehe festhalte. Er
antwortete, sich ein erneutes Zusammenzuleben mit Y.________ eventuell
vorstellen zu können; die Geburt des ersten ausserehelichen Kindes erwähnte
er jedoch nicht. Am 11. März 2003 wurde er wiederum zum Getrenntleben von
Y.________ befragt. Er gab u.a. an, sie wolle nicht mehr mit ihm
zusammenleben, da er keine Kinder wolle; sie wünsche aber Kinder. Am 20.
Oktober 2003 wurde ein zweites Kind von ihm und Z.________ geboren. Er war zu
diesem Zeitpunkt noch mit Y.________ verheiratet; die Ehe wurde erst am
17. Dezember 2003 geschieden. Die Niederlassungsbewilligung hatte er tags
zuvor erhalten. Im Juni 2004 heiratete er Z.________ und ersuchte im Februar
2005 für sie und die zwei gemeinsamen Kinder um Familiennachzug.

3.3
3.3.1 Das Vorgehen des Beschwerdeführers (Erwirken einer
Aufenthaltsbewilligung durch Heirat einer Schweizer Ehegattin trotz
kultureller und sprachlicher Verschiedenheit und nachfolgende Scheidung
unmittelbar nach Erhalt der Niederlassungsbewilligung mit anschliessender
Heirat einer Landsmännin und Familiennachzugsgesuch für diese und vorhandene
Kinder aus dem Heimatland) entspricht einem bekannten Verhaltensmuster (vgl.
Pra 2005 Nr. 100 S. 716, 2A.346/2004, E. 3.3 mit Hinweisen). In solchen
Konstellationen ist der Widerruf der Niederlassungsbewilligung regelmässig
gerechtfertigt (siehe auch Urteile 2A.423/2006 vom 26. Oktober 2006;
2A.10/2005 vom 2. Mai 2005; 2A.17/2005 vom 18. Januar 2005; 2A.659/2004 vom
19. November 2004; 2A.551/2003 vom 21. November 2003).

3.3.2 Im vorliegenden Fall hat die Ausländerbehörde die
Niederlassungsbewilligung erteilt, obwohl sie wusste, dass die Berufung auf
die Ehe mit der Schweizerin angesichts des Umstandes, dass die Ehegatten seit
langem getrennt gelebt hatten und eine Scheidungsklage der Ehefrau bloss
mangels Zeitablaufs abgewiesen worden war, möglicherweise
rechtsmissbräuchlich war. Die Behörde hatte aber keine Kenntnis von der
Existenz der beiden Kinder, die während der Ehe gezeugt worden waren; dabei
kann dahingestellt bleiben, ob es sich um eine eigentliche Parallelehe
gehandelt hatte (vgl. dazu Pra 2005 Nr. 100 S. 716, 2A.346/2004, E. 3.3;
siehe auch Urteil 2A.551/2003 vom 21. November 2003, E. 2.3). Hätte der
Beschwerdeführer das Amt für Ausländerfragen darüber informiert, wäre die
Niederlassungsbewilligung zweifellos nicht erteilt worden.

3.3.3 Was in der Beschwerde vorgebracht wird, ist nicht geeignet, zu einem
anderen Ergebnis zu führen. Dem Beschwerdeführer wird nicht zum Vorwurf
gemacht, dass er ausserhalb seiner Ehe Kinder gezeugt, sondern dass er deren
Existenz verschwiegen und damit die Niederlassungsbewilligung erschlichen
hat. Im Übrigen ist der Widerruf der Bewilligung nicht unverhältnismässig.
Der Familie ist zuzumuten, in der gemeinsamen Heimat zu leben. Die in der
Schweiz erworbenen beruflichen Fähigkeiten werden dem Beschwerdeführer auch
dort von Nutzen sein. Dass er allenfalls wirtschaftliche Nachteile erleiden
wird, hat er sich selbst zuzuschreiben und ändert an der Zulässigkeit des
Widerrufs der Niederlassungsbewilligung nichts.

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist demnach unbegründet und abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Kosten
dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Parteientschädigungen sind nicht
geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Departement des Innern und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für Migration
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Januar 2007

Im Namen der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: