Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.559/2006
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2A.559/2006 /leb

Urteil vom 2. August 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Schaub.

Eidgenössische Steuerverwaltung, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner,
Kantonales Steuergericht Solothurn,
Centralhof, Bielstrasse 9, 4502 Solothurn,

Steueramt des Kantons Solothurn, 4509 Solothurn.

Pauschale Steueranrechnung 2001 und 2002 / Rückleistung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil
des Kantonalen Steuergerichts Solothurn
vom 27. März 2006.

Sachverhalt:

A.
Für die Steuerperiode 2001 deklarierte X.________ "Aktien Y.________ USA" zum
Steuerwert von Fr. 688'000.-- per 31. Dezember 2001 sowie die daraus
fliessenden Dividenden von Fr. 5'416.50, ein Gesamtvermögen von Fr.
870'630.-- und Schuldzinsen von insgesamt Fr. 31'949.--. Das Steueramt des
Kantons Solothurn berichtigte das Gesamtvermögen auf Fr. 901'860.-- und die
Schuldzinsen auf Fr. 31'963.--. Für die Steuerperiode 2002 deklarierte
X.________ die "Aktien Y.________ USA" zum Steuerwert per 31. Dezember 2002
von Fr. 423'807.--, die daraus fliessenden Dividenden von Fr. 8'099.75, ein
Gesamtvermögen von Fr. 622'146.-- und Schuldzinsen von insgesamt Fr.
29'240.--.
Für die im Ausland nicht rückforderbaren Quellensteuern setzte das Steueramt
in der berichtigten definitiven Veranlagung vom 29. April 2002 für die
Steuerperiode 2001 eine pauschale Steueranrechnung von Fr. 812.45 und am 10.
Juni 2003 für die Steuerperiode 2002 in der Höhe von Fr. 1'214.95 fest.
Weil das Steueramt bei der Berechnung des maximal pauschal anrechenbaren
Betrags (sog. Maximalbetrag) die Schuldzinsen gemäss Art. 11 Abs.1 der
Verordnung des Bundesrates vom 22. August 1967 über die pauschale
Steueranrechnung (pStAV; SR 672.201) nicht berücksichtigt habe, verfügte die
Eidgenössische Steuerverwaltung am 21. März 2005 eine entsprechende Kürzung.
Gestützt darauf verlangte das Steueramt am 29. März 2005 die zu Unrecht
pauschal angerechneten Steuern im Betrag von Fr. 812.45 bzw. von Fr. 1'215.--
von X.________ zurück.

B.
Die dagegen von X.________ erhobene Beschwerde hiess das Steuergericht des
Kantons Solothurn am 27. März 2006 gut und wies die Sache zur Neubeurteilung
im Sinn der Erwägungen an das Steueramt zurück. Zur Begründung führte es aus,
bei der Berechnung des Maximalbetrags seien nicht die in der Steuererklärung
deklarierten Schuldzinsen im Verhältnis der Aktiven zum Gesamtvermögen zu
verteilen, sondern nur diejenigen Schuldzinsen zu berücksichtigen, welche mit
der Erzielung der Erträge kausal zusammenhingen.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 19. September 2006 beantragt die
Eidgenössische Steuerverwaltung dem Bundesgericht, den Entscheid des
Steuergerichts vom 27. März 2006 aufzuheben und die Rückleistungsverfügung
des Steueramts vom 29. März 2005 betreffend die Steuerperioden 2001 und 2002
zu bestätigen.
Der Beschwerdegegner macht geltend, einen Teil der fraglichen Aktien ohne
Kredit erworben zu haben und verlangt darauf die Gewährung der pauschalen
Steueranrechnung. Für die Dividenden der teilweise auf Kredit erworbenen
Aktien sei ihm für einen Teil die pauschale Steueranrechnung und für den
andern Teil die Nettobesteuerung zu gewähren.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die vorliegende Beschwerde untersteht noch dem Bundesgesetz vom 16.
Dezember 1946 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG), weil der
angefochtene Entscheid vor dem Datum des Inkrafttretens des Bundesgesetzes
vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110) am 1. Januar 2007
(AS 2006 1242) ergangen ist (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Die Entscheide über die pauschale Steueranrechnung unterliegen den
gleichen Rechtsmitteln wie die Entscheide über die Rückerstattung der
eidgenössischen Verrechnungssteuer durch die Kantone (Art. 18 pStAV). Nach
Art. 56 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer
(VStG; SR 642.21) kann der Entscheid der kantonalen Rekurskommission durch
Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Der Entscheid des
Steuergerichts stellt deshalb einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid im
Sinn von Art. 98 lit. g OG dar und kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 97 Abs. 1 und Art. 98 lit. g OG
in Verbindung mit Art. 5 VwVG [SR 172.021]). Die Eidgenössische
Steuerverwaltung ist hierzu legitimiert (Art. 66 Abs. 3 der
Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1966 zum Bundesgesetz über die
Verrechnungssteuer [Verrechnungssteuerverordnung, VStV; SR 642.211] in
Verbindung mit Art. 103 lit. b OG). Auf die frist- und formgerecht
eingereichte Eingabe ist einzutreten (vgl. Art. 106 und 108 OG).

1.3 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat wie hier eine
richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die
Sachverhaltsfeststellungen gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG). Das Bundesgericht
wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde das Bundesrecht von
Amtes wegen an, ist durch die von den Parteien vorgebrachten Begründungen
nicht eingeschränkt (Art. 114 Abs. 1 OG) und kann die Beschwerde auch aus
anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen (BGE 132
II 257 E. 2.5 S. 262 mit Hinweis).

2.
2.1 Nach dem Abkommen vom 2. Oktober 1996 zwischen der Schweizerischen
Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (DBA-USA; SR
0.672.933.61) können Dividenden einer amerikanischen Gesellschaft, die eine
in der Schweiz ansässige Person als Nutzungsberechtigter bezieht,
grundsätzlich in der Schweiz besteuert werden (vgl. Art. 10 Ziff. 1 DBA-USA).
Diese Dividenden können jedoch auch in den USA als Quellenstaat nach deren
Recht besteuert werden, wobei diese Steuer 15% des Bruttobetrags der
Dividenden nicht übersteigen darf (vgl. Art. 10 Ziff. 2 lit. b DBA-USA).

2.2 Zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung wird in der Schweiz
als Ansässigkeitsstaat eine Entlastung nach dem Anrechnungsprinzip durch die
pauschale Steueranrechnung vorgenommen. Empfänger von Dividenden, Zinsen und
Lizenzgebühren können für die auf diesen Erträgnissen in Übereinstimmung mit
einem Doppelbesteuerungsabkommen in einem Vertragsstaat erhobene und nicht
zurückzuerstattende Steuer eine Entlastung von der schweizerischen Steuer in
Form einer pauschalen Steueranrechnung beantragen (vgl. Art. 1 Abs. 2 und
Art. 2 Abs. 1 pStAV).

2.3 Nach Art. 8 Abs. 2 pStAV entspricht der Betrag der pauschalen
Steueranrechnung der Summe der Steuern, die in den Vertragsstaaten von den im
Laufe eines Jahres (Fälligkeitsjahres) fällig gewordenen Erträgnissen in
Übereinstimmung mit den anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen erhoben worden
sind, höchstens aber der Summe der auf diese Erträgnisse entfallenden
schweizerischen Steuern (sog. Maximalbetrag). Zur Berücksichtigung von
Schuldzinsen, Unkosten und anderen Abzügen bestimmt Art. 11 pStAV:
Art. 11
1 Für die Berechnung des Maximalbetrags können die Erträgnisse um die
Schuldzinsen, die auf sie entfallen, und um die Unkosten, die mit der
Erzielung der Erträgnisse zusammenhängen, gekürzt werden.
2 ...

3.
Vorliegend umstritten ist die Ermittlung des Maximalbetrages bzw. die dabei
massgebende Aufteilung der Schuldzinsen.

3.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sind die auf die Erträgnisse
entfallenden Schuldzinsen zu ermitteln, indem die gesamten Schuldzinsen
anteilmässig auf das gesamte Vermögen verlegt werden. Anschliessend sei
derjenige Anteil der Schuldzinsen zu berücksichtigen, der dem Anteil der die
Erträgnisse generierenden Vermögenswerte am gesamten Vermögen entspricht.

3.2 Demgegenüber sind das Steuergericht und der Beschwerdegegner der Meinung,
von den ausländischen Erträgnissen seien diejenigen Schuldzinsen in Abzug zu
bringen, die mit ihrer Erzielung kausal zusammenhängen.

4.
4.1 Nach dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 pStAV sind Schuldzinsen und Unkosten
für die Kürzung der Erträgnisse unterschiedlich zu behandeln. Die Kürzung ist
bei Schuldzinsen anteilmässig ("die auf sie entfallen") und bei Unkosten
kausal ("die mit der Erzielung der Erträgnisse zusammenhängen") vorzunehmen.
Hätte der Gesetzgeber für Schuldzinsen und Unkosten dieselbe Regelung
gewollt, wäre die Kürzung nicht in zwei verschiedenen Nebensätzen umschrieben
worden.

4.2 Systematisch stimmt diese proportionale Verlegung der Schuldzinsen auf
die Aktiven überein mit der Regelung im interkantonalen
Doppelbesteuerungsrecht (vgl. BGE 133 I 19 insbes. E. 3 und 5; Peter Locher,
Einführung in das interkantonale Steuerrecht, 2. Aufl., Bern 2003, S. 44 f.
und S. 104 f.; Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil, Art. 1-48 DBG,
Therwil/Basel 2001, Rz 8 zu Art. 6 DBG) und im internationalen
Doppelbesteuerungsrecht (vgl. Peter Locher, Einführung in das internationale
Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl., Bern 2005, S. 483 ff., 497; Peter Locher,
Kommentar, a.a.O., Rz 18 ff. zu Art. 6 DBG).

4.3 Schulden und Schuldzinsen werden als eine besondere Belastung des
Vermögens und des daraus fliessenden Ertrags betrachtet; sie sind daher bei
Privatpersonen quotenmässig, im Verhältnis der Aktiven, zu verlegen (BGE 120
Ia 349 E. 2a S. 351). Sie werden aber innerhalb der Vermögenserträge nicht
nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang, sondern nach Massgabe der
Vermögenszusammensetzung aufgeteilt (vgl. Urs Jendly, Die Pauschale
Steueranrechnung, in: Ernst Höhn [Hrsg.], Handbuch des internationalen
Steuerrechts der Schweiz, 2. Auflage, Bern/Stuttgart/Wien 1993, S. 357-380,
365). Ausscheidungsrechtlich gilt der Grundsatz, dass jeder Teil des gesamten
Vermögens im gleichen Verhältnis mit Fremd- und Eigenkapital finanziert ist.

4.4 Das entspricht auch dem Sinn des Maximalbetrags: Dabei geht es um den
Steuerbetrag, der sich ergäbe, wenn es sich beim betreffenden Ertrag um einen
Zufluss aus inländischer Quelle gehandelt hätte (vgl. Silvia Frohofer/Martin
Kocher, Die pauschale Steueranrechnung - Voraussetzungen und Rechtsfolgen,
ASA 73 S. 513-539, 535; Peter Locher, Internationales Steuerrecht, a.a.O., S.
491, 495 ff.), und nicht, wie das Steuergericht zu Unrecht annimmt, um einen
Vergleich mit der Situation, wenn die entsprechenden Anteile gar nicht
erworben bzw. keine Einkünfte erzielt worden wären.

4.5 Keine Anhaltspunkte gibt es sodann für die Auffassung des Steuergerichts,
die Steuerverwaltung könne im Sinn einer Beweislastregelung von einer
proportionalen Aufteilung der Schuldzinsen ausgehen und der Steuerpflichtige
habe die Möglichkeit, eine andere Verteilung nachzuweisen.

4.6 Auch die differenziertere Betrachtungsweise des Beschwerdeführers, der je
nach Kreditbelastung der einzelnen Dividenden eine vollständige oder
teilweise Gewährung der pauschalen Steueranrechnung verbunden mit einer
teilweisen Nettobesteuerung verlangt, steht weder mit dem Wortlaut von Art.
11 Abs. 1 pStAV noch deren Sinn (Steuerermittlung wie bei inländischem
Zufluss) in Einklang und kann daher nicht geschützt werden. In Bezug auf die
Nettobesteuerung sind vorliegend die Voraussetzungen nach Art. 2 Abs. 3 pStAV
ohnehin nicht erfüllt, weil der Beschwerdegegner die pauschale
Steueranrechnung verlangt hat und der Anspruch darauf nach Art. 3-7 pStAV
nicht ausgeschlossen ist.

5.
5.1 Demnach erweist sich die Beschwerde als begründet. Der angefochtene
Entscheid ist aufzuheben, und die Rückleistungsentscheide des Kantonalen
Steueramts vom 29. März 2005 sind zu bestätigen.

5.2 Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdegegner die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 153 und 153a OG). Parteikosten sind keine auszurichten (Art. 159 Abs. 2
OG). Das Steuergericht hat über die Kosten seines Verfahrens neu zu befinden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des
Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 27. März 2006 aufgehoben. Die
Rückleistungsentscheide des Kantonalen Steueramts vom 29. März 2005
betreffend die Steuerperioden 2001 und 2002 werden bestätigt.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonalen Steuergericht Solothurn
sowie dem Steueramt des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. August 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: