Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.558/2006
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2006
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2006


{T 0/2}
2A.558/2006 /leb

Urteil vom 22. Februar 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Hans Ludwig Müller,

gegen

Regierungsrat des Kantons Zürich,
Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer,
Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.

Familiennachzug,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich
vom 8. August 2006.

Sachverhalt:

A.
Der aus Mazedonien stammende A.________ (geb. 1956) hielt sich von 1983 bis
1986 und von 1990 bis 1993 als Saisonnier in der Schweiz auf. Aus erster Ehe
mit B.________ hat er die beiden Söhne C.________ (geb. 1987) und D.________
(geb. 1989). Die zwei Brüder wurden bei der Scheidung der Ehe durch das
Amtsgericht Tetovo am 28. Mai 2001 unter das Sorgerecht des Vaters gestellt.

Am 23. Dezember 2002 heiratete A.________ in der Vojvodina die von dort
stammende, in der Schweiz niederlassungsberechtigte E.________ (geb. 1957).
Er zog zu ihr in den Kanton Zürich und erhielt eine Aufenthaltsbewilligung.

B.
Am 30. Juni 2004 ersuchte A.________ um Familiennachzug für seine beiden
Söhne C.________ und D.________. Am 18. November 2004 wies die Direktion für
Soziales und Sicherheit (Migrationsamt) des Kantons Zürich dieses Gesuch ab,
im Wesentlichen mit der Begründung, C.________ und D.________ seien in
Mazedonien aufgewachsen, besuchten dort die Schulen, möchten aber nun in der
Schweiz eine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Die Bestimmungen über den
Familiennachzug dürften indessen nicht (wegen der besseren Ausbildungs- und
Erwerbsmöglichkeiten in der Schweiz) für den Nachzug von Jugendlichen
missbraucht werden. Zudem könne der Vater keine enge Beziehung zu seinen
Söhnen nachweisen.

Ein gegen diese Verfügung erhobener Rekurs beim Regierungsrat des Kantons
Zürich blieb erfolglos, und mit Entscheid vom 8. August 2006  wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die gegen den regierungsrätlichen
Entscheid vom 25. Januar 2006 erhobene Beschwerde ebenfalls ab, soweit es
darauf eintrat. Dieser Entscheid wurde dem Rechtsvertreter von A.________ am
18. August 2006 eröffnet.

C.
Mit Eingabe vom 18. September 2006 führt A.________ "Verwaltungsbeschwerde"
(recte: Verwaltungsgerichtsbeschwerde) beim Bundesgericht mit den Anträgen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 8. August 2006
aufzuheben und den Nachzug der Söhne C.________ (geb. 1987) und D.________
(geb. 1989) zum Verbleib beim Vater zu bewilligen; eventuell sei die
Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatskanzlei des Kantons Zürich beantragt - für den Regierungsrat -
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesamt für Migration schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf eingetreten werden könne.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) in Kraft getreten. Da
der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren
noch nach dem Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG), vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG.

2.
2.1 Nach Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiet der Fremdenpolizei
ausgeschlossen gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf
die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Gemäss Art. 4 des
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (ANAG; SR 142.20) entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der
gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem
Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlassung. Damit besteht
kein Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung, es sei denn, der Ausländer
oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen können sich hierfür auf eine
Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen (BGE 130 II 281
E. 2.1 S. 284; 128 II 145 E. 1.1.1 S. 148 mit Hinweisen).

2.2 Gemäss Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG haben ledige Kinder von Ausländern, die
in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch auf Einbezug in die
Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern, wenn sie mit diesen zusammenwohnen
und noch nicht 18 Jahre alt sind.

Der Beschwerdeführer als Vater der beiden nachzuziehenden Söhne ist nicht im
Besitz einer Niederlassungs-, sondern bloss einer Aufenthaltsbewilligung. Für
den Familiennachzug kann er sich daher nicht auf Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG
berufen. Aus dem innerstaatlichen Gesetzesrecht lassen sich vorliegend keine
Ansprüche ableiten. Als Anspruchsgrundlage fällt einzig Art. 8 EMRK in
Betracht.

2.3 Art. 8 EMRK und Art. 13 BV garantieren den Schutz des Familienlebens.
Gestützt darauf ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die
fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchenden Ausländers oder seines hier
anwesenden nahen Verwandten zulässig, wenn dieser über ein gefestigtes
Anwesenheitsrecht in der Schweiz verfügt und die familiäre Beziehung
tatsächlich gelebt wird und intakt ist (BGE 109 Ib 183; 127 II 60 E. 1d/aa S.
64 f., mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer war bereits bei der Einreichung des Nachzugsgesuches im
Juni 2004 im Besitz der Aufenthaltsbewilligung. Da diese auf Art. 17 ANAG
beruhte - welche Norm dem ausländischen Ehegatten eines niedergelassenen
Ausländers u.a. einen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der
Aufenthaltsbewilligung einräumt, so- lange die Ehegatten zusammen wohnen -,
lag insoweit ein gefestigtes Anwesenheitsrecht vor, welches aufgrund von Art.
8 EMRK einen Anspruch auf Nachzug der Kinder verschaffen konnte. Dieser
konventionsrechtliche Anspruch garantiert jedoch - im Gegensatz zu Art. 17
ANAG, wonach nachgezogene minderjährige Kinder eines niedergelassenen
Ausländers sofort eine (unbefristete) Niederlassungsbewilligung erhalten bzw.
in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern einbezogen werden - nur die
Gestattung des Aufenthaltes im Rahmen von befristeten
Aufenthaltsbewilligungen bis zur Erreichung der Mündigkeit. Aus diesem Grunde
stellt die bundesgerichtliche Praxis nur für die Ansprüche aus Art. 7 und 17
ANAG auf das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung ab, während
für die Ansprüche aus Art. 8 EMRK die Sachlage im Zeitpunkt der
Urteilsfällung massgebend ist (vgl. BGE 129 II 11 E. 2 S. 13 mit Hinweisen).
Das aus Art. 8 EMRK ableitbare Anwesenheitsrecht erlischt mit Erreichen der
Mündigkeit, womit zugleich die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
entfällt, welche einen (aktuellen) Rechtsanspruch auf die anbegehrte
Bewilligung voraussetzt (BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 262 f., 129 II 11 E. 2 S.
13, Urteile 2A.298/2006 vom 27. Oktober 2006, E. 1.2, und 2A.258/2006 vom 27.
Oktober 2006, E. 4.1 ). Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung
abzuweichen.

Da der 1987 geborene Sohn C.________ heute volljährig ist (bzw. die
Volljährigkeit schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht erreicht hatte),
kann der Beschwerdeführer für ihn heute keinen Nachzugsanspruch aus Art. 8
EMRK mehr ableiten; ein besonderes, über die Mündigkeit hinausgehendes
Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Vater und dem volljährigen Sohn, welches
allenfalls einen derartigen Anspruch verschaffen könnte (BGE 120 Ib 257 E.
1d/e S. 260 f.), wird weder behauptet noch dargetan. Soweit der
Familiennachzug für den Sohn C.________ verlangt wird, ist auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mangels eines Rechtsanspruches daher nicht
einzutreten.

Die Möglichkeit eines Nachzugsanspruchs gestützt auf Art. 8 EMRK besteht
heute einzig noch für den am 1. April 1989 geborenen Sohn D.________, der
allerdings ebenfalls unmittelbar vor dem Erreichen der Mündigkeit steht.
Soweit der angefochtene Entscheid ihn betrifft, ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach dem Gesagten zulässig, und der
Beschwerdeführer ist hierzu legitimiert (Art. 103 lit. a OG). Insoweit ist
darauf einzutreten.

2.4 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat - wie hier - eine
richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an die
Sachverhaltsfeststellung im angefochtenen Entscheid gebunden (Art. 105 Abs. 2
OG).

3.
3.1 Die in der Rechtsprechung zu Art. 7 und 17 ANAG entwickelten
Voraussetzungen für den nachträglichen Nachzug von Kindern sind
unterschiedlich, je nachdem ob es sich um die Vereinigung mit den gemeinsamen
Eltern oder aber mit einem getrennt lebenden Elternteil handelt. Im ersten
Fall bedarf es, unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches, keiner besonderen
Rechtfertigung dafür, dass das Nachzugsrecht erst nachträglich geltend
gemacht wird; im zweiten Fall dagegen wird ein nachträglicher Familiennachzug
nur bewilligt, wenn besondere familiäre Gründe bzw. eine Änderung der
Betreuungssituation dies gebieten (BGE 130 II 1 E. 2.2 S. 4; 129 II 11 E. 3.1
S. 14 f.; 126 II 329 E.2a und 3b S. 330/332). Diese Grundsätze müssen auch
für die Ansprüche aus Art. 8 EMRK Geltung haben. Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV
räumen grundsätzlich nicht jenem Elternteil ein Recht auf Nachzug ein, der
freiwillig ins Ausland gezogen ist und ein weniger enges Verhältnis zum Kind
hat als der Elternteil oder die Verwandten, die für dieses in der Heimat
sorgen (BGE 125 II 633 E. 3a S. 640; 122 II 385 E. 4b S. 392). Der Nachzug
des Kindes muss sich zu dessen Betreuung aus stichhaltigen Gründen als
erforderlich erweisen (vgl. BGE 124 II 361 E. 3a S. 366); dies ist
regelmässig nicht der Fall, wenn im Heimatland alternative
Pflegemöglichkeiten bestehen, die dem Kindeswohl besser entsprechen,
beispielsweise weil dadurch vermieden werden kann, dass das Kind aus seiner
bisherigen Umgebung und dem ihm vertrauten Beziehungsnetz gerissen wird (BGE
125 II 585 E. 2c S. 588 mit Hinweisen).

3.2 Der Beschwerdeführer kann als getrennt lebender Elternteil gestützt auf
die genannte Konventionsgarantie den nachträglichen Nachzug seines Sohnes
D.________ nur verlangen, wenn stichhaltige Gründe für dessen Übersiedlung
zum Vater in die Schweiz bestehen. Diese Gründe müssen angesichts der
drohenden Integrationsschwierigkeiten umso gewichtiger sein, je älter das
nachzuziehende Kind ist (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16, vgl. dazu auch
das zur Publikation vorgesehene Urteil 2A.316/2006 vom 19. Dezember 2006, E.
5.3, u.a. mit Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte i. S. Tuquabo-Tekle [Nr. 60665 vom 1. Dezember 2005]).

3.3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, D.________ sei mit seinem Bruder
zunächst bei seinen Eltern in Mazedonien aufgewachsen, wobei der Vater
jeweils als Saisonnier in der Schweiz gearbeitet habe. Bei der Scheidung sei
das Sorgerecht über die beiden Kinder vom Amtsgericht Tetovo zwar auf den
Vater übertragen worden, weil die Mutter nach Auffassung dieses Gerichts die
"Voraussetzungen" zu deren Erziehung nicht erfüllt habe. Die Kinder lebten
aber seit der Scheidung der Eltern bei der Schwester des Beschwerdeführers im
(benachbarten) Dorf Zelino. D.________ sei im Übrigen bereits 17 Jahre alt
und deshalb nur noch kurze Zeit auf eine gewisse Betreuung angewiesen. Bis zu
seiner Volljährigkeit könne diese nötige Betreuung - wie schon in den letzten
Jahren - von der Schwester des Beschwerdeführers erbracht werden.

3.4 Aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Urteil, an die
das Bundesgericht nach Massgabe von Art. 105 Abs. 2 OG gebunden ist (E. 2.4),
ist keine wesentliche Änderung der Betreuungssituation eingetreten, welche
den Nachzug des Sohnes D.________ zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtfertigen
würde. Die Söhne des Beschwerdeführers leben heute, wovon in Übereinstimmung
mit der Darstellung in der Beschwerdeschrift auch das Verwaltungsgericht
ausgeht (S. 7 oben des angefochtenen Entscheides), bei der Schwester des
Beschwerdeführers. Gewichtige sachliche Gründe, dieses in der
Beschwerdeschrift (S. 9) als "Notlösung" bzw. als "Übergangslösung"
bezeichnete Betreuungsverhältnis heute kurz vor Erreichung der Volljährigkeit
von D.________ zugunsten einer Übersiedlung in die Schweiz zu beenden, sind
weder dargetan noch erkennbar. Was in der Beschwerdeschrift gegen die
Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Urteil (etwa betreffend den
Todeszeitpunkt der Eltern des Beschwerdeführers) sowie zur Erläuterung der
bisherigen Familienverhältnisse (persönliche Kontakte bzw. Zerwürfnisse)
vorgebracht wird, ist nicht geeignet, diese rechtliche Schlussfolgerung in
Frage zu stellen. Der angefochtene Entscheid genügt auch der
Begründungspflicht (vgl. dazu ausführlich BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f. mit
Hinweisen).

4.
Dies führt zur Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf
eingetreten werden kann.

Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a
OG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem
Verwaltungsgericht (4. Abteilung, 4. Kammer) des Kantons Zürich  sowie dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Februar 2007

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: